Kleine Geschichten, großes Schmunzeln

von Elena Hodapp

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, heißt es. Wir tun alles dafür, anerkannt zu werden: es zählen Erfolge, Einkommen, Vermögen. Wir setzten uns unter Druck, wir müssen funktionieren, wir wollen mithalten können mit dem vorgegebenen Takt und möglichst nicht aus der Reihe tanzen. Dabei gibt es kaum Raum für Fehler und Schwächen, für Ausreißer und Traumtänzer oder wie Katrin Bauerfeind in ihrem Buch Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag es sagt, für das „schöne Scheitern“.

 

Die Autorin

Katrin Bauerfeind kommt aus Aalen, einer Stadt im Osten Baden-Württembergs. Noch während ihres Studiums bestritt sie erfolgreich ein Casting, dessen Gewinn die Moderation des Internetmagazins Ehrensenf war. Es waren die ersten Schritte Bauerfeinds in die Medienbranche, die bis heute ihr Arbeitgeber bleibt. Als Sidekick von Harald Schmitt wurde sie erstmals einem breiten Publikum bekannt. Mir ihrer kratzig, rauchigen Stimme, dem roten Haar und einem ungleich spitzbübischen und intellektuellen Charme etablierte Bauerfeind sich in der Fernsehlandschaft; sie moderierte unzählige Events, wirkte in Spielfilmen mit und führte durch eigene TV-Formate.

Mit ihrer ersten Buchveröffentlichung teilt Katrin Bauerfeind kleine Geschichten aus ihrem Privat- und Berufsleben. Auch in diesem Medium geht nichts von ihrem unverwechselbaren Charme, ihrem Mut Dinge genau so auszusprechen, wie sie sind, ihrem nüchternen Blick auf die Welt und ihrem Humor verloren. Katrin Bauerfeind schreibt vom Scheitern und betont doch, dass es kein deprimierendes Buch sei. Viel mehr sei es eins für diejenigen, die sich drei Tage vor dem Urlaub in ihre Bikinifigur hungern wollen; für diejenigen, die große Pläne im Leben hatten und jetzt ihre Einbauküche abbezahlen und für solche, die sich entschlossen an ihren Computer gesetzt haben, um zum Beispiel ihre Diplomarbeit zu Ende zu schreiben und dann stundenlang bei YouTube-Videos  von Haushaltsunfällen und Katzenbabys hängen geblieben sind.

 

Geschichten vom schönen Scheitern

Es zaubert ein Schmunzeln aufs Gesicht, dieses Buch. Wir haben doch alle diese Momente des Scheiterns, des Verzweifelns. Aber geben wir ihnen genug Raum? Lassen wir sie überhaupt zu? Herrlich, wie selbstironisch und erfrischend Katrin Bauerfeind über eben diese Momente schreibt; es geht um Familiengründung, um Sex, um den Beruf und um Vorstellungen, die man einmal vom Leben hatte und über die man ein paar Jahre später nur noch den Kopf schütteln kann. Ja es geht darum, dass im Leben nichts so kommt wie man denkt, und schon gar nichts perfekt läuft.

Sie gibt ganz offen zu, dass vieles nicht den Erwartungen entspricht und man sich immer wieder in Situationen findet, in denen man sich selbst fragt, wie man hier eigentlich landen konnte.

„Ich drehe durch. Immer mal wieder. Tage, an denen ich mir ernsthaft Fragen stelle, die sonst nur für Teenager und Männer in der Midlife-Crisis reserviert sind: Kommt da noch was? Oder ist dieser Quatsch hier schon echt das Leben?“

Bauerfeinds Geschichten fangen bei der Angst an, nach dem Auszug bei den Eltern nicht mehr von der Mutter wachgebrüllt werden zu können und deswegen nun auf drei parallel klingelnde Wecker angewiesen zu sein und führen über einen missglückten Friseurbesuch über Events der Medienbranche, bei denen sie sich fragt warum sie –  neben Gründen wie Sekt schlürfen und Häppchen essen – eigentlich anwesend ist. Bei all diesen Erzählungen sind Schwerfälligkeit und Verdrossenheit genauso abwesend wie Frust oder eine Mentalität des Abrechnens. Gerade das Gegenteilige ist der Fall. Herrlich leicht und locker teilt Katrin Bauerfeind ihre Geschichten mit uns; ein bisschen wie eine große Schwestern, die sagen will, dass man manchmal nur genau hinschauen muss, um zu erkennen, dass eigentlich alles halb so schlimm ist.

 

Scheitern mit Humor

Katrin Bauerfeinds Buch zaubert ein Schmunzeln aufs Gesicht, weil sie  Erinnerungen weckt, sowohl an einen Selbst  als auch an das eigene Umfeld. Wie viele Scheitern an ihren Vorstellungen vom perfekten Leben? Katrin Bauerfeind gelingt es in ihrem Buch Scheitern mit Humor zu nehmen und es so zu einem schönen, lehrenden, wichtigen Teil werden zu lassen. Wir scheitern doch alle. Wichtig ist nur, wie wir damit umgehen. In ihrem Buch Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag – Geschichten des schönen Scheiterns schreibt sie erfrischend uneitel. Sie erzählt ganz persönliche Geschichten des Scheiterns und solche, die hinter die Fassade der heilen Medienwelt blicken lassen. Müsste man drei Schlagworte für dieses Buch finden so wären diese wohl humorvoll, charmant und ehrlich. Ein Buch das Spaß macht. Leichte Kost für schwere Stunden. Ein Buch das ein Lächeln auf Gesichter zaubern kann.

 

Foto: Copyright Fischer Verlag

Wenn Bildung eine Sünde ist

von Andrea Kroner

„Heute gibt es keine Weihnachtsbotschaft – es wird ein eher ungemütlicher Abend.“ Mit diesen Worten leitet Jürgen Wertheimer, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Tübingen, den Gastvortrag ein. Eigentlich geht es in der Vorlesung um „Schlüsseltexte der Weltliteratur“, wofür der erste afrikanische Nobelpreisträger, Wole Soyinka, ein außergewöhnlicher Gastdozent ist. Doch dieser Mann spricht nicht über seine literarischen Werke, sondern will auf die gravierenden Missstände in seinem Heimatland Nigeria hinweisen. Es wird von der islamistischen Extremistengruppe Boko Haram terrorisiert.

 

Das Buch ist verdammt

So lautet die sinngemäße Übersetzung des Namens Boko Haram. Dieser Name wurde bewusst gewählt und richtet sich gegen die Werte und Bildung des Westens. Ausgehend vom Norden Nigerias hat sich diese islamistische Terrorgruppierung immer weiter ausgebreitet. „Aber kann es wirklich sein, dass ein Mädchen mit einem Buch in der Hand zum Feindbild der Nation wird?“, fragt Wertheimer in den Saal hinein. Er thematisiert damit die grausamen Massentötungen und Versklavungen vieler Mädchen, die nigerianische Schulen besucht haben.

Doch wie ist Boko Haram überhaupt entstanden? Der Nobelpreisträger erklärt, dass man Boko Haram kein genaues „Geburtsdatum“ zuweisen könne, da sie zu Beginn noch sehr unorganisiert war. Da es sich jedoch nur um eine Randgruppierung weniger Fanatiker handelte, wurde ihr gerade von Seiten der Regierung wenig Beachtung geschenkt. Doch sie konnte ihren Einfluss immer weiter ausbauen und begann, Menschen anderer Religionen zu verfolgen. Doch diese Phase hielt nicht lange an: Schon bald wollte sie auch den Islam reinigen und begann andere weniger radikale Glaubensanhänger zu ermorden.

Doch dieses Phänomen ist keinesfalls auf Nigeria beschränkt, es handelt sich vielmehr um ein globales Muster, sagt Sokinya: Es ist eine Waffe, die genauso stark ist, wie das, was die Europäer bisher mit dem Rest der Welt gemacht haben.

