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Über eindrückliche Recherchen, jungen Journalismus bei funk und Bekehrungstherapien für Homosexuelle: Ein Gespräch mit Journalist Timm Giesbers vom Format „reporter“
/in Medienpraxis, Neueste Beiträge/von Marie-Claire KrezerComing-out in Songs: Die Musical-Serie „Glee“
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Wenn FOX am 26. September die erste Folge der fünften Staffel von „Glee“ ausstrahlt, wird einer fehlen: Cory Monteith. Im Juli dieses Jahres starb der Darsteller von Finn Hudson. Sicherlich ist es ein schwerer Verlust für seine Angehörigen, gerade auch für seine Freundin und Serienpartnerin Lea Michele. Aber auch für die Serie selbst.
Musical ist wieder in
Denn auch Dank Cory Monteiths schauspielerischem und gesanglichem Talent hat es „Glee“ geschafft, das Musical wieder salonfähig zu machen, ja sogar das Genre von der großen Leinwand auf den kleinen Bildschirm zu holen. Als im Jahr 2009 die Serie auf dem US-Sender FOX erstmals ausgestrahlt wurde, sprach Ryan Murphy, Co-Creator und ein Executive Producer der Serie, davon, „a sort of postmodern musical“ machen zu wollen. „Fox was not interested, and neither was I, in doing a show where people burst into song”, sagte er gegenüber der New York Times. Denn diese abrupten Wechsel von Narration in Musik- und Tanzperformance waren genau das, was die frühen Musicals in den 1930iger bis 1950iger Jahre oftmals ausmachte.
In den vergangenen Dekaden hingegen spielte das Musical-Genre eine eher untergeordnete Rolle, doch mit Filmen wie „Moulin Rouge!“ (2001) und „Burlesque“ (2010) konnte es zuletzt wieder im Mainstream Fuß fassen. Das Problem mit der unnatürlichen Gesangs- und Tanzsequenzen umgeht „Glee“, indem es diese Elemente sinnvoll in die Handlung einbettet. Immerhin handelt es sich bei „Glee“ um einen Show-Chor, da muss geprobt und aufgetreten werden. Dies ähnelt dem Prinzip der bekannten Show-Musicals aus dem letzten Jahrhundert wie etwa „Singin‘ in the Rain“ (1952).
Neben dem Show-Musical gibt es noch zwei weitere Subgenres: Das Fairy Tale-Musical und das Folk-Musical – diese drei Typen unterscheidet zumindest Rick Altman, der mit „The American Film Musical“ ein Standardwerk zum Musical vorgelegt hat.
Coming Out in Songs
Fernab seiner Musical-Elemente setzt „Glee“ aber auf eine Dramady-Mischung, die mehr als nur Teenie-Probleme beinhaltet. So wird Homosexualität und seine Akzeptanz in der Gesellschaft wird immer wieder thematisiert. Nicht nur die männliche Homosexualität wie bei Kurt (gespielt von Chris Colfer), sondern auch die weibliche wie bei Santana (gespielt von Naya Rivera). Der Prozess des Coming-outs ist ein großes Thema, die Reaktion ihrer Freunde ist zumeist positiv, doch deutlich wird immer wieder: Noch reagieren nicht alle Menschen mit Akzeptanz und Toleranz auf das vermeintlich Unnormale. „Glee“ trägt aber mit der offenen Thematisierung dazu bei, dass sich dies ändert – das belegt sogar eine Studie. Zahlreiche weitere Figuren – der im Rollstuhl sitzende Artie, die an Zwangsstörungen leidende Lehrerin Emma, die Zöllibatsclub-Präsidentin und plötzlich Schwangere Quinn – sorgen für abwechslungsreiche und sozialkritische Storylines, die sich auch über mehrere Staffeln spannen.
Doch als Musical-Serie funktioniert „Glee“ nur, weil es diese ganzen Elemente verwebt und aufgreift: Die Songs sprechen den Figuren aus der Seele und passen zur Diegese. Wenn Santana passend zu ihrem Outing „I Kissed a Girl“ von Katy Perry singt, mag dies wohl naheliegen (Folge 7/ Staffel 3). Aber die Performance als Antwort auf die dumme Anmache eines Schülers zu nutzen, bei der sich Santanas weiblichen Club-Kolleginnen bildlich an ihre Seite stellen und den Song mit ihr singen, zeugt von der starken Verknüpfung von Diegese und Gesang bzw. Tanz.
Wie „Glee“ zukünftig ohne Cory Monteith sein wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist aber, dass sein Tod in der dritten Folge der fünften Staffel thematisiert werden wird. Dass dies (auch) musikalisch sein wird, ist anzunehmen.
Foto: flickr.com/Kirstin Dos Santos (CC BY-SA 2.0)
That’s so gay!
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Cybermobbing hat Konjunktur – besonders aus den USA erreichen uns ständig Schlagzeilen über neue Vorfälle. Immer wieder ist Homophobie Auslöser von jugendlichen Tragödien – und das Internet spielt dabei eine zunehmend bedeutsamere Rolle. Betroffen sind dabei, glaubt man der medialen Berichterstattung, vorrangig junge Homosexuelle. Doch diese These wird nicht nur von den unzähligen „Einzelfällen“ gespeist, sondern auch von der Existenz einer anderen, in den Augen mancher „harmloseren“ Form der Homophobie: einer homophoben Alltagssprache.
Den Beweis der Existenz liefert Twitter. Das soziale Netzwerk ist bis zum Bersten gefüllt mit homophoben Postings. Im Sekundentakt kommen neue hinzu. Einschlägige Ausdrücke wie „That was so gay“, „Faggot is in my college course“ oder „Fuck off with you gay fucking annoying laugh u faggot“ sind nur drei Beispiele homophober Sprache bei Twitter unter vielen.
Seit einigen Jahren haben sich Forscher der Universität von Alberta, Canada, dem Kampf gegen diese Tweets verschrieben: Vor drei Monaten riefen sie eine Internetseite ins Leben, die jedem Besucher in Echtzeit vor Augen führt, wie es sich bei Twitter mit homophoben Tweets verhält.
