TV light – Das Leben wie es sein sollte?

von Julia Heitkamp

Angefangen hat es mit Gerichtsshows á la Alexander Hold und Barbara Salesch. Heute überschwemmen Formate wie Berlin – Tag & Nacht, Mitten im Leben oder Schicksale – Und Plötzlich ist alles anders unser tägliches Programm. Auf kaum einem der großen deutschen Sender kann man der täglichen Dosis „Reality“ entgehen. Seit einigen Jahren scheint das Fernsehen verseucht mit sogenannten Scripted Reality Formaten. Viele private Fernsehsender stellen eigenproduzierte Formate in den Mittelpunkt ihrer Programme. Aber die gespielte Realität (Achtung: Oxymoron) ist kein Phänomen unserer Zeit.

 

Es war einmal …

Der Ursprung dieser Reality Formate liegt – wie könnte es anders sein – in den USA, dem Land der unbegrenzten (Un-) Möglichkeiten. Seit den 1940er Jahren lieben und leiden die Amerikaner mit ihren Soap Stars. Doch bei diesen Daily Soaps ist es längst nicht geblieben. Was zunächst als „nachgestellte Geschichten“ betitelt wurde entwickelt sich heute in eine erschreckende Richtung. Vor dem Zuschauer wird immer mehr verschleiert, dass es sich um gescriptete Formate handelt, bei denen Darsteller vorgegebenen Regieanweisungen folgen. Gründe für die enorme Expansion des Formats: Niedrige Kosten bei hohen Erträgen. Alle beschweren sich darüber, verwünschen und verfluchen es – doch die Einschaltquoten sprechen für sich. Und wer wirklich ehrlich mit sich ist, der erwischt sich selbst oft genug dabei, wie er mehr oder weniger interessiert, mehr oder weniger belustigt und mehr oder weniger zufällig eines der einschlägigen Formate verfolgt.

 

Reality vs. Realität

Mit ihren Verschleierungskonzepten sind die Produzenten erschreckend erfolgreich: Immer mehr Jugendliche halten das gezeigte für echt! Was sich zunächst unglaublich und fast schon lustig anhört, ist traurige Realität. Man stelle sich vor, dass Reality TV wie Mitten im Leben auf RTL als Dokumentationen angesehen werden – auf die gleiche Ebene erhoben wie ernst zu nehmende Formate à la Panorama oder 37 Grad. Man will sich gar nicht vorstellen, was es für die Bildung und Kultur unserer Gesellschaft bedeutet, wenn solche Formate auf eine Stufe gestellt, ja auch nur verglichen werden. Produktionsfirmen, Redaktionen, Pressesprecher sowie Fernsehzeitschriften tun ihr Bestes um dem Grauen wohlklingende Namen zu geben: Ob Reality Soap, Doku Soap, Reality Show oder eben Reportage. Doch die Strategie zieht und scheint beim Zuschauer anzukommen.

 

Das Ende der Schauspielerei

Doch das Genre Reality TV birgt noch ein weiteres Mysterium. Seither waren in Fernsehfilmen und -serien nur mehr oder weniger gute, aber zumindest ausgebildete Schauspieler zu sehen. Trotz der relativ geringen Produktionskosten birgt Reality TV ein Problem: Für jede Sendung, jede Folge und jedes Drama braucht man neue Gesichter. Dafür gibt es nun mal nicht genug Schauspieler die, nebenbei gesagt, viel zu viel Geld kosten würden. Die Lösung: Laiendarsteller. Ganz normal Leute, die mittels Aussicht auf den schnellen (und schnell vergänglichen) Ruhm dazu gebracht werden, zwielichtige Verträge zu unterschreiben, die sie jeglicher Rechte und ganz nebenbei auch noch all ihrer Würde berauben. Dabei müssten sich erwachsene Menschen sich eigentlich darüber im Klaren darüber sein, worauf sie sich einlassen. Geblendet werden sie dabei wohl von der rosaroten Ruhmesbrille. Denn immerhin haben diese Formate auch schon große Stars wie Daniela Katzenberger hervorgebracht. Traumberuf: Superstar. Talente: Keine.

Diese Gier, anderen beim Erreichen ihrer Ziele oder beim Scheitern zuzuschauen, ist purer Voyeurismus. Fremdschämen und Häme als Erfolgskonzept. Brot und Spiele der Neuzeit.

 

Alles wie im echten Leben

Ungeachtet aller Kritik ist der Erfolg dieser Formate unumstritten. Sie machen es dem Zuschauer aber auch einfach, jeder Zeit ohne viel Mühe einzusteigen. Entweder gibt es keine fortlaufende Handlung oder sie ist derart trivial dass man problemlos wieder den roten Faden aufnehmen kann. Wiederholungen und Internetplattformen gehören zu Erfolgsrezept. Ob über Facebook oder auf der sendereigenen Videoplattform, die Quellen sind kaum auszuschöpfen.

Ja, es ist alles fast so wie im echten Leben. Aber eben nur fast. Alles geht ein bisschen schneller, alles ist ein bisschen emotionaler, so dass es sich gut mitfiebern lässt. Das Leben wie es sein sollte oder besser nicht? Bis jetzt scheint es trotz der anhaltenden Kritik für die Sender nur positive Rückmeldungen zu geben: Man bleibt im Gespräch und fährt gute Zahlen ein. Am Ende ist es immer der Zuschauer selbst, der entscheidet, ob er zusehen will oder nicht – denn zumindest in der tatsächlichen Realität sind wir es, die mit der Fernbedienung die Fäden in der Hand halten.

 

Fotos:

Imgur: Real Lies

Flickr.com/Nationaal Archief: TV stoffen met plumeau

Kreativer, was bist du wert?

von Gastautor Jan Nowak

Er ist alt und trägt einen grauen Kittel und sein Selbst bleibt vollkommen unausgedrückt. Der holt mir keinen Kaffee und erzählt sich dabei eine Geschichte oder träumt von einem diffusen Bereich, der allen offen steht. Der holt mir einfach nur meinen Kaffee. Der schreibt einfach seine Probenpläne. […] Das ist keine Katastrophe für den zu altern, der altert in einem klar definierten Job und nicht in einem diffusen Versprechen.

[…]

Wie viel mehr aber könnte der hippe Praktikant aus Entfremdung gewinnen. […] Irgendwer muss dem erzählt haben, dass es ihn ernährt, er selbst zu sein. In einer Sprache, die ihm nicht gehört, in der aber die Dinge lesbar sind für ihn. Hier müssten aber Körper Texte reden, in denen sie vorkommen.“

So beginnt der deutsche Regisseur René Polleschs seinen Text Lob des alten litauischen Regieassistenten im grauen Kittel. Pollesch hat ihn für die jungen Kreativen unter uns geschrieben. Ein unangenehmer, seltsamer Text. Seltsam, weil er jemanden beschreibt, der durch den Versuch, gar nicht erst er selbst zu sein, etwas von sich retten kann; während ein Anderer beim Versuch, sich selbst zu verwirklichen, doch nur das Gegenteil erreicht.

Eine mutige These?

Und ob! Nicht bloß mutig, fast schon verrückt, doch zumindest vollkommen unzeitgemäß, magst du vielleicht behaupten. Und ein bisschen hast du womöglich auch recht. Denn unsere Kultur, die Zukunft unserer Gesellschaft lebt doch schließlich von jungen Menschen mit großem Willen zum Ausdruck! Keine Frage.

