Reingelegt: Wie Medien Menschen täuschen

Von Roman van Genabith

Journalisten sollen für die Leser schreiben, nicht für sich selbst, wird ihnen immer wieder eingeschärft. Doch wie oft halten sie sich nicht daran?

Reaktionen von Lesern, Hörern oder Zuschauern auf die Arbeit der Journalisten können vielfältig sein: Von Hass und Ablehnung über unqualifizierte, aber belanglose Äußerungen bis zum völligen Desinteresse ist alles dabei. Da lässt sich durchaus nachvollziehen, wie mancher Kollege gelegentlich ausprobiert, wie aufmerksam die Zielgruppe tatsächlich ist. Aber wann geht ein solches Experiment zu weit?

Im Jahr 2010 strahlte der SWR auf seinem Kulturkanal SWR2 in der Sendereihe „SWR2 Wissen“ ein Feature aus, das sich mit einer Kolonie deutscher Auswanderer im indischen Ozean beschäftigte. Im 19. Jahrhundert, so der Autor in dem technisch durchaus anspruchsvoll gemachten Stück, strandete eine Gruppe schwäbischer Auswanderer auf den Kerguelen, einer entlegenen Inselwelt im indischen Ozean. Die auch Desolation Islands genannten Inseln liegen in der subarktischen Klimazone, es weht dort ganzjährlich ein stetiger Wind, die Vegetation ist kärglich, die Landschaft zerklüftet und unwirtlich. Dennoch ließen sich die Siedler dort nieder, gründeten eine Kolonie und bewahrten sich ihr schwäbisches Brauchtum bis heute. Das drückt sich auch im Programm ihres einzigen Radiosenders aus: Radio Neuschwabenland sendet einen Mix aus Heimatmusik und Nachrichten aus Europa. Betrieben wird das kleinste Bürgerradio der Welt vom einzigen hauptberuflichen Journalisten auf der Insel, dem deutschen Auswanderer Fred Rattenhart, der vor Jahren unter ungeklärten Umständen aus Deutschland verschwand und von den Insulanern mit offenen Armen aufgenommen wurde. Die Insel teilen sich die Schwaben mit den Bewohnern einer französischen Forschungseinrichtung, mit denen sie in friedlicher Eintracht zusammenleben.

Dieses kleine Utopia, das von einer Münchner LMU-Professorin im Feature gar als prototypische Gemeinschaft im besten Sinne der Europäischen Union charakterisiert wurde, hat nur einen bedenklichen Fehler: Es existiert nicht.

Genauer, der deutsche Teil der Inselbevölkerung ist schlicht eine, wenn auch fantasievolle, Erfindung des SWR-Autors Udo Zindel. Die französische Forschungsstation existiert tatsächlich. Schon seit dem zweiten Weltkrieg unterhält Frankreich die Niederlassung in seinem Subantarktis-Überseeterritorium. Deutsche Siedler aber gab es auf den Kerguelen nie. Die einzigen Deutschen, die je ihren Fuß auf die Insel setzten, gehörten zu zwei deutschen Versorgungsschiffen während des zweiten Weltkriegs.

Dreiste Luftnummer

Andre Holz (Name geändert) arbeitet bei einer großen Telefongesellschaft in der Kundenbetreuung. Seine Tage sind lang, die Routine ermüdend. Nach acht Stunden am Bildschirm schaltet er gern die Wellen des ARD-Rundfunks ein, häufig auch als Podcast. Ihm gefallen die sorgsam produzierten Stücke, die einen qualitativen Mix aus Wissen und Information transportieren. Die Sendung über den Sender am Ende der Welt begeisterte ihn. Auch, weil er in Kindertagen oft am heimischen Radio die Kurz- und Mittelwellenfrequenzen durchlauschte, fühlte er sich an die prädigitale Zeit des Radios erinnert.

Nachgeforscht

Die Faszination für die isoliert lebende Gruppe der Auswanderer teilt er mit verschiedenen Globetrottern und Geografieinteressierten, die sich in der subarktischen Inselwelt bereits selbst aufgehalten haben. Diese Weltreisenden in eigener Sache gingen dem Rätsel der großen Gruppe deutscher Siedler, von der bis dato noch nie jemand gehört hatte, schließlich auf den Grund.

Gute Fiktion mit Fehlern

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Das rührselige Stück genügt tontechnisch allen Ansprüchen und ist auch inhaltlich nicht schlecht recherchiert, aber eben auch nicht gut genug, wie Fabian Seitz Skyttevägen in seinem Blog schmerzlich ausführlich darlegt:

  • „Die Einwohnerzahl von fast 1000 Leuten auf der Insel ist für diese Breiten außerordentlich hoch. Mit Ausnahme der Falklandinseln erreichen alle subantarktischen Inseln gerade so dreistellige Einwohnerzahlen.
  • Es findet sich keine Spur von den subantarktischen Schwaben im Netz, was heutzutage schon fast verdächtig ist. Jedoch finden sich Reiseberichte über Kerguelen, die von der Forschungsstation Port-aux-Français erzählen, aber die deutsche Siedlung unerwähnt lassen. Auch der umfängliche Wikipediaartikel zur Insel sowie das CIA Factbook schweigen sich aus.
  • Der Sender benutzt Frequenzen, die für Rundfunk vollkommen unüblich sind. Die verwendete Langwellenfrequenz 103,7 kHz ist zu genau angegeben und liegt rund 50 kHz unter dem normalen Rundfunkband. Die Kurzwellenfrequenz 2073 kHz ist auch zu tief, und zwar so tief, dass sie schon eine Mittelwelle ist.
  • Der Sportreporter berichtet nicht wie behauptet aus dem Olympiastadion, denn das Ereignis, über das er berichtet, ist die Abschlussetappe des Giro d’Italia 1958, der über 10 Jahre vor dem Bau des Stadions stattfand. Dass er nach Kerguelen berichtet, ist bei der damaligen Technik auch kaum denkbar – er regt sich wohl eher über die schlechte Telefonleitung nach Deutschland auf.
  • Der Kerguelenkohl existiert zwar, aber angebaut wurde er wohl nie.
  • Die Professorin Sieglinde Ewerich und ihr „Lehrstuhl für Neuere Geschichte des südpazifischen und subantarktischen Raumes“ existieren zumindest im Internet nicht.“

Dass der Autor für die erwähnten Übertragungen aus der Heimat Ausschnitte bekannter historischer Sportübertragungen aus dem Rundfunkarchiv benutzte, komplettiert das traurige Bild einer kühl inszenierten Täuschung des Hörers.

Schließlich meldet sich die Apothekenumschau zu Wort und räumt eine weitere niedliche Fantasie des Features ab: „Die fiktiven Einwohner können kaum mit dem Export des einheimischen Kerguelenkohls und dem Verkauf an internationale Pharmakonzerne einen bescheidenen Wohlstand erwirtschaften: Der Kerguelenkohl ist zwar reich an Vitamin C und eine potenzielle Nutzpflanze, doch in der Natur ist er sehr selten geworden und ein kommerzieller Anbau ist bisher nicht gelungen.“

Zwischen Fakt und Fiktion

Nicht alle der aufgezählten Umstände zählen zum Allgemeinwissen und müssen Hörern ins Auge respektive Ohr springen, aber ganz unabhängig von der Plausibilität der Geschichte bleibt die Frage, ob ein Journalist oder Skriptautor Sendungen produzieren sollte, die vom Hörer zunächst auf ihre Authentizität geprüft werden müssen.

Die Antwort kann hier eigentlich nur ein klares nein sein. Welchen Grund könnte es geben die Hörer derart zu verschaukeln? Udo Zindel vom SWR blieb dem geografisch interessierten Blogger die Antwort keineswegs schuldig: „Man wollte die alte alemannische Tradition der Späße in der Fastnachtszeit ausnutzen und einen Fake an einem Tag platzieren, an dem die Leute nicht damit rechnen.

Ein Aprilscherz zu Fasching?

Ging es also tatsächlich nur um einen außerordentlich anspruchsvoll produzierten vorgezogenen Aprilscherz? Diese Tradition ist, besonders in Fachpublikationen, durchaus verbreitet: Redakteure bemühen sich um teils plausibel klingende Beiträge, die für den versierten Leser eine sensationelle Entwicklung ankündigen. Diese Scherze werden in der Regel am Ende des Tages oder spätestens dem nächsten Morgen aufgelöst und Leser und Autoren sind im Idealfall mit der humoristischen Einlage zufrieden.

Der SWR verzichtete gänzlich auf einen solchen Hinweis: Weder auf der noch immer abrufbaren Seite der Sendung, oder der Mediathek findet sich ein Verweis auf den komödiantischen Hintergrund der Sendung, im Audiobeitrag wurde ebenfalls auf jeden erhellenden Abschlusskommentar verzichtet.

Auch der Nachsatz in der Antwort Zindels macht nachdenklich: „Eine interessante Idee und ein interessantes medienwissenschaftliches Experiment, das vorführt, wie leicht man Dinge aus einer vermeintlich seriösen Quelle glaubt.“ Welchen Blick hat ein Publisher, der dieses Statement setzt, auf sein Publikum?

Was bleibt ist ein Stück, das vielen Hörern die flüchtige Illusion eines fernen, friedlichen Biotops subarktischer Völkerverständigung hinterlässt. Wie viele von ihnen werden den Beitrag gänzlich unhinterfragt hingenommen haben?

Andre Holz ist die Lust auf Podcasts des SWR und anderer ARD-Anstalten ein wenig vergangen. „Wenn man nicht einmal mehr hier sicher sein kann, dass stimmt, was man hört, warum sollte man es sich dann überhaupt noch anhören?“ Die Frage ist berechtigt.