Homophobie in Daten
Die besagte Internetseite, nohomophobes.com, ist ein Projekt des „Institute for Sexual Minority Studies and Services“ der Faculty of Education der Universität von Alberta in Edmonton, Canada. Anfang Juli 2012 als „social mirror“ (Quelle: Pressemitteilung 26.09.12) ins Leben gerufen, zählt es seitdem „faggot“-, „so gay“-, „no homo“- und „dyke“-Tweets – in der Übersetzung: „Schwuchtel“-, „so schwul“-, „kein homo“- und „Lesbe“-Tweets. Die Macher sehen das Projekt als „soziales Gewissen“:
Perhaps, what this website does best, and why it has received so much international attention, is how the site serves as a form of collective social conscience, which reminds us about the powerof our words and how we have to take responsibility for our actions. (Quelle: Pressemitteilung 26.09.12)
Über 5 Millionen homophobe Tweets hat nohomophobes.com in den letzten drei Monaten gezählt. Von dieser gewaltigen Zahl zeigte sich selbst Institutsdirektor Kristopher Wells überrascht. Mit einem solchen Ausmaß habe man nicht im Geringsten gerechnet: „We never imagined the scale of casual homophobia that actually exists on social media“ (Quelle: Pressemitteilung 26.09.12).
Tatsächlich ist die Bilanz erschreckend: Im Schnitt werden auf Twitter täglich etwa 30.000 „faggot“-Tweets, 10.000 „so gay“-Tweets, 8.000 „no homo“-Tweets und etwa 3000 „dyke“-Tweets gepostet.
Homophob oder nicht?
Die Frage, ob die Verfasser tatsächlich alle homophob sind, lässt sich zwar nicht beantworten, doch es ist relativ unwahrscheinlich, dass hinter jedem besagten Tweet Hass gegenüber beziehungsweise Angst vor Homosexuellen steht.
Plausibler erscheint eine These, die von der Entstehung einer neuen Modesprache ausgeht. Während vor ein paar Jahren erste Fragmente vor allem auf Schulhöfen lediglich aus den Kehlen naiver Vorpubertierender schallten, hat sie sich bis heute zu einem hippen „Slang“ entwickelt, der jenseits von jeglich empathischen Empfinden sein Unwesen treibt. Längst haben sich Ausrufe wie „Das ist doch schwul!“ oder „So ein Homo!“ in der Sprache der Jugend festgesetzt.
Selbige Begriffe bezeichnen nach dem Verständnis vieler nicht mehr vorrangig eine andere sexuelle Identität, sondern stehen als Synonym etwa für „langweilig“ oder gar „scheiße“.
Seit dem Beginn des digitalen Zeitalters erhält diese Verschiebung der linguistischen Bedeutung besagter Begriffe nun Einzug in diversen sozialen Netzwerken. So unbewusst sich dort viele Internetnutzer dieser vermeintlichen Alltagssprache bedienen, so gefährlich ist die Konsolidierung derselben in der digitalen Gesellschaft. Denn es muss bedacht werden: Der mediale Ausdruck über Twitter geschieht hier immer auf Kosten einer gesellschaftlichen Gruppierung.
Menschen sind „desensibilisiert“
Kristopher Wells, Leiter des „Institute for Sexual Minority Studies and Services“ sieht das ähnlich. Gegenüber media-bubble.de sagt er:
While not all people tweeting are homophobic, their use of derogatory language hurts, stereotypes, and further isolates sexual and gender minorities, their friends, and families. We believe that many people have simply become desensitized to these words and the devastating impact they have in our society. These words quite simply serve to reinforce stereotypes and are often used as powerful weapons to defile and further marginalize gay, lesbians, bisexual, and transgender people.
Gerade im Hinblick auf die geistige Entwicklung (homosexueller) Jugendlicher sei diese Desensibilisierung äußerst problematisch:
We are particularly concerned about the negative environment or climate these words have on youth who may be coming to terms with or questioning their sexual orientation or gender identity.
Die, durch die These der Modesprache, dargelegte Assoziation negativer Eigenschaften birgt zudem die Gefahr einer gesellschaftlich anerkannten Verachtung von Homosexuellen, die schließlich über soziale Netzwerke „globalisiert“ werden kann. Daher muss man sich gegen eine homophobe Sprache stellen – das will auch nohomophobes.com:
Ultimately, we hope that the website […]will encourage people to think critically before they speak or tweet! After all, words have the power to hurt, or to help. If casual homophobia is to end, we all must help to break the silence that surrounds the power of these words. If we don’t speak up, who will?
Um Wells Argumentation aufzugreifen: Internetnutzer müssen resensibilisiert werden für die Sprache, die sie verwenden – im wirklichen Leben wie in sozialen Netzwerken. Nur wenn sie sich bewusst die wahre Bedeutung ihrer Worte vor Augen führen, kann Einsicht erreicht werden.
Bilder: Pressebilder (erhalten via E-Mail)
„Queer as Folk kann nicht oft genug ausgestrahlt werden“
/0 Kommentare/in Archiv/von Alexander Karlvon Alexander Karl
Elke Kriebel (50) hat das möglich gemacht, von dem nur wenige Fans überhaupt träumten: Ein Treffen mit den Stars der US-Serie Queer as Folk (QaF), das im Juni 2012 in Köln stattfand (media-bubble.de berichtete). Nun erscheint die DVD zur Convention mit vielen Blicken hinter die Kulissen. Auf der DVD enthalten: Die schönsten Bilder und Momente der Convention und zusätzliches Interviewmaterial (siehe Rezension nach dem Beitrag).
media-bubble.de sprach mit Elke Kriebel über die Faszination von Queer as Folk, die Bedeutung der Serie und die kommende Convention in LA.
Elke, du hast die QaF-Convention zusammen mit deinen Partnern von eventqube in Köln initiiert und organisiert. Auffällig war, dass sehr viele weibliche und nur recht wenige männliche Fans vor Ort waren – obwohl sich Queer as Folk vor allem an Schwule richtet. Woher kommt das?