Wer heute Abitur hat, dem ist die Selbstverständlichkeit einer selbstverwirklichenden Tätigkeit ja quasi in die Wiege gelegt. Nicht das Geld, schon allein unser Interesse am eigenen Interessantsein motiviert uns oft zu Höchstleistungen. Ein Leben, das zu jedem Zeitpunkt eine selbstgeschriebene Geschichte erzählt. In keiner Generation hat die unabhängige Autorenschaft der eigenen Autobiografie eine größere Rolle gespielt, als in der Unsrigen.

Das sah vor etwa fünfzehn Jahren noch ganz anders aus. Damals schon prognostizierte uns Richard Sennett den „flexiblen Menschen“ und mit ihm den Untergang von Tugenden, wie Treue und Verantwortungsbewusstsein. Schuld daran sei nach Sennett der Turbokapitalismus unserer Zeit und mit ihm die Jagd der Unternehmen nach noch schnelleren Gewinnen. Aus Berufen mache man erst „Jobs“ und später „Projekte“. Die Nachfrage nach reaktionsschnellen und anpassungsfähigen jungen Leuten wachse. Doch auch die Beziehungsarmut und Einsamkeit dieser Menschen müsse dadurch gewachsen sein, so Sennett. Sennetts düstere Prognosen gingen damals um die Welt. 2013 macht sich scheinbar keiner mehr Sorgen um unser flexibles Dasein.

Was hat sich verändert?

Wir doch sicher nicht!? Weder damals noch heute will irgendjemand freiwillig Polleschs ausdruckslosen Regieassistenten im grauen Kittel spielen. Was sich aber optimiert hat, ist das Geschäft mit unserer Selbstverwirklichung. Weil uns nichts wichtiger ist, als die Entfaltung unserer Persönlichkeit, unserer Unabhängigkeit und unserer Freiheit, hat die Kreativwirtschaft “flexible“ Arbeitszeitmodelle, die “Abflachung“ von Hierachien und noch mehr “Komfort“ am Arbeitsplatz geschaffen, anstatt flächendeckend Löhne zu erhöhen, die Workload des Einzelnen zu verringern, oder gesicherte Arbeitsverhältnisse zu garantieren. Für den Sozialforscher Axel Honneth entsteht hier ein ganz neues Anspruchsystem. Wem man gestattet, Telefonkonferenzen wie bei Google gechillt in der Hängematte zu führen, im unternehmenseigenen Fitnessstudio zu entspannen oder die angeblich hippsten Projekte zu leiten, von dem darf man wohl auch erwarten, sich zu einem lächerlichen Gehalt und unmenschlichen Arbeitszeiten den letzten Tropfen Kreativität (wenn man das denn so nennen darf) aus den Fingern zu saugen.

Arm, aber trotzdem nicht sexy?

Vielleicht ist es endlich an der Zeit, dass wir jungen Kreativen uns überlegen, wie viel unsere Ideen, unsere Ideale, doch vor allem wir selbst uns und der Welt wirklich wert sein möchten. Eben diese Wertvorstellung muss jetzt unbedingt auch öffentlich diskutiert werden. Ein offener Studentenbrief der Hochschule Pforzheim an deutsche Agenturen zeigt, wie es gehen könnte. Denn erst, wenn wir unseren eigenen Marktwert überdenken, erinnern wir uns vielleicht daran, dass Glück nicht bloß die große Selbstverwirklichung, sondern vor allem soziale und ökonomische Sicherheiten bedingt. Weil es, wie Pollesch schreibt, „nichts bringt, dauernd Selbst anzuhäufen, wenn uns das Kapital fehlt. […] Denn, was über uns hinausgeht, ist nicht das Heroische. Was über uns hinausgeht, ist das andere Leben. Etwas, das von sich zeugt, ohne Ausdruck, ohne Erinnerung.“

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 Foto: flickr.com/joerpe (CC BY-ND 2.0)

Senett, R. (2000). Der flexible Mensch.

Menke, C. & Rebentisch, J. (2012). Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus.

 

Hausparty im Internet

von Raphael Adam

„86% der Internetnutzer haben noch nie einen Post oder Tweet verfasst“. Das will das neue soziale Netzwerk Potluck ändern. Aber was kann es anders machen, was nicht schon Facebook und Twitter gemacht haben?

Seit Juni gibt es im Web ein neues soziales Netzwerk, den Link-Sharing Dienst Potluck. Um sich von etablierten Größen wie Facebook und Twitter abzusetzen, will der Newcomer mit Minimalismus und einer Konzentration auf die geteilten Inhalte punkten. Die Macher wollen auch diejenigen zum Mitmachen bewegen, die sonst nur eine passive Rolle in den Netzwerken eingenommen haben. Außerdem sollen leichter Kontakte außerhalb des eigenen Freundeskreises geknüpft werden können. Als Vorlage diente dem Konzept die soziale Interaktion bei einer Hausparty. Aber kann Potluck die Nutzer von sozialen Netzwerken in Feierlaune versetzen?

 

Ausschließlich Links teilen

Ein „Potluck“ beschreibt in den Vereinigten Staaten ein Treffen, bei dem jeder eine Speise mitbringt, die dann mit allen geteilt wird. Das soll auch der Zweck des neuen Dienstes sein, der von dem Startup Branch ins Leben gerufen wurde und Unterstützung von den Twitter-Gründern Evan Williams und Biz Stone erhält. Die einzige Funktion, die das soziale Netzwerk bietet, ist das Teilen von Links, welche dann kommentiert werden können. Die Aufmachung der Webseite kommt ebenso spartanisch daher. Nach der Registrierung sieht der Nutzer zwei Spalten, links den Friend-Feed mit Links von Freunden und Links bei denen Freunde diskutieren, rechts den Inhalt zum Link und die Kommentare.

Die Links müssen ohne jede Beschreibung geteilt werden. Bei Facebook oder Twitter ist das zwar auch möglich, aber oft werden die Links in einen kurzen Text eingebettet. Zudem wird im Friend-Feed nicht angezeigt, von wem ein Link stammt. Erst wenn man auf den Eintrag klickt, somit also wahrscheinlich am Inhalt des Links interessiert ist, lässt sich der Urheber erkennen. Damit soll bei Potluck der Druck vermieden werden, sich selbst darstellen zu müssen. Josh Miller, CEO von Branch, schreibt, dass Potluck die 86% der Internetnutzer ansprechen will, die noch nie einen Blog, Post oder Tweet veröffentlicht haben.

 

Ungezwungen kommunizieren

Von den Gründern wird Potluck als „eine Hausparty im Internet“ beschrieben. Bei einer solchen Party lassen sich neue Leute kennen lernen, die einem aber nicht völlig fremd sind, da man meistens gemeinsame Freunde oder Bekannte hat. Es finden lebhafte Gespräche statt an denen gleichzeitig Freunde und Fremde teilnehmen. Man steigt in die verschiedenartigen Gespräche ein und findet Themen, von denen man noch gar nicht wusste, dass sie einen interessieren. Das ist die Idealvorstellung der Macher wie Potluck funktionieren soll.

Bei Facebook, zum Beispiel, findet eine Kommunikation fast ausschließlich mit den eigenen Freunden statt. Diese werden offline kennengelernt und dann bei Facebook hinzugefügt. Das soziale Netzwerk selber bietet kaum Möglichkeiten neue Kontakte zu knüpfen. Bei Potluck soll das anders sein. Um das zu erreichen, sollen Gespräche nicht einer Person „gehören“. Auch deshalb ist nicht direkt ersichtlich, wer einen Link geteilt hat. Der Inhalt, das Gesprächsthema, soll im Vordergrund stehen. Zudem sollen die Nutzer keinen Druck verspüren jemanden darstellen zu müssen, sondern sollen ungezwungen miteinander kommunizieren. Aus diesem Grund können Kommentare nicht bearbeitet werden und werden direkt mit der Enter-Taste abgeschickt. Die Profile der Nutzer sind außerdem auf ein Minimum beschränkt und müssen nicht aufwendig gestaltet werden.