Frustrierte Fiktionisten

Ein möglicher Erklärungsansatz könnte im Verhältnis der Autoren zu ihrer Zielgruppe zu suchen sein. Jeder, der bereits für ein (Massen)Medium gearbeitet hat, wird die Resignation in der täglichen Arbeit schon erlebt haben. Die Rezipienten können sich teils abwertend, teils in unqualifiziertem Brabbel-Ton oder auch gar nicht äußern. Die Empfindung stundenlang an einer Reportage zu arbeiten, die beim Rezipienten resonanzlos durchrauscht, kann durchaus den eingangs erwähnten Grundsatz des Journalismus in Frage stellen, ein Prinzip, das Medienforscher schon seit Jahrzehnten für chronisch gefährdet halten: Nicht für dich arbeitest du, sondern für dein Publikum.

Fotos: flickr.com/Pascal Subtil (CC BY 2.0), flickr.com/Pascal Subtil (CC BY 2.0)

Ein Antisuperheldenfilm?

Von Marius Lang

Eines steht dieser Tage wohl nicht zur Diskussion: Wir befinden uns im Zeitalter des Comicheldenfilmes. Das MARVEL-Filmuniversum startet in diesem Jahr in seine dritte Phase, DC steht mit seinem eigenen geteilten Filmuniversum in den Startlöchern und TV-Serien auf Basis von Comics oder Comichelden dominieren das Fernsehprogramm. Franchises werden auf lange Hand geplant und selbst wenn mal einer der Filme floppen sollte, fällt das im großen Ganzen nicht wirklich ins Gewicht. Wirkliche Überraschungen werden da immer seltener. DEADPOOL soll wieder Schwung in das Genre bringen. Sein Marketing verspricht einen blutigeren, dreckigeren und abgefahreneren Vertreter des Genres. Der titelgebende Held ist ein durchgeknallter Söldner und Auftragskiller mit einem losen Mundwerk und einem versauten Humor. Also immerhin ein klarer Gegensatz zu den edlen Heroenfiguren, die sonst so das Genre bevölkern.

Fick dich, Krebs!

DF-13615_1400Doch worum geht es in DEADPOOL eigentlich? Nun, der Film ist im Kern, und darauf legt die Hauptfigur größten Wert, eine Liebesgeschichte. Unsere „Held“ ist Wade Wilson (Ryan Reynolds), ein ehemaliges Mitglied der Special Forces, der sich in derselben Welt, in der auch die X-Men und andere Mutanten durch die Gegend wuseln, als Schläger und Söldner verdingt. Das Glück trifft ihn hart, als er auf die schöne, selbstbewusste und wie er völlig abgedrehte Vanessa (Morena Baccarin) trifft. Man verliebt sich, wird ein Paar, zieht zusammen, das Glück ist perfekt.

Doch dann kommt es zu einem Schicksalsschlag. Wade erhält die Diagnose Krebs. In seiner Verzweiflung unterzieht er sich einer gefährlichen Therapie, geleitet von dem sadistischen Francis/Ajax (Ed Skrein). Die Therapie hat Erfolg und Wade erhält übermenschliche Heilkräfte, die ihm die Fähigkeit geben, sich von jeder Verletzung zu erholen. Doch der Preis ist immens. Wade ist fortan am ganzen Körper von Narben übersät und seine durchgeknallte Art wird nur noch verstärkt. Um die Nebenwirkungen wieder rückgängig zu machen, geht Wade, unter dem Alias des Söldners DEADPOOL auf die Jagd nach Francis, dem Mann der sein Leben zerstört hat. Und nebenbei muss er noch Vanessa zurückgewinnen.

Action und Witz

DEADPOOL kann getrost als einer der am meisten erwarteten Filme des ersten Quartals 2016 betrachtet werden. Das Marketing versprach einen anderen Comicfilm, den Antisuperheldenfilm. Viele sagten im Vorhinein, dass der Film ein Risiko ist. Aber seien wir ehrlich, bei der Popularität, die dem Charakter im Internet zuteilwird, ist ein Misserfolg praktisch ausgeschlossen. Finanziell zumindest. Die größere Frage ist, ob es auch ein guter Film ist.

Um es kurz zu machen, ja, DEADPOOL ist ein guter Film. Er ist weit davon entfernt, großartig zu sein, aber das ist offensichtlich auch nicht die Intention von irgendwem, der an dem Film mitgearbeitet hat. Was den Film jedoch viel Charme verleiht, ist der Spaß, den klar jeder Beteiligte hatte. DEADPOOL sprüht nur so vor Freude, einfach nur als Film zu existieren. Hier sollte kein Meilenstein entstehen, die Macher wollten einfach diesen Film machen und dabei viel Spaß haben und diesen Spaß dann an das Publikum weitergeben. Der Humor ist dreckig, oft niveaulos und immer kindisch, aber er funktioniert. Und dazu kommen die unheimlich guten Actionsequenzen, die brutal und blutig ablaufen und gut gefilmt sind. Doch das Herz des Films bilden die Charaktere.

Am besten nicht alleine

DF-26953_1400Hier kommen wir zum größten Problem der Titelfigur: Deadpool ist keine gute Hauptfigur. Sein dreckiger Witz, seine Angewohnheit, die vierte Wand zu durchbrechen, seine flexiblen Moralvorstellungen, all das ist zunächst lustig und bleibt auch lustig, wenn man geringe Dosen davon bekommt. Auf Dauer nutzt sich dies aber recht schnell ab. Und danach neigt Deadpool dazu, einem etwas auf die Nerven zu gehen. Vielen, die den Charakter nur als Meme aus dem Internet kennen, ist dies offensichtlich nicht bewusst. Deadpool funktioniert am besten, wenn ihm ernste Charaktere zur Seite gestellt werden. Als komödiantischer Sidekick in Teams von variabler Größe. Er allein kann eine Story selten stemmen. Ein Glück, dass dieses Problem den Machern wohl selbst mehr als bewusst war.

Ryan Reynolds ist, da besteht keine Frage, fantastisch, sowohl als Wade Wilson, als auch als Deadpool. Zuvor war Reynolds bereits als eine etwas andere Interpretation von Wade in X-MEN ORIGINS: WOLVERINE aufgetreten. Der Film, wie auch die Interpretation von Deadpool, nach seiner Operation, wurde universell zerrissen, doch tatsächlich war Reynolds Spiel als Wade Wilson, vor der Operation, einer der besseren Teile des Films. Seine Rückkehr in der Rolle funktioniert nun endlich richtig gut. Reynolds bringt den wüsten, kindischen Humor, die ironische Art und all die irren Anwandlungen des Titelcharakters auf den Punkt. Und man erkennt ihm an, dass Reynolds eine wahnsinnige Freude daran hat, die Rolle zu spielen. Deadpool durchbricht die 4. Wand, redet direkt mit dem Zuschauer, macht Bemerkungen über vorangegangene Comicfilme und niveaulose Witze. Und in jedem Moment spürt man eine wahrhaftige Freude Reynolds.

Doch da Deadpool, wie gehabt, am schlechtesten funktioniert, wenn er alleine ist, haben ihm die Macher eine Reihe guter bis fantastischer Nebencharaktere zur Seite gestellt. Zunächst ist da Wades Love-Interest Vanessa. Morena Baccarin glänzt in der Rolle und verleiht der Figur genau die richtige Mischung aus diebischem Spaß, Sexappeal und Individualität, die sie benötigt, um neben dem aufgedrehten Reynolds nicht unterzugehen. Neben ihr tritt T.J. Miller als Wades bester/einziger Freund Weasel auf, der mit einem knochentrockenen Humor und behäbigeren Art einen guten Gegenpol zum überdrehten Wade Wilson abgibt.

DF-18869_1400Doch die wohl besten Szenen des Films gehen an all jene, in denen Colossus, ein Mitglied der X-Men, und sein Schützling Negasonic Teenage Warhead auftreten. Colossus (gesprochen von Stefan Kapičić und dargestellt von Andre Tricoteux) vertritt genau die Art von Helden, zu denen Deadpool eine Antithese bilden soll. Und aus irgendeinem Grund hat Colossus sich nun in den Kopf gesetzt, Deadpool zu einem echten, ehrbaren Helden zu machen, ohne die moralische Flexibilität, die ihn sonst auszeichnet. Diese Momente sind lustig, doch noch viel besser ist Brianna Hildebrand als Negasonic Teenage Warhead, eine minimal apathische Teenagerin, die Deadpool in keiner Sekunde ernst nimmt und ihn eher erbärmlich zu finden scheint. Die Szenen mit ihr sind die wahren Höhepunkte des Films.

Simpler Spaß

Wie bereits gesagt, DEADPOOL ist weit davon entfernt, wirklich großartig zu sein. Dies ist aber nicht das Ziel, stattdessen soll einfach ein kindisches Kinovergnügen ohne Reue geliefert werden. Und das hat funktioniert. Die vielen kleineren Schwächen, etwa die sehr blassen Bösewichte oder die weniger runden Aspekte der Story, fallen da gar nicht so sehr ins Gewicht, da der Film kein Meisterwerk sein will. Nur bloßer Spaß. Einzig größerer Mangel ist, dass der Film nicht so blutig und dreckig ist, wie man sich vielleicht erhofft. Ja, es spritzt Blut, es werden Menschen grafisch enthauptet und die Schimpfwortfrequenz ist deutlich höher, als man es anderen Comicfilmen gewohnt ist. Doch scheint es, dass die Macher hier noch mehr hätten leisten können. Doch das ist nur ein kleines Problem. Ansonsten ist DEADPOOL alles, was man sich von einem Film über den durchgeknallten Antihelden wünschen kann. Ein kindischer, oft dummer, aber immer lustiger Heidenspaß.

