Veganismus – ein Trend mit Potential zum Überleben?

von Elena Hodapp

Vegane Lebensmittel, vegane Kosmetik, vegane Kleidung, vegane Kochbücher – vegan zu leben hat sich in den letzten Jahren zu einem Trend entwickelt, der immer mehr Anhänger findet. Laut einer vom Bundesernährungsministerium in Auftrag gegebenen Studie gab es im Jahr 2006 rund 60.000 vegan lebende Bundesbürger. Vegane Interessensbände sprechen heute von bis zu 600.000 Veganern. Aber was ist die Faszination der veganen Lebensweise und warum stößt die bereits seit Jahrtausenden existierende Idee der bewussten Abkehr von „Leichenverzehr“ gerade jetzt auf so viel Zustimmung?  Ist die Popularität des Veganismus ein kurz aufflammender Trend oder hat diese Lebensweise Chance auf Beständigkeit?

 

Vegan zu leben heißt auf jegliche Art tierischer Produkte zu verzichten. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das nicht nur den Verzicht auf Fleisch, Eier und Milchprodukte, sondern beispielsweise auch auf mit Gelatine gefiltertem Wein oder Orangesaft. Die Idee einer veganen Lebensweise beginnt bei der Ernährung, lässt sich aber auf viele weitere Bereiche ausweiten: So findet man immer mehr vegane kosmetische Produkte in den Regalen der Drogeriemärkte und Kleidung wird gezielt als vegan ausgezeichnet und vermarktet. Konkret bedeutet das, bei kosmetischen Produkten auf tierische Inhaltsstoffe und Tierversuche zu verzichten und Kleidung ausschließlich aus Baumwolle oder Kunstfaser – nicht aber aus Seide, Wolle oder etwa Leder – zu produzieren.

Klaus Gaiser, Geschäftsführer des veganen Tübinger Imbiss Kasvis und des Unternehmens Wheaty, das vegane fleischalternative Produkte entwickelt und verkauft, hält diese Entwicklung nur für konsequent. Warum der Hype um eine vegane Lebensweise gerade jetzt auf so viel Zustimmung stößt, darauf hat allerdings auch er keine Antwort. Unabhängig von der Frage warum, befindet er vor allem die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf tierische Produkte verzichten, als entscheidend.

 

Vegan leben – Der Umwelt Gutes tun

Als wichtigste Argumente für eine vegane Ernährung nennt er zum einen den Tierschutz und zum anderen die globalökologische Krise, die durch zunehmende Umweltzerstörung voranschreitet. Gaiser erklärt, dass ein Großteil des benötigten Viehfutters um vegetarische Produkte herzustellen, aus Übersee kommt. Allein für die riesigen Mengen an Futtermittel müsse Regenwald weichen.

Gaiser betont, dass nicht nur Idealisten, sondern ganz offizielle Stellen, wie das FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nation) bereits in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2006 vorgerechnet haben, dass die gesamte Umweltbelastung aus der Tierhaltung größer ist, als die Gesamtbelastung aus dem Verkehr zu Wasser, Lande und in der Luft.

Beim Verzehr von Milch- und Eiprodukten nehme man außerdem immer in Kauf, so Gaiser, dass Tiere geboren werden, die als Kollateralschaden gleich wieder „vernichtet“ werden. Dieses Schicksal erleiden beispielsweise massenhaft männliche Küken, da nur weiblicher, eierlegender Nachwuchs profitabel ist.

Vor diesen gewaltigen Tatsachen kann man sich in den Zeiten von Klimawandel und Umweltkatastrophen immer weniger verschließen und die ansteigende Zahl der Menschen, die sich bewusst von dem Konsum tierischer Produkte abwenden, spricht für eine zunehmende Bewusstseinsentwicklung für diese Problematik.

 

Vegan leben – mehr als nur ein Hype?

Die vegane Lebensweise ist eine Reaktion auf die globalökologischen Zwänge, deren Schlinge sich immer weiter zuzieht. Mag vegan gerade vielleicht modern und angesagt sein, so wird es dennoch keine Modeerscheinung bleiben. Klaus Gaiser, der die alternativen Fleischprodukte von „Wheaty“ als Möglichkeit sieht, Fleischessern eine fleischlose Ernährungsweise näherzubringen, sieht die vegane Welle, die gerade durch unsere Gesellschaft rollt, als notwendige Reaktion auf die ökologischen Entwicklungen unserer Zeit. Es muss völlig klar sein, so Gaiser, dass es sich bei Veganismus zwar jetzt um eine Lifestyleentscheidung handelt, es sich aber langfristig unabhängig von diesem Hype etablieren muss.

Zwar glaube er nicht, dass der Mensch innerhalb der nächsten 20 Jahre komplett davon absehe, ein Tier zu schlachten, aber er sei überzeugt davon, dass es extrem eingedämmt werden müsse. Immer mehr Restaurants nehmen neben vegetarischen Gerichten auch eine kleine Auswahl an veganen Speisen in ihre Karte auf; in immer mehr Städten öffnen vegane Cafés, es gibt vegane Supermärkte und auch vegane Onlineshops findet man zahlreich.

Vegan zu leben ist zum gesellschaftlichen Thema geworden. Immer mehr Menschen setzten sich mit Veganismus, seinen Chancen und Risiken, seine Vor- und Nachteilen auseinander. Veganismus ist auf dem besten Weg in der Mitte der Gesellschaft anzukommen – ein Auslaufen der Welle scheint nicht in Sicht.

 

Fotos: flickr.com/rinalia (CC BY 2.0) & flickr.com/ilovesunshine (CC BY 2.0)

Film und Gesellschaft. Abschlussartikel

von Selina Juliana Sauskojus

Film und Gesellschaft – darum drehten sich meine Artikel, die ich im Laufe des vergangenen Jahres verfasst habe. Dass Film und Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen zueinander finden können, ist einem Rezepient beim ersten Schauen eines Filmes oft überhaupt nicht bewusst. Es ist längst nicht mehr nur die Gesellschaftskritik „durch die Blume“, bei der sich Film und Gesellschaft verbinden.

Kritik

Das Erste, woran man denkt, ist sicherlich die klassische Gesellschaftskritik. Diese spielte tatsächlich in den meisten Rezensionen die größte Rolle. Ob bei Dawn of the Dead, Edward mit den Scherenhänden oder Solitude – alle drei Filme üben fantasievolle Kritik am Status quo. Von der Konsumgesellschaft bis zur Entfremdung von sich selbst und der Gesellschaft; der Ausdruck ist subtil. Den erhobenen Zeigefinger sparten sich die Regisseure Romero, Hoge und Burton gekonnt.

Industrie

Ralf Michael Fischer zeigte in seinem Gastbeitrag, dass mit Gesellschaft nicht nur das soziale Konstrukt gemeint sein kann, sondern durchaus auch eine Industrie – die Filmindustrie nämlich, die Kultregisseur Stanley Kubrick zu seinem „Protestfilm“ Spartacus animierte.

Spiritualität

Doch auch der Kern der Gesellschaft – der Mensch selbst – kann Thema des Films sein. Dies zeigt der Malicks Tree of Life. Woher kommt der Mensch? Wie kann er sich in das Gesellschaftsgefüge einbinden? Was bedeutet die Gesellschaft und deren Erwartung für das Individuum? Dass diese Ansätze streitbar sind und oft auch missverstanden werden können zeigte die Reaktion auf den Film. Negative Kritiken, Kinobesucher mitten in der Vorstellung den Saal verließen – Malicks Beobachtungen der Gesellschaft waren für manch einen vielleicht doch etwas unangenehm und kryptisch.