 

Noch ausbaufähig

Es ist dem Dienst anzumerken, dass er sich noch im Anfangsstadium befindet. Bisher kann Potluck nur über die eigene Webseite erreicht werden, für iOS soll aber eine App in Arbeit sein. Auch viele grundlegende Funktionen, wie eine Suche oder Filter für die Links, werden wahrscheinlich von den Nutzern vermisst werden. Wegen des geringen Bekanntheitsgrades könnte es auch vielen schwer fallen, Freunde zu finden. Um das zu erleichtern, können diese über Twitter, Facebook und Google Mail gesucht werden.

Bisher ist Potluck wohl hauptsächlich für Early-Adopter geeignet. Jedoch könnte der Dienst in Zukunft seine Nische unter den sozialen Netzwerken finden. Obwohl er auf den ersten Blick keine Neuerungen mit sich bringt, scheint doch die minimalistische Umsetzung ihren Charme zu haben. Das Veröffentlichen von Inhalten könnte hier so einfach und ungezwungen sein wie noch nie. Für einen Erfolg müssten aber bald Apps für iOS und Android verfügbar sein, da hier wahrscheinlich der primäre Ort der Anwendung liegen dürfte.

 

 

Fotos:

flickr/StockMonkeys.com: 3D Social Networking (CC BY 2.0)

flickr/StockMonkeys.com: 3D Green Energy (CC BY 2.0)

Lulu: Sexismus andersrum

von Anne-Sophie Krier

Die neue Art zu daten

Die App „Lulu“ wurde von Alexandra Chong entwickelt und mit 2,5 Millionen Dollar Startkapital ausgestattet. In den USA können Frauen ihre männlichen Facebook-Freunde anonym bewerten. Der Betroffene bekommt nicht mitgeteilt, dass Bilder sowie weitere private Informationen weitergegeben werden. Als „Yelp für Jungs“ soll die App Frauen helfen das perfekte Date online zu finden. Und dass, ohne erst mühsam die Kennenlernphase durchlaufen zu müssen und letztendlich doch enttäuscht zu sein. Die einen sehen das System positiv, die anderen jedoch erkennen eine sexistische, rufmordende und zudem überflüssige Lester-App. Doch schon wenige Wochen nach dem Erscheinen von „Lulu“ auf dem US-Markt gibt es 4 Millionen User Sessions, 5,2 Millionen Reviews wurden gelesen und 10 Millionen Suchanfragen gestartet – Tendenz steigend.

 

„Ich habe Lulu gegründet, weil meine Freundinnen und ich es brauchen“

Die Idee zur App bekam Alexandra Chong bei einem Treffen mit ihren Freundinne beim Valentinstag. Dort berichtete sie von einem Treffen mit einem Mann, der für sie nicht der richtige gewesen sei – jedoch für eine andere. Grundsätzlich ginge es ihr nicht darum, Männer bloßzustellen, sondern einzig positive als auch negative Eigenschaften aufzuzeigen und den Frauen somit die Suche nach dem passenden Partner zu erleichtern. Männer könnten ihre Bewertungen mit Hilfe einer Erweiterungs-App einsehen und somit an sich arbeiten.

„Lulu“ funktioniert folgendermaßen: Die Userin verbindet ihren Account mit ihrem Facebook-Profil, um sicherzustellen, dass sie weiblich ist. Ihre bekannten Freunde kann sie daraufhin anonym nach einem vorgegebenen Kategoriensystem bezüglich Aussehen, Verhalten und anderer „Qualitäten“ bewerten. Punkte können beispielsweise in den Kategorien Erscheinung, erster Kuss, Treue und Humor gegeben werden. Angegeben wird auch in welcher Beziehung sie zum Betroffenen steht: Zum Beispiel (Ex)-Freundin, Kollegin, oder One-Night-Stand. Gewürzt wird das Profil noch mit Hashtags wie #SmartIsSexy, #RespectsWomen, aber auch #Boring, #CheaperThanABigMac, #WearsEdHardy und einem Bild, welches frei von der Userin gewählt wird. Schließlich werden maximal 10 Punkte vergeben.

Um das andere Geschlecht doch ein wenig einzubinden, wird ihm „Lulu Dude“ zur Seite gestellt. Denn je stärker „Lulu“ genutzt wird, desto größer wird auch das Interesse der Männerwelt, sich in möglichst gutem Licht darzustellen. Männer können durch „Lulu Dude“ einen Teil der Hauptapp sehen und Grundinformationen, wie den Beziehungsstatus, aktualisieren. Zusätzlich werden sie aufgefordert ihre Freundinnen und Bekannten zu bitten, sich „Lulu“ anzulegen und positive Bewertungen auf dem eigenen Profil zu hinterlassen. So bindet die App sowohl weibliche als auch männliche Nutzer an sich und bietet Werbekunden optimale Plattformen. Ein Hoffnungsschimmer: Die Männer können ihr Profil auch löschen.

 

Was soll man davon halten?

Dass Männer von  dieser Klassifizierung wenig begeistert, sind ist logisch. Aber auch viele Frauen stehen der App kritisch gegenüber. Hauptsächlich wird die diskriminierende Haltung der App angeprangert. Frauen sind zudem irritiert, wenn plötzlich das Profil des eigenen Onkels, Vaters oder gar Ehemanns/Freundes auftaucht. Ein weiterer Kritikpunkt: Rufmord. Es können sowohl absichtlich als auch unabsichtlich Falschaussagen über jemanden verbreitet werden. Ein Mann der in „Lulu“ mit der Punktzahl Eins bewertet wird, könnte er schwerer haben, ein Date zu finden. Außerdem können sich Menschen im Laufe ihres Lebens ändern, Eigenschaften erlernen oder ablegen. Im Endeffekt liegt die Bewertung zudem immer im Auge der Betrachterin, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Kritisch betrachtet wird auch wer und warum bewertet wird. Ein Mädchen, das positive Erfahrungen mit einem Jungen gesammelt, vielleicht sogar eine glückliche Beziehung geführt hat, wird diesen wohl kaum anderen Mädchen „zur Verfügung stellen“ und auf „Lulu“ anpreisen. Häufig beurteilt man gerade bei einem Bewertungsportal, wenn man unzufrieden war und sich beschweren möchte. Des Weiteren wäre es für einen Mann wohl leicht, seinen eigenen Punktestand durch einen weiblichen Fakeaccount bei Facebook zu manipulieren. Wie repräsentativ und Aussagekräftig die Profile auf „Lulu“ sind, ist daher anzuzweifeln.

 

Brauchen wir Lulu?

Mit den Auswirkungen sozialer Netzwerke auf unseren Lebensstil und unsere Konventionen befassen sich unter anderem Forschungsbereiche der Ethnologie, Sozialpsychologie und Kommunikationswissenschaft. Hierbei sind sowohl positive als auch negative Folgen zu beobachten. Inwieweit hat sich unser Verhalten nun bezüglich der Suche nach einem Partner geändert? Dating- und Partnervermittlungs-Plattformen gibt es schon lange, doch hier ist der Nutzer selbst Herr über sein Profil. Lulu geht einen Schritt weiter. Fraglich ist auch die Umsetzung von Gleichberechtigung. Wäre der Aufschrei bei einer App, die umgekehrt für Männer vermarktet wird, nicht viel größer? Gleichberechtigung muss ja dem Namen her auch in beide Richtungen gleich funktionieren, doch Feministinnen hätten im anderen Fall wohl längst protestiert.