Fotos: © 2015 Twentieth Century Fox

Die Dystopie auf der Leinwand (1)

Höhepunkte des dystopischen Films von Fritz Lang bis Ridley Scott

Von Antje Günther

Obwohl geboren im Bereich der Literatur, lässt sich das Genre der Dystopie doch schwerlich nur auf die geschriebenen Werke begrenzen. Zu oft und zu vielfältig wurde die dystopische Idee auch in anderen Medien wieder aufgegriffen. Gerade im Film fand sich eine gute Möglichkeit, die Zukunftsvisionen in Bilder zu fassen und ihre Konsequenzen durchzuspielen. Eine ganze Reihe von Filmen der letzten 70 bis 80 Jahre lässt sich in eine Art Filmgeschichte der Dystopie einordnen – eine Geschichte, die eng auch mit der Entwicklung des Science Fiction Films verbunden ist. Einige Höhepunkte dieser (Film-)Geschichte der düsteren Visionen sollen in den nächsten beiden Artikeln dieser Reihe näher betrachtet werden. Es sind Filme, die aufgrund ihrer Thematik oder ihres Stils herausstechen und auch heute noch relevante Kritik üben.

1. Metropolis (1927)

Artikel 8 (1) Kaum eine Filmgeschichte, insbesondere keine zum Science Fiction Film oder eines verwandten Genres, kommt ohne Fritz Langs ikonisches Werk Metropolis aus. Zuerst veröffentlicht 1927, wurde es für die UFA zu einem finanziellen Desaster: In Deutschland fand der Film kein Publikum und in den USA fiel der Film erst einmal dem Schneidemesser der Paramount Studios zum Opfer. Es erschien eine um ein Viertel gekürzte Fassung, die jedoch auch keinen Erfolg verbuchen konnte. Das circa zweieinhalbstündige Original wurde daraufhin vernichtet und bis heute wurden keine vollständigen Kopien gefunden. Eine rekonstruierte Fassung von 2010 mit im Jahr 2008 gefundenem Archivmaterial stellt bislang die wohl originalgetreuste Version dar.

Wurde der Film damals weitestgehend zerrissen, so gilt er heute als eines der wichtigsten Werke der deutschen Filmgeschichte. Sein expressionistischer Stil, die Architektur, seine mythischen Anspielungen; es gibt vieles, was den Film heute zu einem Meilenstein macht. Seine Thematik ist es schließlich, die ihm auch einen Platz in der Filmgeschichte der Dystopie einbringt. Die Vision einer streng getrennten Zweiklassengesellschaft, in der die einen in der Tiefe schuften während sich die anderen im Licht vergnügen, erinnert an Motive aus späteren dystopischen Romanen. Auch andere typische Themen der Dystopie wie die Überwachung werden im Film aufgegriffen; hier vertreten durch die Figur des „Schmalen“, der Freder, den Sohn des Herrschers von Metropolis, verfolgt. Anders als die klassischen Dystopien seiner Zeit endet der Film jedoch versöhnlich, mit der Vermittlung zwischen Hirn und Hand, dem Herrscher und den Arbeitern. Nichtsdestotrotz lässt sich Langs Version einer Zukunft, in der die Arbeiter an Maschinen ausgebeutet werden, als eine Art Vorreiter des dystopischen Kinos ansehen.

2. Fahrenheit 451 (1966)

Artikel 8 (2)Die Verfilmung von Ray Bradbury Klassiker Fahrenheit 451 ist wahrscheinlich einer der umstrittensten Filme auf dieser Liste. Der einzige englischsprachige Film des Nouvelle Vague Regisseurs François Truffaut spaltet die Geister: Auf der einen Seite enthält er einige Makel, allen voran die Leistung des Hauptdarstellers Oskar Werner, dessen Disput mit Truffaut sich auf der Leinwand eindeutig widerspiegelte. Auch die englische Sprache stellte für Truffaut eine Herausforderung dar, weshalb Kritiker aufgrund der besseren Dialoge häufig die synchronisierte französische Fassung vorziehen.

Darüber hinaus stieß auch manche Änderung gegenüber der literarischen Vorlage auf geteilte Meinungen. So lässt Truffaut beispielsweise Clarisse nicht bei einem Autounfall sterben, sondern sie bleibt bis zum Ende des Films am Leben. Diese Veränderung, die Clarisse zum Hoffnungsschimmer für Montag werden lässt, wurde sowohl positiv als auch negativ bewertet. Auf der anderen Seite hingegen ist die Doppelbesetzung von Linda, aka Mildred aus der Romanvorlage, und Clarisse mit Julie Christie ein wahrer Geniestreich. Sie verkörpern so noch stärker als in der Romanvorlage die abstrakte Idee von Konformität und Rebellion und lassen beides als zwei Seiten derselben Münze erscheinen. Die Anziehung Montags zur Rebellion gegenüber dem Staat liegt damit nicht in der Anziehung zu einer Frau oder ihren Reizen verbunden, es ist tatsächlich die Idee, die ihn anzieht. Lässt die schauspielerische Leistung von Werner zu wünschen übrig, so schafft Truffaut dennoch einen Film, der die Ideen Bradburys in eindrucksvolle Bilder kleidet und seine Kritik, wenn auch etwas umgeformt, dem Zuschauer übermittelt.

3. Blade Runner (1982)

Weniger umstritten als Truffauts Fahrenheit 451 ist der dritte Film auf unserem Streifzug durch die dystopische Filmgeschichte: Ridley Scotts Science Fiction Klassiker Blade Runner. Aber auch hier stießen sich die Kritiker und Zuschauer zunächst an der Story und lobten nur die grandiose visuelle Ausführung. Die Ambivalenz der Geschichte um den Blade Runner Deckard, der sich in die Replikantin Rachel verliebt, verursachte negative Reaktionen; der Film wurde als schön fotografiert, aber inhaltsleer empfunden. Genau diese Ambivalenz und Komplexität, die dem Zuschauer die einfache Reduktion auf eine Aussage verbietet, war es jedoch, die schließlich schon kurz darauf insbesondere die Science Fiction Fans anzog. So verschwand Blade Runner zwar schnell aus den Kinos, wurde aber auf Video zum Verkaufsschlager. Die Videokassette ermöglichte das wiederholte Sehen des Films und das Entdecken der vielen verschiedenen Details und Lagen des Films. Blade Runner ist ein Film, der vor allem durch seine Bilder viele Fragen stellt und nur wenige beantwortet; allen voran, was es bedeutet ein Mensch zu sein und eben kein Replikant, keine Maschine, die möglichst menschenähnlich ist.

Daneben enthält der Film jedoch auch Elemente, die ihm neben seinem herausragenden Status im Bereich des Science Fiction Films auch einen Platz in der Liste der dystopischen Filme bescheren. So zeichnet der Film eine Welt, die düster und voller Hedonismus ist. Die Macht hat die Tyrell Corporation; eine klare Kapitalismuskritik. Wer es sich leisten kann, ist längst aus Deckards Los Angeles zu den Off-worlds geflohen, von denen die fliegenden Werbeanzeigen das Paradies versprechen. Auch die Verfolgung der Replikanten kann als dystopisches Element gesehen werden, sind sie doch so menschenähnlich, dass sie als Parabel für Rassismus und die Verfolgung von Minderheiten erscheinen. So verdient auch Blade Runner einen Platz auf dieser Liste, die im nächsten Artikel fortgeführt wird. In diesem folgen weitere Höhepunkte des dystopischen Films, darunter der Klassiker 1984 und die Satire Brazil.

Fotos: Flickr.com/RV1864 (CC BY-NC-ND 2.0), Flickr.com/Huysamen Engelbrecht (CC BY-SA 2.0), Flickr.com/Li´d (CC BY-NC-ND 2.0)


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Willkommen in Minnies Miederwarenladen…

Von Marius Lang

Vielleicht hätte Tarantino immer schon Western machen sollen. Schließlich ist es offensichtlich, dass er eine ganz besondere Leidenschaft für diese Nische des Kinos hat. Zunächst kam da INGLOURIOUS BASTERDS, der zwar im von den Nazis besetzten Frankreich des zweiten Weltkriegs spielte, aber in Ästhetik und Aufbau der Story und der Charaktere ganz klar ein Western war. Darauf folgte dann DJANGO UNCHAINED, schon viel deutlicher im Genre angesiedelt. Und mit seinem neuesten Film THE HATEFUL 8 scheint Tarantino darauf noch einen drauf setzen zu wollen. Alles, von der Art, wie sein Cast sich vor der Kamera gibt, über die Bilder, die die Kamera einfängt bis hin zur Story selbst trieft nur so von der Ästhetik des Westerns der 70er und 80er Jahre. Und vermutlich hätte der Film damals noch besser funktioniert.

Nicht, dass man das falsch versteht, der Film ist ausgezeichnet. Alles, was seine Filme von der Konkurrenz abhebt ist da. Ein fantastisches Cast, die Kapitelstruktur der Story, die charakteristisch brillanten Dialoge, die Sozialkritik, die vielschichtigen Charaktere, Samuel L. Jackson. Alles ist um Längen besser, als das, was so viele andere Regisseure produzieren, wenn sie den Meister Tarantino versuchen zu kanalisieren. Doch erstmals seit DEATH PROOF sind in THE HATEFUL 8 größere Schwächen im Aufbau und dem Script zu finden. Gut möglich, dass der Film in Zukunft als einer der, vergleichsweise, schwächeren Einträge in Tarantinos Karriere gesehen wird.