Politik

Die Reaktion und Wirkung eines Filmes können von Machern und Regisseuren oft nicht vorhergesehen werden. Ob Oliver Stone wusste, dass seine historische Rekapitulation des Kennedy-Attentates JFK – Tatort Dallas ein politisches Erdbeben verursachen würde, ist unwahrscheinlich. Doch genau dies geschah. Die amerikanische Gesellschaft verlangte nach diesem Film Aufklärung und Stellungnahmen. Die Politik musste handeln und Akten offenlegen – ohne Oliver Stones Arbeit wären all jene vermutlich bis heute unter Verschluss.

Dystopie

Manche Regisseure beobachten jedoch nicht die Vergangenheit oder den Status Quo – sie interessiert die Zukunft. Und diese sieht meist eher düster aus – dystopisch eben. Joseph Gordon-Levitt stellte in seinem Erstlingswerk Don Jon dar, wo die digitalisierte Gesellschaft hindriften kann, wenn sie den Bezug zur Realität verliert. An einem jungen Pärchen illustriert er, wie sich Erwartungen verschieben und Bindungen verändern. Nicht nur Dystopie, sondern vielleicht auch Warnung.

Auf eine höhere Ebene hievt diese dystopische Problematik die Serie The Walking Dead. Die Gesellschaft wie wir sie kennen gibt es in diesem Universum nicht mehr. Die Gesellschaft bröckelt und Menschlichkeit, wie man sie kannte, weicht einem Auge um Auge-Konzept.

Dunkle Voraussagen darüber, wo die Gesellschaft hintreibt, sind vermutlich nach der klassischen Gesellschaftskritik die häufigste Form der Auseinandersetzung zwischen Filmemachern und Gesellschaft.

Fazit

Film und Gesellschaft gehören unweigerlich zusammen. Jeder Film spiegelt Gesellschaft wieder, kritisiert sie in irgendeiner Form oder reagiert auf sie. Sie hilft der Gesellschaft sich selbst zu verstehen, Traumata zu verarbeiten und Katastrophen vorherzusehen. Mal in höherem Maße, mal in geringerem. Denn, so sagte es bereits die Künstlerin Marina Abramovic: „Die wichtigste Aufgabe der Kunst ist es, der Gesellschaft zu dienen.“ Und das tut die Filmkunst vermutlich unmittelbarer als jede andere Form der Kunst.

Bild: flickr.com/Kenneth Lu (CC BY 2.0); Bearbeitung Sanja Döttling

Video on Demand – Das große Kräftemessen

von Julia Heitkamp

Die Ankündigung, dass Netflix seine Dienste auch bald in Deutschland anbietet, hat große Wellen geschlagen. Viele, die Netflix schon im Ausland getestet haben, sind restlos begeistert. Doch die Konkurrenz hierzulande ist groß. Zeit für einen Vergleich:

Maxdome, Watchever und Amazon Instant Video (ehemals Lovefilm) sind die drei führenden Video on Demand Anbieter in Deutschland. Alle drei haben eigene Vorteile und richten sich an unterschiedliche Vorlieben und Zielgruppen.

 

Maxdome

Bei Maxdome kann man Filme hauptsächlich zum Einzelpreis ausleihen. In der Regel kostet ein Film in Standard-Qualität 3,99€, in HD kostet der Film oft schon 4,99€. Alternativ kann man auch verschiedene Pakete buchen. Das Premium-Paket für 9,99 Euro im Monat umfasst beispielsweise Filme aus den Paketen Movie, Serien und Kids. Neuere Blockbuster sind in den Abonnements jedoch nicht eingeschlossen und müssen zum Einzelpreis gebucht werden.

Filme und Serien, wie „Pacific Rim“ oder „Breaking Bad“ sind zeitnah nach Ihrer Veröffentlichung verfügbar. Maxdome der ProSiebenSat.1-Media-Gruppe angehört, hat man auch Zugriff auf viele Eigenproduktionen der Sender.

Maxdome bietet das stärkste Film-Angebot (derzeit ca. 3.700 Filme) und arbeitet angeblich auch daran, sein Serien-Angebot auszubauen. Trotzdem kann es Maxdome bei Serien aber noch nicht mit dem Angebot von Watchever aufnehmen, das sich ganz klar an Serien-Junkies richtet.

 

Watchever

Bei Watchever muss man ein Abonnement abschließen: Für 8,99€ im Monat erhält man unbegrenzten Zugriff auf das TV-Serien- und Film-Angebot. Ein Großteil des Angebots ist, wie bei Maxdome, auch in HD und Originalfassung verfügbar.

Watchever richtet sich stark an Serien-Junkies. Ob „Breaking Bad“, „Dexter“ oder „Die Sopranos“ – Watchever bietet sowohl aktuelle Top-Serien als auch Klassiker an.

Klarer Schwachpunkt von hier ist aber aktuell das Film-Angebot. Wenn man die Titel der einzelnen Genres zusammenzählen, kommen wir auf rund 3500 Filme. Viele der Videos sind jedoch in mehreren Genres gespeichert. Eine genaue Anzahl lässt sich somit nicht ohne weiteres ermitteln. Insbesondere aktuelle Filmhits sind oft nicht verfügbar. Das Angebot bietet jedoch einige Klassiker und Kino-Hits aus den letzten Jahren. Wem es aber wichtig ist, Filme möglichst nah zur DVD-Veröffentlichung zu sehen, der wird von Watchever enttäuscht sein.

Dafür  ist Watchever aber auch günstiger als Maxdome. Für einen geringen Monatspreis erhält man unbegrenzten Zugang auf das gesamte Angebot. Bei Maxdome aktuelle Blockbuster außerhalb der Pakete zum Einzelpreis zu buchen, kann im Gegensatz dazu schnell kostspielig werden.

 

Amazon Prime Instant Video

Neben unbegrenztem Streaming erhält man bei Amazon Prime Instant Video auch alle anderen Prime-Vorteile des Onlinehändlers, wie beispielsweise den kostenlosen Versand am nächsten Tag bei Warenbestellungen von ausgewählten Produkten, und die Möglichkeit, sich eBooks auf sein Kindle auszuleihen. Wenn man regelmäßiger Amazon Kunde ist und womöglich auch noch einen Kindle besitzt, ist dieses Angebot unschlagbar.

Für 49€ im Jahr (oder 4,10€ im Monat) erhalten Kunden einen unbegrenzten Zugriff auf die 12.000 Filme und Serien umfassende Amazon-Mediathek. Diese Zahl ist jedoch etwas irreführend, da sie durch die Multiplikation von Serienepisoden künstlich aufgeblasen wird. Unter dem Strich stehen daher „nur“ etwa 1.500 Filme und mehr als 800 Serien zur Verfügung.

Amazon Prime Instant Video bietet neben Serien-Highlights, wie „Breaking Bad“ und „The Big Bang Theory“ auch einige Exklusiv-Titel an. Darunter die Serien „Revenge“, sowie die Netflix-Eigenproduktion „Hemlock Grove“. Diese Inhalte findet man auf keiner anderen deutschen Video on Demand Plattform. Will man die Serien aber auf Englisch sehen, muss man dafür extra zahlen. Am Beispiel von „Scandal“ wären es pro Folge 2,99€.

Zwar finden sich im Angebot von Amazon Prime Instant Video auch aktuelle Blockbuster, doch muss man für diese meist noch einen Einzelpreis zusätzlich zur Prime-Mitgliedschaft zahlen. Man kann die Filme dann entweder vollständig erwerben oder leihen.

Auch wenn Amazon Prime Instant Video derzeit im Film-Angebot noch nicht ganz auf einer Ebene mit Maxdome ist, ist der wesentlich günstigere Preis ein starkes Argument.