Unser Umgang mit Kommunikation hat sich durch Smartphones und soziale Netzwerke grundlegend verändert.  Reicht dieser neue Umgang mit Kommunikation aus, um potenzielle Partner per App „abchecken“ zu müssen? Kennenlernen per App, ohne Nervenkitzel und Geheimnisse? Vielleicht kann die App vor unangenehmen Typen warnen, doch einen Weg Mister Right zu finden ist sie wohl eher nicht. 

 

Foto: flickr.com/ See-ming Lee (CC BY-NC 2.0)

The Show Must Go On

von Julia Heitkamp

Willkommen im Sommerloch des deutschen Fernsehens! Was gibt es denn zu sehen, wenn alle Shows von Stefan Raab bis Günther Jauch in der Sommerpause sind? Genau, jede Menge Trash! Werden wir derzeit Zeugen des Untergangs der deutschen Show Kultur?

 

Trash-Sommer 2013

Vom Popsternchen bis zum Topmodel scheinen zurzeit alle mehr oder weniger prominenten Gesichter ausgebucht zu sein. Doch wofür?

Für das, was von den ehemals so großen deutschen TV Shows übrig geblieben ist. Ein kurzer Blick über dasWochenendprogramm der größeren Fernsehsender verursacht nur noch ungläubiges Kopfschütteln: Bei Clash! Boom! Bang! auf Pro Sieben treten zwei „Prominente“ in banalen Spielen gegeneinander an. Zu gewinnen gibt es nichts – Verlierer sind demnach alle Beteiligten. Ähnlich ist es bei den Pool Champions von RTL. Ehemalige TV-Gesichter führen einer engagierten „Fachjury“ laienhaftes Turmspringen und Synchronschwimmen vor. Seit neuestem ist auch der verlängerte Arm des Dschungel Camps mit dem Titel Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika bei RTL zu sehen. Das Konzept ist hier ebenfalls schnell erklärt: Man setzt auf Drama und Gezicke in der Wildnis. Die Teilnehmerinnen wurden vom Sender schon im Vorraus dem entsprechend in Szene gesetzt. Die Liste derartiger Unterhaltungsshows ist beliebig erweiterbar.

Dabei muss man sich die Frage stellen: Warum tut sich der Zuschauer das an? Ob im Studio oder an den Bildschirmen – es muss die pure Langeweile herrschen. Anders kann man sich diesen Zustand tatsächlich nicht erklären. Selbst hart gesottene Fernsehkenner können mit solchen Formaten nichts mehr anfangen.

 

Die große Samstag-Abend-Show – Geschichte?

Leider muss man festhalten, dass sich das sinkende Niveau nicht nur auf das Sommerprogramm beschränkt. Man erinnere sich an den Zerriss der letzten Ausgaben von Wetten Dass…? in fast allen einschlägigen Medien. Man spricht von „Fremdschämen“ und „Katastrophen“ – ganz zu schweigen von den schlechten Quoten der einst größten Fernsehshow. Viele suchen die Schuld beim neuen Moderator Markus Lanz, der sich zwar sichtlich bemüht aber dennoch erfolglos ist. Die Zeit der deutschen Fernsehshow scheint einfach vorbei zu sein.

Die großen Shows können das Publikum mit ihren zum Teil veralteten Konzepten anscheinend nicht mehr überzeugen. Doch es scheint einfach nichts Innovatives mehr zu folgen. Stagnieren wir nun auf Musikantenstadel- und Castingshow-Niveau? Das kann es nicht gewesen sein. Denn es gibt tatsächlich noch Formate, die für die Zukunft richtungsweisend sein könnten.

 

Gibt es denn keine Hoffnung mehr?

Oft unterschätzt wird dabei Stefan Raab, der mit seiner Sendung „Schlag den Raab“ im Jahr 2006 neue Maßstäbe gesetzthat. Die Quoten sind nach wie vor gut und das Konzept hat sich auch erfolgreich ins internationale Ausland verkauft. Vielleicht braucht es keinen einfachen Moderator, sondern Allzweck-Entertainer vom Format eines Thomas Gottschalk und Stefan Raab um das Publikum zur wichtigsten Sendezeit am Wochenende an sich zu binden. Doch längst nicht alle Shows aus dem Hause Raab TV sind erfolgreich: Man denke an „Dauerwerbesendungen“ wie die Wok-WM, das TV Total Turmspringen und Co. Es lassen sich erschreckende Parallelen zu den oben genannten Trash-Produktionen feststellen.

Auch vergleichsweise neuen Talenten wie Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gilt unsere Hoffnung: Das Duo ist derzeit beim Privatsender ProSieben mit Circus Halligalli zu sehen. Aber auch hier erheben sich die Stimmen: Kritikern zufolge sind die beiden alles andere als innovativ – Sie würden ihr Ding durchziehen, egal auf welchem Sendeplatz. Soll heißen: Seit ihren Anfängen mit MTV Home (2009-2011) habe sich das Konzept ihrer Sendungen weder verbessert noch entwickelt. Da habe der Abstecher zu den öffentlich-rechtlichen Sendern auch nicht viel genutzt.

 

Was bleibt ist die Erkenntnis …

Es besteht also noch Hoffnung! Die deutschen Großsender müssten sich nur mal wieder etwas trauen und vielleicht auch mal einen Blick ins Internet riskieren um sich für neue Formate zu inspirieren. Zur Not gibt es, falls die Fernsehshow aussterben sollte, ja immer noch genug Filme und Serien auf die man als Produzent zurückgreifen könnte. Doch auch hier bleibt das gleiche Problem: Man müsste Geld und Mut investieren… Woran es den deutschen Sendern ja offensichtlich zu mangeln scheint.

 

Fotos:

flickr.com/Zotin: MTV Home

flickr.com/Zotin: Pressekonferenz Die große TV total Stock Car Crash Challenge

 

Cowboys of the Caribbean: The Curse of the Lone Ranger

von Miriam Gerstenlauer und Marius Lang

Eigentlich hatte The Lone Ranger durchaus das Zeug dazu, ein wirklich unterhaltsamer Film zu werden. Erst Recht, wenn man bedenkt, dass praktisch das gesamte Team der Fluch der Karibik-Reihe beteiligt war. Regisseur Gore Verbinsky kennt man schon vom Piratenstreifen, ebenso wie den Produzenten Jerry Bruckheimer. Und zumindest der Großteil der Drehbuchautoren ist auch wieder mit dabei. Klar, dass man da auch noch den Hauptdarsteller Johnny Depp mitgebracht hat. Dazu kommt eine beliebte Radiosendung und spätere Fernsehserie aus den 1940er und 50er Jahren als Grundlage, ein wirklich guter Soundtrack und eine gehörige Menge Geld der Walt Disney Studios. Ein Jammer nur, dass unterm Strich leider auch die Summe der einzelnen Teile nicht immer einen echten Kinohit ergibt.