Irgendwann in Wyoming

THE_HATEFUL_8_Szenenbilder_19.600x600Die zentrale Story von THE HATEFUL 8 ist schnell erzählt. Wir befinden uns in Wyoming, irgendwann nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Der Kopfgeldjäger John „The Hangman“ Ruth (Kurt Russel) ist mit der kriminellen Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) in einer Kutsche unterwegs in die Stadt Red Rock, wo Domergue für ihre Verbrechen hängen wird. Da jedoch ein Blizzard aufzieht, müssen sie in Minnies Miederwarenladen Halt machen und auf besseres Wetter warten. Auf dem Weg lesen sie den Kopfgeldjäger Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson), sowie Chris Mannix (Walter Goggins), der behauptet, der neue Sheriff von Red Rock zu sein, auf, da beide ebenfalls auf dem Weg in die Stadt sind. Schnell bilden sich Fronten aus Misstrauen, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, die sich nach der Ankunft im Miederwarenladen, eine Mischung aus Gasthof, Tante-Emma-Laden und Bar, noch verhärten.

Hier treffen die vier Reisenden (und der Kutscher) nicht auf Eigentümerin Minnie oder ihre Angestellten und Stammgäste, sondern auf vier Fremde, Oswaldo Mobray (Tim Roth), der sagt, er sei der örtliche Henker, den Cowboy Joe Gage (Michael Madsen), den Mexikaner Bob (Demián Bichir), der behauptet, er würde in Minnies Abwesenheit ihren Laden verwalten, und Sandy Smithers (Bruce Dern), ein ehemaliger General der Konföderierten, Kriegsverbrecher und ausgemachter Rassist (aber wer ist das nicht in diesem Film?). Die Spannung in dem Laden wächst immer weiter. Wem kann man hier vertrauen? Welche Verbrechen haben die Männer (und die Frau) hier begangen? Wer ist nicht, was er vorgibt, zu sein? Und was ist Daisy Domergues Geheimnis?

Wer richtig zählt, merkt, dass sich in der Hütte nun neun Personen aufhalten. Ruths Kutscher O.B. ist aber kein Mitglied der titelgebenden acht. Er hat keinen Grund, Misstrauen gegen irgendwen zu hegen, ist kein Rassist, hat keine offenen Rechnungen. Er ist der einzig Unschuldige in der Gruppe, der allerdings im Zuge seiner Arbeit mit in diese Geschichte aus Verrat und Hass hineingezogen wurde. Schade, da er der einzig echte Sympathieträger in der Hütte zu sein scheint. Das jedoch nur am Rande.

Quentin Tarantinos THE THING

THE_HATEFUL_8_Szenenbilder_02.600x600Horrorfans mag es schon aufgefallen sein, der Film erinnert stark an John Carpenters Meisterwerk des Horrors, THE THING. Kein Wunder, hat doch Tarantino diese Ähnlichkeit bewusst eingebaut und seinem Team auch mehrfach den Film gezeigt. Auch dort waren mehrere Charaktere von der Außenwelt isoliert im Schnee gefangen. Und auch dort herrschte eine ständige Spannung in der Luft. Die Charaktere waren nie sicher, wem sie trauen können, lose Allianzen bildeten sich und wurden ebenso schnell wieder gebrochen. Doch während in THE THING ein außerirdischer Parasit auf einer kleinen Forschungsstation in der Antarktis sein Unwesen trieb, sind es bei THE HATEFUL 8 Verrat, offene Rechnungen und Hinterlist, die den Puls in der Hütte oben halten. Tarantino schafft so nicht nur eine Hommage an den Western, sondern auch den Horror und einen seiner wichtigsten Genrevertreter. Die Isolation der Charaktere, umringt von potentiellen Feinden baut die Spannung immer weiter auf und der Zuschauer wartet nur darauf, dass es sich in einem unvermeidlichen Blutbad entlädt. Doch leider wartet man darauf sehr lange.

Mit gut drei Stunden Laufzeit ist dies Tarantinos längster Film. Und leider ist es auch der, der den Zuschauer seine Länge am heftigsten Spüren lässt. Schon DJANGO UNCHAINED hatte größere Längen. Doch während es da in etwa die letzte halbe Stunde war, die man getrost hätte zusammenschneiden können, ist es bei THE HATEFUL 8 gerade die erste Hälfte, die sich bisweilen gewaltig zieht. Shots, vor allem von der Landschaft, die zwar schön anzusehen sind, aber doch immer wieder zu lang sind, Aufnahmen, in denen nahezu nichts passiert und immer wieder die Gespräche der Figuren, die zwar, typisch Tarantino, immer gut und amüsant geschrieben sind, aber erstmals seit DEATHPROOF das Gefühl vermitteln, dass sie sich etwas ziehen. Diese Länge ist ein großes Problem des Films, da der Film erst nach gut der ersten Hälfte des Films seine erste Spannungsspitze setzt. Ein Glück, dass diese die wohl beste Szene des Films ist.

Unter Veteranen

THE_HATEFUL_8_Szenenbilder_01.600x600Hierbei gehört die Bühne ganz Samuel L. Jackson, dem wohl hervorragendsten männlichen Mitglied des ohnehin hochkarätigen Casts. Er spielt gegenüber des, im Rest des Films tragisch unterbeschäftigten Bruce Derns und enthüllt eine Geschichte, in der er und der Sohn des Generals sich begegneten. Eine Geschichte, die vor Hohn, Hass und Rache nur so trieft. Und eine Geschichte, die wie so oft bei Tarantino keinen gut aussehen lässt. Die Szene ist der definitive Höhepunkt und eine der besten Darstellungen in Jacksons Karriere. Und sie macht wieder einmal deutlich, dass Tarantino klar die besten Teile seiner Stories für seinen alten Freund beiseitelegt.

Doch auch der Rest des Casts ist nicht zu verachten. Oder sollte es zumindest nicht sein. Bruce Dern ist wie gehabt chronisch unterbeschäftigt, doch wenn er zum Zuge kommen darf, dann aber richtig. Kurt Russel ist offenkundig für die Rolle des Kopfgeldjägers mit Prinzipien geboren worden. Goggins Rolle des Chris Mannix, der sich im Lauf des Films zum eigentlichen Helden mausert, wenn auch einem, den man nicht mögen muss, ist durchweg gut geschrieben und wirkt wie eine Parodie auf die klassischen Westernhelden der 50er, die in der wesentlich brutaleren Version Tarantinos fast deplatziert wirkt. Doch die Wohl brillanteste Darstellung, neben Jackson, liefert Jennifer Jason Leigh in der Rolle der Gefangenen Domergue ab. Ihre Figur ist rassistisch, sadistisch, intelligent und rücksichtslos. Sie hat kein CTHE_HATEFUL_8_Szenenbilder_05.600x600harisma, wie es Hans Landa in INGLOURIOUS BASTERDS hatte, nicht einmal vermeintliches, wie Calvin Candie aus DJANGO UNCHAINED. Sie ist bösartig und rücksichtslos und hat jede Sekunde einen Höllenspaß daran, ohne sich intelligent aufzuspielen. Und dabei lässt sie ein Selbstvertrauen spüren, dass John Ruths Misstrauen durchaus begründet wirken lässt. Den krassen Gegensatz dazu bildet traurigerweise Tim Roth. Seine Figur des Oswaldo Mobray wirkt zu sauber, zu gespielt offen und charismatisch. Traurig, dass Tim Roth, der eigentlich ein so begabter Darsteller ist, offenbar hier als schlechtere Kopie von Christoph Waltz auftritt. Seine Darstellung ist in keiner Weise wirklich schlecht, aber sie wirkt unnatürlich und nicht so, als würde Roth sie gerne darstellen.

Mehr Stark als Schwach

Doch neben allen Problemen die das Script aufweist, selbst die für Tarantino oft üblichen Lücken in der Story und die bereits erwähnte Länge, überwiegt das Positive. Alles was seine Filme so gut macht, ist da: die cleveren Dialoge, die Spiele mit dem Genre, die vielschichtigen Charaktere, das Blutvergießen und die Gesellschaftskommentare. Nur wirkt das alles viel zu dünn für so einen großen Film. Als Fazit bleibt zu bemerken, dass THE HATEFUL 8 definitiv einen Besuch wert ist. Besser als der Großteil dessen, was sonst in die Kinos kommt ist der Film allemal. Nur leider ist er im Vergleich zu anderen Filmen seines Sortiments leider nicht das, was sich viele Fans des Filmmachers erhoffen würden.

Fotos: Copyright © 2012 Universum Film GmbH – Alle Rechte vorbehalten.

Die Young Adult Dystopie – nur noch Kitsch?

Wie der Film Divergent gesellschaftliche Ängste porträtiert

Von Antje Günther

Die Dystopie war in ihrem Kern immer ein kritisches Genre. Mit dem Beginn der 2000er und der Young Adult Dystopie kamen aber neue Themen hinzu: Liebe, Pubertät, Erwachsenwerden, die die Botschaft der Werke doch teilweise überschatten. Es wird mehr darüber diskutiert, ob Katniss doch Gale hätte nehmen sollen, als über die in den Hunger Games enthaltene Medienkritik. Ist die moderne Dystopie endgültig zahnlos geworden?