 

Netflix – Der Newcomer

Über das zukünftige deutsche Netflix ist zurzeit noch nicht viel bekannt, bis auf die Meldung, dass es bald existieren wird. Viele Fans der amerikanischen Version haben jedoch Befürchtungen, dass die deutsche Version nicht mit der Qualität des Originals mithalten kann. Und diese Befürchtungen sind nicht ganz unbegründet: Die Ausstrahlungsrechte für Serien könnten zum Problem werden. Selbst für Eigenproduktionen wie House of Cards sind die Rechte bereits an Sender wie Sky verkauft worden. Damit kann Netflix diese Serien nicht mehr ohne weiteres auf der Plattform zu streamen bereitstellen, sondern muss die Erstausstrahlung abwarten.

Auch was der Dienst zukünftig kosten wird ist unbekannt. In den USA kostet der Dienst monatlich für Neukunden 8,99$. Sollte das in Deutschland ähnlich aussehen, wäre es preislich ähnlich wie das Abo-Angebot von Watchever. Zeigen muss sich außerdem, wie viele deutsche Produktionen zum Angebot gehören und ob es amerikanische Fernsehserien auch mit Originalton geben wird – ein Feature, das sich zumindest der harte Kern der Fans wünschen dürfte.

Die Konkurrenz auf dem deutschen Video on Demand Markt ist jedenfalls stark – Hier muss sich Netflix erstmal beweisen.

 

 

Foto: flickr.com/viagallery.com (CC BY 2.0)

Tübinale 2014: Darth Vader hatte die Nase vorn

                                                                                                                                                    von Maya Morlock

Am vergangenen Freitag, den 6. Juni 2014, war es endlich wieder soweit: die Studenten der Medienwissenschaft luden zur „Tübinale“ in die Aula des Keplergymnasiums ein. Die von Prof. Klaus Sachs-Hombach initiierte Veranstaltung stand wie auch in den Vorjahren unter dem Motto „transmediale Welten“. Angehende Jungregisseure bekamen hier die Chance ihre eigenen Filme zu diesem Thema zu präsentieren.

 

Transmediale Welten, wie setzten die Gruppen das um?

Gezeigt wurden 12 Filme à höchstens 6 Minuten, anschließend beantworteten die jeweiligen Verantwortlichen Fragen zu ihrem Werk. Nachdem alle Filme gezeigt vorgeführt wurden, erfolgte die Siegerehrung: Der Publikumspreis wurde an die Gruppe mit dem größten Applaus vergeben, über die Plätze drei bis eins entschied eine externe Jury, bestehend aus Experten der Medienbranche, wie zum Beispiel Manfred Handtke (Tagblatt-Redakteur)  und Studenten der Medienwissenschaft. Thematisch wurde in allen gezeigten Filmen besonders der Umgang mit den Medien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft fokussiert.
Oftmals wurden die negativen Aspekte aufgezeigt, wie beispielsweise in dem Film „Frei“, in dem ein Mann durch das Ausfallen der medialen Apparate gezwungen wird, wieder in das echte Leben zurückzukehren und dabei bemerkt, dass die Realität mehr bereithält als die mediale Welt. Die Abgrenzung zwischen medialer digitaler und realer Welt und wie sich unter deren Einfluss zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln, wurde häufig thematisiert.

Der einzige Film, der die Medien dabei eher positiv darstellte war „treasure“, der die Neuerungen als unendlich großen und namensgebenden Schatz darstellte. Wertungsfreie Filme waren ebenfalls vorhandenwurden, so beispielsweise der Dokumentarfilm „natives vs. immigrants“, in dem Passanten in der Tübinger Altstadt ihre Meinung zu „neuen“ und „alten“ Medien  preisgaben. Einen alten Walkman lehnte eine ältere Dame ab, ein Buch galt als habtisches Gut, das nicht durch ein E-Book verdrängt werden könne und eine Polaroidkamera befand der Großteil trotz der veralteten Technik als zeitlos und hip.

Bei solch einer Bandbreite von Filmen und kreativen Ideen war es sichtlich schwer einen klaren Gewinner zu ermitteln. Einige glänzten mit einem überragenden filmischen Know-How, andere denen man anmerkte, dass es wohl ihre erste Filmproduktion ist, überzeugten dagegen mit einer kreativen Umsetzung.
Bemerkenswert ist, dass alle Siegerfilme ohne gesprochene Sprache auskamen und sich, wenn überhaupt, nur Worteinblendungen bedienten. Die Atmosphäre wurde jedoch durchweg über eine passende Musik- und Soundauswahl übermittelt.

 

Die Wandlung der Medien – War früher alles besser?

Auf dem dritten Platz landete der Film „All the ways“, der die alten Medien mit den Neuen verglich: Wo viele nach dem Aufstehen eine „Wetter-App“ öffnen, streckt der Protagonist den Finger aus dem Fenster, um die Außentemperatur zu ermitteln. Zeitung gegen MP3 Player, Stadtkarte vs. Navi. Fazit ist, man kommt mit den alten Medien genauso gut ans Ziel, wie mit den Neuen.

„21st Century Love“, der den zweiten Platz belegte, erzählt dagegen die Geschichte einer Internetbeziehung: Die Protagonisten entschließen sich dazu, sich das erste Mal zu treffen. Im Zug wird die Protagonistin von ihrer Gedankenwelt übermannt. Sie stellt sich vor, wie der Liebste sie wegen einer anderen Frau versetzen oder sie mit offenen Armen empfangen könnte. Das reale Geschehen bleibt unerzählt –, da der Film endet, als sie aus dem Zug steigt. Ein Film der zum Nachdenken anregt, wie gut wir die Menschen eigentlich kennen, die wir beispielsweise als Facebook– Freunde haben. Dieser ergreifende Film räumte gleichzeitig den Publikumspreis ab und das Entwickler-Team „Purple Produktions“ freute sich über insgesamt 6,5l Wein, den sie zur Feier des Tages teilen würden.

 

Star Wars – Die Brücke zwischen den Medienangeboten

Beim Siegerfilm “Transmedialove“, von Mareike Stohp, Nina Linsenmayer und Johanna Dreyer, blieb im Saal kein Auge trocken. Stellenweise war nur schallendes Lachen zu vernehmen. Somit ging der erste Platz hochverdient an einen urkomischen Film, der trotzdem einen kritischen Aspekt behandelt: Es wird ein junger Mann über drei Monate hinweg begleitet seine Entwicklung verfolgt. Er ist ein großer Star Wars– Fan und verliert sich zunehmend in der galaktischen Welt. Die prominenten Sounds aus dem Film wurden ebenso aufgegriffen wie  prägnante Zitate, beispielsweise „May the force be with you“. Seine Star Wars– Obsession gipfelt schließlich darin, dass er sich ein Darth Vader Kostüm zulegt, dieses in seinem Alltag trägt und gänzlich dessen Rolle einnimmt. Es hielt kaum noch einen Zuschauer auf seinem Stuhl, als Darth Vader eine Bank betritt und die automatisch öffnenden Türen mithilfe seiner „Macht“ öffnet. Als Vader eine Gleichgesinnte findet, die stark an Prinzessin Leah erinnert, ist die „transmedialove“ perfekt. Ein Film mit wahrer Liebe zum Detail. Überall sind Star Wars Utensilien zu finden. Raffinierte Schnitte, eine gelungene Musikauswahl und eine überzogene Darstellung, wie man sich in einer medialen Welt verlieren kann, machen diesen Film einzigartig. Durch den komischen Aspekt behält er sich zudem vor, eine klare Wertung abzugeben. Vader hat sein Gegenstück, seine Leah gefunden und dort endet auch ihre Geschichte. Es wird nicht gezeigt, ob er den Weg zurück gefunden hat oder mit seiner Leah glücklich in der Phantasiewelt lebt. Sichtlich überrascht über ihren Erfolg betraten die Gewinner die Bühne. Laut eigener Aussage, wählten sie Star Wars bewusst, da es sich hierbei um ein wahrhaft transmediales Format handelt: Die unendlichen Weiten finden sich in Filmen, Comicbüchern, Fernsehserien und auch als Videospiel. Mit Anekdoten vom Dreh entzückte das Siegerteam „Digital Natives“ die Zuschauer: So habe Darth Vader in der Tübinger Innenstadt viel Aufsehen erregt, –Ein Mann habe beim Eintreten in die Bank sogar einen Überfall befürchtet!