 

Kleiner Junge, falscher Bruder

Ein kleiner Junge in Halbmaske und Cowboyoutfit geht auf einem Jahrmarkt in ein Wild-West-Museum. Dort trifft er auf den Indianer Tonto (Captain Jack Sparrow Johnny Depp), der als lebendes Ausstellungsstück arbeitet. Tonto erzählt dem Jungen die eigentliche Filmhandlung, das erste Abenteuer seines Freundes John Reid (Armie Hammer), dem maskierten Rächer Lone Ranger.

Die Geschichte beginnt mit Reids Rückkehr in seine Heimatstadt. Der Ganove Butch Cavendish ermordet bald darauf seinen Bruder und Sheriff Dan mit seinem Trupp. John wird anschließend von einem Pferd und dem wirren Erzähler Tonto rekrutiert, um Cavendish endgültig zur Strecke zu bringen. Klar, dass Tonto selbst eine Rechnung mit den Banditen offen hat, klar, dass diese offene Rechnung noch eine wichtige Rolle im Film spielen wird. Und auch klar, dass es eine Wendung geben wird, mit der niemand rechnet.

 

Captain Tonto, wenn ich bitten darf

Wer nicht weiß, dass das Fluch der Karibik-Team auch hinter Lone Ranger steckt, der achte nur mal auf die klaren Ähnlichkeiten:
Ein sympathischer, rechtschaffender junger Mann, (John Reid/Will Turner), wird in den Rachfeldzug eines zwielichtigen und zu stark geschminkten Antihelden mit zweifelhafter mentaler Gesundheit (Tonto/Jack Sparrow) hineingezogen, der mit dem Schurken (Butch Cavandish/Barbossa) noch eine Rechnung offen hat. Der rechtschaffende Mann willigt ein, um die Liebe seines Lebens (Rebecca/Elizabeth) aus den Fängen des Bösewichts (Latham Cole/Barbossa) zu befreien.

Die Kampfszenen sind gut choreographiert, gewohnt übertrieben und zu viele an der Zahl. Man ersetzte eigentlich nur die Schiffe durch Pferde, die Karibik durch die texanische Wüste und teilt den Bösewicht Barbossa in ein Duo aus einem kannibalischen Psychopathen und einem skrupellosen Geschäftsmann. Soviel Faulheit beim Filmemachen kann man schlecht verschleiern. Und auch die erwartungsgemäß ansehnlichen Actionsequenzen können nicht über den abgestandenen Plot und unnötige Länge des Streifens hinwegtäuschen.

Der Schuh des Kemosabe: Extra lang

Dass der Film sich in seiner Länge verliert ist vermutlich sogar sein größtes Problem. So könnte man beispielsweise die Rahmenhandlung um den gealterten Tonto, der dem kleinen Jungen seine Geschichte erzählt, komplett weglassen. Ebenso hätte man die Szenen mit Helena Bonham Carter, die eine einbeinige Bordellbesitzerin spielt, streichen können, ohne, dass sich die Handlung des Films geändert hätte. Dreißig Minuten weniger, und der Film hätte vielleicht nicht so unter der blassen Handlung gelitten.

Positives muss man jedoch auch vermerken. So spielt William Fichtner die Rolle des psychopathischen Mörders Cavendish durchaus ansehnlich verstörend und auch Tom Wilkinson ist als Eisenbahner Latham Cole beachtlich stark. Johnny Depp dagegen wirkt, als würde er die Rolle des Piratenkapitäns Sparrow ein wenig zu sehr lieben, wie sonst würde man sich sonst erklären, dass er praktisch ein und dieselbe Figur spielt.

Fazit: Blasses Popcornkino mit wenigen Schnörkeln. Nichts, was man nicht schon besser gesehen hätte. Niemand braucht CGI-Büffel und fleischfressende Hasen haben grundsätzlich nur etwas in Monty-Python-Filmen verloren.

 

Fotos: Copyright Walt Disney

Kontrollverlust, der keinen schert

von Natascha Löffler

Nachrichten über Prism und die NSA überfluten seit langem die Medien. Fest steht: Der amerikanische Geheimdienst NSA hat direkten Zugriff auf Massen von Daten der großen Internet-Firmen, ermöglicht durch ihr Programm „Prism“. Das Ziel ist es, möglichst viel von dem mitzubekommen, was Menschen miteinander reden und austauschen; Kontrollverlust auf hohem Niveau. Doch die Aufregung von Politik und Nutzern ist gering.

 

Nicht nur die Internet-Firmen…

Google, die beliebteste Suchmaschine weltweit, liefert wohl nicht nur den Nutzenden, sondern auch der amerikanischen Regierung zuverlässig und schnell Massen an Ergebnissen und Informationen, die diese dankbar empfangen.

Doch diese Informationen und Daten sind nicht nur der NSA schnell zugänglich, sondern in einem gewissen abgeschwächten Rahmen auch dem Normal-Nutzer verfügbar.

„Where we once sent love letters in a sealed envelope, or stuck photographs of our children in a family album, now such private material is despatched to servers and clouds operated by people we don’t know and will never meet”, schreibt Freedland in seinem Beitrag zur aktuellen Debatte. Die Informationen verschwinden zum einen in den riesigen Datenspeichern der Firmen, zum anderen werden sie auch von uns völlig fremden Personen benutzt; wie, das weiß keiner. Die Folge: Kontrollverlust!

 

Out of control?

Seemann, einer der Verfechter dieses Phänomens, thematisiert in seinem Blog den zunehmenden Kontrollverlust über Daten und Inhalten im Internet – dem Einzelnen entgleitet die Kontrolle über Informationen, ohne dass dieser es überhaupt merkt. Gründe hierfür seien die sich immer weiter ausbreitende Masse an Daten, die sich durch die Vielzahl an Aufzeichnungssystemen verstärkt, die Agilität der Daten, begünstigt durch sinkende Transaktionskosten sowie die steigende Verknüpfbarkeit von Daten – der Algorithmus sortiert und selektiert effektiv.

Daten sind überall, umgeben uns. Keiner weiß genau, welche Daten und vor allem wie diese Daten von den Algorithmen, den Gatekeepern von heute, verarbeitet werden. Und nicht nur die Macht der Algorithmen ist für manche beängstigend, sondern der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten; denn wer genau ist derjenige, der nach mir im Internet sucht? Und wer benutzt meine Daten, vielleicht auch kommerziell?  Es ist nicht mehr entscheidend, an welchem Ort – oder in welcher Website – Informationen über mich stehen, sondern entscheidend ist vielmehr, wer mehr über mich erfahren möchte und mit welchem Ziel.

 

„Der Andere“

„Die neue Öffentlichkeit ist der Andere“, lautet die These. Der Andere, der für uns Unbekannte, ein Phantom, das um uns schwebt und zuschlägt, ohne dass wir die Möglichkeit haben, dies zu merken. Der Andere steht uns gegenüber und nutzt das Internet, um Informationen zu generieren und zu verarbeiten, alles ermöglicht durch die Grenzenlosigkeit des Internets. Doch wie viele Informationen darf dieser Andere über uns erlangen? Oder wird die Freiheit des Anderen eingegrenzt, wenn seine Filtersouveränität gestrichen und ihm somit ein Mehr an Informationen vorenthalten wird?

Das Ziel des Internets und seiner Firmen wie Google oder Facebook kann und darf nicht sein, dass alle Tore sorglos aufgemacht werden und die Kontrolle für den Nutzer über seine Daten ganz verschwindet, wohin auch immer. Sobald die Filtersouveränität, alle Ansätze der Kontrolle negierend, zuschlägt, und es dem Empfänger ermöglicht, selbst zu entscheiden, welche Informationen relevant und welche nicht relevant sind, entsteht Kontrollverlust. Unaufhaltbar.