Sie ist es nicht. Auch wenn anderen Aspekten mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, so ist in den dystopischen Geschichten der Gegenwart doch immer noch der kritische Urimpuls enthalten. Einige Szenen aus dem Film Divergent dienen hier als Beispiel um zu zeigen, wie auch ein scheinbar reiner Unterhaltungsfilm, ausgerichtet vor allem an das junge weibliche Publikum, dennoch gesellschaftliche Ängste porträtiert.

Janine als Terroristin

Artikel 7 (3)Die Angst vor Terroranschlägen ist eine der am weitesten verbreiteten Ängste unserer Zeit, ein Thema, dass der Film durch die Figur Janine aufgreift. Fanatismus ist das rigorose, unduldsame Eintreten für eine Sache oder Idee als Ziel, das kompromisslos durchzusetzen versucht wird[1]. Und nicht anderes macht Janine, wenn sie für ihr Ziel, ein System ohne Divergent, im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Wie ernst es ihr ist, wird klar, als sie Tris und Four kidnappen lässt und ihnen ihre Pläne erklärt. Sie will einen Großteil der Abnegation Faction umbringen, um wie sie sagt, den Frieden wiederherzustellen.[2] Auch Tris wird durch ihre Verletzung für Janines Zwecke unbrauchbar und soll eliminiert werden. Visuell unterstützt wird Janines Fanatismus nicht nur in dieser Szene durch die Schauspielleistung von Kate Winslet: Ihre Mimik ist kalt und überheblich. Die Szene kombiniert die Aktion einer Entführung mit einer fanatischen Rede der Anführerin; ein Szenario, das stark an Terrorakte erinnert.

Technophobia in Divergent

Neben dem Terrorismus wird aber auch die Angst vor Technologie aufgegriffen. Sind es aktuell insbesondere Diskussionen um Big Data und Datenschutz im Internet, so porträtiert Divergent eine andere Art von Technophobia, dargestellt durch das Neuroserum. Hergestellt von der Erudite Faction, welche Wissenschaft und Technik repräsentieren, kontrolliert es das Gehirn der Injizierten und macht sie zu willenlosen Robotern. Janine setzt das Serum ein, um die Dauntless für ihre Zwecke zu nutzen und sie zu Killermaschinen zu machen. Diese Wirkung des Serums zeigt sich, als Tris mitten in der Nacht aufwacht und feststellt, dass alle anderen Dauntless Mitglieder sich sehr mechanisch anziehen.[3] Darunter ist auch ihre Freundin Christina, die sie versucht anzusprechen. Doch deren Gesichtsausdruck ist leer und sie antwortet nicht. So wird für Tris und den Zuschauer klar, dass Christina keine Ahnung hat, was sie tut; sie und alle anderen Dauntless werden durch Technologie kontrolliert. Die bedrohliche Atmosphäre dieser Szene entsteht auch durch die blau-grüne Farbgebung, welche die Haut der Schauspieler grünlich erscheinen lässt, sowie durch die Musik, ein dumpfes Dröhnen. Die Szene spiegelt eindrucksvoll unsere Angst vor dem wissenschaftlichen Fortschritt wider; unsere Angst davor, zu was wir in Zukunft fähig sein werden.

Die Angst der Außenseiter

Sind mit der Angst vor Terrorismus und Technologie aktuelle Bedenken in Divergent vertreten, so repräsentiert die Grundidee von Divergent, das Factionssystem, eine andere, basalere menschliche Angst: die Angst hervorzustechen, nicht dazuzugehören; die Angst der Außenseiter. Diese Angst ist es, die den gesamten Film antreibt und das System stabilisiert, denn die Divergent sind genau diejenigen, die eben nirgendwo im System dazugehören. Genau dieses Gefühl macht Tris Angst, als sie zu Beginn das Factionssystem per voice-over erklärt.[4] Sie will nicht so enden wie die Factionless, die isoliert von der Gesellschaft in Armut leben, sondern eine Faction finden, die ihrer Persönlichkeit entspricht. Sie will dazugehören, weiß aber nicht wo. Ihr Außenseiterstatus wird auch visuell deutlich: Sie rennt lieber den Dauntless hinterher, obwohl sie in Abnegation geboren ist und lässt in ihrer eigenen Faction unglücklich den Kopf hängen. Ihr verbales Geständnis, dass jeder weiß wo er hingehört, nur nicht sie, wird kombiniert mit dem Bild eines einzelnen Turms, der aus den anderen Gebäuden Chicagos hervorsticht. Die Szene repräsentiert die Angst hervorzustechen damit nicht nur auf der Ebene der Narration, durch die generelle Idee des Factionssystems, sondern auch durch die Bilder, die Tris‘ Erklärung des Systems begleiten.

Der Sprung ins Ungewisse

Artikel 7 (1)Eine weitere Angst, die der Film aufgreift, ist die Angst vor der Ungewissheit. Als eine der grundlegendsten menschlichen Ängste, gibt es viele Szenen in Divergent, welche dieses Gefühl porträtieren. Am deutlichsten visualisiert wird diese Angst jedoch durch die Initiation der Dauntless Bewerber.[5] Sie sollen von einem Hausdach in ein dunkles Loch springen, ohne zu erkennen, was sich am Boden befindet. Auch wenn sie wissen, dass die Dauntless ihnen wahrscheinlich nicht schaden werden – sie sind immerhin deren Zukunft – so traut sich doch keiner, als Erstes zu springen. Tris meldet sich freiwillig und springt nach kurzem Zögern vom Dach und damit auch in ihre neue, noch ungewisse Zukunft bei Dauntless. Visuell wird dieser Übergang unterstützt durch die Lichtverhältnisse. Ist zunächst das Loch schwarz und uneinsehbar, wechselt dies, nachdem Tris das Loch passiert hat. Nun ist ihre Umgebung, der Boden des Lochs, zu sehen und sie schaut nach oben, wo der graue Himmel durch das Loch sichtbar ist. Sie springt vom Licht, dem Bekannten, ins Dunkle, in das Unbekannte; vom Grau von Abnegation in das Schwarz von Dauntless. Die Szene zeigt im wahrsten Sinne des Wortes einen Sprung ins Ungewisse.

Diese kurze Untersuchung einiger ausgewählter Szenen zeigt bereits auf, wie auch Divergent, eine Young Adult Dystopie, gesellschaftlich wichtige Themen und Ängste aufgreift. Ihr Fokus auf eine jugendliche Protagonisten und die Inklusion eines Romantikplots führen somit keineswegs dazu, dass die Dystopie ihren kritischen Charakter verliert.

Fotos: Flickr.com/EyesOnFire89 (CC BY-NC-SA 2.0), Flickr.com/Ansuz Magazine (CC BY-NC-SA 2.0), Flickr.com/EyesOnFire89 (CC BY-NC-SA 2.0)


[1] (duden online, Fanatimus).

[2] Divergent, 2014, 1:50:28

[3] Divergent, 2014, 1:43:21 – 1:43:55

[4] Divergent, 2014, 0:02:33 – 0:04:16

[5] Divergent, 2014, 0:24:47 – 0:26:42


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Verpixelte Augenzeugen – Amateurvideos in politischen Konflikten

von Lara Luttenschlager

Amateurvideos sind inzwischen ein fester Bestandteil unserer visuellen Kultur und prägen unsere Wahrnehmung von Ereignissen weltweit. Da heute auch in Konfliktregionen nahezu jeder ein Handy besitzt, werden Bürger zu potenziellen Reportern unvorhergesehener Ereignisse, die uns mit Bildern versorgen, von denen Kriegsfotografen noch vor einigen Jahren nur träumen konnten. Von Redaktionen für ihre Berichterstattung aufgekauft oder im Internet recherchiert, gelten Zeugenvideos oftmals dank ihrer authentischen Wirkung als Referenz für „das, was wirklich geschah“. Doch warum nehmen Amateure in dramatischen und lebensgefährlichen Situationen überhaupt die Kamera in die Hand?

Digitaler Kampf um die Gunst des Publikums

Militärisch asymmetrische Konflikte werden auf ideologisch-politischer Ebene ausgetragen, Regierung und Oppositionelle sind daher auf die Unterstützung der öffentlichen Meinung angewiesen. Damit verbunden ist der Begriff der Propaganda, ein Mittel zur systematischen Beeinflussung von Wahrnehmungen und Einstellungen, um beim Publikum den eigenen  Interessen entsprechende Reaktionen zu erzielen. Man will davon überzeugen, die Schuld liege beim grundlegend niederträchtigen Gegner und dass gemeinsames Handeln gegen ihn notwendig sei. Während früher die klassischen Massenmedien als Hauptinstrument der Meinungssteuerung dienten, können im Internet heute auch Amateure ungefiltert ein Millionenpublikum erreichen, vorbei an Redakteuren und Journalisten, jenen Gatekeepern, die vorher entschieden, was an die Öffentlichkeit geriet und was nicht.

Amateurvideos wird große Beweiskraft zugesprochen, da sie besonders authentisch wirken. Meist verwackelt, mit niedriger Auflösung und schlechtem Ton, entgehen sie dem Verdacht, möglicherweise inszeniert worden zu sein und bewirken eine starke Identifikation mit Opfern und Augenzeugen.