Zusammenfassen lässt sich die diesjährige Tübinale wohl als ein Abend voller gelungener Filme, die ein überraschend hohes Niveau zeigten. Zu hoffen ist, dass dieser Event auch 2015 stattfindet, bei dem die Studenten der Medienwissenschaft ihr Können und ihre Kreativität vor Publikum unter Beweis stellen können.

Fotos: ©Presse Tübinale

Amazon auf Kriegsfuß mit Verlegern

von Anton Semerikow

 

Lange Wartezeit

Wie die Wirtschaftszeitschrift Forbes bekannt gab, verlangsamt Amazon Buchlieferungen des amerikanischen Verlags Hachette absichtlich, um Druck bei Verhandlungen zu erhöhen. Diese Taktik kommt in Europa scheinbar ebenfalls zur Anwendung. Berichten der FAZ zufolge werden Lieferungen der Schwedischen Verlagsgruppe Bonnier, zu denen auch deutsche Verlage wie Ullstein und Carlsen gehören, blockiert. Anstatt der üblichen ein bis zwei Werktage würden Bücher mit ein bis zwei Wochen Wartezeit ausgeliefert.

Ursache sind Preisverhandlungen über E-Book-Rabatte, die Amazon den Verlagen abtrotzen will: Bisher üblich sind 30 Prozent, Amazon fordert 40 bis 50 Prozent. Gut für die Kunden, denn E-Books sind im Vergleich mit gedruckten Ausgaben immer noch zu teuer. Vor allem wenn man sie, wie bei Amazon üblich, dank DRM nur auf einem Account nutzen kann.

Das Vorgehen, Lieferzeiten zu verzögern, ist allerdings für ein gewinnorientiertes Unternehmen ungewöhnlich. Denn im Moment heißt es für den Kunden, dass es bei Amazon die gewünschten Bücher weder günstiger noch schneller als anderswo gibt. Der Versandhändler pokert um Gewinne mit der Käufergunst als Einsatz. Amazon scheint überzeugt davon, dass er sich um die Kunden keine Sorge machen muss. In den USA beherrscht Versandriese immerhin ein Drittel des gesamten Buchmarktes. In Deutschland werden für Bücher keine Zahlen veröffentlicht, diese werden im Umsatz unter „Medien“ zusammen mit Cds, DVDs und ähnlichem gelistet. Bei E-Books sprechen die Zahlen aber für sich: über 40 Prozent Marktanteil. Und die Bestellung per Klick, um zwei Uhr morgens, wenn es sein muss, ist schließlich bequemer als der Gang zum Buchladen die Straße runter.

Amazon sucht Autoren

Die Leidtragenden des Rabattkriegs sind laut Börsenblatt vor allem die Autoren: Höhere Rabatte, sei es bei E-Books oder Papierausgaben, bedeuten ein Minus an Tantiemen. Bleibt Bonnier aber auch weiterhin standhaft, knicken dafür die Absatzzahlen ein. Wäre das nicht ein guter Zeitpunkt, als Autor seinen Verlag zu wechseln? Was für ein ausgesprochen günstiger Zufall, dass Amazon mittlerweile auch als Verleger tätig ist und versucht, Autoren einzukaufen. Perfide.

Platzhirsch und Widerstand

Der Online-Grossist diktiert seine Konditionen, wehren können sich besonders kleinere Verlage dagegen kaum – zu hoch ist die Abhängigkeit. Die Verkaufsplattform Amazon macht sichtbar, schafft Präsenz. Die Suche nach Produkten befriedigt durch eine geschickt eingebaute Werbefunktion auch den Stöberdrang – „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…“. Ein Buch, das bei Amazon nicht gelistet ist, wird kaum wahrgenommen.

In einer Pressemitteilung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels  finden sich daher klare Worte: Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis fordert ein Einschreiten der Politik und eine Anpassung des Kartellrechts, denn Amazon „missbraucht mittlerweile seine Marktstellung derartig, dass man von Erpressung der Verlage sprechen kann.“

Der Widerstand gegen Amazon ist nicht neu – immerhin haben sich bereits 2013 Deutschlands größte Buchhändler-Club Bertelsmann, Hugendubel, Thalia und Weltbild zusammengeschlossen, um einen eigenen E-Book-Reader auf den Markt zu bringen. Nach der Devise „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ schafften es die Einheimischen, Amazons Marktanteile im E-Book-Sektor von knapp 50 Prozent Anfang 2013 auf etwas über 40 Prozent im letzten Quartal 2013 zu drücken.

Normaler Kampf

Vom markwirtschaftlichen Standpunkt aus ist Amazons Verhalten völlig normal und kann als gewöhnlicher Preiskampf zwischen Anbieter und Lieferant gesehen werden. Zumal der Versandgigant seine Stellung am Markt gerade auf diese Art erreicht hat: durch hart kalkulierte Preise und deren Weitergabe an den Endverbraucher. In Deutschland profitierte Amazon gleich doppelt: Dank der Buchpreisbindung müssen Bücher hierzulande zu einem vom Verlag festgesetzten Preis verkauft werden, so bleibt bei geringeren Einkaufskosten mehr Gewinnspanne für den Händler übrig. Und die Europa-Dependance des Unternehmens ist in Luxemburg ansässig, dort musste Amazon bisher nur drei Prozent Mehrwertsteuer auf Bücher abführen – in Deutschland sind es sieben Prozent, auf E-Books gar die „normalen“ 19 Prozent. Das machte einen netten Zusatzgewinn, denn abgeführt wurde nur der luxemburger Steuersatz. Allerdings ist diese Lücke mittlerweile gestopft worden: Ab 2015 muss Amazon für in Deutschland verkaufte Bücher auch deutsche Mehrwertsteuer zahlen.

 

Streng gucken, nix tun

Ob und wie sich das Säbelrasseln auf Amazons Image auswirkt, muss die Zukunft zeigen. Gut möglich, dass sich Amazon verspekuliert hat und der Shitstorm empörter Autoren und Kunden noch über den Konzern hereinbricht. Idealistisch betrachtet, macht es Sinn, wieder mehr offline zu kaufen. Schließlich trägt der Buchhändler meines Vertrauens seine Scharmützel mit Lieferanten nicht auf meinem Rücken aus. Wahrscheinlicher ist aber, dass der empörte Leser streng guckt, missmutig den Kopf schüttelt und eine Woche später doch wieder beim Onlineversandhaus klickt. Immerhin weigert sich mein Lesestoffhändler bisher beharrlich, um zwei Uhr morgens eine Bestellung für den letzten Terry-Pratchett-Roman im englischen Original entgegenzunehmen.

 


 Foto: flickr.com/Astrid Kopp (CC BY-NC-SA 2.0)

Die kurze Geschichte des App-Fernsehens

von Julia Heitkamp

 ARD und ProSieben haben mit zwei völlig unterschiedlichen Formaten die gleiche Taktik verfolgt.  Um die Zuschauer vor die Geräte zu locken, wurde das Publikum schon im Vorfeld aufgefordert, sich am Handy, über den sogenannten Second Screen einzuloggen und aktiv am Geschehen auf dem Fernsehbildschirm teilzunehmen. Die Hoffnungen waren groß doch beide Formate hatten ihre Probleme – sowohl mit der Technik als auch mit den Quoten.

