Der Zombie in uns: „Dawn of the Dead“

von Selina Juliana Sauskojus

Nach dem Zweiten Weltkrieg floriert die USA. Die Wirtschaft wächst kontinuierlich, in den 70er Jahren endet Vietnamkrieg, Hippies beginnen die Straßen zu bevölkern. Frieden liegt in der Luft. Doch der Feind versteckt sich nicht ungern in den eigenen Reihen. Und er tarnt sich meist sehr geschickt. Vornehmlich in Shopping Malls, Autohäusern und überall dort wo der glückliche Amerikaner sein Geld ausgeben kann. Die Versprechungen von Wohlstand und Glück, die die Industrie macht, scheinen den Bürger zum willenlosen Konsumenten gemacht zu haben. Diese Entwicklung verarbeitet George A. Romero im zweiten Teil seiner Zombietrilogie und verlegt die Handlung in ein Setting, welches das Herz konsumwütiger Menschen höher schlagen lässt: das Einkaufszentrum.

„When there’s no more room in hell, the dead will walk the earth

Dawn of the Dead setzt zeitlich kurze nach Romeros erstem Zombiefilm Night of the living Dead (1968) ein. Untote wandeln auf der Erde, auf der Suche nach Lebenden, die sie sich einverleiben können. Wer nur ein einziges Mal gebissen wird, verwandelt sich vom Lebenden in einen wandelnden Untoten. In einem Fernsehstudio in Philadelphia werden letzte Versuche unternommen die Öffentlichkeit mit Informationen über die Katastrophe zu versorgen. Doch auch hier greift das Chaos langsam aber sich um sich. Mitarbeiter des Senders, das Paar Stephen und die schwangere Fran, wollen angesichts der aussichtslosen Situation ihr Heil in der Flucht suchen. Mit einem Hubschrauber und zwei SWAT-Mitgliedern, Roger und Peter, machen sie sich auf die Suche nach einem sicheren Refugium. In den vollständig ausgeplünderten amerikanischen Landstrichen findet sich kein Treibstoff mehr. Notgedrungen landen die vier auf dem Dach einer Shopping Mall. Dort beschließen sie sich zu verschanzen. Die Gruppe richtet sich häuslich ein, indes sammeln sich mehr und mehr Untote um das Einkaufszentrum herum. Während die offensichtliche Gefahr vor den geschlossenen Toren umherwandelt, beginnt der subtilere Feind, die Gruppe allmählich zu zersetzen. Fasziniert und geblendet von den Möglichkeiten, die ein Einkaufscenter ihnen bietet, entfremden sich die Gruppenmitglieder voneinander und von sich selbst.

 Ein sicherer Hafen für Mensch und Zombie

Das Einkaufszentrum stellt in Dawn of the Dead nicht nur ein Setting dar. Mit dem Handlungsort überträgt Romero den wichtigsten Anlaufpunkt des modernen Menschen in ein Horrorszenario.

Die Gruppe wird angezogen vom Angebot, das ihr ein möglichst langes Überleben sichert. Selbiges gilt für die Untoten, die vom lebendigen Fleisch der Gruppenmitglieder angezogen werden.

Der Protagonist Stephen sieht jedoch andere Beweggründe für den Auflauf der Untoten: „It’s some kind of instinct. Memory… of what they used to do. This was an important place in their lives.“

Das Stichwort lautet Instinkt: Ein unbewusst gesteuerter, natürlicher Trieb, der jedem Menschen innewohnt. Ein derartiger Instinkt entsteht aber nicht, wenn man sich als Gelegenheitsshopper einmal pro Monat in die städtischen Einkaufsstraßen begibt. Ein Instinkt sichert das Überleben, schützt vor Gefahren. Der Drang Dinge zu besitzen, sie zu horten und zu verteidigen, ist tief im Menschen verwurzelt. Romero zeigt, wie zerstörerisch dieses triebhafte Verhalten letztlich sein kann.

Der Überfluss führt dazu, dass sich die Gruppe immer mehr zersetzt. Anstatt sich mit ihren unbestreitbar vorhandenen Problemen auseinanderzusetzen, verbringen die Überlebenden ihre Zeit damit Schlittschuh zu laufen, sich neu einzukleiden und Candlelight-Dinners zu veranstalten. Pläne weiterzuziehen werden alsbald verworfen, man habe ja schließlich alles was man brauche.

Der Wahnsinn um Konsum und Besitz gipfelt am Ende im Überfall einer plündernden Motorrad-Gang. Anstatt sich und seine überlebenden Freunde zu schützen, verteidigt Stephen „seine“ Mall. Peters Warnungen, die Gang sei nur an den Gütern, nicht aber an ihrem Leben interessiert, schlägt er in den Wind. Letztlich ist ihm der Besitz von Luxusgütern wichtiger geworden, als das Überleben der eigenen Familie und der Freunde.

Der passive Konsument

Als die Gruppe sich im Einkaufszentrum verschanzt, findet sie zunächst einige Zombies vor, die durch das Gebäude wandeln. In der Darstellung unterscheiden sie sich jedoch kaum von lebendigen Besuchern. Entrückte Blicke, ein schlendernder Gang – so sehen Shopper an einem Samstagmittag aus. Oder eben Untote, die sich auf der Suche nach Nahrung befinden.

Was sowohl die Zombies als auch die Überlebenden vereint, ist ihre Passivität. Sie alle geben sich dem Instinkt hin und werden am Ende zu lethargischen Kreaturen ohne bestimmtes Ziel.

Dass der Regisseur dies nicht nur als Problem weniger Menschen betrachtet, wird dadurch deutlich, dass aus Menschen jeder Bevölkerungsgruppe, jeder religiösen Gemeinschaft und jeden Alters letztlich zu Zombies mutieren. Der Hippie, die Nonne und auch der Erstklässler. Alle sind dem Konsum ausgesetzt und keiner kann ihm am Ende entgegentreten.

Fazit

In Deutschland landete Zombie, so der deutsche Filmtitel, zunächst auf dem Index. Die Gore-Elemente schienen etwaige gesellschaftskritische Aussagen vollkommen in den Hintergrund zu drängen. Dennoch vermag keine andere Verbildlichung als der passiv agierende, lethargische Zombie so genau zu illustrieren, was in Überflussgesellschaften vor sich geht. Den Spiegel hat uns Romero vorgehalten, verändern konnte er nichts. Letztlich bleibt ihm aber noch immer der Verdienst einer der Großen des Genres zu sein und den Horrorfilm salonfähig gemacht zu haben.

Fotos: Sceenshots „Dawn of the Dead“, Copyright: Laser Productions

 

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