Elke Kriebel: Es ist natürlich auch für Frauen schön, gut aussehende Männer – wobei auch immer – zu betrachten. Was ich aber eher als Grund dafür halte, dass so viele Frauen diese Serie lieben, ist das Gefühl des Zusammenhalts als Familie, das in dieser Serie besonders beachtet und herübergebracht wurde. Alle Schauspieler schaffen es, diese Gefühle zu transportieren und real zu machen. Wir Frauen sind doch eigentlich diejenigen, die auch im realen Leben die Familien zusammen halten und Vertrauen und Stärke an unsere Kinder weiter geben. Für mich kommt speziell in dieser Serie dieser wichtige Punkt selbst in jedem kleinen Detail zum Tragen. Und das spricht meines Erachtens Frauen definitiv mehr an als schwule Männer. Das zeigte sich auch bei der Convention: Von den ungefähr 500 Teilnehmern waren etwa 85 % Frauen und 15 % Männer, davon auch nicht alle schwul.
Natürlich hast du nicht nur organisiert, sondern warst auch bei der Convention vor Ort. Was sind deine schönsten Erinnerungen?
Definitiv die Begeisterung der Fans für die Veranstaltung. Für viele war es die erste Gelegenheit, die Schauspieler persönlich kennenzulernen, live und in Farbe zu sehen. Viele haben die Serie auch erst vor kurzem kennengelernt und nie damit gerechnet, die Schauspieler zu treffen – immerhin ist Queer as Folk schon seit 7 Jahren abgedreht. Die Freude und Dankbarkeit in den Augen der Fans, das ist für mich die schönste Erinnerung. Zudem die Begeisterung und unbezahlbare Hingabe der Helfer, die dieses Event erst ermöglicht haben.
Bei der Convention hast du die Darsteller auch privat erlebt, warst sogar mit ihnen abends essen. Stehst du mit den Schauspielern noch weiterhin im Kontakt?
Mit manchen Schauspielern, ja. Etwa mit Scott Lowell, der in der Serie Ted spielt, mit Justin-Schauspieler Randy Harrison und Thea Gill, die bei QaF Lindsay verkörpert. Von den Stars habe ich auch positive Rückmeldungen über den Verlauf der rise’n’shine-Convention in Köln bekommen.
Wie ist es eigentlich um die Deutschkenntnisse der Schauspieler bestellt?
Die Schauspieler haben im Vorfeld versucht, einige Worte Deutsch zu lernen um für das Wochenende gerüstet zu sein. Das ging von „Wo ist die Toilette, bitte?“ bis zu „Wo ist ein gutes Restaurant?“.
Realität in Fiktion verpackt
Was glaubst du ist der Reiz von Queer as Folk? Warum fasziniert die Serie noch heute, sieben Jahre nach dem Dreh der letzten Episode?
Der Reiz der Serie besteht in der (leider) immer noch bestehenden Aktualität ihrer angesprochenen Themen. In einer „Fiktion“ verpackte Realitäten, wie jeder sie schon einmal in irgendeiner Form erlebt hat. Sei es als junger Schwuler im „coming out“, sei es als alleinerziehende „Übermutter“, seien es alltägliche Beziehungsprobleme, oder Beziehungen die durch die Erkrankung eines Partners beeinflusst wird. Es wird nichts beschönt oder ausgelassen, und in irgendeiner Form findet sich jeder in der Serie wieder. Und gerade in der heutigen Zeit, in der es in vielen Staaten immer noch massive Repressionen gegen LGBT gibt, selbst in „zivilisierten“ Ecken der Welt. Deshalb finde ich: Queer as Folk kann nicht oft genug ausgestrahlt werden. Auch die Leistung der Schauspieler darf man nicht vergessen, die ihr Herzblut in die Erstellung dieser Serie gesteckt haben, und durchaus die eine oder andere Erfahrung in die Dreharbeiten eingebracht haben. Das macht die Serie umso wichtiger und reizvoller.
In Deutschland wird derzeit diskutiert, ob Homosexuelle heiraten dürfen. Glaubst du, dass Serien wie Queer as Folk auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Akzeptanz von Schwulen und Lesben haben?
Ehrlich gesagt, kann ich das nicht beurteilen. Das Problem ist ja, dass die Leute, die grundsätzlich gegen homosexuelle Beziehungen sind, sich diese Serie natürlich auch nicht anschauen, sprich, sich dann auch nicht vom Gegenteil ihrer Einstellung überzeugen lassen. Eltern, die diese Serie gesehen haben, und grundsätzlich offen gegenüber „Anderssein“ sind, werden es vielleicht einfacher haben, ihre(n) Sohn/Tochter als homosexuell zu akzeptieren. Andere, die vom Grunde ihres Herzens her einen Hass auf LGBT haben, werden diese Serie nicht schauen und sich daher auch nicht ändern.
Derzeit wird auch eine QaF-Convention in den USA geplant. Gibt es dazu schon etwas Konkretes? Und wirst du auch mit von der Partie sein?
Es wird wohl Ende Mai oder Anfang Juni wieder eine Rise’n Shine Convention in Los Angeles geben. Die Schauspieler sind angesprochen worden und die Vertragsverhandlungen laufen. Ich werde mit von der Partie sein und gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Allerdings ohne das finanzielle Risiko, was wir hier in Köln auf uns genommen haben. „Less risk, more fun“. Stolz bin ich darauf, mit Rise’n Shine Cologne einen Stein ins Rollen gebracht zu haben, der sich jetzt weiterbewegt und auch auf einem anderen Kontinent den Fans die Gelegenheit gibt, ihre Stars hautnah zu erleben. Etwas, wovon vor einem Jahr noch niemand gedacht hat, dass es überhaupt je passieren würde.