 

Quizduell in der ARD – Das große APPwarten

Was zuvor nur in aufwendig produzierten Crossmedia-Experimenten versucht wurde, scheint nun seinen Weg in die vorabendliche Fernsehwelt gefunden zu haben. Die ARD wollte die erfolgreiche Handy-App „Quizduell“ ins Fernsehen bringen und mit Moderator Jörg Pilawa, Studiogästen und interaktivem Mitmachen ein neues Gesicht verleihen. Die Erwartungen waren groß: Sowohl in der App als auch im Fernsehen wurde für das „TV-Experiment Quizduell“ geworben.

Mehr als 100.000 User meldeten sich vorab an und wollten daran teilnehmen. Und dann passierte tatsächlich das, was alle befürchtet hatten – gar nichts. Die App stürzte ab und es wurde auf Pilawas spontanen Notfallplan, bei dem das Studiopublikum als Quizgegner herhalten musste, zurückgegriffen. Der Zuschauer zu Hause schaute in die Röhre und nicht auf das Smartphone. Erst sprach man von technischen Problemen, dann von einem Hackerangriff  – was sich im Nachhinein als Falschmeldung herausstellte.

Denn wie die ARD mitteilte, waren nicht Hacker der Grund für den Ausfall der App, sondern die Erfassung der Daten, die den App-Nutzern während der Sendung angezeigt werden sollten. Die App sollte also nicht nur die Antworten der Nutzer auswerten, sondern auch zusätzliche Infos wie Geschlecht und Standort erfassen. „Für manchen Teilnehmer mag dies tatsächlich ein nettes Gimmick sein, zum Funktionieren der TV-Show hätte es hingegen wohl eher wenig bis gar nichts beigetragen. Hier stellt sich die Frage, ob man bei der ARD und der Produktionsfirma ITV nicht vielleicht die Prioritäten falsch gesetzt hat.“, schreibt beispielsweise digitalfernsehen.de  als Kommentar dazu.

 

Kampf gegen die Technik

Die Schwierigkeiten mit der App zogen sich fast zwei Wochen in die Länge. Darunter zu leiden hatte, neben den enttäuschten Zuschauern, vor allem der Moderator Jörg Pilawa. Zwar schien er anfangs ganz locker zu bleiben, moderierte Charmant über die sich häufenden Schwierigkeiten hinweg und lud sogar den erfundenen Hacker zum Kaffeeklatsch ein. Doch irgendwann merkte man selbst ihm an, dass die ihm die Gelassenheit entglitt. Darüber konnten auch seine mehr oder weniger lustigen T-Shirts(APPlaus“, „Häuptling der APPachen“), die er während der Sendungen trug, nicht mehr hinwegtäuschen.

Jedenfalls schien Pilawa recht froh darüber zu sein, sich ab und zu in die Werbung verabschieden zu können – Aber seit wann läuft in der ARD eigentlich so oft und so viel Werbung? Da kann man ja gleich zu den privaten Sendern umschalten

 

Get Your Light Shining

Pro Sieben verfolgte nämlich mit der Weltpremiere der interaktiven Musikshow Keep Your Light Shining ein ähnliches Konzept. Am Donnerstag zur Primetime, zeitgleich mit dem Prominentenspecial vom Quizduell, konnten die Zuschauer via App und Social Media kostenlos über Erfolg oder Misserfolg der Gesangskandidaten abstimmen. Doch auch hier hagelte es kritische Kommentare. Sowohl die Moderation von Annica Hansen als auch Umsetzung der Show vielen beim Publikum durch. Beispielsweise wurde die Moderatorin noch beim Erklären des Konzepts von der beginnenden Performance der Kandidaten unterbrochen. Dafür hatte man aus den Fehlern, die beim Quizduell gemacht wurden, gelernt: Das Voting über App und Social Media funktionierte.

Doch was am Ende zählt sind die Zuschauerzahlen, und die dürften bei den Sendungsverantwortlichen für Ernüchterung gesorgt haben. Die erste Sendung hat nur 9,1% aus der Zielgruppe angesprochen, was deutlich unter dem Senderschnitt liegt. Auch aus dem Gesamtpublikum haben nur 4,5% eingeschaltet, was mageren 1,17 Millionen Zuschauern entspricht.

 

Besteht also noch Hoffnung?

Zumindest beim Quizduell gab es am Freitag dann einen ersten Lichtblick … Ich – und offenbar auch der Rest Deutschlands – konnte alle Fragen live und via App mitspielen. Zwar hat „Team Deutschland“ knapp verloren, doch immerhin: Auch Jörg Pilawa schöpft am Ende der Sendung neue Hoffnung und spricht von einem Lichtblick.

Trotzdem ist schwer zu sagen ob sich die anfängliche Begeisterung aufrechterhalten lässt. Ohne die aktive Teilnahme der Zuschauer durch die App während der ersten beiden Wochen beim Quizduell war es einfach nur eine weitere langweilige Quizshow. Noch ist unklar ob es eine weitere Staffel geben wird. Zwar funktionierte die App, doch die Einschaltquoten schwächelten in letzter Zeit.

Dennoch gebührt den Machern Respekt für den Mut, den sie mit dem Zeigen neuer Formate bewiesen haben.

Foto: deviantart/MileyEditionss (CC BY-NC-ND 3.0)

Drücke (X) für Zombies – The Walking Dead: The Game

von Miriam Gerstenlauer

Erfolgreiche Spiele-zur-Serie und Spiele-zum-Film sind eine wahre Seltenheit, vor allem, weil es diese heute wie Sand am Meer gibt und sie meist nur dem Profit dienen. Das Spiel-zum-Comic hingegen scheint ein wahrer Erfolgsgarant zu sein: Neben der Arkham-Spielreihe des Batman-Franchise und dem Adventure The Wolf Among Us zur berühmten Fables Comicreihe, ist The Walking Dead: The Game eines der herausragendsten Spiele der letzten Jahre, und das nicht nur wegen des allgemeinen Zombie-Hypes, der in der Medienlandschaft zu beobachten war.

 

„Ein neuer Tag“

So nennt sich die erste Episode des Spiels. Wir spielen Lee Everett, Geschichtsprofessor an der Uni Georgia, der wegen Mordes  am Liebhaber seiner Frau verurteilt wurde und sich auf dem Weg ins Gefängnis befindet. Er kommt dort jedoch nie an, da der Polizeiwagen bei einem Zusammenstoß mit einem Zombie verunglückt. Noch unwissend darüber, was genau mit der Welt geschehen ist, macht er sich auf die Suche nach anderen Menschen. In einer Wohnsiedlung angekommen wird Lee erneut in einem verlassenen Haus von einem Zombie angefallen und in letzter Sekunde von der achtjährigen  Clementine gerettet. Gemeinsam macht sich das ungleiche Paar auf, aus der Stadt zu fliehen und sich auf die Suche nach Clementines Eltern zu machen, die kurz vor Ausbruch der Zombie-Apokalypse nach Savannah gefahren sind.