 

ISIS is not a state“

Auch auf den selbsternannten Gottesstaat ISIS geht Soyinka näher ein und wirft dabei folgende Fragen in den Raum: Wann genau beginnt eigentlich ein Staat? Wenn er ein eigenes Teritorium absteckt? Wenn er eine eigene Währung drucken lässt?  Darauf antwortet er, dass ISIS genau das  getan hat. Und dennoch sind ihre Anhänger für ihn „keine Krieger Allahs, sondern Krieger der Verdammnis“. Er stellt sogar infrage, ob es sich dabei noch um Menschen handle oder ob es nicht besser wäre, den Begriff der Menschheit im Angesicht solcher Gräueltaten umzudefinieren.

Doch wie kommen solche Gruppierungen überhaupt dazu, so viele Anhänger zu bekommen? Weshalb schließen sich auch so viele westlich geprägte Jugendliche an? Ganz einfach, erklärt der Nobelpreisträger: „Sie hoffen auf eine Utopie.“ Sie hoffen, dass durch die Zerstörung der Gegenwart die Aussicht auf eine schillernde Zukunft erfüllt werden könne. Sie ließen sich „das Königreich des Himmels auf Erden“ versprechen. Die Jugendlichen bekämen das Gefühl von Zugehörigkeit und Verständnis. „Sie werden Bürger einer Ordnung, die einer vollkommenen Abwesenheit jeglicher Einschränkungen entspricht, zumindest nach der eigenen Wahrnehmung. Ein Staat, wo die untersten Instinkte […] wie Mobbing erfüllt werden können. […] Nun aber legitimiert als Bürger, als Krieger Allahs“, so Wole Soyinka. Wenn sie sehen würden, wie beispielsweise ein Unschuldiger grausam ermordet wird, würden sie denken, ihr Staat, also ISIS, habe lediglich rechtmäßig seine Gesetze angewandt, um seine Ordnung aufrecht zu erhalten. Und so nähme eine Art Staat langsam Form an, da er von einer großen Anhängerschaft anerkannt würde, erklärt Soyinka.

 

Boko Haram is the result of impunity“

Da Boko Haram lange nichts entgegen gestellt wurde, habe sie eine Zeit der Ungestraftheit durchlebt, in der ihre Anhänger wahllos morden konnten. Soyinka charakterisiert Nigeria dabei als eine Nation, die ins Wasser fällt: Obwohl sie wie wild um sich schlägt, geht sie trotzdem unter. Dennoch sieht er auch einen Lichtstreif am Horizont, denn er glaubt, dass Boko Haram besiegt werden könne, da es bereits Zeichen dafür gebe, dass sie sich auf dem Rückzug befinde: Sie hat enorm an Territorium und Einfluss verloren. Jedoch habe jede dieser radikalen Gruppierungen, sei es Boko Haram, ISIS oder eine andere Organisation, eine eingebaute Mutation, sodass es sie immer irgendwo geben werde, auch wenn man sie an einem Ort zerschlagen hätte. Mit den fulminanten Worten „Zerstöre oder werde zerstört“ lässt Soyinka seinen aufregenden Vortrag enden.

 

Foto: Lançamento do Livro “ O leão e a Jóia“, Fotos GOVBA/flickr.com(CC BY-NC-SA 2.0)

Künstlerische Freiheit auf harter Probe

von Valerie Heck

 

So schnell wird aus einer filmischen Satire gefährlicher Ernst: Die von Seth Rogen und Evan Goldberg produzierte politische Komödie „The Interview“ sollte das nordkoreanische Regime und vor allen Dingen den Diktator Kim Jong Un auf den Arm nehmen – doch die negative Darstellung des Staatsoberhaupts wurde von Nordkorea als Terrorakt und Kriegshandlung deklariert. Der Filmstart musste bereits von Oktober auf Dezember verschoben werden, um besonders prekäre Darstellungen von Kim Jong Un herauszuschneiden. Nach massiven Angriffen einer Hacker-Gruppe mit dem Namen „Guardians of Peace“ auf das Betriebssystem des Filmstudios Sony Pictures Entertainment und Androhungen von Terroranschlägen auf die in New York geplante Premiere wollte Sony Pictures Entertainment den Filmstart ganz absagen. Doch nach scharfer Kritik von Präsident Barack Obama hat das Filmstudio den Film nun doch in die Kinos gebracht.

 

Die Macht des Kinos

Der Film „The Interview“ handelt von einem Starjournalisten und einem Produzenten, die sich ein Interview mit dem Nordkorea Führer Kim Jong Un sichern und dann durch die CIA beauftragt werden, ihn zu töten. Gespielt werden die beiden Protagonisten von den Hollywoodschauspielern James Franco und Seth Rogen.

Mit der besonders negativen Präsentation des nordkoreanischen Staatsoberhaupts, dessen Namen sogar unverändert blieb und Filmzitaten wie „Kim muss sterben“ und „Ich möchte sehr gerne Kim Jong Un töten“, sorgte der Streifen für viel Aufregung. Nachdem die Veröffentlichung des Films im Dezember beinahe das zweite Mal in diesem Jahr verhindert wurde, wird die Auseinandersetzung um „The Interview“ jetzt sogar auf höchster politischer Ebene ausgetragen: Barack Obama und Kim Jong Un sprechen von Cyberwar,  Liste der Terrorstaaten und sogar von Bodenangriffen.

 

Wie aus einem Film politischer Ernst wurde

Nachdem der Filmstart von Oktober auf Dezember verschoben wurde, kam es im November zu einem massiven Hacker-Angriff auf das System von Sony Pictures Entertainment. Dabei wurden nicht nur 100 Terabyte an Daten kopiert, sondern auch Drohungen an die Mitarbeiter verschickt und ein Virenangriff zerstörte die Operationsfähigkeit des gesamten Sony-Rechnersystems für mehrere Tage.

Als am 16. Dezember die  Hackergruppe „Guardians of Peace“ auf einer Website mit Angriffen auf Besucher der Filmpremiere von „The Interview“ in New York drohte und sie ihre Pläne mit den Terroranschlägen vom 11. September verglichen, sah Sony keine andere Möglichkeit, als die New Yorker Filmpremiere abzusagen. Damit erreichte der internationale Cyberterrorismus eine ganz neue Stufe: Ein Filmstudio ließ sich seine Geschäftspolitik von praktizierter und angedrohter Gewalt diktieren.

 

Steckt Nordkorea hinter dem Cyberwar?

Mit dem Sony-Kollaps verlor Amerika seinen ersten Cyberwar. Nachdem das nordkoreanische Regime bereits im Juni mit gnadenlosen Gegenmaßnahmen bei Veröffentlichung oder stillschweigender Billigung des Films von Seiten der US-amerikanischen Regierung drohte, geht man in den USA davon aus, dass Nordkorea  etwas mit dem Hacker-Angriff zu tun hat. Kim Jong Un und seinem Regime weisen die Vorwürfe von sich und fordern die US-Regierung sogar zu gemeinsamen Ermittlungen auf, um ihre Unschuld zu beweisen.

Beweise für die nordkoreanische Beteiligung an den Angriffen haben die USA zwar nicht, dennoch löste die Cyber-Attacke heftige Spannungen und einen Krieg der Worte zwischen den beiden Ländern aus. Barack Obama droht mit Konsequenzen und möchte das Regime von Kim Jong Un wieder auf die Liste der Terrorstaaten aufnehmen. Außerdem bemühen sich die USA um eine internationale Reaktion auf die Attacke und dafür haben sie sogar Nordkoreas engsten Verbündeten China konsultiert. Daraufhin verschärfte das nordkoreanische Regime seinen Ton gegenüber dem amerikanischen Staat. Die nationale Verteidigungskommission von Nordkorea warnte vor harten Gegenaktionen, die sich offen gegen das Weiße Haus, das Pentagon und das gesamte US-Festland richten. Auch von einer Konfrontation mit den USA in allen Kriegsbereichen einschließlich des Cyber-Kriegsraums war die Rede.