Rezension: Rise’n Shine „Impressions: The official fan-convention DVD“
Rise’n Shine „Impressions: The official fan-convention DVD“ hält das, was sie verspricht: Die schönsten Momente der Convention wurden zusammengefasst. Darunter auch die Highlights der Pressekonferenz, der Besuch im Café Morgenstern oder Partyabende mit den Stars, die für die teilnehmenden Fans nicht zugänglichen waren oder teuer bezahlen werden mussten. Wer also nicht im Venue-Club oder bei der Babylon-Party war, kann sich auf der DVD zumindest ansehen, was dort vor sich ging. Weitere Zusammenfassungen der Question and Answer-Runden und der Meet and Greets gibt es ebenso auf der DVD. Zusätzlich gibt es zahlreiche Interviews mit allen Stars der Serie, die nicht öffentlich waren. Natürlich war es aber nicht möglich, etwa die komplette Pressekonferenz auf die DVD zu bringen (aber die gibt es auch im Video von media-bubble.de).
Ein Anspieltipp ist sicherlich die Question and Answer-Runde, in der Thea Gill mit unglaublichem Pathos über gleichgeschlechtliche Liebe und Akzeptanz spricht. Es gelingt der DVD den O-Ton der dreitägigen Convention wiederzugeben: Wir sind hier, wir sind queer – und wir haben Spaß dabei. Wenn die Stars betonen, wie wichtig ihnen die Botschaft der Serie ist, dann merkt man schnell: Sie meinen es ernst. Für alle war die Serie ein großes Wagnis, ihre zumeist homosexuellen Rollen zu spielen. Doch die Thematiken der Serie, die weit über Sex hinausgehen, behandeln Herzensangelegenheiten. Und genau das kommt auch so rüber.
Natürlich kommt die Aufzeichnung nicht an die vielen Gänsehaut-Szenen der Convention selbst heran, lässt aber Teilnehmer wieder in Erinnerungen schwelgen. Und wer nicht mit von der Partie war, kann zumindest ein wenig nachvollziehen, wie für drei Tage im Juni der Regenbogen über Köln noch ein wenig mehr funkelte.
180 Minuten Queer as Folk vergehen wie im Fluge. Ein kleiner Wermutstropfen ist höchstens das Fehlen von Untertiteln, denn die Sprache der DVD ist Englisch. Die DVD der Convention kostet im Onlineshop 36 Euro, mit den Autogrammen der neun Stars 60 Euro.
Foto: Rise’n Shine; Sandra Meier
Wie der Vampire zum Mensch wurde
/0 Kommentare/in Archiv/von Sanja Döttlingvon Sanja Döttling
Vor Graf Dracula hatte man noch Angst – im Stummfilm Nosferatu ist er eine Schreckensgestalt. Doch weniger als ein Jahrhundert später belustigt Edward Cullen die moderne Popliteratur. Wie konnte es dazu kommen, dass die albtraumhafte Gestalt zu einem vegetarisch lebenden Familienvampir verkam?
Vampire – es gibt sie nicht erst seit der Erfindung von Film und Fernsehen. Schon seit Jahrhunderten treiben sie ihr Unwesen in Mythen und Geschichten. Am bekanntesten ist aber bis heute der „abendländische Vampir“, der nachts auszieht, um seinen Opfern das Blut auszusaugen und tagsüber im Grab ruht.
Doch warum ist diese Figur nach Jahrhunderten noch immer so faszinierend? Der Vampir ist immer ein Spiegel des Menschen und der Gesellschaft selbst und wurde oft dazu verwendet, tabuisierte Konflikte zu bewältigen und das andere, unbeschreibliche, auszudrücken. Außerdem ist der so dauerhaft in unseren Geschichten verankert, weil er sich im Laufe der Zeit so sehr geändert hat.
Die ersten Vampire waren Frauen
In der Novelle Carmilla, die 1872 erschien und damit älter ist als der Bekannte Dracula-Roman von Bram Stoker von 1897, wird die weibliche Protagonistin von einer Vampirin umgarnt. Das Tabuthema der weiblichen Sexualität ist hier im mythologischen Gewand beschrieben; ebenso die imminenten homosexuellen Tendenzen. Der Biss in den Hals – nicht nur eine Metapher für Sexualität, sondern vollmundig eine für die orale Sexualität. Der Vampir als Ausdruck dessen, was damals nicht besprochen werden konnte.
Vom Schreck zur Liebe
Ganz anders Dracula; auch wenn hier eine gewisse Erotik des Bisses nicht abgestritten werden kann, so nageln doch die ersten Verfilmungen von Stokers Bestseller den Vampir auf seine Monsterhaftigkeit hin fest. Max Schreck als schrecklicher Dracula in der Verfilmung Nosferatu (1922), mit überlangen Fingernägeln, einem krummen Rücken und eine langen Nase, die an die Totengräbermasken der Pestzeit erinnert, bildet wohl kaum das Bild des perfekten Ehemanns, wie es heute ein Edward Cullen tun wird. Doch schon 1958 im Film Horror of Dracula mit Chrisopher Lee als aristoraktischem Vampir verliert der Blutsauger seine Triebhaftigkeit – er wird rationaler. Die Vermenschlichung der ehemals so unfassbaren Figur beginnt, er wird vom Albtraum zum Exoten. Und damit einher geht auch sein gesteigerter Sexappeal, der Frauen (wenn auch nicht ganz freiwillig) in seine Arme zwingt. Am Schluss der Entwicklung dieser Figur steht Francis Ford Coppolas Liebesdrama um Dracula und seine wiedergeborene Frau; Das ehemalige Monster krank 100 Jahre nach seinem Entstehen an unsterblicher Liebe. Menschlicher geht es wohl kaum.
Vampire als Grenzgänger zwischen den Genres
Natürlich – nicht alle neuen Vampirfilme sind Liebesdramen. So wie Vampire immer Grenzgänger zwischen Leben und Tod waren, sind sie es heute über Genre-Grenzen hinweg.
Noch immer ist die übermenschlich strake Figur im Action und Horrorfilm verhaftet – das blutsaugende Monster ist nicht verloren. Doch dort bleibt der Vampir nicht aleine: Er bekommt neue Gegner und Mitstreiter, aber auch eine komplexe Hintergrundgeschichte, die den ersten Vampiren verwehrt war.