Zunächst kommen Lee und Clementine in einer Farm unter, die Hershel Greene gehört (dieser ist einer der zwei Charaktere, die sowohl im The Walking Dead Comic, als auch in der TV-Serie auftauchen). Hier treffen sie auf Kenny, seine Frau Katjaa und ihren Sohn Duck. Als die Farm jedoch von Zombies überfallen wird, schließen sich Lee und Clementine der Familie an, um gemeinsam nach Macon zu fliehen – Lees Heimatstadt.
Dort angekommen wird ihnen zum ersten mal das Ausmaß der Katastrophe klar: Die Stadt liegt in Trümmern, die Straßen voll mit „Walkern“ (so werden  die Zombies von der Gruppe genannt), die Geschäfte geplündert und menschenleer. In der Apotheke, die Lees Eltern gehörte, treffen Lee und die anderen jedoch noch ein paar Überlebende. Mit Waffen und etwas Proviant ausgerüstet macht sich die neu geformte Gruppe nun – wieder einmal gejagt von Walkern – auf den Weg ins Ungewisse.

Sterben ist ab jetzt nur noch eine Frage der Zeit und davon, welche Entscheidungen der Spieler im weiteren Spielverlauf treffen wird.

 

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Entscheidungen sind das zentrale Element des Spiels. Dabei bleibt die ständige Frage: Tue ich das Richtige? Aber „das Richtige“ gibt es in diesem Spiel nicht. Man selbst muss darüber Entscheiden, was in der jeweiligen Situation zu tun ist. Zu viel Moral ist in der Apokalypse jedoch fehl am Platz. Oft bleiben dem Spieler nur Sekunden zwischen Leben und Tod.

Man ist stets mit Gedanken darüber konfrontiert, wem man vertrauen kann, auf wessen Seite man sich in einem Streit stellt und welche Konsequenzen ein einzelner Satz haben könnte. Das einzige was man tun kann, ist nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, wie man es – wäre man wirklich selbst in der Situation – machen würde. Aber man fühlt sich trotzdem immer schlecht dabei.

Wie würden Sie sich entscheiden, in es einer Gruppe von 9 ausgehungerten Menschen nur vier kleine Schokoriegel zu verteilen gibt? Der ältere, herzkranke Mann, der einen aber nicht leiden kann? Die Frau, die uns schon zwei mal das Leben gerettet hat? Die Frau mit dem medizinischen Wissen? Der verängstigte Teenager? Die Anführerin, die alles zusammenhält? Der Familienvater?

Zumindest gibt es eine Person, der man in jedem Fall den aller ersten Schokoriegel gibt.

 

Oh My Darling, Clementine

Clementine. Diesen Namen hört man sich während des Spielverlaufs sehr oft sagen. Nicht nur von Lee im Spiel, sondern man selbst, vor dem Computer. Wenn es nämlich etwas in diesem Spiel gibt, wofür man kämpft und das man beschützt, egal, was passiert, egal, wie verlockend es auch wäre alles stehen und liegen zu lassen, weil alles gerade einfach nur schrecklich ist, dann ist es Clementine. Sie ist nämlich nicht nur unheimlich süß, sondern auch unheimlich clever und hilft einem nicht nur einmal aus der Klemme. Und genau hier liegt die Brillianz des Spiels, die letztlich für dessen Erfolg verantwortlich ist: Man trifft in Spielen selten auf so menschliche Charaktere wie in The Walking Dead. Clementine ist zwar clever, aber sie ist immer noch ein kleines Mädchen und verhält sich auch so. Auch der Rest der Gruppe handelt, wie es Menschen nun einmal tun würden: Nicht immer ganz richtig, manchmal egoistisch, verzweifelt – menschlich eben.

Manchmal hasst man sie, manchmal liebt man sie, manchmal stellt man sie in Frage. Alle rufen Emotionen hervor, so dass man sich manchmal erwischt, wie man gerade den eigenen Monitor anschreit. Nicht fähig, etwas zu tun und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

 

To be continued…

The Walking Dead: The Game ist ein Episodenspiel, es werden also (in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen) neue Episoden des Spiels veröffentlicht, mit jeweils einer Spiellänge von ca. 2 Stunden. Die erste Staffel begann am 24. April 2012 und ist mit fünf Episoden ist bereits vollständig erschienen. Momentan „läuft“ die zweite Staffel, deren dritte Episode am 13. Mai 2014 veröffentlicht wurde. Episoden 4 und 5 folgen im Laufe des Jahres.

Die erste Staffel gibt es völlig umsonst zum Download für mobile Android und iOS Geräte. The Walking Dead: The Game gibt es natürlich auch als Retail-Fassung mit Verpackung und Disc, sowie als Download, für PC und MAC, sowie PS3 und XBOX360.

 

 

Bilder: The Walking Dead: The Game © Telltalegames,
Screenshots vom Spieldurchlauf: ©Miriam Gerstenlauer

How to avoid the Z-Word in 4 Seasons

von Selina Juliana Sauskojus 

Erfolg wird ja bekanntlich an Zahlen gemessen. Die Zuschauerzahlen von The Walking Dead sprechen für sich. 15,68 Millionen Amerikaner sahen im März das Finale der vierten Staffel (zum Vergleich: die erfolgreichste Game of Thrones-Episode hatte „nur“ 7,16 Millionen Zuschauer). Man könnte die Serie des Senders AMC (Geburtsstätte von anderen Knallern wie Breaking Bad) durchaus als Kassenschlager bezeichnen. Da stellt sich doch direkt die Frage: was zieht fast 16 Millionen Menschen vor die Bildschirme? Um es vorab zu sagen: die Walkers/Biters/Lame Brains sind es nicht unbedingt.

 

„Don’t Open Dead Inside“

2011 startete die erste Staffel von The Walking Dead im amerikanischen Fernsehen. Zombiefans jauchzten, Fans der Comicserie frohlockten, Fernsehzuschauer, die weder mit Zombies noch mit Comics viel am Hut hatten waren gespannt. Der Beginn der Serie kann als klassischer Start für die Untoten-Thematik bezeichnet werden. Der Sheriff Rick Grimes erwacht aus dem Koma, allein in einem Krankenhaus. Die Korridore sind menschenleer und verwüstet. Erst als er auf einer Tür die Aufschrift „Don’t open, dead inside“ sieht, schwant ihm, dass irgendetwas ganz und gar nicht so ist wie es sein sollte. Rick macht sich auf die Suche nach seiner Frau Lori und seinem Sohn Carl, die das amerikanische Vorstädtchen aber längst verlassen haben. Zu Pferd macht sich Rick auf nach Atlanta, nur um sich dem ganzen Ausmaß der Zombieapokalypse ausgeliefert zu sehen. Dort wird er von einer Gruppe Überlebender aufgegriffen, die ihn mit in ihr Camp am Rande Atlantas nehmen, wo, wie es der Zufall will, auch seine Familie inklusive seinem besten Freund und Ex-Kollegen Shane residiert. Nun muss sich die zwanzigköpfige Gruppe, bestehend aus Familien, Rednecks und Einzelkämpfern, gemeinsam gegen die rätselhafte Pandemie behaupten.

 

Auge um Auge

So stellt es sich zumindest in der ersten Staffel dar. Bald stellt der geneigte Zuschauer jedoch fest, dass es weniger die Untoten sind, um die sich die Überlebenden Sorgen machen müssen, sondern eher andere Menschen mit Puls, die ihnen aus unterschiedlichsten Gründen an den Kragen wollen. So wandelt sich The Walking Dead von der Horrorserie zum Sozialdrama. Das postapokalyptische Georgia wird so zum Setting für eine Welt, in der sich Menschen in Extremsituationen begegnen und in der die Walker eher zum weißen Rauschen werden. Genau da liegt wahrscheinlich der Reiz der Serie. Statt Splatter bekommt der Zuschauer das Psychogramm einer Gesellschaft, die alles verloren hat – nicht nur Besitz oder Familie, sondern auch sämtliche altruistische Normen. Auge um Auge, Zahn um Zahn, diesem biblischen Sprichwort kommt in dieser Welt, die jeglichen Glauben verloren hat, eine besondere Bedeutung zu. Das menschliche Böse findet seine Charakterisierung in der dritten Staffel in der Figur des Governors. Nach außen hin der charismatische Führer einer Siedlung, entpuppt sich dieser zum Psychopathen, der seine Rolle als Leader missbraucht und sich auf einen persönlichen Rachefeldzug gegen Rick Grimes und dessen Gruppe begibt. Der Konflikt zwischen beiden Parteien dauert über zwei Staffeln an und entfaltet ein größeres Grauen, als es die Walker je konnten.

