Ein Mann mit kleinen Träumen
von Sanja Döttling
Am Montagabend war Pierre M. Krause im Ribingurumu zu Gast. Seit Jahren senkt der Moderator das Zuschaueralter des SWR gefährlich. Bekannt ist er vor allem durch SWR3 latenight, aber auch durch Serienkonzepte wie In Deutschland um die Welt oder TV Helden. Querfeldein hat den Moderator interviewt.
Es ist acht Uhr abends. Das Wohnzimmer ist voll, die Kneipe in ein kleines Theater umgewandelt. Moderator Max Scherer von Querfeldein und Interviewgast Pierre M. Krause sitzen in alten, abgenutzten Sesseln, ein verblasster Teppich liegt zwischen ihnen und an den Wänden hängen Bilder aus Omis Wohnzimmer. Nur die große, professionelle Leinwand für Einspieler bricht das Bild. Die Atmosphäre ist gelassen, und Pierre macht deutlich, dass er ein Medienmensch zum Anfassen ist, wirft gleich am Anfang die Jacke ins Publikum (und nimmt sie dann doch lieber zu sich).
Pierre kann immer noch kein Französisch
Pierre M. Krauses Karriere fing seltsam an: Der ehemalige Bankkaufmann wurde Student, doch das war nicht so das Wahre: „Ich hab Sprachen studiert, unter anderem auch Französisch. Dann habe ich gemerkt, dass ich das schon sprechen sollte.“ Stattdessen drehte er Kurzfilme, und die Preise häuften sich: Der Ehrenpreis der Stadt Straubingen, aber auch zwei Preise aus Japan, für einen Film über das Licht im Kühlschrank, und Russland. Der Gewinn? „So eine kleine Gipsstatue von irgend einem russischen Zaren. Sowas willst du als 19-jähriger Filmemacher unbedingt haben“, sagt Pierre, immer ironisch. Dass die Vergeber der „internationalen“ Preise seine Filme verstanden haben, bezweifelt er stark.
Eine Initativ-Bewerbung brachte ihn dann zum SWR, zu DasDingTV. Dort hatte der junge Pierre M. Krause die Möglichkeit, eine Sendung von Anfang an zu konzepieren und umzusetzen. Die Sendung lief Samstag morgens um neun Uhr. Pierre sagt, und vielleicht steckt hinter dem ironischen Ton ein Funken Wahrheit: „Man hat uns da machen lassen, weil man wusste, dass das ausserhalb des messbaren Bereichs ist.“ Vor allem aber hat der SWR ihm die Möglichkeit gegeben, ohne viele Vorgaben seinen eigenen Stil zu entwickeln.
Pierre nimmt Sachen leicht, oft sich selbst nicht ganz ernst. Seine Preise, auch den Fernsehpreis, den er 2009 bekommen hat, tut er ab, will fast nicht darüber reden. Er verschwindet hinter seinen Witzen und Pointen, seiner Show-Persönlichkeit.
Premiumprodukt des SWR
Seit 2005 ist Pierre M. Krause Moderator der Sendung SWR3 latenight, gut und sicher im Samstagnacht-Programm des Senders versteckt. „Ich war schon immer das Premiumprodukt des SWR“, sagt er ironisch. Da finden ihn junge Leute auch nur, wenn sie besoffen aus dem Club geschmissen werden. Was anscheinend oft genug vorkommt: „Wir haben das Durchschnittsalter der Zuschauer bei unserer Sendung von 61 auf 47 gesenkt. Das ist für das SWR schon fast pränatal.“
Seine Kurzfilme der Latenight-Show sind oft Parodien auf die Medien selbst: Der Mann, der an Overvoice und Untertiteln erkrankt ist. CSI Baden Baden, das amerikanische Einheitsbrei-Krimis auf die Schippe genommen hat. Ein Video, in dem er drei Stunden durch Baden-Baden geht und ihn niemand anspricht. Selbtironie und Parodien, Aussage: die Medien soll man besser nicht ernst nehmen.
Alle zwei Wochen werden zwei neue Folgen gedreht. Der Druck, neue Witze, Pointen und Filme zu entwickeln, ist groß. Wenn er keine Ideen hat, redet er einfach fünf Minuten länger mit dem Gast. „Ich würde lieber drei perfekte Sendungen im Jahr machen als 30“, gibt er zu. Er schreibt, dreht und schneidet zum großen Teil selbst. „Ja“, sagt er, „das ist traurig.“ Er meint es nicht so: Pierre scheint die Freiheit zu mögen, die ihm der nicht ganz optimale Sendeplatz lässt, seine ganz eigene Narrenfreiheit.
Manchmal verliert er sich selbst im seinen Witzen: „Was war denn die Frage?“ Er konzentriert sich auf das, war er so gerne tut: unterhalten. Nicht immer auf hohem Niveau, aber die Lacher hat er.
Witze mit Nerds
„Ich war zweimal auf einer Esoterikmesse, das war das eine Mal davon. Oder das andere?“ Pierre erzählt Ankedoten aus seinem Leben als Medienmacher. Zum Beispiel von seinem kleinen unteren Chakra, das fotografiert wurde. Von den Agentenmikrofonen, die er anscheinend dabei hatte. „Seitdem darf man dort nicht mehr drehen.“
Auf der CeBIT hat Pierre Computernerds veräppelt. „Ist deine Freundin auch hier?“ fragt er den Computer-Interessierten, und der antwortet: „Ich habe gar keine.“ Noch witzig, auf Kosten anderer? Pierre glaubt, auch der junge Mann fand das lustig. Darf man andere nicht ernst nehmen, nur weil man sich selbst nicht ganz ernst nimmt? Pierre kommt kurz in Verlegenheit. „Es geht ja nicht um eine Person, sondern um die ganze Messe“, sagt er.
