Bulgarien ist Weltmeister!
von Andrea Kroner
In der Wüste Patagoniens im Süden von Argentinien kämpften in den letzten drei Monaten sechzehn Nationen um den Weltmeistertitel im Quidditch, dem Ballspiel hoch zu Besen im Harry-Potter-Universum. Das ist eine sehr beliebte Zauberer-Sportart, bei der jeweils sieben Spieler auf Besen fliegen und mit vier Bällen spielen.
Seit Freitag Abend ist es offiziell: Bulgarien hat Brasilien mit 170 zu 60 geschlagen. Obwohl das Finale im Fußball erst am Sonntag stattgefunden hat, zeigt sich dennoch deutlich eine parallele Struktur.
Neues von Rowling
Auf der Internetplattform pottermore.com erhalten Fans die Möglichkeit, die Geschichten aus der Welt von Harry Potter interaktiv miterleben zu können und erhalten zusätzliche Informationen über die magische Welt, die aus der Feder von J.K. Rowling stammen.
Obwohl die Seite pottermore.com vor allem dazu dienen soll, die e-books der Harry-Potter-Saga zu verkaufen, macht es das Ganze doch mit viel Charme und gibt den Fans viele Möglichkeiten, sich auszuleben. Die Quiddich-WM ist ein Beispiel, wie die Seite versucht, noch lange noch Abschluss der Serie mit den Fans in Kontakt zu bleiben.
Die Berichterstattung über die 427. Quidditchweltmeisterschaft erfolgt dabei mithilfe von Zeitungsartikeln, die von den fiktiven Figuren Ginny Potter, der Frau von Harry Potter, und Rita Kimmkorn, einer Klatschreporterin, geschrieben sind. Dabei werden aber auch ein paar neue Details zum Werdegang von Rowlings berühmten Figuren enthüllt.
Nur ein Abklatsch der Fußballweltmeisterschaft?
Rowling scheint die Quidditchspiele bewusst vor die jeweiligen Fußballspiele gelegt zu haben, um eine zu offensichtliche Bezugnahme zu vermeiden. Doch wenn man sich intensiver mit dem Thema beschäftigt, kommen immer mehr versteckte Parallelen zum Vorschein: Das beginnt schon beim Austragungsort. Sowohl Brasilien als auch Argentinien befinden sich in Südamerika und sind sogar Nachbarstaaten.
Darüber hinaus lassen sich bei beiden Veranstaltungen Unruhen feststellen. In Brasilien gab es bereits vor der Weltmeisterschaft heftige Proteste gegen den Bau teurer Stadien, während große Teile der Bevölkerung in völliger Armut leben. Im ersten Artikel zur Quidditchweltmeisterschaft sind diese Tumulte etwas anders verarbeitet: Es gibt keinen Widerstand gegen die Veranstaltung selbst. Dafür bringen die einzelnen Mannschaften Maskottchen mit, die von riesigen Seeschlangen über Hai-Mensch-Gestaltwandler bis hin zu Vampiren reichen. Als diese außer Kontrolle geraten, zerfleischen sie sich gegenseitig und verletzen dabei auch einige Zuschauer.
Auch bei den teilnehmenden Mannschaften lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden: Sechs Nationen sind sowohl beim Quidditch, als auch beim Fußball in der KO-Runde vertreten. Dabei stechen drei Mannschaften mit besonders offensichtlichen Parallelen heraus: Brasilien, die USA und Nigeria.
Am deutlichsten sind die Äquivalenzen bei den USA zu erkennen: Dort wird eine national populäre Sportart durch das weltweit beliebte Quidditch langsam verdrängt. So erkennt man auch in der realen Welt, dass Fußball gegenüber American Football und Baseball an Bedeutung gewinnt.
Eine Satire über die Berichterstattung
Doch Rowling zieht nicht nur Parallelen zur realen Welt, sondern übt auch mit der bereits in den Büchern zu Harry Potter vorkommenden Rita Kimmkorn Kritik am derzeitigen Journalismus. Dabei nimmt die Klatschreporterin auch während der Weltmeisterschaft kein Blatt vor den Mund und stellt oftmals falsche Vermutungen und Anschuldigungen in den Raum. Sie kommentiert mit Ginny Potter zusammen das Finalspiel. Das Sportereignis zählt für sie jedoch überhaupt nicht. Sie sieht sich nicht einmal das Spiel an, sondern konzentriert sich lediglich auf Harry und seine Freunde und versucht deren Verhalten zu deuten. Auf die Spitze treibt sie es mit der Bemerkung, dass Harry sich gerade am Ohr kratzt.
Ginny hingegen ist eine seriöse Sportreporterin: Sie konzentriert sich nur auf die Spiele. Lediglich im letzten Kommentar zusammen mit Rita kann sie sich nicht zurückhalten und gebietet Rita bei einigen unfairen Kommentaren zu ihrer Familie Einhalt. Am Ende verflucht sie diese sogar wegen ihren Anschuldigungen.
An diesen beiden Figuren erkennt man deutlich den Unterschied zwischen Ritas Boulevardjournalismus, der sich größtenteils auf Vermutungen stützt und Ginnys glaubwürdigem Qualitätsjournalismus, der gut recherchiert und fundiert ist – auch wenn selbst sie im Angesicht von Ritas Dilettantismus. Rowling schafft es dabei, ihre Kritik am Klatsch der Zeitungen auf eine lustig-ironische Weise in deren eigenem Medium zu verpacken.
Mithilfe der Artikelreihe über die Quidditchweltmeisterschaft hat es die Autorin geschafft, die fiktive Zaubererwelt ein Stück näher an unsere Realität heranzubringen. Die Fans dürften sicher erfreut sein, nach einer langen Pause wieder etwas über Harry Potter zu hören und auf mögliche Fortsetzungen gespannt sein.
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