 

Datenklau. Und niemand hört hin.

Wie selbstverständlich nutzen wir das Internet, vielfältig, einfach und schnell, ohne sich groß Gedanken machen zu müssen. Ja, das Internet bietet enorme Möglichkeiten – und genau so viele Möglichkeiten des Überwachens. Doch diese Überwachung, die durch die NSA sowie „dem Anderen“ tagtäglich geschieht, ohne dass wir es überhaupt merken, ruft eben keine Entrüstung aus. Die Medien plappern vor sich hin, Schlagzeilen von Prism, der NSA und Snowden überhäufen die virtuellen und wirklichen Titelseiten. Aber: Keine Entrüstung bei dem normalen Nutzer des Internets.

Und keinen Widerstand von der Politik. Merkel gibt sich zaghaft, sagt erst nichts, schickt dann ihren Innenminister Friedrich vor, der von den USA aber auch keine näheren Informationen bekommt. Prism ist ja schließlich auch geheim und als „top secret“ klassifiziert. Ja, was will man dann auch machen? Übrig bleibt eine Reaktion der Gleichgültigkeit in der deutschen Politik. Eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Kontrollverlust, in jeglicher Hinsicht.

 

Vielgestaltig!

Die Internet-Firmen dementieren, für den amerikanischen Geheimdienst eine Hintertür offen zu lassen. Eine sinnvolle Taktik, wenn man bedenkt, dass die Privatsphäre des Nutzers eine immense Schädigung davon getragen hat. Der Nutzer kann sich die Dimensionen dieser Überwachung im Internet wohl nicht einmal ansatzweise vorstellen. Die Frage ist, ob er sich dies überhaupt vorstellen möchte. Dank „Big Data“ werden die Daten auch nicht allzu schnell gelöscht werden. Der Kontrollverlust in einer gigantischen Dimension ist die Folge, von Datenschutz kann nicht mehr die Rede sein – dabei ist es egal, ob die Informationen dem amerikanischen Geheimdienst (oder dem anderer Staaten) zur Verfügung stehen, kommerziell von Internet-Firmen benutzt werden oder eben doch der „Nachbar von nebenan“ mehr über mich wissen möchte. Kontrollverlust ist da, nur das Phantom des Anderen ist vielgestaltig.

 

Foto: flickr.com/Marsmettn Mallahassee (CC BY-NC-SA 2.0); flickr.com/thierry ehrmann (CC BY 2.0)

„Stereotypen werden unabsichtlich von den Medien bestärkt“

von Lina Heitmann

 

„Die Menschlichkeit sollte zuerst kommen.“ Professor Dr. Madhavi Reddy von der University of Pune ist dieses Semester als Rotating Chair of India, eine Gastprofessur durch die Indische Botschaft und den Indian Council of Cultural Relations, an der Universität Tübingen. Sie sprach mit media-bubble.de über ihr Seminar „Media & Morality“.

media-bubble.de: Sie sind seit einem Semester in Tübingen. Wie gefällt es Ihnen?

Madhavi Reddy: Gut, es gefällt mir mit den Studenten hier, und es läuft sehr gut in dem Kurs.

mb: Erzählen Sie uns von dem Kurs, er heißt „Medien und Moral“…

Madhavi Reddy: Ich fand es interessant zu sehen, wie die Medienethik und die Moral beim Medienkonsum zusammenkommen. Letzte Woche haben wir den Beispielfall WikiLeaks diskutiert und darüber gesprochen, wie wir WikiLeaks als eine moralische Kraft sehen können. Denn wenn man den gesamten WikiLeaks Fall anguckt, so wird er für manche Gruppen als Kampagne gegen die USA gesehen, weil viele Berichte gegen die USA waren. Auf der anderen Seite deckt es aber bestimmte Dokumente auf, was für jede demokratische Gesellschaft notwendig ist.

mb: Sehen Sie bei den Moralvorstellungen aus der deutschen Perspektive große Unterschiede zu Indien?

Madhavi Reddy: Ich betrachte Moral von einer Kultur zu einer anderen Kultur. Zum Beispiel sind die Filme in Indien komplett anders. Ich gucke hier hin und wieder deutsches Fernsehen, und der Content, der hier ausgestrahlt wird, ist vollkommen anders. Natürlich spielt die kulturelle Moral dabei eine Rolle. Die kulturelle Perspektive ist immer unterschiedlich. Gestern habe ich im deutschen Fernsehen eine Reality-Serie gesehen, wie ich sie mir niemals in Indien vorstellen könnte. Ein Mann kommt und bittet eine Frau um einen Gefallen, sie weist ihn zurück und wie sie ihn zurückweist ist im Prinzip die Reality-Serie.

mb: Wissen Sie welche Serie das war?

Madhavi Reddy: Ich weiß es nicht, sie spielte in Berlin, ich weiß den Namen wirklich nicht, aber diese Art von Serie könnte nie in Indien ausgestrahlt werden. Manche Probleme, die wir in Indien haben, sind vollkommen anders als in Deutschland, besonders in Bezug auf Ethik. Ich stelle das anhand von meiner persönlichen Erfahrung dar: In Indien kann ich nicht abends alleine einen Film in einer Spätvorstellung sehen, weil angenommen wird, dass eine Frau nicht alleine in eine Spätvorstellung gehen sollte. Sie würde nicht als sogenannte richtige “indische Frau” gelten. Aber hier in Deutschland wäre das glaube ich kein Problem, also ist es nicht nur der Content, sondern auch die Aktivität; der Medienkonsum kann auch als moralisch oder unmoralisch gesehen werden.

mb: Eine Zielsetzung Ihres Kurses ist, dass Studenten sich mit ihren persönlichen Glauben, Instinkten und Vorurteilen zum ethischen Umgang der Medien auseinandersetzen.

Madhavi Reddy: Ich betrachte Vorurteile im Sinne der typisierenden Natur der Medien, viele Stereotypen werden unabsichtlich von den Medien bestärkt. Mädchen sollten so sein, Jungs sollten so sein, oder ein “typisches” Verhalten von Männern wird gezeigt. Die Geschlechterrollen sind in indischem Content vorgeschrieben. Man kann nicht weggehen vom Stereotypischen. In den Soaps in Indien, besonders im Fernsehen, werden immer noch die Archetypen dargestellt. Der Glaube ist noch, dass die Frau das Zentrum der Familie ist, sie soll geduldig sein und so weiter. Die typischen Eigenschaften werden ihr zugeteilt und sie soll diese Rolle spielen. Wenn sie aus diesem typischen Rahmen fällt, dann wird sie als nicht-indische Art von Frau, als “un-Indian” gesehen. Diese Verhältnisse müssen verstanden werden, sowohl aus der indischen als auch aus der deutschen Perspektive.

mb: Glauben Sie, dass mit der Globalisierung und dem Internet, da Content in anderen Ländern einfacher verfügbar wird, solche unterschiedlichen Moralvorstellungen sich mehr und mehr aufheben werden?

Madhavi Reddy: Ich stimme Ihnen zu, was Content-Verfügbarkeit angeht. Heutzutage hat jeder weltweit Zugang zu vielen Arten von Content. Aber wenn ich das Beispiel Indien nehme, hat nur die jugendliche städtische Bevölkerung einen Internetzugang. Ein kleiner Anteil der städtischen Bevölkerung hat also Zugang zum Internet. Dort ist die Informationsflut noch ein neues Phänomen, Jugendliche machen verschiedene social networking Profile auf, es ist noch eine Anfangsphase, eine aufregende Phase. Die neuen Nutzer können noch nicht über die Ethik urteilen, sie gehen erst einmal begeistert mit dem Informationsflow, der ihnen entgegenkommt, um.

mb: Es gibt doch auch in Indien junge Erwachsene, die mit amerikanischen Serien wie Friends aufgewachsen sind – wie beeinflusst globaler Content die kulturellen Moralvorstellungen?