 

Ein Zeichen für die Kunstfreiheit?

Doch die Cyber-Attacke stellt nicht nur einen Angriff auf die amerikanische Politik, sondern auch einen Angriff auf die künstlerische Freiheit dar. Die Hacker-Gruppe schaffte es, Sony zu unterdrücken und einen Filmstart beinahe zu verhindern. Der US-amerikanische Präsident kritisierte die Entscheidung des Filmstudios. Er sagte dazu, dass er nicht in einer Gesellschaft leben könne, in der „irgendein“ Diktator Zensur in Amerika betreiben könne.

Die scharfe Kritik des Präsidenten nahm sich Sony Pictures Entertainment wohl zu Herzen. Nachdem sie zunächst zwar versicherten, dass der Film verbreitet werden solle, der Zeitpunkt aber noch nicht bekannt war, hat das Filmstudio jetzt eine Kehrtwende vollzogen. Wider Erwarten wurde „The Interview“ am 25. Dezember in mehr als 300 amerikanischen Kinos gezeigt. Auch auf der Onlineplattform YouTube, bei Google Play und bei Xbox Video von Microsoft wurde der Film für das amerikanische Publikum veröffentlicht.

Ein klares Zeichen für die Kunst- und Meinungsfreiheit wurde mit der Veröffentlichung von „The Interview“ trotz massiver Angriffe und Drohungen gesetzt. Die Frage wie hoch der Preis dafür sein wird, bleibt noch offen. Denn auch aus politischer Sicht hat das Drängen des Präsidenten zur Veröffentlichung von „The Interview“ Konsequenzen. Der nordkoreanische Verteidigungsrat sagt, dass Obama sich „rücksichtslos wie ein Affe im Urwald“ verhalten habe. Auch eine weitere Drohung wurde ausgesprochen: Wenn Washington weiter an seinem arroganten und verbrecherischen Kurs festhalte, würde die nordkoreanische Regierung der gescheiterten Politik mit unentrinnbaren tödlichen Schlägen begegnen.

Dass eine Hollywood-Satire wie „The Interview“ eine so ernste und bedrohliche Diskussion zwischen zwei Staaten auslösen kann, zeigt, dass selbst Kunst heute nicht mehr vor der politischen Realität sicher ist. Auch wenn ein erstes Zeichen von Seiten der USA gesetzt wurde, scheint, wenn  Zensur von einem anderen Land und sogar Krieg die Folge von künstlerischem Schaffen sein können, die Kunst- und Meinungsfreiheit ernsthaft bedroht zu sein.

 

Foto: flickr.com/Barack Obama (CC BY-NC-SA 2.0), flickr.com/Zennie Abraham (CC BY-ND 2.0)

Wahre Lügen

Was bedeuten Fakten ohne Kontext? Was bedeutet Wahrheit ohne Wissen? In Christopher Nolans Film „Memento“ treiben diese Fragen nach der Wahrheit die Handlung. Christopher Nolan stellt den Zuschauer mit allen Mitteln der Filmkunst auf die Probe und lässt ihn zweifeln. SPOILER!

Weihnachtsgeschichten

von der Redaktion

Nightmare before Christmas – Von Maya Morlock

Jack Skellington ist gerade dabei, eine Christbaumkugel einzuschmelzen. Eine Reihe von Experimenten nimmt das Skelett vor, um an hinter das Geheimnis von Weihnachten zu gelangen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, dieses Jahr wird Halloweentown das Weihnachstefest ausrichten, was selbstverständlich total schief geht….

Dieser Stop-Motion Film von Tim Burton ist voller Herz und Witz. Zuzusehen, wie vollkommen ahnungslose Monster Geschenke herstellen, die letztendlich versuchen die Kinder aufzufressen, ist urkomisch. Besonder faszinierend als Kind fande ich die skurrilen Bühnenbilder, die das Eindringen in eine vollkommen neue Welt ermöglichten. Die vielen musicalähnlichen Passagen, gesungene Lieder von allerlei Charakteren, waren auch stets ein Highlight. Lieder wie „Jack´s Lament“ oder „Sally´s Song“ sind bis heute tief in meinem Gedächtnis verankert. Ein Film der mir mit jedem Mal sehen ein Stück Kindheit zurückgibt!

 

Tatsächlich … Liebe von Jasmin M. Gerst

Jedes Jahr an Weihnachten ist dieser Film für mich ein Muss. Er erzählt die zehn wundervollsten Geschichten über Liebe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Diese spielen in London während der Weihnachtszeit und verbinden sich schließlich am Heilig Abend miteinander.

Der neue Prime Minister verliebt sich in die Frau, die ihm seinen Tee serviert, zwei schüchterne Pornodarsteller-Lichtdoubles finden zueinander und ein Freund verliert sein Herz an die Frau seines besten Freundes.

Und jetzt mal ganz im Ernst: Wer will nicht von Hugh Grant, Colin Firth, Keira Knightley, Heike Makatsch u.v.m. an Weihnachten verzaubert werden? Obwohl der Film erst knapp über 10 Jahre alt ist, gehört er für mich bereits zu den Klassikern an Weihnachten und zaubert mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht.

 

Die Familie Stone. Verloben verboten  – von Laura Meis

Ok, also der Film ist schon etwas kitschig, aber was wäre Weihnachten ohne ein bisschen Kitsch? Die total verkopfte Meredith alias Sarah Jessica Parker (mal nicht in der Rolle der berühmten Sexkolumnistin) lernt über Weihnachten zum ersten mal die Familie ihres Verlobten Everett kennen. Und die ist nicht ohne, eine echte liebenswürdige Chaotenfamilie, die zunächst so gar nicht mit der unter einem extremen Räusperzwang leidenden Meredith klar kommt.

Dennoch schlittert man von einer Katastrophe in die andere, irgendwie auf ein Happy End zu und man muss sich in diese laute lustige Familie verlieben. Und das ist das schöne an dem Film (an Weihnachten geht’s immer um die Familie): hier sieht man eine, bei der auch nicht immer alles richtig läuft und obwohl es Weihnachten ist, gibt’s auch Rückschläge. Und trotzdem breitet sich im Bauch ein schönes wohliges Glücksgefühl aus, was einen echten Weihnachtsfilm eben ausmacht.

 

It’s a wonderful life – von Felix Niedrich

Frank Capra’s „It’s a wonderful life“ ist der Weihnachtsklassiker schlechthin. Er erzählt die anrührende Geschichte von George Bailey, der sich selbstlos für seine Mitmenschen aufopfert, bis seine eigene Verzweiflung ihn eines Tages an sich und seinen Idealen zweifeln lässt. So sehr, dass Bailey jegliche Hoffnung verliert. Am Heiligabend will er sich das Leben nehmen. Doch dann bringt die heilige Nacht noch eine magische Überraschung. Capra zelebriert ungeniert das Leben und die Nächstenliebe. Melodramatisch und sentimental, vielleicht … aber auch einfach wundervoll.

 

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel – von Valerie Heck

Heiligabend: Zeit zum besinnlich sein, Weihnachtsbaum schmücken, Plätzchen essen und Zeit für „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Die Ausstrahlung der deutsch-tschechischen Produktion von František Pavlíček ist am 24. Dezember ein absoluter Pflichttermin in meiner Familie. Seit mehr als 10 Jahren ertönt im Wohnzimmer mittags gegen 13 Uhr, wenn die ersten Christbaumkugeln an den Baum gehängt werden, die einmalige Melodie und Aschenbrödel reitet auf ihrem weißen Pferd durch eine wunderschöne Schneelandschaft.

Bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ handelt es sich um eine Variation des Grimm’schen Märchens „Aschenputtel“. Das arme Mädchen muss wie im Märchen unter der Herrschaft einer bösen Stiefmutter und deren Tochter Dora leben, doch im Film bekommt Aschenbrödel drei verwunschene Haselnüsse, mit deren Hilfe sie dem Prinz als Jäger im Wald, Prinzessin auf einem Ball und schließlich als Braut begegnen kann. Einfach eine schöne, märchenhafte Geschichte mit viel Charme und schönen Melodien, die perfekt zu der besinnlichen Weihnachtsstimmung passt.

 

Stirb Langsam – von Marius Lang

Zu Weihnachten gehört für mich gutes Essen, die Familie, ein Baum und irgendwann vor dem Fest Stirb Langsam, wie es eigentlich bei jedem Actionfan sein sollte. Und das obwohl er noch nicht mal wirklich gut ist. Spaß macht mir der Actionknaller aber trotzdem jedes Jahr aufs Neue. John McClane (Bruce Willis) als New Yorker Cop in Los Angeles will eigentlich nur Weihnachten mit seiner Familie verbringen. Leider gerät seine Frau auf der Weihnachtsfeier ihrer Arbeit in eine Geiselnahme durch den „deutschen“ Ganoven Hans Gruber (Alan Rickman). Und nur John ist in der Lage seine Frau, die anderen Geiseln und damit, natürlich, das Weihnachten aller Beteiligten zu retten. Ich für meinen Teil habe bis heute meine helle Freude an „Stirb Langsam“, den klassischen One-Linern, dem liebenswerten Helden und dem brillanten Bösewicht. Und alles natürlich mit etwas weihnachtlichem Kitsch. Yippie Ki Yay, Schweinebacke!

 

Das letzte Einhorn – von Anne-Mareike Täschner

Ich liebe Traditionen. Und ich liebe Zeichentrickfilme. „Das letzte Einhorn“ gehört für mich an Weihnachten einfach dazu. In dem magischen Zeichentrickfilm begibt sich das letzte Einhorn auf die gefährliche Suche nach seinen Artgenossen. Denn es ist das letzte seiner Art. Doch was ist mit all den anderen Einhörnern geschehen? Um das herauszufinden, verlässt das letzte Einhorn den Schutz seines Waldes. Auf seiner Suche begegnen ihm der amateurhafte Zauberer Schmendrick und die liebenswerte Molly Grue, die ihm helfen, die anderen Einhörner zu finden. Die Reise führt sie an den Hof von König Haggart, der mittels des roten Stiers die anderen Einhörner einst ins Meer getrieben hat.

Das letzte Einhorn besticht durch wunderschöne Zeichnungen und einen tollen Soundtrack. Und es ist mal kein Disneyfilm, in dem alle paar Minuten fröhlich gesungen wird.

 

Muppets Weihnachtsgeschichte – von Henrike Ledig

Die Filme von Jim Hensons Muppets zeichneten sich nie durch eine besondere Konstanz aus, so auch nicht mein persönlicher Favorit im Weihnachtsfilmrennen: Die Muppets Weihnachtsgeschichte.
Hier treffen die Größten des Show-Biz zusammen: Sir Michael Cane brilliert als scheußlicher Ebeneezer Scrooge, dessen Herz selbstverständlich in altbekannter Charles Dickens-Manier von den Geistern der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht erwärmt wird. In sämtlichen anderen Rollen finden wir auch Kermit, den Frosch (als Scrooges misshandelter Buchhalter Bob Cratchit), Miss Piggy (als dessen Ehefrau Emily) und Gonzo als der Autor selbst, der nicht nur allwissend ist, sondern zudem von einer Vierten Wand noch nie etwas gehört hat!
Das alles gestaltet sich nicht nur als ausgesprochen humorvoll, die untermalenden Songs sind grandios mitreissend und natürlich als allgemein herzerwärmende Erzählung über das Gute ihm Menschen und Muppet.

Die Legende lebt

von Felix Niedrich


Zur Band „Spinal Tap“ werden einige sagen: „Klar, die kennt jeder!“. Andere wiederum werden nachfragen: „Spinal Pap? Nie gehört!“. Denn die Musikertruppe aus Rob Reiners Kultfilm von 1984 ist sowohl Legende als auch Mythos. Sie ist sowohl real als auch erfunden.

„This is Spinal Tap“ folgt der „halb-fiktionalen“ Heavy-Metal-Band Spinal Tap, die gerade ihr neues Album „Smell the glove“ herausbringen will. Dabei wird das vielseitige Leben der Rockstars portraitiert, die sich an einem schwierigen Punkt in ihrer Karriere befinden. Die Zahl der Auftritte wird kleiner, genau wie die Räumlichkeiten und das Publikum. Es gibt Differenzen mit dem Plattenlabel bei der Veröffentlichung des neuen Albums und auch innerhalb der Band kommt es zu Spannungen.
Filmemacher Marty Di Bergi, gespielt von Regisseur Rob Reiner, begleitet den Prozess hautnah. Er geht mit der Band auf Tour und blickt hinter die Kulissen des Musikbusiness. In Interviews gewähren die Musiker Einblicke in die kuriose Bandgeschichte. Und auch grandiose Mitschnitte nicht immer ganz gelungener Liveperformances gibt es zu sehen und zu hören. Kurzum: man bekommt volle Dröhnung, wie man sie von einer anständigen Musikdoku erwartet. Aber dann noch etwas mehr.

This one goes to eleven!

„This is Spinal Tap“ folgt dem Konzept einer gängigen Musikdoku. Tatsächlich ist der Film jedoch eine intelligente und bissige Satire über Rockbands, das Musikbusiness, aber auch über Musikdokus selbst.

Nachdem in den ersten zwei Beiträgen dieser Artikelreihe ausgewählte Dokumentarfilme behandelt wurden, nähern wir uns nun dem Spielfilm. Zwischen Dokumentation und Fiktion liegt das Mockumentary-Genre, das sich gerade in den 80er Jahren großer Beliebtheit erfreute. „This is Spinal Tap“ ist einer der populärsten Vertreter.
Unter dem Term „Mockumentary“ ist ein Film zu verstehen, der sich am Stil und Format des Dokumentarfilms bedient, dabei aber fiktionale Inhalte behandelt. „Mockumentaries“ sind dabei nicht zu verwechseln mit „Dokudramen“ oder „Dokufiction“. Bei ersteren handelt es sich um dramatisierte Umsetzungen im Spielfilmformat auf Basis einer wahren Geschichte. Die dargestellten Szenen entsprechen dabei aber nicht immer wahren Tatsachen. „Dokufiction“ dokumentiert wahre Tatsachen, bedient sich bei der Aufbereitung allerdings auch künstlerischer und narrativer Mittel.

„This is Spinal Tap“ erreicht seinen dokumentarischen Einschlag zunächst auf ästhetisch-formaler Ebene. Der Wechsel zwischen moderierten „Behind the Scenes“ Einstellungen und Interviews mit den üblichen und oft dämlichen Fragen und noch dämlicheren Antworten, Handkameraaufnahmen in Begleitung der Band und Backstage im typischen Dokustil und professionell-wirkenden Liveaufnahmen gibt dem Film Authentizität. Auch altes Archivmaterial wird im Film gezeigt und etabliert den Kosmos rund um die Band zusätzlich.
Für die meisten Szenen des Films lag dabei kein Drehbuch vor. Viele der Dialoge sind von den Schauspielern improvisiert, wodurch die Szenen weniger gestellt wirken.