Skandalisierung und Schaffung von Öffentlichkeit

Im syrischen Bürgerkrieg beispielsweise haben Oppositionelle die Wunderwaffe Zeugenvideo längst für sich entdeckt. Ein ausgefeiltes  Mediensystem aus lokalen Aktivisten und der Diaspora im Ausland präsentiert uns den Krieg quasi im Live-Stream. Auf unangenehme Weise muss das Assad-Regime feststellen, wie leicht Zensur heute umgangen werden kann. Durch Amateurvideos mit niedergeschossenen Demonstranten und Opfern von Bombenangriffen erzählen Oppositionelle nun ihre eigene Version der Geschichte. Ereignisse, von denen die Welt wohl niemals erfahren hätte, finden so ihren Weg über YouTube und Facebook in unsere Wohnzimmer. Und sie bewegen den Zuschauer: Die Emotionen des Kameramanns sind zu spüren, wenn das Bild verwackelt, Nahaufnahmen der Verletzten und Toten werden gezeigt und das Regime in dramatischen Kommentaren angeprangert. Brutale Angriffe auf die Bevölkerung werden erfolgreich skandalisiert, das Regime somit diskreditiert.

Solidarität und Mobilisierung

Gewalt gegenüber unschuldigen Personen, von Thomas Olesen als violent person-events bezeichnet, können beim Publikum sogenannte moral shocks auslösen. Bei Gewalt gegen friedliche Proteste entstehen besonders intensive moralische Schocks, welche in der Bevölkerung das Gefühl von Verrat durch die eigene Regierung wecken und deshalb besonders starke Mittel sind, um dieser zu schaden und eigene Interessen beim Publikum zu bewerben. Gezeichnet wird das Bild eines Bürgerkriegs, in dem ein brutales, repressives Regime das eigene Volk für sein Streben nach Freiheit bestraft.

Für Oppositionelle ist die Diskreditierung des Regimes über die emotionalisierenden Videos nützlich, da sie eine Polarisierung des langwierigen Konflikts bewirken kann. Die Polarisierung von Konflikten führt zu klar definierten Feinden und somit zu interner Solidarität: Die Akteure sind überzeugt, dass die eigenen Ziele richtig und jene des Gegners falsch sind. Ein gemeinsamer Feind führt zu einem Verbundenheitsgefühl Gleichgesinnter, das Kooperation fördert und somit die Wahrscheinlichkeit kollektiver Aktionen steigert. Zudem steigt das Gefühl, dass der aktuelle Zustand eine akute Krise ist, wodurch eigene Zweifel zugunsten einer schnelleren Lösung zurückgestellt werden.

Weltweite Appelle

Das Feindbild des brutalen, die Freiheit unterdrückenden Regimes soll aber auch in den Rest der Welt hinausgetragen werden: Netzwerke wie das Shaam News Network übersetzen ihre Facebook– und YouTube-Kanäle ins Englische und untertiteln ihre Videos. Denn mitreißende Bilder sind ein entscheidender Nachrichtenfaktor, anhand dessen verhindert werden kann, dass der Krieg im Ausland vergessen wird. Durch das Vorhandensein von Kriegsbildern und somit auch -videos und deren Einbettung in die klassische Berichterstattung werden Kriege in den Köpfen des weit entfernten, internationalen Publikums realer und gewinnen an Bedeutung: der sogenannte CNN- Effekt. Bisher zeigte die konventionelle journalistische Berichterstattung aus Kriegsgebieten selten Opfer in Leidenssituationen und sprach meist von Kollektiven, selten aber von den Schicksalen einzelner Personen. Empathie und jegliche Appellwirkung versiegten. Durch die leichtere Identifikation mit Opfern in Amateurvideos jedoch entsteht das Bedürfnis, etwas gegen das „miterlebte“ Leid zu unternehmen.

Letztendlich scheint es, als erfüllten die Videos ihre Funktion. Selbst soziale Plattformen im Internet unterstützen die Strategien der Opposition. So löschten Facebook und Twitter wiederholt Profile und Kommentare, die dem Regime zugerechnet wurden. YouTube jedoch löschte zunächst Videos von Oppositionellen, weil sie aufgrund ihres brutalen Inhaltes gegen Nutzerregelungen verstießen, stellte diese allerdings bald wieder her und lässt die Video- Aktivisten seitdem gewähren. Vielfach stieß das Material, wie 2013 im Fall der  Giftgasangriffe bei Damaskus, Diskussionen über humanitäre Hilfe und internationale Interventionen an.

Und nun?

Amateurvideos ermöglichen neue Einsichten und Empathie mit weit entfernten Opfern und die Bildung von Gegenmacht in asymmetrischen Konflikten. Das ist gut so. Oft sind sie unsere einzige Informations- und Bildquelle politischer Konflikte, über die sich sonst kaum berichten ließe. Aber: Sie sind Mittel der Gegenpropaganda der unterlegenen Seite, die mit der staatlichen Propaganda in Konkurrenz um die Deutungshoheit und die Herzen des Publikums zu tritt. Und so groß die Vorteile auch sein mögen, Amateure handeln nicht mit den ethischen und professionellen Standards beruflicher Journalisten. Im Vordergrund steht das Ziel, ein Feindbild des Gegners zu errichten und zu verbreiten, das eine gemeinsame, oppositionelle Identität schafft und Unterstützung im Inland und Ausland mobilisiert. Bedenklich kann dies dann sein, wenn die Videos im Internet ohne journalistische Überprüfung und Einordnung zu sehen sind. Die enormen politische Hoffnungen, die in ihre Appellwirkung gesteckt werden, verleiten leicht dazu, Aufnahmen durch Tricks wie künstlichen Rauch etwas zu „verbessern“ oder sie gänzlich zu falschen. Und so gilt es, sie mit ähnlicher Vorsicht zu betrachten wie staatliche Erzeugnisse.

Foto: flickr.com/Dan H (CC BY-NC 2.0)

Skrupellos, gerissen, unentbehrlich: Filmfeinde

Von Lara Luttenschlager

Filme nehmen uns mit auf große Reisen. Und zwar meist auf die Reise des Helden der Geschichte, die sie erzählen. Was aber macht eine gute Geschichte aus? Richtig, Spannung. Durch einen richtig guten Feind. Werfen wir doch einmal einen Blick auf fünf der besten Feinde der Filmgeschichte!

Die Heldenreise, ein dramaturgisches Modell des Mythenforschers Joseph Campbell, gliedert Geschichten in diverse Stationen, die der Protagonist durchlebt. Von Christoph Vogler weiterentwickelt, ist gerade in Hollywood so manch ein Drehbuch als Heldenreise aufgebaut, darunter Star Wars, Pretty Woman und Das Schweigen der Lämmer, um nur einige zu nennen. Eine der wichtigsten Stationen, welche sich ganz oben auf dem Spannungsbogen befindet, ist die Schlacht gegen den Schatten, der alles Böse repräsentiert und durch den Gegenspieler des Helden verkörpert wird. Indem er Konflikte schafft und der Hauptfigur das Leben schwer macht, ist er der widerwärtige Kontrahent, der die Handlung vorantreibt. Denn was ist schon ein noch so bewundernswerter Held, wenn er sich nicht beweisen kann? Je stärker der Feind, desto spannender der Film, könnte man sagen.

Gordon Gekko: Gier ist gut!

Gordon GekkoGordon Gekko, der skrupellose Manager aus Wall Street (1987), der aus dem Aktiengeschäft ein größenwahnsinniges Spiel auf Kosten tausender Arbeitnehmer macht, ist wohl das beste Beispiel dafür, dass Filmbösewichte mit den Feindbildern ihrer Zeit gehen. Schon fast karikativ verkörpert er alles erdenklich Abstoßende, was uns zu einem waschechten Kapitalisten einfallen kann: Er ist kalt, hinterhältig, egoistisch, unendlich gierig und auch noch stolz darauf. Umso ehrenhafter steht am Ende sein Broker Bud Fox da, der nach einem kurzen Trip in die entfesselte Finanzwelt bald angewidert abdankt und lieber zahlreiche Arbeitsplätze rettet. Nach der Ölkrise Ende der 1970er und dem Börsencrash im Erscheinungsjahr des Films entstanden neue Gesetze zum Insiderhandel – eines jener Vergehen, die Gekko begeht. Investmentprofi James Tomilson Hill, der angeblich als Vorbild für die Rolle Gekkos diente, ist inzwischen übrigens Milliardär.

Alonzo Harris: Dein täglich Feind und Henker

Alonzo HarrisAuch Training Day (2001) erscheint zur Geburtsstunde eines neuen Feindbildes: Es ist die Zeit des Rampart-Division-Skandals, als weitgehende Verbindungen von Mitgliedern des Los Angeles Police Departments zu kriminellen Gangs, Morden und Drogenhandel öffentlich werden, die Zeit der Ermittlungen zur Verwicklung der Polizei im Vergeltungsmord des East-Coast-Rappers The Notorious B.I.G.. Auch in Training Day terrorisiert Polizist Alonzo Harris ärmere Viertel in L.A., mordet, nimmt Drogen und ist brutaler und unberechenbarer als jeder Gang-Leader. Die Rolle Alonzos und das Feindbild, das sie bedient, kollidieren stark mit dem traditionellen Bild des ehrenhaften, gerechtigkeitsliebenden Polizisten, das bis dahin in medialen Darstellungen dominiert hatte. Nicht nur für die Bevölkerung, auch für den jungen, idealistischen Polizisten Jake Hoyt, der ihn einen Tag lang begleitet, entpuppt sich der korrupte Cop als Alptraum, der tun kann was er will, geschützt durch seine Dienstmarke.