Madhavi Reddy: Das stimmt, mit privaten Kanälen und Satellitenkanälen hat man nicht nur den indischen Content, sondern man hat auch Zugang zum globalen Content. Aber ein prozentual sehr kleiner Anteil der Menschen schaut den globalen Content, zum Beispiel Big Bang Theory sehen wenige Jugendliche in den indischen Metropolen, ein oder zwei Prozent. Friends war auf jeden Fall eine beliebte Serie, auch in Indien. Aber man kann sich in Deutschland kaum vorstellen was für eine Breite an Kanälen wir in Indien haben. Der Kabelfernsehkunde hat 450 Kanäle. In 450 Kanälen, ja, da hat man auch internationalen Content, aber man hat so eine breite Auswahl weil Indien ein sehr diverses Land ist. Jeder Staat hat seine eigenen offiziellen Sprachen und dazu auch jeweils Fernsehkanäle. Zum Beispiel lebe ich in einem Staat, der Andhra Pradesh heißt, wo man sieben Nachrichtenkanäle hat, die nur in Telugu ausgestrahlt werden, einer offiziellen Sprache. So können Sie sich vorstellen, wie es bei 28 Staaten ist. Man kann all diesen Content nicht wirklich ignorieren und nur den globalen Content sehen.

mb: Wenn wir annehmen, dass in Ihrem Kurs einige der Studenten Journalisten werden wollen, was wünschen Sie sich, das bei ihnen zur Ethik in den Medien hängenbleibt?

Madhavi Reddy: Ich sage nicht, dass Moral etwas ist, das man erst pflegen sollte sobald man Journalist wird. Moral ist sehr menschlich, etwas, das man als Mensch einfach hat. Man muss es als Mensch pflegen, sobald man für sich selbst verantwortlich ist, nicht erst wenn man in den Beruf geht. Solange man seine eigenen Moralvorstellungen hat, sollte die Abwägung der Konsequenzen von dem Menschen selbst, nicht von den professionellen Ordnungen, entschieden werden. Wie man selbstständig fühlt sagt mehr aus, als ein journalistischer Code; das funktionert nicht so gut.

mb: Also sollte jeder sich selbst regulieren?

Madhavi Reddy: Ja, Selbstregulierung ist der beste Weg.

mb: Wenn das immer funktioneren würde, dann bräuchte man ja keinen besonderen Pressekodex.

Madhavi Reddy: Wir haben das in dem Kurs auch am Beispiel des Fotojournalismus diskutiert. Das berühmte Foto mit dem Geier, das im Jahr 1994 den Pulitzer Preis gewonnen hat – wie hat der Fotograf das Bild gemacht, wenn das Opfer da liegt und zum Opfer eines Geiers wird? Ist es menschlich, das zu tun? Als Professioneller hatte der Fotojournalist Recht, er hat den Pulitzer gewonnen, aber er hat seine Glaubwürdigkeit als Mensch verloren. Die Menschlichkeit sollte zuerst kommen.

mb: Vielen Dank.

 

Das Interview wurde ursprünglich in englischer Sprache geführt. Übersetzung ins Deutsche: Lina Heitmann.

Coming-out in Songs: Die Musical-Serie „Glee“

von Alexander Karl

Wenn FOX am 26. September die erste Folge der fünften Staffel von „Glee“ ausstrahlt, wird einer fehlen: Cory Monteith. Im Juli dieses Jahres starb der Darsteller von Finn Hudson. Sicherlich ist es ein schwerer Verlust für seine Angehörigen, gerade auch für seine Freundin und Serienpartnerin Lea Michele. Aber auch für die Serie selbst.

Musical ist wieder in

Denn auch Dank Cory Monteiths schauspielerischem und gesanglichem Talent hat es „Glee“ geschafft, das Musical wieder salonfähig zu machen, ja sogar das Genre von der großen Leinwand auf den kleinen Bildschirm zu holen. Als im Jahr 2009 die Serie auf dem US-Sender FOX erstmals ausgestrahlt wurde, sprach Ryan Murphy, Co-Creator und ein Executive Producer der Serie, davon, „a sort of postmodern musical“ machen zu wollen. „Fox was not interested, and neither was I, in doing a show where people burst into song”, sagte er gegenüber der New York Times. Denn diese abrupten Wechsel von Narration in Musik- und Tanzperformance waren genau das, was die frühen Musicals in den 1930iger bis 1950iger Jahre oftmals ausmachte.

In den vergangenen Dekaden hingegen spielte das Musical-Genre eine eher untergeordnete Rolle, doch mit Filmen wie „Moulin Rouge!“ (2001) und „Burlesque“ (2010) konnte es zuletzt wieder im Mainstream Fuß fassen. Das Problem mit der unnatürlichen Gesangs- und Tanzsequenzen umgeht „Glee“, indem es diese Elemente sinnvoll in die Handlung einbettet. Immerhin handelt es sich bei „Glee“ um einen Show-Chor, da muss geprobt und aufgetreten werden. Dies ähnelt dem Prinzip der bekannten Show-Musicals aus dem letzten Jahrhundert wie etwa „Singin‘ in the Rain“ (1952).

Neben dem Show-Musical gibt es noch zwei weitere Subgenres: Das Fairy Tale-Musical und das Folk-Musical – diese drei Typen unterscheidet zumindest Rick Altman, der mit „The American Film Musical“ ein Standardwerk zum Musical vorgelegt hat.

Coming Out in Songs

Fernab seiner Musical-Elemente setzt „Glee“ aber auf eine Dramady-Mischung, die mehr als nur Teenie-Probleme beinhaltet. So wird Homosexualität und seine Akzeptanz in der Gesellschaft wird immer wieder thematisiert. Nicht nur die männliche Homosexualität wie bei Kurt (gespielt von Chris Colfer), sondern auch die weibliche wie bei Santana (gespielt von Naya Rivera). Der Prozess des Coming-outs ist ein großes Thema, die Reaktion ihrer Freunde ist zumeist positiv, doch deutlich wird immer wieder: Noch reagieren nicht alle Menschen mit Akzeptanz und Toleranz auf das vermeintlich Unnormale. „Glee“ trägt aber mit der offenen Thematisierung dazu bei, dass sich dies ändert – das belegt sogar eine Studie. Zahlreiche weitere Figuren – der im Rollstuhl sitzende Artie, die an Zwangsstörungen leidende Lehrerin Emma, die Zöllibatsclub-Präsidentin und plötzlich Schwangere Quinn – sorgen für abwechslungsreiche und sozialkritische Storylines, die sich auch über mehrere Staffeln spannen.

Doch als Musical-Serie funktioniert „Glee“ nur, weil es diese ganzen Elemente verwebt und aufgreift: Die Songs sprechen den Figuren aus der Seele und passen zur Diegese. Wenn Santana passend zu ihrem Outing „I Kissed a Girl“ von Katy Perry singt, mag dies wohl naheliegen (Folge 7/ Staffel 3). Aber die Performance als Antwort auf die dumme Anmache eines Schülers zu nutzen, bei der sich Santanas weiblichen Club-Kolleginnen bildlich an ihre Seite stellen und den Song mit ihr singen, zeugt von der starken Verknüpfung von Diegese und Gesang bzw. Tanz.