Van Helsing kämpft im gleichnamigen Film gegen ein ganzes Sammelsurium viktorianischer Schreckensgestalten; in der Filmserie Underworld treten die Vampire gegen ihre Erzfeinde, die Werwölfe, an und der historische Abraham Lincoln muss ebenfalls bald gegen Vampire in den Kampf ziehen. Auch Vampirjägerin Buffy muss in der gleichnamigen Serie gegen höllische Gegner in den Kampf ziehen. Und obwohl sie nebenberuflich Vampire jagt, hat sie doch auch welche zum Freund. Noch einmal sei auf die Gender-Frage zurückzukommen;,denn die Serie überrascht bis heute mit einem (einigermaßen) emanzipierten Frauenbild.
Alles in allem lässt sich nicht bestreiten, dass die Vampire ihren Schrekcne verloren haben und langsam immer besiegbarer wurden. 1967 drehte Roman Planski den Musik-Slapstick-Film Tanz der Vampire, in denen inzwischen etablierte Motive verwendet und parodiert werden. Der homosexuelle Subtext, der sich durch die Vampirmystik zieht, wird sichtbar, als Vampirsohn Herbert den naiven Alfred verführen will. Folgerichtig wurde aus dem satirischen Film ein deutsches Musical mit großem Herzschmerz-Feeling, dessen Erfolg in Deutschland mit seinem Misserfolg am Broadway ausgeglichen wurde.
Der Vampir und die Gesellschaft
Waren die ersten Draculas noch eigenbrödlerische Burgherren, die nur zum Essen nach England ausgingen, so rückte der Vampir im Laufe des folgenden Jahrhunderts immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Mit dem Film britischen The Hunger begann sich das Image des Vampirs als leidender Künstler zu formen und am Rande der Gesellschaft niederzulassen. In schwarzen Lederklamotten und zu den Klängen klassischer Musik wird in Musikvideo-Optik gefeiert, getrunken und gehurt. Und dennoch stehen auch hier so menschliche Themen im Vordergrund: Das Vampir-Pärchen Miriam und John versuchen, den Alterungsprozess des Letzteren zu stoppen. Unsterblichkeit ist passé – spätere Vampire fordern ihretwegen eher Mitleid als Bewunderung.
Auf die Spitze treibt das Künstlertum Autorin Anne Rice mit ihrem Vampir-Zyklus. Vor allem die Filme Interview mit einem Vampir und Königin der Verdammten nehmen die Künstlerthematik auf; Lestat erschafft Louis als Begleiter und Kunstwerk und ist somit schaffender Künstler; Louis selbst findet seine Muse in der puppenhaften Claudia, die in ihrer kindlichen Gestalt gefangen ist. Im nächsten Film dann erklimmt Lestat den Himmel der Rockstars.
Auch untereinander werden die Beziehungsgeflechte der Vampire immer menschlicher. Aus dem einzelgängerischen Draclua, der sich zum Vergnügen ein dreiköpfigen Harem hielt, werden Pärchen- und Familienstrukturen. Später finden sich Vampire dann auch in größeren Gruppen zusammen und etablieren eine eigene Gesellschaft.
In der Serie True Blood geben sich die Vampire mit diesem Randsatus nicht mehr zufrieden. Nachdem das synthetisch hergestellte Blut „Tru Blood“ den Menschenbiss nicht mehr notwendig macht, drängen die Vampire in die Mitte der Gesellschaft und wollen sich dort etablieren. Jetzt sind die Vampire eine Minderheit, die sich mit dem Rassismus der Menschen auseinandersetzen müssen.
Und dann kam Twilight
Der Boom um Vampire war nie größer als mit dem aufkommen rund um die Bücher und Filme der Twilight-Saga. Mit der Bilderbuch-Vampirfamilie Cullen wird auf die Spitze getrieben, was nach hundertjähriger Entwicklung aus dem Vampirgenre geworden ist; denn heutige Vampire haben mit Dracula noch so viel zu tun wie der Tiger mit der Wohnungskatze.
Familie Cullen will menschlich sein; die „Kinder“ gehen zur Schule und ans College, Mama und Papa versuchen sogar zu kochen, wenn menschlicher Besuch ins traumhaft moderne Eigenheim kommt. Von der Hässlichkeit eines Dracula ist hier lang nicht mehr die Rede; denn Familie Cullen sieht unglaublich gut aus. Natürlich gibts für die Cullens nur noch vegetarisches Tierblut, dass sie sich besser in die Gesellschaft einfügen können (natürlich – der Vampirpapa ist praktizierender Arzt). Sohn Edward wird mit seiner angetrauten Bella nach der Hochzeit auch noch Vater eines Kindes, mit dem sie in ein eigenes Haus ziehen. Die Cullens sind der Traum einer jeden Vorstadtfamilie.
Während also die Entwicklung des Vampirgenres in die eine Richtung in Twilight konsequent weitergeführt wird, verliert der Vampir dadurch alles, was ihn je als solchen ausgezeichnet hat. Kein Wunder also, dass auch Fans der Serie den Vampir-Aspekt (und den Werwolf-Aspekt) ausklammern: Fanfictions zu Twilight haben auffällig oft den Zusatz „All Human“ – also die Anmerkung, dass alle Protagonisten menschlich sind.
Der Vampir ist eben auch nur ein Mensch.
Fotos: flickr/drurydrama (Len Radin) (CC BY-NC-SA 2.0), flickr/Kid’s Birthday Parties (CC BY-ND 2.0)
„It gets better“ – Ein studentischer Kurzfilm
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media-bubble.de hat es sich – neben medienkritischen Beiträgen – zur Aufgabe gemacht, studentenische Projekte zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu bieten. Dazu gehört etwa der äußerst gelungene Film von David Jetter „It gets better! Homosexualität und christlicher Glaube“. Darin geht es um Samuel, der im Spannungsfeld zwischen Kirche, Dorfleben und Homosexualität nicht weiß, wie er sich richtig verhalten soll. Als seine christliche Freundin Magdalena ihn beim Küssen mit einem Mann entdeckt, eskaliert die Situation…
Der mediale „rosa Winkel“
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Alice Schwarzer und Stefan Niggemeier diskutieren: Dürfen Politiker und Prominente öffentlich geoutet werden? Diese Frage ploppt immer wieder in den Medien auf, meistens aber erst dann, wenn es bereits zu spät ist und Homosexuelle aus ihren Schränken gezerrt wurden – im Namen der Gleichstellung, wohlgemerkt. Was aber vergessen wird: Dieses unfreiwillige Outing kommt einem Stigma, eben einem medialen „rosa Winkel“, gleich und zeigt, was im Argen liegt.