Norman Bates: We all go a little mad sometimes

Das Thema des Psycho-Killers fasziniert die Filmwelt seit jeher. Doch noch vor Halloween (1978), Das Schweigen der Lämmer (1991) und The Texas Chainsaw Massacre (1974), da gab es Hitchcocks Meisterwerk Psycho (1960). Auf den ersten Blick schüchtern und unsicher, versteckt Motel-Besitzer Norman Bates ein unheimliches Geheimnis: Denn im Verborgenen kämpfen er selbst und seine ermordete Mutter um die Vorherrschaft im Körper des schizophrenen jungen Mannes. Schon lange beklagen Wissenschaftler das Stigma, das Hollywood durch die konsequente Verbindung von geistigen Krankheiten mit Gewalt in der Mediengesellschaft verbreitet hat. Auch Bates wollen wir im Dunkeln lieber nicht begegnen: Denn die Mutter in ihm ist furchtbar eifersüchtig auf hübsche junge Frauen, die sie ermordet und anschließend von ihrem Sohn im Sumpf versenken lässt.

Hans Landa, der „Judenjäger“

Mit SS-Offizier Hans Landa macht der Zuschauer in Inglourious Basterds (2009) Bekanntschaft, als dieser genüsslich ein Glas Milch schlürft, bevor er bei der Exekution einer jüdischen Familie ein Blutbad anrichtet. Schon seine Uniform lässt ihn zum ultimativen Feind werden: Als Nazi verkörpert er die abscheulichste Version eines Menschen. Doch Landa ist kein gewöhnlicher Filmbösewicht, denn er überrascht immer wieder mit seinem spitzem Intellekt, unschlagbarem Instinkt und seiner Kultiviertheit. Als Super-Intellektueller, der den Helden der Geschichte immer einen Schritt voraus zu sein scheint und in seinen grausamsten Momenten auch noch kindlichen, verspielten Humor an den Tag legt, fasziniert und stößt er uns zugleich ab.

The Joker: Die Welt einfach nur brennen sehen

Dark knightAuch der teuflische Joker beeindruckt in The Dark Knight (2008) durch seine Intelligenz und Gerissenheit. Er vereint alle „Tugenden“ eines Bösewichts: Skrupel- und ehrenlos, alle Regeln der Gesellschaft verwerfend und hässlich, ergötzt er sich am Leid der Menschen. Doch damit nicht genug, sein eigentliches Ziel ist es, den Menschen zu zeigen, dass sie so moralisch verdorben sind wie er, und die Welt ins Chaos zu stürzen. Den Grund dafür erfahren wir nicht, wodurch Verständnis für den selbsternannten „Freak“ unmöglich wird. Letztlich reflektiert das Aussehen des Jokers sein Inneres: Sein abstoßendes, schmatzendes und vernarbtes Gesicht ist die makabre, deformierte Version eines Clowns, in westlichen Kulturen eigentlich mit Freunde und Fröhlichkeit verbunden. Er ist die Perversion dessen, was ursprünglich positiv war.

 

Fotos: flickr.com/Russ Allison Loar (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Giuseppe Graziano Barone(CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Kyle Lambert (CC BY-NC-ND 2.0)

Blutiger Schnee, eiskalte Rache

Von Marius Lang

Ein Mann schleppt sich durch die verschneiten Rocky Mountains. Sein Name ist Hugh Glass. An seinem ganzen Körper gibt es keinen Fleck, der nicht völlig geschunden ist. Frische Narben, nur notdürftig geflickt, übersäen seinen Körper. Kälte, Schmerzen, Hunger und ein enormer Blutverlust erschweren seinen Weg. Doch Glass schleppt sich zielstrebig weiter. Sterben ist für ihn keine Alternative. Nicht, weil er Angst vor dem Tod hat. Der Tod könnte ihm nichts nehmen, was er nicht schon verloren hätte. Doch Glass muss überleben, um den Mann zu finden, der ihn zum Sterben zurückließ. Den Mann, der seinen Sohn ermordet hat. Nur ein Gedanke hält den einsamen Wanderer am Laufen: Rache.

THE REVENANT – DER RÜCKKEHRER ist der neueste Film des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu, der erst im letzten Jahr für BIRDMAN mit Oscars überhäuft wurde. Und auch sein neuester Film wird bereits von der Academy umworben. THE REVENANT ist dabei vielleicht sein bester Film, mit Sicherheit jedoch sein körperlich brutalstes Stück. Angesiedelt in der verschneiten, eisigen Wildnis der Rocky Mountains Anfang des 19. Jahrhunderts und semibiographisch angelehnt an die Erlebnisse des Trappers Hugh Glass ist THE REVENANT einer der bildgewaltigsten und härtesten Filme des letzten Jahres.

Es war einmal in den Rocky Mountains

re_r709_mktg_orgDie Geschichte spielt 1823. Eine kleine Gruppe Trapper ist in der amerikanischen Wildnis auf der Jagd nach Pelzen. Doch als das Lager der Trapper von zornigen Ureinwohnern angegriffen wird, sind die wenigen Überlebenden zur Flucht über einen Umweg gezwungen. Die Führung auf diesem Weg soll Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) übernehmen, der mit seinem Sohn Hawk, einem Halb-Pawnee, Teil des Jagdtrupps ist. Doch kurze Zeit später wird Glass von einer Bärin angegriffen. Zwar schafft er es, das wilde Tier im Kampf zu töten, doch wird er dabei arg mitgenommen. Seine Kehle ist aufgeschlitzt, seine Brust und Rücken wurden von den Klauen der Bärin in Fetzen gerissen. Für den Rest der Truppe ist klar, lange überlebt Glass nicht.

Eine kleine Truppe soll mit Glass zurückbleiben, ihm auf dem Weg in das große Unbekannte beistehen, ihn anständig beisetzen und anschließend nachkommen. Glass‘ Sohn Hawk und der junge Jäger Jim melden sich schnell freiwillig, doch erst das Versprechen einer Belohnung bringt den mürrischen Jäger John Fitzgerald (Tom Hardy) dazu, sich zu melden, ein in der Vergangenheit skalpierter Mann, geldgierig und ohnehin nicht gut auf Glass zu sprechen.

Es kommt wie es kommen muss: Fitzgerald versucht nach kurzer Zeit Glass zu töten, als er jedoch dabei von Hawk erwischt wird, ersticht er diesen und versteckt dessen Leiche. Glass muss den Mord mit ansehen, ist jedoch zu schwach, sich mitzuteilen. Danach lassen Fitzgerald und Jim, dem Fitzgerald eine Lüge von nahenden Ureinwohnern auftischt, Glass zum Sterben zurück, in einem flachen Grab, halb von Erde bedeckt. Doch Glass kann noch nicht sterben.

Ein Racheepos ohne Schleifen

THE REVENANT ist ein absolut schnörkelloser Racheepos. Nicht die Vergangenheit, die Protagonist Glass und Antagonist Fitzgerald miteinander hatten, ist wichtig. Die beiden kennen sich schließlich kaum. Nur der Moment ist noch von Bedeutung, der Moment, in dem Fitzgerald Hawk ermordet. In diesem Moment ist Glass etwas Schlimmeres als der Tod widerfahren. Der Gedanke daran lässt Glass aus seinem Grab aufstehen. Er stemmt sich mit aller Kraft gegen den Tod, windet sich gegen die Kälte in den Pelz der Bärin, die er zur Strecke brachte und nimmt die Verfolgung auf. Auf dieser Jagd muss er jedoch nicht nur mit dem Unwillen der Natur, seinen gravierenden Verletzungen und dem Hunger kämpfen. Auch die Ureinwohner, welche das Camp der Trapper angegriffen hatten, sind noch immer auf der Jagd nach ihm und den übrigen Überlebenden.

Aus dieser recht simplen Story zaubert Iñárritu einen der spannendsten Filme seit langem. Die Kampfsequenzen, ob gegen Menschen oder Tiere sind brutal, blutig und eindrucksvoll gefilmt. Der Kampf zwischen Glass und der Bärin, die eigentlich nur ihre Jungtiere beschützen will, ist dabei eine der heftigsten Szenen des Films, die jedoch gleichermaßen fesselt. Doch auch die ruhigeren Szenen des Films, und auch diese gibt es immer wieder, schaffen es oft, wenn auch nicht immer, die allgemeine Spannung aufrechtzuerhalten. In diesen Szenen wird vor allem der Beziehung von Glass und Hawk Aufmerksamkeit geschenkt und die Vater-Sohn-Bindung ergreifend dargestellt. Doch nicht alle dieser ruhigeren Szenen erfüllen ihren erwünschten Zweck. So gibt es einige, wenige, Momente, in denen sich das Geschehen etwas zieht. Doch dies wird schnell wieder von weiterer Spannung abgelöst

Keine Worte, sondern Taten

REV2_1400Viel Dialog wird nicht geboten. Es sind die Bilder, die den Großteil der Story erzählen. Die Taten, die die Figuren charakterisieren. Hauptfigur Glass stolpert, kämpft und schleppt sich den größten Teil des Films alleine durch die verschneite Wildnis. Noch nicht einmal ein innerer Monolog oder ein Selbstgespräch unterbricht seinen Kampf mit der Natur und sich selbst. DiCaprios Hugh Glass ist allein auf seinem Feldzug und zu verlieren hat er nichts mehr. Kurios, dass DiCaprio, der sonst so oft in redegewandten Figuren glänzt, mit der Rolle des Hugh Glass eine der besten Leistungen seiner Karriere abliefert. Sein Text besteht über weite Teile der Geschichte nur aus Stöhnen, Schreien und Grunzen und doch ist es eine der besten Darstellungen des Jahres. Doch auch die anderen Rollen sind alle hervorragend besetzt, allen voran Tom Hardy als Antagonist John Fitzgerald. Hardys Figur ist nicht direkt böse, aber skrupellos, gierig und absolut pragmatisch. Kein echter Bösewicht, aber ein rücksichtsloser Bastard vor dem Herren.