Wie „Glee“ zukünftig ohne Cory Monteith sein wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist aber, dass sein Tod in der dritten Folge der fünften Staffel thematisiert werden wird. Dass dies (auch) musikalisch sein wird, ist anzunehmen.

 

Foto: flickr.com/Kirstin Dos Santos (CC BY-SA 2.0)

Kühlschränke, Frauen und Comics

von Marius Lang
Illustration von Henrike W. Ledig

Die Frau im Kühlschrank

Als Kyle Rayner seinen Kühlschrank öffnet, trifft ihn der Schock. Dort sieht er seine Freundin Alex DeWitt, oder besser das, was von ihr übrig ist. Ermordet, zerstückelt, entwürdigt. Und in einen Kühlschrank geschoben, als Warnung. Doch Alex ist nur eine von vielen Frauen in der Comicwelt, denen überproportional grausam mitgespielt wurde.

Wie alle Medien sind auch Comics von Geschlechterklischees geprägt. Allerdings werden gerade hier Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Charakteren überdeutlich aufgezeigt. Frauen in Comics, sind extrem häufig die Opfer extremer Gewalt, vor allem in denen der Big Four der Anglo-Amerikanischen Comicindustrie, DC, Marvel, Dark Horse und Image Comics. Die Website Women in Refrigerators listet Beispiele dieser Gewaltausbrüche an weiblichen Comiccharakteren auf.

Der Begriff der Women in Refrigerators bezieht sich auf Alex DeWitt. Die obenbeschriebene Szene stammt aus der Reihe Green Lantern. Einer der Träger dieses Titels ist Kyle Rayner. Einer seiner Feinde, Major Force, beschloss bei einem Einbruch in Rayners Wohnung kurzentschlossen, einfach die Freundin abzuschlachten. Anschließend schob er ihren Leichnam in den Kühlschrank, als geschmacklose Botschaft an Rayner.

Klischeeinnen

Klischeehafte Darstellungen von Frauen sind in den Medien kein Einzelfall. Gerade im Hollywood-Kino werden Frauen meist extrem negativ dargestellt. Ob als Damsel in Distress, die nur darauf wartet, dass ihr starker, männlicher Held sie rettet oder ganz einfach als plattes Sexobjekt. Alle populären, klischee-überladenen Frauenbilder finden sich so auch in den Panels der Comicindustrie wieder. Frauen sind oft entweder irrational handelnde Bösewichte, übertrieben maskuline Kampflesben oder schlichte Love Interests, die dem männlichen Helden etwas mehr Tiefe verleihen sollen. Und außerdem sind sie fast immer in denkbar unpraktische, aber dafür entblößende Kleidungsstücke gequetscht. Doch die Brutalitäten, denen diese Figuren ausgesetzt sind, setzen dieser Darstellung die Krone auf.

Die Gewalt gegen Panel-Frauen blieb nicht unbemerkt. Eine der größten Kritikerinnen war die Autorin Gail Simone (Autorin von Wonder Woman, Deadpool). Simone stellte die Website Women in Refrigerators online, in der sie Akte übertriebener und extremer Grausamkeit an weiblichen Superheldinnen auflistet. Die Spannbreite physischer und psychischer Brutalität reicht dabei vom Tod naher Angehöriger, über den Verlust ihrer Kräfte, bis hin zu Folter, Missbrauch, Vergewaltigung und Tod. Desweiteren versucht sie auf der Website Ansätze zu liefern, warum gerade Superfrauen in Comics derart gehäuft Opfer solcher Gewalt werden und sammelt Reaktionen wichtiger, männlicher wie weiblicher, Persönlichkeiten des Mediums.

Ein Einwand mag sein, dass auch männlichen Helden viel Schreckliches zustößt. Allerdings ist Gewalt gegen Männer häufiger Mittel der Charakterentwicklung. Auf der anderen Seite ist klar, dass ein Fall wie der Mord an Alex DeWitt nur dem Zweck diente, Kyle Rayner als Figur mehr Tiefgang zu geben. Ein anderes Beispiel: Als Superman starb, kehrte er nach kurzer Zeit zurück. Supergirl  war nach ihrem Tod in Crisis on Infinite Earths bei weitem nicht so glücklich und blieb lange Zeit verschwunden. Männer in Comics leiden um ihres Charakters willen –  Frauen leiden um zu leiden.

Männer vor und hinter den Panels

Comics sind, mehr noch als Filme oder Fernsehen, ein männlich dominiertes Medium. Dies gilt sowohl für Rezeption als auch Produktion und ist auch in den Geschichten auffällig. Laura Mulvey, feministische Filmtheoretikerin,  spricht in Bezug auf Film und Fernsehen von der Frau als passives Anschauungsmaterial für den Mann. Dies kann man auch auf Comicheldinnen übertragen.

Nur sind Superheldinnen und Superschurkinnen nicht wirklich passiv. Ihre Kräfte machen sie, je nach Art und Ausprägung, männlichen Figuren oft ebenbürtig und teilweise überlegen. Weibliche Figuren mit Superkräften sind deshalb eine viel größere Gefahr für Männer, und um nach Mulvey zu gehen: wecken in diesen die Angst vor Kastration. Derart mächtige Frauen verunsichern männliche Produzenten und Rezipienten. Um dem entgegen zu wirken, wird weiblichen Comicfiguren viel härter mitgespielt. Der männliche Leser rezipiert voyeuristisch, wie starke Frauen in Comics entmachtet werden, starke Männer aber obenauf bleiben.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Natürlich muss noch gesagt werden, dass nicht alle weiblichen Figuren aus solche extremen Situationen schwächer hervorgehen. Barbara Gordon  ist hierbei ein gutes Beispiel. Als Batgirl unterstützte sie lange Zeit Batman im Kampf gegen das Verbrechen in Gotham. Als sie jedoch in The Killing Joke von Batmans Erzfeind Joker angeschossen wurde, war sie in späteren Geschichten an den Rollstuhl gefesselt. Doch Barbara ließ sich davon nicht unterkriegen und kämpfte fortan als Hackerin und strategisches Genie weiter gegen das Böse. Sie wurde so Anführerin des Superheldenteams Birds of Prey und die Geschichten nach ihrer Lähmung erfreuen sich großer Beliebtheit. Zwar wurde auch sie „geschlagen“, aber sie hat das Beste aus ihrem Schicksal herausgeholt.

Neue Zeiten?

Wenn man Comics liest, weiß man, dass man sich auf ein klischeebehaftetes Männermedium einlässt. Solange die Geschichten um weibliche Figuren weiter zentral in den Händen von männlichen Autoren und Künstlern liegt, werden Heldinnen weiter in ihre Schranken gewiesen. Doch der Erfolg einzelner Künstlerinnen bringt mittlerweile frische Luft in die Männerrunde. Und seit Simones Website Online gegangen ist, können sich die Macher nicht mehr einfach unbemerkt davonstehlen. Eine Empfehlung am Rande: Starke Frauen schaden dem Medium nicht und unsichere Rezipienten sollten sich an ihre Anwesenheit gewöhnen. Außerdem könnte Wonder Woman mit Superman problemlos den Boden wischen. Und das ist nichts schlechtes. Es gleicht nur Kräfteverhältnisse aus.

Zum Thema:

Gail Simone: Birds of Prey und Wonder Woman

Alan Moore: The Killing Joke