Die Causa Altmaier
Am 15. Juli 2012 erschien in der BILD am Sonntag ein Interview mit dem deutschen Bundesumweltminister Peter Altmaier. Darin spricht er auch über sein Single-Dasein:
Ich bin ein sehr geselliger und kommunikativer Mensch. Doch der liebe Gott hat es so gefügt, dass ich unverheiratet und allein durchs Leben gehe. Deshalb kann in den Archiven auch nichts über eine Beziehung stehen. Ich hadere nicht mit meinem Schicksal. Wenn es anders wäre, wäre ich längst verheiratet oder in einer festen Beziehung.
Daraufhin veröffentlichte taz-Redakteur Jan Feddersen einen Text, in dem er die Frage aufwirft, ob Altmaier nun schwul sei: „Auch Bild am Sonntag hat sich nicht getraut, die direkte Frage zu formulieren: »Herr Minister, bei aller Liebe zu Gorleben und zur Endlagerfrage, aber: Sind Sie sch …?«“ Kaum waren Feddersens Worten in Umlauf, war Altmaier aus dem Schrank – herausgezogen von der taz, mit dem Stempel „schwul, aber er steht nicht dazu“ versehen. Ein medialer „rosa Winkel“ eben, ein Stigma und eine Kategorie, die Altmaier nur schwerlich loswerden wird. Es folgte von taz-Chefredakteurin Ines Pohl so etwas wie ein Rückzieher: Sie löschte den Artikel online und schrieb eine Entschuldigung:
… politisch wie moralisch ist die sexuelle Orientierung eines Menschen irrelevant. Sie ist Privatsache. Entsprechend sollte sich die taz weder an Zwangsoutings noch an Gerüchten über die sexuelle Orientierung beteiligen.
Eigentlich war es klar, dass solch eine Stellungnahme die Debatte um Altmaiers Sexualität noch zusätzlich befeuern und mit weitere (Pseudo-) Fragen hervorrufen würde. Dazu gehört eine (rechtlich wie ethisch) wichtige Frage: Dürfen die Medien Menschen outen? Dass sie es können, ist bekannt (media-bubble.de berichtete). Und so formieren sich im Netz derzeit zwei Lager: Jene, die eine Diskussion um Altmaiers Sexualität OK bis wichtig und richtig finden und solche, die für ein privates Privatleben eintreten.
Niggemeier vs. Schwarzer
Auf der einen Seite steht etwa Stefan Niggemeier, der sagt: „Ich weiß nicht, ob Peter Altmaier schwul ist. Aber ich finde es — anders als die Chefredakteurin der »taz« — legitim, darüber zu spekulieren.“ Wohlgemerkt ist Stefan Niggemeier nicht Redakteur bei taz oder BILD, sondern Deutschlands bekanntester Blogger, Mitbegründer des BILDblogs und Spiegel-Redakteur. Seine Argumentation zielt vor allem auf Altmaiers politisches Handeln ab: „Natürlich ist es politisch relevant, ob Peter Altmaier schwul ist, wenn Peter Altmaier im Parlament gegen die Gleichstellung von Schwulen stimmt. […] Es ist selbstverständlich eminent politisch, ob und wie schwule Politiker und Prominente zu ihrem Schwulsein stehen.“ Niggemeier schließt seinen Artikel mit folgender Überlegung:
Peter Altmaier ist entweder jemand, der glaubt, dass seine Homosexualität etwas ist, das er verschweigen muss. Oder er wird für schwul gehalten, obwohl er es gar nicht ist. Wenn er selbst nicht bereit ist, für Aufklärung zu sorgen, muss man wenigstens darüber diskutieren dürfen.
Ja, Niggemeier hat recht – und doch wieder nicht. Natürlich ist es ein schreckliches Zeichen, wenn homosexuelle Politiker gegen Rechte von Homosexuellen stimmen – wie erst Ende Juni, als die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare zur Abstimmung stand und kein Abgeordneter von Union und FDP sich zu einem „Ja“ durchringen konnte. Übrigens nicht einmal Guido Westerwelle, der bei der namentlichen Abstimmung keine Stimme abgab. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn wenigestens die offen homosexuell Lebenden für ihre Rechte einstünden. Aber gibt es der Presse deshalb das Recht, über die sexuelle Orientierung von Politikern zu spekulieren?
Alice Schwarzer findet dies nicht. Sie sagt: „Jemand, der aufruft zum Zwangsouten, ignoriert nicht nur diese Realitäten, sondern pfeift auch auf die Menschlichkeit.“ Und dazu zählt sie auch Niggemeier, dessen Sexualität sie einerseits nicht interessiere, sie sich aber andererseits den Satz „Es heißt, er sei schwul“ nicht sparen kann. Für Schwarzer aber geht in der Altmaier-Diskussion vor allem um die Fragen, warum man Politiker zu einem Zwangsouting zwingen muss:
Wir sind also Lichtjahre entfernt von einer gelassenen und gesicherten Gleichstellung von Homo- und Heterosexualität. Wer hat da das Recht, Betroffene aufs Eis zu schicken! Es ist ausschließlich an den homosexuellen Frauen bzw. Männern selber, zu bestimmen, ob und wenn ja, wie sie ihre Homosexualität öffentlich machen. Alles andere kommt einer seelischen Vergewaltigung gleich.