 

Ein Redneck für’s TV

Das Grauen, die menschliche Gewalt und die wahre Natur des Menschen sind jedoch nicht die einzigen Elemente, die den Zuschauer wieder und wieder an den Bildschirm ketten. Es sind die Charaktere selbst, die fesseln und deren Entwicklung man weiterverfolgen muss. Einige Charaktere wurden speziell für die Serie konzipiert, so zum Beispiel der Redneck Daryl Dixon, der einsame Wolf mit Armbrust, der wahrscheinlich einer der most badass characters ever ist. Als Nichtkenner der Comics fragt man sich: wie kann das Comic ohne diesen Charakter überhaupt bestehen?

Abgesehen davon, dass Frank Darabont (Produzent der Serie) und Robert Kirkman (einer der Autoren der Comics und wichtiger Berater für die Serie) neue Charaktere geschaffen haben, die die Menschen faszinieren, so ist doch die Entwicklung, die ein jeder Charakter im Verlauf der Staffeln durchmacht, tragendes Element der Serie.

 

„Damn…the actors of Game of Thrones have better job security.“

Die Serie deckt in vier Staffeln einen Zeitraum über knapp eineinhalb Jahre ab. In dieser Zeit machen die Hauptcharaktere große Entwicklungen durch. Sichtbar wird dies vor allem an der Figur Carl Grimes, der sich vom unschuldigen Kind zum kämpfenden Jugendlichen entwickelt. Der Grund dafür, dass sich der Zuschauer so sehr auf die Charaktere einlassen kann ist der, dass sich die Serie Zeit nimmt. Die zweite Staffel spielt beinahe ausschließlich auf einer Farm. Dort gewinnt die Gruppe neue Mitglieder. Es wird oft kritisiert, dass die Serie langatmig ist, dass sie (abgesehen von den midseason finales und den season finales) eher langweilig ist und vor sich hindümpelt. Vor allem in der zweiten Staffel mag sich einem dieser Eindruck aufzwängen. Doch sind es gerade die Folgen, in denen scheinbar wenig passiert, die eine Bindung zwischen Zuschauer und Charakteren zulässt. Innere Konflikte, Gruppenkonflikte und allzu Menschliches bieten so viel Potential zur Identifikation, dass es beinahe unmöglich wird das Schauen abzubrechen. Der Zuschauer bekommt das Gefühl seinen Lieblingscharakter begleiten zu müssen. Denn für eines ist die Serie bekannt: trotz teilweise langatmiger Episoden bietet sie Showdowns wie kaum eine andere Serie.

Bei jenen Showdowns ist es leider auch gang und gäbe, dass sich massenhaft Hauptcharaktere gewaltsam verabschieden. Das Figurensterben hat in dieser Serie Hochkonjunktur. Gewöhnt man sich gerade an eine Figur, beginnt man sich mit ihr zu identifizieren und sie lieb zu gewinnen, wird sie aus der Serie gerissen. Diese ständige Unsicherheit, die der Zuschauer hat – überlebt meine Lieblingsfigur? Gewinnt am Ende doch der Antagonist? – ist sicherlich ein Faktor, der den Erfolg der Serie erklärt.

 

Fazit

Anders als Comics und Computerspiele erreichen TV-Serien ein ungleich größeres Publikum. Dieses Publikum reicht von jung bis alt, Frauen und Männer gleichermaßen sind der Serie verfallen. Doch sind es nicht die Horrorelemente, die den Erfolg der Serie ausmachen. Das Zombieszenario bietet lediglich den Hintergrund für Entwicklungen und menschliche Konflikte, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann. Am Ende wird sich jeder Zuschauer fragen: was würde ich tun? Schlussendlich ist das wahre Horrorszenario, das die Serie bietet, die Tiefe der menschlichen Abgründe. Denn egal welche Katastrophe über die Menschheit hereinbricht: der Mensch ist und bleibt des Menschen größter Feind.

 


Foto: flickr.com/Even Roberts (CC BY-NC 2.0)

Abschied vom Pessimismus – Warum der Journalismus von der digitalen Revolution profitiert

von Sabine Appel

 

Jedes Jahr lädt das Institut für Medienwissenschaft in Kooperation mit dem SWR prominente Persönlichkeiten zu einem Vortrag über aktuelle Themen in der Medienbranche ein. Gast bei der 11. Tübinger Mediendozentur am Montagabend, den 26. Mai 2014, war Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Er sprach über die aktuelle Sinnkrise des Journalismus, die aus der Digitalisierung entstanden ist und vertrat die Meinung, dass man ihr deutlich optimistischer entgegenblicken sollte als bisher. „Plakativer Pessimismus“ sei fehl am Platz, denn eigentlich biete die Digitalisierung genügend Chancen für den Journalismus. Laut Döpfner kann der digitale Journalismus in Zukunft sogar besser werden als der analoge.

Das aktuelle Problem der Verlage ist kurz zusammengefasst: Durch den digitalen Wandel und die kostenlosen Angebote im Internet gehen die traditionellen Printmedien unter. Einzelne Monopolisten (Google, Facebook) bedrohen die Verlage auch online mit ihrer Macht, denn sie kontrollieren die Inhalte im Netz. Die Meinungsvielfalt ist in Gefahr, weil Google und Co durch ihre Algorithmen den von den Nutzern – das sind allein in Deutschland derzeit 91,2% aller Internetnutzer – wahrgenommenen Content diktieren.  Eine weitere Gefahr stelle das „Diktat der Klickzahl“ dar, von dem  Professor Bernhard Pörksen in den Vortrag einleitenden Worten sprach: Dieses könne zum Qualitätsverlust führen, denn im Internet muss bis zu einem gewissen Grad veröffentlicht werden, was der Nutzer lesen will. Wer dies ignoriert, bekommt keine Klicks mehr und wird als Medium nicht mehr gehört. Aber was bedeutet das für den Journalismus?

 

Qualitätsjournalismus vom Papier aufs Tablet bringen

Döpfner stellte im Grunde zwei Thesen auf: Im Verlagswesen ändert sich durch die digitale Revolution letztlich nicht so viel wie ständig befürchtet wird. Aus diesem Grund ist der Journalismus an sich auch nicht dem Untergang geweiht. Außerdem dürfe man als Zeitung entgegen einer landläufigen Meinung eben nicht alles anders machen als bisher, um erfolgreich zu bleiben. Der Schlüssel zum Erfolg sei es, so Döpfner, die klassische „Idee des Journalismus vom Papier zu emanzipieren“. Man müsse sich auf die Grundqualitäten und –fertigkeiten des professionellen Journalismus berufen, um als Verlag bestehen zu bleiben, ganz unabhängig vom Medium.

