Blackout

Blackout – Und alles steht still

von Alexander Karl

Was passiert, wenn von jetzt auf gleich flächendeckend kein Strom mehr da ist? Autor Marc Elsberg hat sich in „Blackout – Morgen ist es zu spät“ genau diese Frage gestellt – woraus ein fiktives Schreckensszenario entstand. Wir haben mit ihm über das Buch und andere Medien-Themen gesprochen.

Marc Elsberg

Der Autor Marc Elsberg. Foto: Clemens Lechner

Es ist ein Schreckensszenario sondergleichen: Durch einen Hackerangriff wird in ganz Europa das Stromnetz lahmgelegt. Vom Fernseher bis zum Herd funktioniert nichts mehr. Kein Wasser fließt mehr, die Tankstellen bekommen das unterirdisch gelagerte Benzin nicht mehr in die Zapfsäulen. In kürzester Zeit ist die Welt, wie wir sie kennen, Geschichte: Supermärkte können nicht beliefert werden, den Krankenhäusern geht irgendwann der Notstrom aus. Eine moderne Apokalypse, ein Wettlauf gegen die Zeit für die Verantwortlichen und Poltiker.

Glücklicherweise sind große Teile dessen nur Fiktion: Der Wiener Bestsellerautor Marc Elsberg (45) sprach mit media-bubble.de über sein Buch „Blackout – Morgen ist es zu spät“, die Medien und Trittbrettfahrer.

media-bubble: Ein solch umfassendes Werk wie „Blackout“ bedarf viel Recherche. Wie sind sie vorgegangen?

Marc Elsberg: An „Blackout“ habe ich etwa vier Jahre gearbeitet. Das erste Jahr bestand aus reiner Recherche. Erst danach begann ich mit dem Entwurf der Figuren und der Handlung. Während des Schreibens musste ich laufend weiter recherchieren, da ich noch immer vieles nicht wusste und es gerade in diesem Gebiet viele aktuelle Entwicklungen gab und gibt.

Und 2011, während Sie geschrieben haben, kam Fukushima.

M.E.: Ja. Als Fukushima geschah, war meine Handlung entworfen und der Text etwa zur Hälfte fertig. In „Blackout“ waren Probleme in AKWs bereits vorgesehen. Aber schon während der Arbeit wurde ich mehrmals von der Realität eingeholt, etwa durch das Auftauchen der stuxnet-Malware. Große Änderungen musste ich daher nicht mehr durchführen. Allerdings gab Fukushima einige Anregungen bei Details.

Mindestens so wichtig und aufwändig wie die Recherchen zur Technik waren jene zu den Schicksalen von Menschen in Krisensituationen. Wobei es dazu – leider – genug Quellen gibt, sei es aus Kriegs- oder Katastrophengebieten. Manchmal halfen mir dabei aber sogar Erzählungen meiner Eltern und Großeltern aus der Nachkriegszeit.

Wir informieren uns heute vor allem über das Internet oder Fernsehen. Wenn der Strom ausfällt, geht das nicht mehr. Wie schätzen Sie die Bedeutung von Medien für den Informationsaustausch im Krisenfall ein?

M.E.: Die Bedeutung von (elektronischen) Medien zur Information der Bevölkerung wäre in jedem Krisenfall immens. Allerdings können sie in manchen Krisenfällen, zum Beispiel bei einem großen Stromausfall, kaum eingesetzt werden. Die meisten Menschen können kein Internet, TV oder Hörfunk mehr empfangen, es sei denn, die besitzen ein batteriebetriebenes Radio oder ein Auto mit Radio. Zeitungen können zwar noch ein paar Tage lang gedruckt, aber immer schwerer ausgeliefert werden. Festnetz und Mobiltelefon (wenn man diese zu den Medien zählen mag) fallen auch bald aus.

Soll heißen: Die Bedeutung der meisten modernen Medien (Ausnahme: Radio) sinkt im Fall eines großen, längeren Stromausfalls gegen Null. Die Menschen wären fast ausschließlich auf mündlich weiter gegebene Nachrichten angewiesen – was da schnell an Gerüchten entsteht, kann man sich vorstellen! In einer Szene von „Blackout“ führt dies auch zu einem persönlichen Drama für eine der Figuren.

Überwiegen in Ihren Augen die Vor- oder Nachteile der modernen Informationstechnologie?