Die gleiche Sache – andersrum
Liest man zwischen den Zeilen, wird eines klar: Stefan Niggemeier und Alice Schwarzer kämpfen an der gleichen Front. Sie fordern, das Homosexualität in der Gesellschaft nicht mehr als randständig, sondern als natürliche Realität betrachtet wird. Während Niggemeier eventuelle Zwangsoutings für die Sache in Kauf nimmt, wehrt Schwarzer diese ab, verteufelt sie. Was dadurch aber in der Debatte untergeht, sind die zentralen Fragen: In welcher Gesellschaft leben wir, in der Politiker und andere Prominente noch immer aufgrund ihrer Sexualität diffamiert werden? Warum sind es nicht viel öfter die Medien selbst, die für diese Gleichstellung eintreten und eben nicht nur Menschen aus den Schränken zerren? Diese Probleme sind letztlich hausgemacht: Meines Wissens hat sich Angela Merkel noch nie öffentlich für homosexuelle Rechte ausgesprochen, wie es etwa Obama getan hat. Meines Wissens gab es keinen Aufschrei in den Medien, als die Eheöffnung im Bundestag abgelehnt wurde. Meines Wissens hat noch keine Zeitung eine große Kampagne zum Thema homosexueller Akzeptanz gestartet, wie es einst der Stern bei den Abtreibungen tat.
Solange die Medien selbst Homosexualität nicht als gesellschaftlich relevantes Thema betrachten, werden sie weiterhin „rosa Winkel“ verteilen, die sie Prominenten – zu recht oder zu unrecht – anheftet. Die Medien selbst haben es in der Hand, wie Homosexuelle wahrgenommen werden. Wenn das Thema weiterhin marktschreierisch behandelt, Klischees bedient und Offenheit nur geheuchelt wird, werden weiterhin Einzelfälle unter dem Vorwand ihrer Bekanntheit an die Oberfläche gezerrt und mit einem medialen „rosa Winkel“ dekoriert.
Foto: flickr/unclefuz (CC BY-NC 2.0) , CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Christian Doppelgatz
Was die Medien mit uns machen – der Fall „Queer as Folk“
/0 Kommentare/in Archiv/von Alexander Karlvon Alexander Karl
Die Medien beeinflussen uns. Immer und überall. Egal, ob wir Tageszeitung oder Blogs lesen, Fernsehen oder Filme schauen: Alles was wir wahrnehmen und konsumieren, wirkt auf uns. Doch welche Wirkung kann eine Serie wie „Queer as Folk“ haben, wenn es um das Aufräumen mit Vorurteilen um Schwule und Lesben geht?
Die Medien wirken – und wie!
Wie genau die Medien uns, unser Weltbild und unser ganzes Leben beeinflussen, erforscht die Medienwirkungsforschung. Medien – und somit auch Filme und Serien – wirken auf uns. Das stellt auch die Wissenschaft fest:
“Because the movies have taught us what it means to be heroic or villainous, masculine or feminine, heterosexual or homosexual. The movies, as one aspect of the vast popular-culture industry, influence how we think about ourselves and the world around us”, schreibt Ellis Hanson in der Einleitung seines Buches „Out takes. Essays on Queer Theory and Film“ (1999, S. 2). Und weiter schreibt Hanson (S. 3): „The study of film is espacially important to questions of desire, identification, fantasy, representation, spectatorship, cultural appropriation, performativity, and mass consumption, all of which have become important issues in queer theory in recent years.”
Das findet auch Peter Paige, Schauspieler der Serie „Queer as Folk“: „Die Serie ist wichtig für die LGBT-Bewegung. Man erreicht die Menschen über die Medien – und speziell über das Fernsehen da, wo sie verwundbar sind – zu Hause im Privaten.“
Eine erste Überlegung könnte also sein, dass es gut ist, queere Charaktere in Serien und Filme einzubauen – dadurch werden die Menschen mit einer Lebenswelt konfrontiert, die sie vielleicht nicht aus erster Hand kennen. In der Vergangenheit beherrschte aber das Bild des femininen Schwulen die TV-Landschaft. Das änderte sich mit „Queer as Folk„. Wie Sharon Gless erzählte, konnte Queer as Folk sogar Leben retten: Ein Junge kam zu ihr und erzählte, dass ein Freund von ihm, der die Serie nicht gesehen hatte, Selbstmord beging. „Für mich wart ihr aber rechtzeitig da“, sagte er, wie Gless bewegt erzählte. Peter Paige alias Emmett sieht „Queer as Folk“ auch deshalb als Outing-Hilfe, als „ongoing resource“, also eine weiterführende Quelle, wie er es ausdrückt- auch zeitlich. Denn auch sieben Jahre nach dem Aus der Serie entdecken noch immer viele die Serie für sich. Trotzdem bleibt Homophobie noch immer ein Thema in der Gesellschaft und wir auch in der Serie angesprochen – und deshalb stand auch bei der „Queer as Folk“-Convention in Köln eine Gesprächsrunde von Stars, Betroffenen und Mitarbeiter des Schwulen und Lesben Beratungscenters Rubicon auf dem Programm.
Homophobie und „Queer as Folk“
„Homophobie bedeutet Angst“, bringt es Robert Gant alias Ben auf den Punkt. Wichtig für Schwule und Lesben ist vor allem die Liebe zu sich selbst, findet Gant. Peter Paige, der wie Robert Gant offen schwul lebt, glaubt, das der gesellschaftliche Wandel global kommt, etwa auch in Ländern wie China, wo die Serie nicht lief. Trotzdem, so stellen die Schauspieler fest, gibt es auch Gegenbewegungen, etwa in Amerika. „Man muss in seinem Land oder System einen Weg finden, die LGBT-Bewegung zu unterstützen“, so Gant.
Michelle Clunie alias Melanie ist selbst heterosexuell, hatte aber auch schon Sex mit Frauen. Sie kann nur versuchen, sich die Probleme eines Coming-Outs vorzustellen, wenn sie es mit der Unterdrückung der Frauen vergleicht. Sie setzt sich aber immer wieder für die Rechte von Schwulen und Lesben ein. Clunie: „Wenn du nicht an die Liebe glaubst, an was glaubst du dann? Hass?“. Robert Gant erzählt offen, dass er manche Rollen bekommen hat, eben weil er offen schwul lebt. „Andere aber nicht“, sagt er schulterzuckend. Peter Paige ergänzt, dass gerade schwule Regisseure immer wieder versuchen, geoutete Schauspieler in stereotype Rollen zu pressen. „Aber manchmal helfen schwule Regisseure auch“, findet Gant.