Das besondere liegt allerdings weitergehend in den Figuren. Man könnte es fast als Marketingstrategie bezeichnen. Die Schauspieler spielen zwar ihre Rollen als Spinal Tap-Mitglieder sind aber gleichsam tatsächlich Musiker und spielen alle ihre Instrumente selbst. Mehr noch: auch abseits des Filmsets treten sie bis heute in den Rollen unter dem Namen Spinal Tap auf.
Die im Film dargestellte Bandgeschichte ist dabei zwar frei erfunden, aber die Band existiert im Zuge des Films und andere Projekte dennoch. Neben den zahllosen fiktiven Veröffentlichungen hat die Gruppe bis heute drei richtige Alben aufgenommen. Man könnte die Band also als mediale Schöpfung betrachten, die Filmwelt und Realität miteinander verbindet. Der besondere Status der Gruppe hat durchaus zu Verwirrungen geführt, ob die Band nun real oder erfunden sei. Am Ende ist sie beides. Eine reale Fake-Band.

Wenn Wahrheit weh tut

Das Auftreten der Band entspricht dabei vielen klassischen Klischees. Über diese und weitere Sitten und Unsitten der Rockmusik machen sich der Film und die Band lustig. Dabei werden zahllose Referenzen an die großen Bands der Musikgeschichte eingestreut. Auch wenn dabei Situationen oft lächerlich übersteigert dargestellt werden, bleiben die Realitätsbezüge vor allem für Fans und Kenner der Rockmusik mehr als deutlich erkennbar. Weil die Verantwortlichen sich selbst bestens mit dem Material auskennen, funktioniert der Film. Er zeigt nicht nur Wahrheiten auf, sondern reibt sie einem schonungslose unter die Nase.

In der Übertreibung wird die Wahrheit noch deutlicher erkennbar. So sehr, dass es nicht ignoriert werden kann. Auf dem Weg zur Bühne kann man sich durchaus einmal verlaufen. Und auch wenn es weh tut: der ein oder andere bekannte Musiker musste bereits zugeben, dass einige der dargestellten Filmszenen schmerzhafte Erinnerungen wecken.

 

Foto: flickr.com/ Photo by Chris Boland / www.chrisboland.com

 

Geständnisse eines TV-Fanatikers

von Julia Heitkamp

 Am Ende unserer Reise durch die TV-Welt komme ich noch einmal zu meiner Fragestellung zurück, und versuche, diese zu beantworten: Lohnt sich das Einschalten der Flimmerkiste heute überhaupt noch? Oder ist es einfach nur zur Gewohnheit geworden? Und hat das Medium Fernsehen, wie wir es kennen, überhaupt noch eine Zukunft?

 

Wie schlimm steht es um das deutsche Fernsehen?

Wir haben uns das Fernsehen in den USA angeschaut, die umfassenden Mediatheken und Originalfassungen der preisgekrönten US-Serien gesehen und festgestellt:

Im Gegensatz zum deutschen Fernsehen gibt es zwar von allem mehr – viel mehr Sender, mehr Programme, mehr Abwechslung – aber auch mehr Werbung. Für die rund hundert Sender, die man durchschnittlich empfängt, muss man Gebühren bezahlen; und trotzdem wird man alle paar Minuten mit Werbung beglückt. Da soll sich noch jemand über unser deutsches Fernsehsystem beschweren, denn vergleichsweise läuft sogar auf unseren privaten Sendern weniger Werbung.

Auf der anderen Seite, ist das Niveau der Eigenproduktionen der Amerikanischen Sender – man denke da nur an HBO und ihren Hit „Game of Thrones“, für deutsche Sender unerreichbar. Nicht einmal (oder noch viel weniger) die durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender können sich so aufwendige Produktionen leisten.

 

Neue Konkurrenten

Aber auch einen Blick in die Tiefen des World Wide Web haben wir gewagt: Video-on-Demand –Anbieter (VoD) wachsen. Bisher sind die in Deutschland verfügbaren VoD-Anbieter keine große Konkurrenz zum Fernsehen, doch sollten die Sender deren Potenzial nicht unterschätzten. Im Netz regelt nicht mehr das Fernsehprogramm unseren Tagesablauf, sondern wir bestimmen das Programm: Kann die altgediente Flimmerkiste da auf Dauer mithalten?

Im besten Fall sollten sich die Sender das Potenzial der VoD-Angebote zu Nutze machen. Die ProSiebenSat.1-Media-Gruppe, zu der auch die Online-Plattform Maxdome gehört, macht hier schon Schritte in die richtige Richtung und bietet Eigenproduktionen zum Nachschauen an. Dass man sich den gewählten Formaten durch die Internetplattformen viel aktiver zuwendet als dem Fernsehen, können die Produzenten für sich nutzen: Nicht nur das Format, auch Werbung wird aktiver wahrgenommen. Ein neuer Werbemarkt ist geschaffen, von dessen Einnahmen, die Sendungen profitieren sollten. Denn um einen Zuschauer vom passiven Fernsehen ins World Wide Web zu locken, bedarf es einer gewissen Qualität.

Auch kleineren Fernsehsendern haben wir unsere Aufmerksamkeit gewidmet: Wie ist es überhaupt möglich, auf dem Markt als Nischensender zwischen den großen, die den Gewinn unter sich aufteilen, zu bestehen?

Als Beispiel haben wir die Strategien, die der Sender Tele 5 verfolgt, unter die Lupe genommen: Was am Budget fehlt, wird mit Mut und Kreativität ausgeglichen. Der Sender Tele 5 setzt dabei vor allem auf  Filme und Serien, die man vielleicht sonst nicht unbedingt im Fernsehen findet: B-Movies und Trash wird hier zum Nischenprogramm für Liebhaber gemacht. Ob SciFi oder Wrestling – auf jeden Fall unterscheidet sich das Programm von Tele 5 vom Einheitsbrei so manch anderer großen Sender. Einschalten lohnt sich, wenn man bereit ist was Neues für sich zu entdecken.

Denn genau darum kommt es an – Veränderung statt Stillstand, Mut zum Experiment. Das Fernsehen darf nur sein eigenes Potenzial nicht unterschätzen. Sonst wird der Zuschauer dem Programm entwachsen.

Dagegen haben wir bei den Privaten eine Entwicklung hin zur seichten und belanglosen Programmgestaltung beobachtet. Mit seriöser Schauspielkunst haben Doku-Soaps und Laiendarsteller kaum noch was zu tun. Die Gier nach schnell und billig produzierten Formaten geht zu Lasten der Qualität der Produktionen. Doch es gibt schon einen kleinen Lichtblick : Die ersten Sender beginnen mit der Umstrukturierung ihres Programms, nachdem der Hype um die Scripted Reality-Forrmate endlich vorbei zu sein scheint.

 

Mut steht am Anfang des Handels …

Ist es also hoffnungslos? Steht das Fernsehen vor dem Niedergang und geht mit dem sinkenden Niveau unter? Nein, denn es gibt ihn noch, den Mut etwas Neues zu wagen und alt Bewährtes zu überdenken. Wer hätte vor einigen Jahren auch nur daran gedacht, dass es ein ZDF ohne Wetten Dass…? möglich wäre…

Trotz aller Kritik, es gibt Ansätze und neue Konzepte für das deutsche Fernsehen – Zwar werden sie nicht immer mit Erfolg und Quoten belohnt, doch immerhin: Der Mut ist da! Es besteht Hoffnung.

Und auch wenn viele es häufig übersehen, es gibt sie doch: Die Perlen im Deutschen Fernsehen. Klassiker wie der Tatort bewegen regelmäßig ein Millionenpublikum vor den Bildschirm und geben einer Nation regionale Profile.

Meiner bescheidenen Meinung nach lohnt sich der Blick in die Flimmerkiste nach wie vor. Die Programmgestaltung der deutschen Sender ist im Umbruch. Was ich bei meinem „Blick in die Röhre“ gelernt habe, ist, dass es nur ein wenig Mut und einer neuen Sichtweise bedarf, um beim Publikum einen Nerv zu treffen.

