Schiller und die Polygamie – Dominik Grafs „Die Geliebten Schwestern“

von Andrea Kroner

Eine Liebe zu dritt, in der es keine Eifersucht oder Bevorzugung gibt, scheint ein heikler Aufhänger für einen historischen Film zu sein. Doch genau daraus schuf Regisseur Dominik Graf sein neuestes Werk. Darin zeigt er eindrucksvoll, wie eine Zukunft voller Idylle und Harmonie in Zweifel und Argwohn umschlagen kann.

 

Die Harmonie schwindet

Die Handlung beginnt 1787: Die junge Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius) wird zu ihrer Tante geschickt, um dort eine Hofdame zu werden und hoffentlich eine vorteilhafte Ehe zu schließen. Sie findet sich jedoch am Hof nicht zurecht. In dieser Situation trifft sie den jungen, mittellosen Dichter Friedrich Schiller (Florian Stetter), der ebenso wenig mit den strengen Regeln des Hofes klarkommt..

Um ihre schüchterne Schwester zu unterstützen, lädt ihn Charlottes ältere Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) ein, den Sommer auf ihrem Anwesen zu verbringen.

Die drei verstehen sich auf Anhieb. Sie beginnen, sich verschlüsselte Briefe zu schicken und schließlich gesteht Schiller den beiden seine Liebe. Daraufhin schmieden sie Pläne für eine Zukunft zu dritt: Dafür soll Charlotte Schiller heiraten.

Nachdem Charlotte und Friedrich geheiratet haben, zieht sich Caroline ihrer Schwester zuliebe aus der Dreiecksbeziehung zurück. Doch bereits vier Jahre später (1794) trifft sie Schiller wieder – und wieder verbringen sie eine heimliche Nacht. Auf Wunsch ihrer Schwester zieht sie wenig später bei dem Paar ein und schreibt mit Hilfe von Schiller ihren ersten Roman. Doch das Glück wird erneut getrübt – Caroline ist schwanger – weiß aber nicht genau von wem – und muss ihr Kind verstecken. Mit diesem Ereignis brechen die Schwestern endgültig, da Charlotte sich durch die Heimlichkeiten verraten fühlt.

Das bleibt so, bis 1802 ihre alte und kranke Mutter versucht, sie zu versöhnen: Aus einem Streit entsteht schlussendlich Versöhnung.

 

Ein Film über Worte

Gerade die Worte der zahlreichen Briefe spielen dabei eine entscheidende Rolle: Sie bilden die Brücke zwischen den Liebenden – sowohl geografisch, als auch emotional. Mithilfe der Briefe können sie sich einander offenbaren.

Die Umsetzung des Geschriebenen erfolgt dabei auf unterschiedlichste Weise: Zu Beginn blickt die Kamera nur über die Schulter der Schreibenden, später sprechen die Protagonisten ihre Briefe direkt in die Kamera. Das erzeugt das Gefühl von Nähe – sowohl zum Zuschauer, als auch zum Briefempfänger. Sie sprechen mit solch einer Eindringlichkeit, solch einer Intensität, dass die Briefe lebendig werden und mehr zu sein scheinen, als bloß Buchstaben auf Papier. Sie strukturieren den gesamten Film und geben ihm eine ganz eigene Note.

Doch nicht nur aus den geschriebenen, sondern auch aus den gesprochenen Worten zieht der Film sein Potenzial: Dadurch werden die Wünsche, Hoffnungen und Ängste der Protagonisten verdeutlicht: So beschreibt Schiller seinen Traum, dass der aufkommende Buchdruck eine Chance darstellt, allen Menschen Zugang zu Büchern und damit zu Wissen zu ermöglichen.

 

Liebe auf eine ganz besondere Weise

Obwohl Schiller ein Mann der großen Worte ist, hält er sich für liebesunfähig – bis er die Schwestern kennen lernt. Ebenso wie Caroline und Charlotte ist er überwältigt von deren Kraft und Intensität. Doch die menage à trois erscheint nicht wie etwas Falsches oder Verwerfliches, sondern ist ihre Möglichkeit, ihre Liebe füreinander auszuleben und alle Beteiligten glücklich zu machen. Einen Sommer lang ist das sogar möglich. Sie müssen sich in dieser Zeit keine Gedanken über finanzielle, gesellschaftliche oder eheliche Probleme machen. Caroline kann ausblenden, dass sie eigentlich verheiratet ist und ihr Mann die finanzielle Existenz ihrer Familie sichert. Und Charlotte kann vergessen, dass sie sich eigentlich nach einem reichen Ehemann hätte umschauen sollen.

Entgegen aller finanziellen Einwände heiratet Charlotte den Dichter am Ende des Sommers, während sich die weit entfernt wohnende Caroline immer mehr ausgliedert. Doch sie kann ihre Liebe zu Schiller nicht kontrollieren und gefährdet so auch die Ehe ihrer Schwester. So steuert der Film auf die notwendige Klimax zu, bis es schließlich zum Bruch der Schwestern kommt.

Denn die Schwestern haben sich geschworen, sich näher zu stehen, als je einem Mann und sich alles zu erzählen. Doch Caroline bricht damit, indem sie ihre Affäre zu dem verheirateten Schiller verheimlicht.

 

Schiller mal anders

Dominik Graf zeichnet mit „Die Geliebten Schwestern“ ein ganz neues Bild des großen Dichters Friedrich Schiller, auch wenn große Teile der Geschichte mehr Interpretation als Fakt sind. Zwar haben alle vorkommenden Figuren wirklich existiert, jedoch ist nicht sicher belegt, in welcher Beziehung sie zueinander standen. Auch sind nur wenige Briefe erhalten geblieben. Dennoch bleibt es ein Film der großen Worte – sowohl geschrieben, als auch gesprochen.

 

DIE GELIEBTEN SCHWESTERN, Deutschland/ Österreich 2013/2014 – Regie & Drehbuch: Dominik Graf. Produktion: Uschi Reich. Kamera: Michael Wiesweg. Mit: Hannah Herzsprung, Florian Stetter, Henriette Confurius. 138 Min.

 

Fotos: ©Presse Senator Entertainment

 

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