„Wo es immer Ärger gibt, ist, wenn es um Tiere geht“, sagte Pierre und zieht die Debatte wieder in den ungefährlichen Bereich. Verklagt wurde er noch nie: „Nur fast.“
Stand-Up im Sitzen
Pierre M. Krause ist ein Energiebündel auf der Bühne, schafft er es, dem Moderator und sich selbst, die Worte im Mund umzudrehen, immer auf der Suche nach der nächsten Pointe. Dabei ist es ihm egal, wenn diese mal daneben gehen: Es ist der Versuch, der zählt. Pierre ist ein Entertainer durch und durch. Die Kekse des Sponsors, Rauchen im gelben Vierecken, das Publikum als zeitweise Kleiderständer: Aus allem macht er eine Show.
Moderator Max Scherer will Stand-Up lernen. Pierre erklärt: „Zuerst musst du die Nachricht erklären. Also: Die CSU will, dass Menschen mit Migrationshintergrund Deutsch lernen müssen. Dann lässt du deine Autoren Witze dazu schreiben: Dass sie selbst kein Deutsch können, wäre zu offensichtlich, also sagst du: Wenn die Bayern ihnen Deutsch beibringen, dann ist das so, als würde Bushido Emanzipation erklären. Übertreibung ist das Stichwort. Und wenn gar nichts mehr geht, dann endest du auf Lothar Matthäus oder Rainer Kalmund.“
Moderator Max darf seine Pointen aber gar nicht beenden, Pierre unterbricht ihn und meint: „Du bist vielleicht eher der Journalistentyp“, und fügt eine Sekunde zu spät hinzu: „Was ein Kompliment ist.“ Max nimmt es gelassen.
Pierre und das Land
Pierre kann sich dem journalistischen Anspruch selbst nicht ganz verwehren. In der Serie In Deutschland um die Welt besucht er Menschen aus aller Welt, in Deutschland. Er beschreibt: „Das ist ein bisschen lustig, aber auch journalistisch.“
Pierre selbst ist nie richtig aus Baden weggekommen. Er kommt aus Karlsruhe. Nach dem Studium in Köln verschlug es ihn zum SWR Baden-Baden. Er sagt: „Ich hatte ja keine Ahnung, was es bedeutet, nach Baden-Baden zu ziehen.“ Reiche Russen und Grablichter, so könnte man die Stadt nach Pierre zusammenfassen – natürlich wieder ein Witz. „Das bietet sich als Grundlage für den einen oder anderen Scherz an“, sagt Pierre, „aber leider haben die Baden-Badener keine Selbstironie.“
Vielleicht zog es ihn deshalb aufs Land hinaus. Sein Buch „Hier kann man gut sitzen. Geschichten aus dem Schwarzwald“ erzählt von dem ruhigen, beschaulichen Leben auf dem Land irgendwo hinter Baden-Baden. Vielleicht autobiographisch, sicherlich sehr kurzweilig: Sein lässiger Witz erhält sich auch in seinem Roman.
Ach ja, übers Privatleben wurde auch geredet und wir wissen jetzt: Er hat eine Katze.
Fast eine Karriere
„Bist du noch ein Hoffnungsträger, oder langsam zu alt dafür?“, fragt Max. Was er eigentlich fragt, ist, wie es um Pierres Karriere steht. 2009 erhielt er den Deutschen Fernsehpreis für die Serie TV Helden (Eine Sendung, die nach zwei Folgen abgesetzt wurde). Danach arbeitete er für die Harald-Schmitd-Show, dem Urgestein deutscher Latenight-Unterhaltung. Nebenher lief seine eigene Latenight-Show. Im Moment entwickelt er neue Konzepte, doch bis jetzt gibt es keine festen Zusagen. Ein Karriereknick? Pierre sagt: „Ist mir egal. Ich habe gar nicht den Ehrgeiz. Ich will machen, was mir Spaß macht, was ich für richtig halte in dem Moment. Ich nehme mir auch heraus, ganz viel nicht zu machen, wenn ich nicht will.“ Kein Karrieremensch ist er also – eine seltene Spezies, im hart umkämpften Medienbetrieb.
„Ich lebe im ganz Kleinen und spiele einen Traum“, sagt Pierre, „Ich kann machen, worauf ich Bock habe, ohne groß kontrolliert zu werden. Ich kann zum Beispiel einfach nach Tübingen fahren, weil ich Lust dazu habe. Auch wenn im Fernsehen vieles nervig ist, kannst du mit guten Leuten Quatsch machen. Du wirst für die Dinge bezahlt, für die du in der Schule vor die Tür geschickt wurdest.“
Vielleicht ist das sein großes Geheimnis: Pierre bleibt anfassbar. Ein großer Entertainer, keine Frage, der aber nicht nach Größerem strebt. Vielleicht sind seine Pointen deshalb so gut: Sie tun nicht weh, bleiben bei sich, streben nicht nach mehr als einem gut unterhaltenen Publikum.
Florentin Will kommt zur nächsten Veranstaltung von querfeldein am 12.01.2014. Karten sind wie immer kostenlos, und am Donnerstag davor ab 20 Uhr im Riminguburu zu bekommen.
Fotos: querfeldein, Sanja Döttling
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