 

Wenn Aladdin zum Feind wird

von Lara Luttenschlager

 

Im Rahmen der Ringvorlesung „Clash of Civilizations: Feindbilder in interreligiösen Beziehungen und internationaler Geopolitik“ sprach der Geologe Prof. Dr. Paul Reuber am 24. November 2014 über die Konstruktion von Leitbildern in den Medien und darüber, wie sie zur Rechtfertigung geopolitischer Maßnahmen genutzt werden. Von klein auf lernen wir, auf Unterschiede zwischen unserer und fremden Kulturen zu achten. Die Konstruktion des Eigenen und des Fremden diene der Stiftung unserer westlichen Identität, sagte schon Foucault. Ähnlich sieht es Edward Said: Der „Orient“ musste erfunden werden, damit der Westen sich abheben und vor allen Dingen überheben konnte. Für Reuber ein Zustand, den es zu hinterfragen gilt.

Kampf der Kulturen

So seien Stereotypen und vor allen Dingen Leitbilder hegemoniale Deutungsschemata, die bereits lange existieren und die wir derart verinnerlicht haben, dass sie in Konfliktfällen als Begründungsrhetorik für eine bestimmte Politik wieder hervorgebracht werden können. Jahrzehnte lang, so Prof. Dr. Paul Reuber, sind unsere Leitbilder durch das geopolitische Kräftemessen des Kalten Krieges geprägt worden. Als dieser jedoch sein Ende fand, geriet der Westen in eine Art Sinnkrise: Neben großer Erleichterung empfand die Politik das Bedürfnis nach neuen Argumenten und Erklärungsmustern, anhand derer geopolitische Handlungen interpretiert werden konnten.

Genau dieses Bedürfnis wusste Samuel Huntington mit seiner Theorie über den „Kampf der Kulturen“ zu befriedigen. Seine Einteilung der Welt in verschiedene konkurrierende Zivilisationen, darunter die westliche und die islamische, war es, die schon bald im politischen und somit medialen Diskurs dominieren sollte. Huntington schrieb dazu 1987, nach dem Verschwinden der Konfliktlinie zwischen Ost und West würden neue Konflikte entlang der verschiedenen Kulturräume entstehen. Der gefährlichste Faktor sei dabei die
Religion, weshalb sich für den christlich geprägten Westen beispielsweise die Beziehungen mit dem überwiegend islamischen Orient zwangsläufig als schwierig erweisen würden.

Vom Film in die Nachrichten

Doch was hat all das mit den Medien zu tun? Den Einzug des Kampfes der Kulturen in die Medien veranschaulichte Reuber anhand einiger Filmsequenzen: Während James Bond lange meist sowjetische Bösewichte zur Strecke brachte, kamen die Feinde von Actionhelden ab den 90ern nicht mehr aus der UdSSR, sondern aus dem Orient. Der neue Angst-Plot war geboren: Terroristen mit dunklem Bart drohen, den Westen zu zerstören. Die meisten Leitbilder, erklärte Reuber, verbreiten sich zunächst über die Diffusion in der Alltagskultur, um erst nach einiger Zeit auch von Qualitätsmedien aufgegriffen zu werden.

Der entscheidende Durchbruch für das Leitbild des feindlichen Islams sei 2001 mit den Anschlägen des 11. Septembers gekommen, als Huntingtons These plötzlich in allen Medien zu hören war. Und schließlich seien es die Proteste gegen die Mohammed Karikaturen im Jahr 2005 gewesen, die den Kampf der Kulturen auch „headline-fähig“ machten.

„Wir verteidigen die Zivilisation“

Den Grund für die Beliebtheit von Huntingtons Leitbild in den Medien sah Reuber darin, dass es durch extreme Vereinfachung, scharfe Abgrenzung der potenziellen Konfliktparteien und starke Homogenisierung für die Bürger sehr leicht greifbar werde. Problematisch sei allerdings die kulturdeterministische Sicht des Leitbildes, die alle Angehörigen einer Kultur in eine – feindliche – Schublade steckt. Bemerkenswert fand der Redner zudem, dass das Leitbild eines Kampfes der Kulturen in den arabischen Medien nicht zu finden sei. Es handle sich also um eine Rhetorik des Westens.

Das Bild der unheimlichen islamischen Welt, die durch Terrorismus die westlichen Werte bedroht, hat Hochkonjunktur. Nicht selten werde diese Bedrohung zur Legitimation von Eingriffen westlicher Mächte im Nahen Osten benutzt. Sehe man sich allerdings aktuelle Konfliktstrukturen innerhalb der arabischen Kultur an, werde Huntingtons These schnell brüchig: Viele der aktuellen islamistischen Angriffe gelten nicht etwa dem Westen, sondern sind Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten, die beide der gleichen Kultur angehören.

Nicht zuletzt deshalb plädierte Reuber abschließend dafür, im Umgang mit den Medien solche Feindbilder und geopolitischen Diskurse zu hinterfragen und ihre Einseitigkeit herauszuarbeiten. Denn auch im Eigenen lauere das Fremde, und es sei wichtig, die Legitimationsdiskurse von Medien und Politik mit ihren Gefahren zu erkennen.

Foto: flickr.com/maria (CC BY-NC-ND 2.0)

Ein Mann mit kleinen Träumen

von Sanja Döttling

Am Montagabend war Pierre M. Krause im Ribingurumu zu Gast. Seit Jahren senkt der Moderator das Zuschaueralter des SWR gefährlich. Bekannt ist er vor allem durch SWR3 latenight, aber auch durch Serienkonzepte wie In Deutschland um die Welt oder TV Helden. Querfeldein hat den Moderator interviewt.

Es ist acht Uhr abends. Das Wohnzimmer ist voll, die Kneipe in ein kleines Theater umgewandelt. Moderator Max Scherer von Querfeldein und Interviewgast Pierre M. Krause sitzen in alten, abgenutzten Sesseln, ein verblasster Teppich liegt zwischen ihnen und an den Wänden hängen Bilder aus Omis Wohnzimmer. Nur die große, professionelle Leinwand für Einspieler bricht das Bild. Die Atmosphäre ist gelassen, und Pierre macht deutlich, dass er ein Medienmensch zum Anfassen ist, wirft gleich am Anfang die Jacke ins Publikum (und nimmt sie dann doch lieber zu sich).

 

Pierre kann immer noch kein Französisch

Pierre M. Krauses Karriere fing seltsam an: Der ehemalige Bankkaufmann wurde Student, doch das war nicht so das Wahre: „Ich hab Sprachen studiert, unter anderem auch Französisch. Dann habe ich gemerkt, dass ich das schon sprechen sollte.“ Stattdessen drehte er Kurzfilme, und die Preise häuften sich: Der Ehrenpreis der Stadt Straubingen, aber auch zwei Preise aus Japan, für einen Film über das Licht im Kühlschrank, und Russland. Der Gewinn? „So eine kleine Gipsstatue von irgend einem russischen Zaren. Sowas willst du als 19-jähriger Filmemacher unbedingt haben“, sagt Pierre, immer ironisch. Dass die Vergeber der „internationalen“ Preise seine Filme verstanden haben, bezweifelt er stark.

Eine Initativ-Bewerbung brachte ihn dann zum SWR, zu DasDingTV. Dort hatte der junge Pierre M. Krause die Möglichkeit, eine Sendung von Anfang an zu konzepieren und umzusetzen. Die Sendung lief Samstag morgens um neun Uhr. Pierre sagt, und vielleicht steckt hinter dem ironischen Ton ein Funken Wahrheit: „Man hat uns da machen lassen, weil man wusste, dass das ausserhalb des messbaren Bereichs ist.“ Vor allem aber hat der SWR ihm die Möglichkeit gegeben, ohne viele Vorgaben seinen eigenen Stil zu entwickeln.

