Die Legende lebt

von Felix Niedrich


Zur Band „Spinal Tap“ werden einige sagen: „Klar, die kennt jeder!“. Andere wiederum werden nachfragen: „Spinal Pap? Nie gehört!“. Denn die Musikertruppe aus Rob Reiners Kultfilm von 1984 ist sowohl Legende als auch Mythos. Sie ist sowohl real als auch erfunden.

„This is Spinal Tap“ folgt der „halb-fiktionalen“ Heavy-Metal-Band Spinal Tap, die gerade ihr neues Album „Smell the glove“ herausbringen will. Dabei wird das vielseitige Leben der Rockstars portraitiert, die sich an einem schwierigen Punkt in ihrer Karriere befinden. Die Zahl der Auftritte wird kleiner, genau wie die Räumlichkeiten und das Publikum. Es gibt Differenzen mit dem Plattenlabel bei der Veröffentlichung des neuen Albums und auch innerhalb der Band kommt es zu Spannungen.
Filmemacher Marty Di Bergi, gespielt von Regisseur Rob Reiner, begleitet den Prozess hautnah. Er geht mit der Band auf Tour und blickt hinter die Kulissen des Musikbusiness. In Interviews gewähren die Musiker Einblicke in die kuriose Bandgeschichte. Und auch grandiose Mitschnitte nicht immer ganz gelungener Liveperformances gibt es zu sehen und zu hören. Kurzum: man bekommt volle Dröhnung, wie man sie von einer anständigen Musikdoku erwartet. Aber dann noch etwas mehr.

This one goes to eleven!

„This is Spinal Tap“ folgt dem Konzept einer gängigen Musikdoku. Tatsächlich ist der Film jedoch eine intelligente und bissige Satire über Rockbands, das Musikbusiness, aber auch über Musikdokus selbst.

Nachdem in den ersten zwei Beiträgen dieser Artikelreihe ausgewählte Dokumentarfilme behandelt wurden, nähern wir uns nun dem Spielfilm. Zwischen Dokumentation und Fiktion liegt das Mockumentary-Genre, das sich gerade in den 80er Jahren großer Beliebtheit erfreute. „This is Spinal Tap“ ist einer der populärsten Vertreter.
Unter dem Term „Mockumentary“ ist ein Film zu verstehen, der sich am Stil und Format des Dokumentarfilms bedient, dabei aber fiktionale Inhalte behandelt. „Mockumentaries“ sind dabei nicht zu verwechseln mit „Dokudramen“ oder „Dokufiction“. Bei ersteren handelt es sich um dramatisierte Umsetzungen im Spielfilmformat auf Basis einer wahren Geschichte. Die dargestellten Szenen entsprechen dabei aber nicht immer wahren Tatsachen. „Dokufiction“ dokumentiert wahre Tatsachen, bedient sich bei der Aufbereitung allerdings auch künstlerischer und narrativer Mittel.

„This is Spinal Tap“ erreicht seinen dokumentarischen Einschlag zunächst auf ästhetisch-formaler Ebene. Der Wechsel zwischen moderierten „Behind the Scenes“ Einstellungen und Interviews mit den üblichen und oft dämlichen Fragen und noch dämlicheren Antworten, Handkameraaufnahmen in Begleitung der Band und Backstage im typischen Dokustil und professionell-wirkenden Liveaufnahmen gibt dem Film Authentizität. Auch altes Archivmaterial wird im Film gezeigt und etabliert den Kosmos rund um die Band zusätzlich.
Für die meisten Szenen des Films lag dabei kein Drehbuch vor. Viele der Dialoge sind von den Schauspielern improvisiert, wodurch die Szenen weniger gestellt wirken.

Das besondere liegt allerdings weitergehend in den Figuren. Man könnte es fast als Marketingstrategie bezeichnen. Die Schauspieler spielen zwar ihre Rollen als Spinal Tap-Mitglieder sind aber gleichsam tatsächlich Musiker und spielen alle ihre Instrumente selbst. Mehr noch: auch abseits des Filmsets treten sie bis heute in den Rollen unter dem Namen Spinal Tap auf.
Die im Film dargestellte Bandgeschichte ist dabei zwar frei erfunden, aber die Band existiert im Zuge des Films und andere Projekte dennoch. Neben den zahllosen fiktiven Veröffentlichungen hat die Gruppe bis heute drei richtige Alben aufgenommen. Man könnte die Band also als mediale Schöpfung betrachten, die Filmwelt und Realität miteinander verbindet. Der besondere Status der Gruppe hat durchaus zu Verwirrungen geführt, ob die Band nun real oder erfunden sei. Am Ende ist sie beides. Eine reale Fake-Band.

Wenn Wahrheit weh tut

Das Auftreten der Band entspricht dabei vielen klassischen Klischees. Über diese und weitere Sitten und Unsitten der Rockmusik machen sich der Film und die Band lustig. Dabei werden zahllose Referenzen an die großen Bands der Musikgeschichte eingestreut. Auch wenn dabei Situationen oft lächerlich übersteigert dargestellt werden, bleiben die Realitätsbezüge vor allem für Fans und Kenner der Rockmusik mehr als deutlich erkennbar. Weil die Verantwortlichen sich selbst bestens mit dem Material auskennen, funktioniert der Film. Er zeigt nicht nur Wahrheiten auf, sondern reibt sie einem schonungslose unter die Nase.

In der Übertreibung wird die Wahrheit noch deutlicher erkennbar. So sehr, dass es nicht ignoriert werden kann. Auf dem Weg zur Bühne kann man sich durchaus einmal verlaufen. Und auch wenn es weh tut: der ein oder andere bekannte Musiker musste bereits zugeben, dass einige der dargestellten Filmszenen schmerzhafte Erinnerungen wecken.

 

Foto: flickr.com/ Photo by Chris Boland / www.chrisboland.com