M.E.: Durch die modernen Informationstechologien haben wir zahlreiche neue Möglichkeiten gewonnen. Denken wir etwa an die Kommunikation während des arabischen Frühlings.  Unter normalen Umständen überwiegen für mich klar die Vorteile – vorausgesetzt wir reden von ihrem Einsatz in einer funktionierenden Demokratie und einem funktionierenden Rechtsstaat. Wobei es selbst in diesen aufgrund der rasanten Entwicklung eine Menge Klärungsbedarf gibt, wie nicht zuletzt aktuelle Diskussionen um geistiges Eigentum oder Datenschutz zeigen.

Stichwort Datenschutz: Im Buch werden systematisch E-Mails und andere modernen Kommunikationsmittel angezapft. Entwickeln sich da nicht neue Ängste?

M.E.: Nicht für mich. Ich bin mir seit Jahren bewusst, dass man meine gesamte Kommunikation verfolgen kann, wenn man will. Es würde mich auch gar nicht wundern, wenn ich aufgrund meiner Recherchen in den Stichwort-Alerts irgendwelcher Überwacher aufgetaucht bin und unter Beobachtung stand (oder stehe). Naja, jetzt wissen die ja, dass ich tatsächlich nur ein Buch schreiben wollte…

Der „gläserne Mensch“ also.

M.E.: Mit dieser „Gläsernheit“, werden wir bis zu einem gewissen Grad lernen müssen zu leben, fürchte ich, so miserabel der Gedanke auch ist. Trotzdem habe ich z.B. in Österreich die Petition gegen die Datenvorratsspeicherung unterschrieben und bin auch gegen ACTA (allerdings sehr wohl für einen anständigen Schutz meiner Urheberrechte/immateriellen Güter).

Ein Ursprung des Übels in „Blackout“ sind die Smart-Meter, die digitalen Stromzähler. Was würden Sie tun, wenn Sie selbst bald ein solches Gerät in der Wohnung haben müssten?

M.E.: Solange diese Geräte derart unsicher sind wie die jetzigen Modelle, würde ich versuchen, den Einbau zu verhindern. Wobei es da rechtliche Probleme gäbe. Allerdings bilden sich in mehreren Ländern langsam Initiativen dagegen.

„Blackout“ beschreibt ein Schreckensszenario, das sicherlich keiner erleben will. Verfolgen Sie mit dem Buch die Mission, die Gesellschaft aufzuwecken?

M.E.: Zuallererst wollte ich eine spannende Geschichte schreiben über ein Thema, das mich selbst interessierte und darüber, wie die Menschen davon betroffen sind. Wenn ich damit erreiche, dass ich bei kritischen Themen Nachdenkprozesse anrege, freut es mich. Auf ein Blackout kann man sich bis zu einem gewissen Grad vorbereiten bzw dafür rüsten. Das habe ich getan.

Stellenweise wird sehr genau die Verwundbarkeit des Stromnetzes und der Informationskanäle angesprochen. Fürchten Sie, dass Ihr Buch Trittbrettfahrer zu solchen Taten aufrufen könnte?

M.E.: Nein. Die Idee von Angriffen auf Infrastrukturen ist nicht neu. Ich bringe einige Beispiele auch in „Blackout“. Schon in der „Südtiroler Feuernacht“ 1961 wurden Strommasten gesprengt. 1972 starb Giangiacomo Feltrinelli, der italienische Verleger (Doktor Schiwago, Der Leopard, das berühmte Che Guevara-Bild) und spätere Terrorist, bei dem Versuch, einen Strommast zu sprengen. „Blackout“ ist die zeitgenössische Interpretation des Themas. In „Die Hard 4″ rettet John McClane“ schon 2007 die USA vor einem ähnlichen Szenario. Abgesehen davon wurde ich auch hier von der Realität eingeholt, wenn auch in kleinerem Rahmen: Im Mai 2011, als der Text weit fortgeschritten war, legte ein Brandsatz die Berliner S-Bahn und Teile des Telefonnetzes lahm. Das ist letztlich nichts anderes, als ich in „Blackout“ beschreibe – ein Terrorangriff auf wichtige Infrastrukturen. Zum Glück kamen damals keine Menschen ernsthaft zu Schaden.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Marc Elsberg!