Pierre nimmt Sachen leicht, oft sich selbst nicht ganz ernst. Seine Preise, auch den Fernsehpreis, den er 2009 bekommen hat, tut er ab, will fast nicht darüber reden. Er verschwindet hinter seinen Witzen und Pointen, seiner Show-Persönlichkeit.

 

Premiumprodukt des SWR

Seit 2005 ist Pierre M. Krause Moderator der Sendung SWR3 latenight, gut und sicher im Samstagnacht-Programm des Senders versteckt. „Ich war schon immer das Premiumprodukt des SWR“, sagt er ironisch. Da finden ihn junge Leute auch nur, wenn sie besoffen aus dem Club geschmissen werden. Was anscheinend oft genug vorkommt: „Wir haben das Durchschnittsalter der Zuschauer bei unserer Sendung von 61 auf 47 gesenkt. Das ist für das SWR schon fast pränatal.“

Seine Kurzfilme der Latenight-Show sind oft Parodien auf die Medien selbst: Der Mann, der an Overvoice und Untertiteln erkrankt ist. CSI Baden Baden, das amerikanische Einheitsbrei-Krimis auf die Schippe genommen hat. Ein Video, in dem er drei Stunden durch Baden-Baden geht und ihn niemand anspricht. Selbtironie und Parodien, Aussage: die Medien soll man besser nicht ernst nehmen.

Alle zwei Wochen werden zwei neue Folgen gedreht. Der Druck, neue Witze, Pointen und Filme zu entwickeln, ist groß. Wenn er keine Ideen hat, redet er einfach fünf Minuten länger mit dem Gast. „Ich würde lieber drei perfekte Sendungen im Jahr machen als 30“, gibt er zu. Er schreibt, dreht und schneidet zum großen Teil selbst. „Ja“, sagt er, „das ist traurig.“ Er meint es nicht so: Pierre scheint die Freiheit zu mögen, die ihm der nicht ganz optimale Sendeplatz lässt, seine ganz eigene Narrenfreiheit.

Manchmal verliert er sich selbst im seinen Witzen: „Was war denn die Frage?“ Er konzentriert sich auf das, war er so gerne tut: unterhalten. Nicht immer auf hohem Niveau, aber die Lacher hat er.

 

Witze mit Nerds

„Ich war zweimal auf einer Esoterikmesse, das war das eine Mal davon. Oder das andere?“ Pierre erzählt Ankedoten aus seinem Leben als Medienmacher. Zum Beispiel von seinem kleinen unteren Chakra, das fotografiert wurde. Von den Agentenmikrofonen, die er anscheinend dabei hatte. „Seitdem darf man dort nicht mehr drehen.“

Auf der CeBIT hat Pierre Computernerds veräppelt. „Ist deine Freundin auch hier?“ fragt er den Computer-Interessierten, und der antwortet: „Ich habe gar keine.“ Noch witzig, auf Kosten anderer? Pierre glaubt, auch der junge Mann fand das lustig.  Darf man andere nicht ernst nehmen, nur weil man sich selbst nicht ganz ernst nimmt? Pierre kommt kurz in Verlegenheit. „Es geht ja nicht um eine Person, sondern um die ganze Messe“, sagt er.

„Wo es immer Ärger gibt, ist, wenn es um Tiere geht“, sagte Pierre und zieht die Debatte wieder in den ungefährlichen Bereich. Verklagt wurde er noch nie: „Nur fast.“

 

Stand-Up im Sitzen

Pierre M. Krause ist ein Energiebündel auf der Bühne, schafft er es, dem Moderator und sich selbst, die Worte im Mund umzudrehen, immer auf der Suche nach der nächsten Pointe. Dabei ist es ihm egal, wenn diese mal daneben gehen: Es ist der Versuch, der zählt. Pierre ist ein Entertainer durch und durch. Die Kekse des Sponsors, Rauchen im gelben Vierecken, das Publikum als zeitweise Kleiderständer: Aus allem macht er eine Show.

Moderator Max Scherer will Stand-Up lernen. Pierre erklärt: „Zuerst musst du die Nachricht erklären. Also: Die CSU will, dass Menschen mit Migrationshintergrund Deutsch lernen müssen. Dann lässt du deine Autoren Witze dazu schreiben: Dass sie selbst kein Deutsch können, wäre zu offensichtlich, also sagst du: Wenn die Bayern ihnen Deutsch beibringen, dann ist das so, als würde Bushido Emanzipation erklären. Übertreibung ist das Stichwort. Und wenn gar nichts mehr geht, dann endest du auf Lothar Matthäus oder Rainer Kalmund.“

Moderator Max darf seine Pointen aber gar nicht beenden, Pierre unterbricht ihn und meint: „Du bist vielleicht eher der Journalistentyp“, und fügt eine Sekunde zu spät hinzu: „Was ein Kompliment ist.“ Max nimmt es gelassen.

 

Pierre und das Land

Pierre kann sich dem journalistischen Anspruch selbst nicht ganz verwehren. In der Serie In Deutschland um die Welt besucht er Menschen aus aller Welt, in Deutschland.  Er beschreibt: „Das ist ein bisschen lustig, aber auch journalistisch.“

Pierre selbst ist nie richtig aus Baden weggekommen. Er kommt aus Karlsruhe. Nach dem Studium in Köln verschlug es ihn zum SWR Baden-Baden. Er sagt: „Ich hatte ja keine Ahnung, was es bedeutet, nach Baden-Baden zu ziehen.“ Reiche Russen und Grablichter, so könnte man die Stadt nach Pierre zusammenfassen – natürlich wieder ein Witz. „Das bietet sich als Grundlage für den einen oder anderen Scherz an“, sagt Pierre, „aber leider haben die Baden-Badener keine Selbstironie.“

Vielleicht zog es ihn deshalb aufs Land hinaus. Sein Buch „Hier kann man gut sitzen. Geschichten aus dem Schwarzwald“ erzählt von dem ruhigen, beschaulichen Leben auf dem Land irgendwo hinter Baden-Baden. Vielleicht autobiographisch, sicherlich sehr kurzweilig: Sein lässiger Witz erhält sich auch in seinem Roman.

Ach ja, übers Privatleben wurde auch geredet und wir wissen jetzt: Er hat eine Katze.

 

Fast eine Karriere

„Bist du noch ein Hoffnungsträger, oder langsam zu alt dafür?“, fragt Max. Was er eigentlich fragt, ist, wie es um Pierres Karriere steht. 2009 erhielt er den Deutschen Fernsehpreis für die Serie TV Helden (Eine Sendung, die nach zwei Folgen abgesetzt wurde). Danach arbeitete er für die Harald-Schmitd-Show, dem Urgestein deutscher Latenight-Unterhaltung. Nebenher lief seine eigene Latenight-Show. Im Moment entwickelt er neue Konzepte, doch bis jetzt gibt es keine festen Zusagen. Ein Karriereknick? Pierre sagt: „Ist mir egal. Ich habe gar nicht den Ehrgeiz. Ich will machen, was mir Spaß macht, was ich für richtig halte in dem Moment. Ich nehme mir auch heraus, ganz viel nicht zu machen, wenn ich nicht will.“ Kein Karrieremensch ist er also – eine seltene Spezies, im hart umkämpften Medienbetrieb.

„Ich lebe im ganz Kleinen und spiele einen Traum“, sagt Pierre, „Ich kann machen, worauf ich Bock habe, ohne groß kontrolliert zu werden. Ich kann zum Beispiel einfach nach Tübingen fahren, weil ich Lust dazu habe. Auch wenn im Fernsehen vieles nervig ist, kannst du mit guten Leuten Quatsch machen. Du wirst für die Dinge bezahlt, für die du in der Schule vor die Tür geschickt wurdest.“

Vielleicht ist das sein großes Geheimnis: Pierre bleibt anfassbar. Ein großer Entertainer, keine Frage, der aber nicht nach Größerem strebt. Vielleicht sind seine Pointen deshalb so gut: Sie tun nicht weh, bleiben bei sich, streben nicht nach mehr als einem gut unterhaltenen Publikum.