Unter den Tisch wird aber auch nicht gekehrt, dass Homosexuelle Vorbehalte gegen Transsexuelle und Bisexuelle haben. Ein Kritikpunkt an „Queer as Folk“ war und ist etwa, dass Bisexuelle in der Serie nicht auftauchen. Hal Sparks, der Michael aus Queer as Folk, glaubt, dass man die Menschen – gerade auch in den USA – nicht überfordern dürfe, sondern Stück für Stück vorgehen müsse. „Und man kann nicht jede Minderheit repräsentieren“, sagt er.
Einig sind sich Stars, Betroffene und Berater, dass Sendung wie „Queer as Folk“ wichtig sind, um einen gesellschaftlichen Kontakt zu Themen wie Homosexualität und Homophobie herzustellen – und da gibt es noch immer viel zu tun. Auch für und gerade in den Medien.
Queer as… what?
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Queer as Folk, das bedeutet Unterhaltung. Und Sex. Sogar schwulen und lesbischen Sex. Doch die simple Gleichung, dass Queer as Folk eine einzige Parade der Schwulen und Lesben wäre, greift zu kurz: Homophobie, HIV und AIDS werden immer wieder thematisiert. Jetzt feiern bei der Queer as Folk-Convention Fans der Serie sich und die Protagonisten. Aber noch viel mehr.
Wer will das spielen?
Nach dem Erfolg der Orginalserie in Großbritannien im Jahr 1999 sollte Queer as Folk 2000 auch beim US-Pay-Sender Showtime anlaufen. Ein großes Problem war: Wer wollte diese Rollen überhaupt spielen? Wurde man nach einem Auftritt in Queer as Folk nicht automatisch nur noch für schwule Rollen einsetzbar? So stand Showtime vor einem großen Problem: „Showtime had a hard time recruiting actors from big agencies, fearful of their clients‘ being typecast as gay. […] Several fashion designers (of all industries!) even refused to have their products placed in the series. The producers eventually cast almost all unknowns.“
Denn die Charaktere in Queer as Folk waren allesamt eines: Extrem. Und das auf ihre individuelle Art und Weise: „Michael is the child-like innocent, Brian the promiscuous prowler, Ted, the serious nerdy type, and Emmett, the flaming queen” (Cramer, 2007, S. 413). Diese Beschreibung entbehrt natürlich nicht einer gewissen Stereotypisierung, die aber nicht gänzlich falsch ist. Aber hinter jedem Charakter verbirgt sich deutlich mehr, als man vielleicht im ersten Moment denken könnte. So ist die „flaming queen“ Emmett zwar tatsächlich ein wenig tuckig, steht aber vollkommen zu sich und seiner Sexualität. In der fünften Folge der ersten Staffel sagt er: „Steh zu dir oder versink in der Hölle“.
Neben den erwähnten Charakteren bekommt die Männerclique bereits in der ersten Folge zuwachs: Der erst 17-Jährige Justin, der zunächst als recht naiv dargestellt wird. Auf Brians Frage, ob Justin Lust auf die Droge Special K habe, antwortet er: „Ich mag eher Frosties.“ Doch schnell wird deutlich, dass Justin sich als Schwuler akzeptiert und das auch gegen Widerstände – etwa seinen Vater – durchsetzt und sich nicht beirren lässt. In der fünften Folge der ersten Staffel sagt er: „Ich mag Schwänze. Ich möchte von Schwänzen gefickt werden. Ich möchte Schwänze lutschen. Ich mag es Schwänze zu lutschen. Das mach ich auch richtig gut.“
Die Themen von Queer as Folk
„Eins müsst ihr wissen. Es dreht sich alles um Sex. Es ist wahr. Es heißt, Männer denken alle 28 Sek an Sex. Jedenfalls Heteros. Schwule Männer alle 9 Sekunden. […] Es dreht sich alles um Sex. Außer wenn du’s gerade tust, dann geht’s nur darum: Wird er bleiben, wird er gehen, wie bin ich, was mach ich hier eigentlich?“
Ja, Sex spielt eine große Rolle in der Serie. Doch sich nur auf Rein-raus-Spielchen zu versteifen, würde Queer as Folk nicht gerecht werden. Viele weitere Probleme der schwulen (und allgemein homosexuellen) Welt werden immer wieder aufgegriffen. So wird bereits zu Beginn der Serie HIV und AIDS thematisiert. Etwa durch Justin, der bei seinem ersten Mal mit Brian ihn dazu auffordert, ein Kondom zu verwenden. Oder durch die Einführung von Vic, Michael Onkel, der an AIDS erkannt ist. In der zweiten Staffel wird mit Ben ein HIV-positiver Charakter als Protagonist der Serie eingeführt, in den sich Michael verliebt. In der vierten Staffel wird der HIV-positiver Stricherjunge Hunter von Michael und Ben adoptiert, wobei mit der Thematik von minderjähriger Prostitution ein weiteres Tabu gebrochen wird. Ebenfalls ein Thema ist die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare: So kommt in der ersten Folge das biologische Kind der lesbischen Lindsay und dem schwulen Brian zur Welt, das später von Lindsays Partnerin Melanie adoptiert wird. Nicht zu vergessen ist auch die Thematisierung von Homophobie und die Beschneidung homosexueller Rechte. Justin wird sowohl in der Schule, als auch von seinem Vater wegen seiner sexuellen Orientierung attakiert, am Ende der ersten Staffel sogar zusammengeschlagen.
Queer as Folk – das sind fünf Staffel Unterhaltung, die weit über das herausgehen, was die Fernsehlandschaft bis dahin gesehen hat. Schwuler und lesbischer Sex, Homophobie in all seinen Schattierungen und ein differenziertes Männerbild – und gerade letzteres ist ein großes Novum in der Fernsehlandschaft.
Mit der Rise’n’Shine-Convention zur Serie in Köln vom 8.-10.6.2012 wird nicht nur die Serie gefeiert, sondern auch ihr Einsatz für homosexuelle Belange. Und das ist wirklich ein Grund zu feiern.
Foto: flickr/saffirahweb (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/saffirahweb (CC BY-NC-ND 2.0)