Was den Film jedoch noch zusätzliche Gravität verleiht, ist dessen Optik. Mit natürlichem Licht gedreht, weswegen es oft recht trüb aussieht, ist THE REVENANT auch ein bildgewaltiger Film. Die Härte der Umgebung, die mörderischen Temperaturen, all das lässt sich in den Bildern spüren. Und die Naturaufnahmen von gewaltigen moosbedeckten Wäldern, reißenden Gebirgsflüssen und weiter, verschneiter Steppe sind durch die Bank eine Augenweide, die selbst durch all das rote Blut der Darsteller nicht getrübt werden kann.

Fazit

THE REVENANT ist eine reinrassige Tour de Force, ein blutiger Western und eine tragische Geschichte von menschlichen Abgründen, Grausamkeit, Rache und Erlösung. Dazu ist der Film wunderschön, von einem rein ästhetischen Standpunkt aus. Wer ihn sich noch nicht zur Gemüte geführt hat, sollte dies schnellstens nachholen.

Fotos: © 2015 Twentieth Century Fox

Daddy’s Home – Ein Vater zu viel

Von Maya Morlock

In der Komödie „Daddy´s Home – ein Vater zu viel“, von Sean Anders und John Morris, bekriegen sich biologischer Vater und Stiefvater. Ab dem 21.01.2015 sind die Hollywoodlieblinge Mark Wahlberg und Will Ferrell auf der Kinoleinwand zu sehen, ein Spaß für Groß und Klein.

Stereotyp: Loser

DaddysHome-Gallery-14Brad (Will Ferrell) möchte nur schnell Dustys (Mark Wahlberg) monströses Motorrad aus der Einfahrt fahren. Hatte er doch dummerweise am Abend zuvor damit geprahlt, er sei in seiner Jugend nur zu gerne mit den schnellen Maschinen in der Gegend herumgeheizt. Das Motorrad macht höllische Geräusche, als Brad sie startet, sodass seine Frau Sarah (Linda Cardellini)und die beiden Stiefkinder sorgenvoll aus dem Haus stürmen. Keiner traut Brad den Umgang zu, was ihn nur noch mehr anspornt. Und zack legt Brad einen hollywoodreifen Hochstart hin und rast nur auf dem Hinterrad in der Gartenanlage umher. Beinahe hätte er seine Familie dem Erdboden gleichgemacht, hätte Dusty sich nicht heldenhaft und ohne Shirt gerettet. Unkontrolliert saust das Höllengefährt über die Veranda direkt ins Haus – es poltert, knallt und kracht. Zuletzt stürzt das Motorrad herrenlos aus einem Fenster im Obergeschoss, um direkt auf Brads Familienauto zu landen und eine unweigerlich riesige Delle zu hinterlassen. Das Motorrad hat keinen Kratzer, doch wie sieht es mit dem enthusiastischen Brad aus?

Vater ist nicht gleich Vater

DaddysHome-Gallery-03Ganz richtig erkennt der unfreiwillig sterilisierte Brad (Will Ferrell), dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem biologischen Erzeuger und einem echten Vater gibt, der immer für die Kinder da ist. Brad ist nicht cool, nicht hip und auch nicht besonders attraktiv. Trotzdem hätte er es fast geschafft, dass ihn seine Stiefkinder als neuen Vater akzeptieren, weil er die volle Verantwortung übernimmt und bei jeglichen Schulaktivitäten (Coach des Schulteams) komplett in seiner Vaterrolle aufblüht. Zu dumm, dass der durchtrainierte und biologische Vater der Stiefkinder Dusty (Mark Wahlberg) zu Besuch ist und vor hat seine Familie zurückzugewinnen. Mit Charme, Talent, Geld und Muskeln zieht Dusty alle Register. Gewinnt der verantwortungsbewusste oder der coole und risikofreudige Vater?

Lustig unter Vorbehalt

Auch diese Komödie funktioniert nach dem Schema F: Am Anfang steht die heile Welt, die von einem Störfaktor unterbrochen wird. Es folgt eine komödiantische Auseinandersetzung, bei der das Ende offensichtlich ist. Außerdem werden die berühmt berüchtigten Stereotype eingesetzt und vollends ausgeschöpft: der unbeholfene und naive Gutmensch, der gegen den supercoolen und beinharten Macho nahezu mickrig erscheint. Überraschungen dürfen kaum erwartet werden, außerdem ist davon abzuraten, sich den Trailer anzusehen, da dieser durch die Bank weg die besten Szenen verrät. Wenn man es schafft, seinen Anspruch an eine gute Geschichte vor dem Kino zu parken, hat dieser Film dennoch ein hohes Unterhaltungspotenzial und ist sicherlich auch für Kinder lustig und sehenswert. Den Zuschauer erwarten überzogene, aber durchaus amüsante Streitigkeiten und Stunts der Hauptdarsteller, eine kitschige Schlusswendung, Mark Wahlberg zu 70 Prozent oben ohne und einen abscheulich komischen Köter. Für einen anspruchslosen Kinospaß wirklich geeignet – für mehr jedoch nicht.

Fotos: ©2015 PARAMOUNT PICTURES

Die schwarzen Schafe der katholischen Kirche

von Maya Morlock

Nach einer wahren Begebenheit ermittelt das Journalisten-Team „Spotlight“ im gleichnamigen Film von Tom McCarthy, der am 25. Februar 2016 in die deutschen Kinos kommt, im Falle einiger weniger Missbrauchsfälle. Katholische Geistliche, die sich an Kindern vergreifen – das scheint zunächst unvorstellbar. Der akribische Enthüllungsjournalismus deckt jedoch ein unvorstellbares Ausmaß und die übermächtige Maschinerie dahinter auf.

Ein Opfer

Photo by Kerry Hayes - © 2015 - Open Road Films

Photo by Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films

Sascha Pfeiffer (Rachel McAdams) sitzt einem großen und kräftigen Mann gegenüber. Das Diner ist nicht all zu voll. Der übergewichtige Mann verliert durch seinen unruhigen Blick und seine zusammengekauerte Haltung jegliche Souveränität. Nur sehr leise spricht er, sodass er nur schwer zu verstehen ist. Seine traumatischen Erlebnisse versucht er mit einem gekünstelten Lächeln zu überspielen – Fehlanzeige. Der gebrochene Mann erzählt von seinem ersten Mal. Seine ersten sexuellen Erfahrungen hatte der Homosexuelle mit einem mehr als doppelt so alten Pfarrer. Auch wenn er nicht vergewaltigt wurde, so nagen diese Erinnerungen an der jungen Psyche. Der Pfarrer nutzte seine Autorität und seinen spirituellen Einfluss schamlos aus – der Mann: ein Wrack seiner selbst. Moralisch erpresst wurde er – dem Diener Gottes darf man nicht widersprechen. Der große Mann bricht in Tränen aus, starke Hülle – zerbrochener Kern!

Realität – kein Wunder

Dieser Film zeigt, wie das Boston Globe Team „Spotlight“ zu ihren Erkenntnissen gekommen ist, um im Januar 2002 den ersten großen Stein in der Affaire der katholischen Kirche und der pädophilen/sexuell frustrierten Geistlichen ins Rollen zu bringen. Authentisch wird die Arbeit des investigativen Journalismus` dargestellt. Die Journalisten werden nicht zu übermenschlichen Helden degradiert, die durch unglaubliche Fähigkeiten und unglaubwürdige Zufallsfunde an die Wahrheit gelangen. Nein, es sind aufwendige Recherchen, Interviews mit den Opfern, Geduld in den Verhandlungen mit Ämtern und der Biss nach monatelanger Ergebnislosigkeit, die den Enthüllungsjournalismus ausmachen. Für diese Story, die einen weltweiten Skandal auslöste, wurde über ein Jahr lang hart gearbeitet. Man begleitet die Journalisten auf Schritt und Tritt, denn hinter ein paar Zeilen in der Zeitung steckt weitaus mehr, als man sich als normaler Leser vorzustellen vermag.

Der kleine aber feine Unterschied: die Starbesetzung

Photo by Kerry Hayes - © 2015 - Open Road Films

Photo by Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films

Auch wenn das Ende relativ offensichtlich ist, hat dieser Film einiges zu bieten: Zum einen erlebt man die Arbeit der Journalisten hautnah mit. Die Starbesetzung aus den Reihen Hollywoods (Liev Schreiber, Michael Keaton, Brian D´Arcy James, Mark Ruffalo, Rachel McAdams) erzeugt die nötige Emotionalität, um dem eher trockenen Fokus der Recherche Leben einzuhauchen. Die Rückschläge und das Ringen um Fassung bei jeder neuen erschreckenden Entdeckung werden lebensecht verkörpert. Das Spotlight-Mitglied Michael Rezendes (Mark Ruffalo) kann sich zwischenzeitlich nicht mehr beherrschen – zu schockierend sind seinen Enthüllungen für ihn und noch viel schlimmer ist es, die Schuldigen nicht sofort in der morgendlichen Tagesausgabe an den Pranger zu stellen.

Ausblick

Es ist faszinierend, dass der Journalismus bei dieser Angelegenheit die Courage und die Geduld hatte, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren und erste Schritte hin zu einer Veränderung zu wagen. Die Thematik wird mittlerweile oft in den Medien aufbereitet, immer wieder neue Missbrauchsfälle kommen ans Licht. Schön, dass ein solch authentisches Werk die Hintergründe aufzeigt und im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co. beweist, dass es auch noch zuverlässige Quellen und ernstzunehmende Journalisten gibt, die als Kontrollinstanz immer noch gebraucht werden.

Fotos: Kerry Hayes – © 2015 – Open Road Films