 

Florentin Will kommt zur nächsten Veranstaltung von querfeldein am 12.01.2014. Karten sind wie immer kostenlos, und am Donnerstag davor ab 20 Uhr im Riminguburu zu bekommen.

Fotos: querfeldein, Sanja Döttling

Letzte Reise nach Mittelerde

von Marius Lang und Andrea Kroner

 

Ein letztes Mal zurück nach Mittelerde. Vor fast zwei Jahrzehnten begann die erste Trilogie. Sechs Filme, also gut 20 Stunden Laufzeit später, ist auch das letzte Kapitel von Peter Jacksons epischer Adaption von J. R. R. Tolkiens Werken abgeschlossen. Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere hebt sich dabei stark von seinen beiden Vorgängern ab. Zum einen ist er, mit 144 Minuten Laufzeit, der kürzeste Film der Hobbit-Trilogie. Er ist jedoch auch der spannendste, düsterste, actionreichste und befriedigendste Film der Trilogie. Und dazu ein Film, der gekonnt den Bogen zum Herrn der Ringe spannt und Bilbo Beutlins Reise bezahlt macht.

 

Ein Höhepunkt jagt den nächsten

Seestadt, letzte Menschen-Enklave zu Füßen des Einsamen Berges: Die Stadt ist in Aufruhr, denn Drache Smaug wurde von den Zwergen (und dem Hobbit) geweckt und erzürnt. Seine feurige Wut will dieser nun an den Menschen von Seestadt auslassen. Feuer, Tod und Zerstörung prägen die ersten Minuten des Filmes. Peter Jacksons Entscheidung, den Angriff des Drachens an den Anfang des Filmes zu setzen, macht sich bezahlt. So stark ist der Auftakt, dass man sich fast fragt, was denn noch kommen wird. Hat Jackson etwa sein Pulver schon verschossen?

Nein, natürlich nicht. Denn wenn Peter Jackson in den vorherigen Filmen etwas beweisen konnte, dann dass er weiß, wie man große Kämpfe und Heldenmut in größter Not in Szene setzt. Der weitere Verlauf des Films baut mehrere Krisen auf, die eine Spannung bilden, welche sich in der titelgebenden Schlacht der fünf Heere schließlich entlädt. Saurons kehrt nach Mittelerde zurück und beginnt den strategischen Aufbau seines geplanten Krieges gegen die freien Völker. Thorins (Richard Armitage) Wahnsinn, der sein Königreich und sein Gold von allen bedroht sieht, steigert sich, ebenso die Verzweiflung der Menschen von Seestadt, angeführt von Bard (Luke Evans). Ausserdem wird die Spannung zwischen den Zwergen und den Waldelfen von Thranduil (Lee Pace) unerträglich: beide wollen den Schatz des Drachens.

Und der Hobbit Bilbo (Martin Freeman) steht zwischen den Fronten, zerrissen von seiner Loyalität zu Thorin und den Zwergen und dem Wunsch, Thorin vor sich selbst zu retten. Es passiert eine Menge im dritten Teil der Reihe, doch kurioserweise wirkt der Film nicht zu dicht. Jede Wendung wird entsprechend aufgebaut. Jeder Charakter passt in die Handlung. Der ernstere, düstere Ton des Films, der sich so stark von den eher fröhlichen, optimistischen Vorgängern unterscheidet, steht dem Finale gut. Die düstere Stimmung ist außerdem eine Vorausdeutung auf das dunkle Zeitalter, das mit dem Herrn der Ringe über Mittelerde hereinbrechen wird.

 

Lästern auf hohem Niveau

Wenn es kleine Kritikpunkte gibt, dann wohl in dem zeitlichen Management der finalen Schlacht. Hier passiert so vieles, zu gleichen Zeiten, dass man sich manchmal fragt, woher die Protagonisten die Zeit nehmen, lang miteinander zu diskutieren. Eine Frage, die man sich auch schon bei Herr der Ringe stellen musste. Auch der Liebessubplot zwischen Elbe Tauriel (Evangeline Lilly) und Zwerg Kili (Aidan Turner) mag Puristen hinsichtlich deren Abwesenheit in der Buchvorlage stören, doch schadet er dem Film nicht. Er führt allerdings auch nicht zu sonderlich viel.

Diese Kleinigkeiten sind jedoch weit ausgeglichen in den vielen Höhepunkten des Filmes. Das fantastische Spiel der drei Hauptdarsteller trägt den Film. Martin Freeman, der den Wandel des schüchternen, alteingesessenen Hobbits zu einem wahren Held auf den Punkt bringt. Armitage, der Thorins Wahnsinn und Paranoia perfekt verkörpert und auch die letzten Schritte des Zwergenkönigs glaubhaft vermittelt. Und natürlich Ian McKellen als Gandalf, im Buch nur Stand-In für das wiederkehrende Deus Ex Machina-Prinzip ist gewohnt punktgenau, eine Mischung aus weisem Zauberer, besorgtem Freund und tapferem Helden.

 

Modernste Technik, so weit das Auge reicht

Natürlich ist es vollkommen unmöglich, eine Welt wie Mittelerde ohne die neuesten Animationstechniken auf die Kinoleinwand zu bringen. Erst dadurch kann dieser Film sein komplettes Wirkungspotenzial entfalten: Der Drache zu Beginn des Films verdankt seinen spektakulären Auftritt aufwändigen Animationen, von denen auch die Schlacht der fünf Heere profitiert, da sie dadurch an Plastizität und Dynamik gewinnt. Doch Jackson geht dabei fast eine Spur zu weit, da an manchen Stellen zu viele verschiedene Spezialeffekte verwendet werden. Das macht den Film überladen, manchmal unrealistisch für manche. Es zeigt aber auch, welche fantastischen Bilder moderne Filmtechnik erzeugen kann. Die technischen Möglichkeiten werden auf höchstem Niveau eingearbeitet und setzen dadurch ganz neue Maßstäbe.

 

Ein zweischneidiges Schwert

Auch beim letzten Teil der Hobbit-Trilogie gehen die Meinungen auseinander: Viele bemängeln, Peter Jackson hätte die Handlung des Buches zu sehr ausgeschlachtet und für jüngere Zuschauer sei die Verfilmung des eigentlichen Kinderbuches gar nicht mehr geeignet denn der ursprüngliche Stoff wurde enorm erweitert und verändert. Die Charaktere wurden ausgebaut, die Schlacht ausgebaut, der Stoff um politische Dimensionen erweitert. Und dennoch ist Der Hobbit kein reiner Film für Erwachsene. Er ist im Vergleich zum Herrn der Ringe deutlich unblutiger, weniger düster, weniger hoffnungslos. Vor allem die ersten beiden Teile bestechen durch Slapstick und harmlose Witze. Dieser letzte Teil ist, wie gesagt, dunkler in der Grundstimmung, schafft damit aber eine Brücke zu den anschließenden Herr-der-Ringe-Filmen. Mit denen kann und will sich die Hobbit-Trilogie nicht vergleichen. Letzten Endes ist die Trilogie eine bildgewaltige Buchverfilmung, die zu unterhalten versucht: und allen Reisenden und Suchenden die Möglichkeit gibt, einmal mehr nach Mittelerde zurückzukehren. Vielleicht zum letzten Mal.

 

THE HOBBIT – THE BATTLE OF THE FIVE ARMIES, Neuseeland, Vereinigtes Königreich, USA, 2014 – Regie: Peter Jackson. Buch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro. Kamera: Andrew Lesnie. Mit: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage. 144 Minuten.

Fotos. Copyright 2014 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. / Mark Pokony