Der Journalismus dient laut Döpfner nicht mehr als Instrument zur Volksbelehrung, das dem Leser überlegen ist, sondern ist zu einer Dienstleistung geworden, die sich nach dem Nutzer richten und damit auskommen muss, dass der Nutzer selbst auch publiziert – seien es Kommentare oder sogar eigene Blogs. Doch viele sehen in genau dieser Umkehrung die Problematik: Wenn jeder sein eigener Chefredakteur sein und seine Meinung im Internet publizieren kann, sind Profis vielleicht irgendwann überflüssig. Dem widerspricht Döpfner – denn es gebe „nicht nur Schwarmintelligenz, sondern auch Schwarmdummheit“. Zwar sei der kritische Nutzer eine Bereicherung für die Diskussion, aber keine Bedrohung. Denn je größer das Angebot an Informationen sei, desto größer sei auch das bleibende Grundbedürfnis nach Orientierung und Anleitung durch kompetente Meinungsführer. Im digitalen Journalismus ginge es dem Nutzer nicht mehr nur um Informationsbeschaffung, sondern um die Einordnung und Diskussion dieser Information. Davon können Verlage profitieren, indem sie sich auf ihre traditionellen Qualitätsmerkmale berufen.

 

Content is king

Eine weitere interessante These Döpfners ist, dass „elektronisches Papier“ in einigen Jahren so aussehen wird wie heutzutage analoges Papier. Es sei dann dünn und faltbar, habe also alle Qualitäten des bisherigen und sei durch die fortgeschrittene Technologie und ökologische Verträglichkeit noch besser. An dieser Stelle zieht Döpfner eine Parallele zum Journalismus: Mit dem abbildenden Universalmedium könne auch der Journalismus besser werden, da sich die Zeitungen nicht mehr durch Materialmerkmale von den anderen unterscheiden könnten, sondern nur noch durch besser aufbereitete Inhalte. Diese Anforderung sei auch eine Chance. Der Journalismus im Netz sei 1. tiefgründiger, weil er längere Beiträge ermöglicht, 2. aktueller, weil eine sofortige Publikation möglich ist, 3. relevanter, weil es einen größeren Adressatenmarkt gibt und die Inhalte für jeden zugänglich sind, 4. interaktiver und damit klüger, weil Fehler korrigiert werden können und 5. intermedial und deshalb kreativer nutzbar. Der digitale Journalismus fördere damit Qualität wie eh und je. Das Erfolgsrezept für Verlage sei daher, „technisch progressiv, ästhetisch neu und inhaltlich konservativ“ aufzutreten.

Eine kleine, überwindbare Hürde sieht Döpfner in der aktuell vorherrschenden „Gratiskultur“, die generell Informationen und besonders qualitativ hochwertigen Journalismus als kostenlose Güter annimmt. Dies sei viel gefährlicher für den Journalismus als der Wechsel von Print zu Digital. Dennoch ist Döpfner optimistisch, dass Nutzer in Zukunft vermehrt bereit sein werden, für unabhängig recherchierten, professionellen Journalismus zu bezahlen. Verlage müssten sich nun darauf konzentrieren, auch das junge Publikum zu begeistern. Das ginge am Besten, indem sie die drei traditionellen Qualitätskriterien – Neuigkeiten, Meinung und Sprache – charismatisch und mit Zeitgeist vertreten. Nutzer suchen laut Döpfner nicht nur nach Information, sondern nach Haltung – ganz unabhängig davon, ob sie dieser am Ende zustimmen oder nicht. Außerdem sei eine emotionale Note sehr wohl gewünscht – Medien dürften ruhig eine Seele verkörpern, die die Leser bewegt. Durch die gesteigerte Medienkompetenz entstehen hohe Ansprüche an Journalisten, die jedoch auch als Chance wahrgenommen werden können. Abschließend sagte Döpfner, dass unabhängig davon, was sich technisch verändere, doch immer eines bleibe, das man bewahren müsse: Guter Journalismus. Eine sinnvolle Forderung, so simpel sie auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

Untot und trotzdem Spaß – The Walking Dead

von Marius Lang; illustriert von Henrike Ledig

Als Robert Kirkman bei Image Comics ankam und dort seine Idee eines Zombie-Comics vorstellte, wurde er prompt weggeschickt. Die Begründung war denkbar einfach: Es gab keine erfolgreichen Zombie-Comics, und die Stories in Zombie-Filmen sind immer die Gleichen. Keine guten Aussichten für eine Reihe. Der Verlag verlangte eine Wendung, mit der die Leser nicht rechnen würden. Und die lieferte Kirkman auch. Aliens sollen hinter dem Zombievirus stecken, um so ihre Invasion vorzubereiten. Image Comics war zufrieden, nahm die Idee an und 2003 erschien der erste Band von The Walking Dead. Angegriffen haben die Aliens aber nie.

Success of the Living Dead

Mehr als zehn Jahre und über 120 Ausgaben später ist The Walking Dead (TWD) eine der erfolgreichsten Comicreihen unserer Zeit und eines der Aushängeschilder des Verlags. Auf die Aliens wartet Image Comics schon lange nicht mehr. Kirkman hat schon mit den ersten Ausgaben seiner Reihe bewiesen, dass seine Herangehensweise auch sehr gut ohne einen unvorhergesehenen Twist auskommt. Die Zombie-Reihe hat ihren Einflussbereich längst in andere Medien ausgebreitet: Seit 2010 erscheint die erfolgreiche TV-Serie auf Basis der Comics, 2011 ging der Erfolgszug als Videospiel weiter. Und ebenfalls seit 2011 erweitert Kirkman persönlich den Kanon seiner Comics um klassische Romane.

TWD war etwas völlig Neues, wenn auch es auch auf der ursprünglich ausgelatschten Idee von Zombies basierte. Doch was war es, dass die Comics seinerzeit so anders machte? Die Story an sich kann recht schnell zusammengefasst werden. Ein unbekanntes Virus hat die Menschheit befallen und lässt sie als lebendige Tote und mit unstillbarem Hunger auf lebendes Fleisch zurückkehren. Vor diesem Setting agieren die Helden der Reihe: Eine Gruppe Überlebender, die in dieser Welt ohne Gesetz und Ordnung versuchen, über die Runden zu kommen. Angeführt werden sie dabei von Rick Grimes, vor dem Ausbruch des Virus Polizist und Familienvater. Es sind diese und andere Überlebende, auf die der Autor seinen Fokus legt. Wie wurden sie zu dem, was sie in der Krise sind? Vor allem aber, was ist es, dass sie in dieser Welt der lebenden Toten zum Menschen macht? Was hilft ihnen, diese Menschlichkeit nicht zu verlieren?

Kirkman verzichtet dabei darauf, Rückblenden auf bessere Zeiten einzubauen. Die Vergangenheit der Figuren wird meist nur in Dialogen und in der Gegenwart der Erzählung beleuchtet. Wie viel man über die Vergangenheit einer Figur erfährt, variiert. Ob das, was man erfährt auch wahr ist, kann man oft nicht einschätzen. Nicht, dass die Vergangenheit noch etwas bedeuten würde. In TWD zeigt sich, dass erst die Handlungen in einer Welt ohne Ordnung, ohne Gesetz, ohne Nachrichten und ohne Sicherheit vor einer ständigen Gefahr zeigen, wer man wirklich ist.

 

Tod in jedem Panel

Kirkman versteht es dabei, die ständige Bedrohung fühlbar zu machen. Kein Mensch ist in der Postapokalypse sicher. Die Wendungen der Story sind weit brutaler als in der TV-Serie. Und der Tod kann in jedem Panel lauern. Auch Hauptfiguren sterben oft unerwartet und nicht selten auf brutale Art und Weise.

Doch nicht die Tatsache, dass Hauptfiguren sterben, hebt TWD von anderen Comics ab. Der Tod war schon immer ein fester Bestandteil der Comicindustrie. Doch in anderen populären Comics der anglo-amerikanischen Szene war es auch stets ein Gimmick, Hauptcharaktere dahinscheiden zu lassen. Eine Strategie, um kurzfristig Verkaufszahlen anzukurbeln und Aufmerksamkeit zu erregen. Hauptfiguren starben, doch war dies selten und noch seltener war es, dass der Tod von Dauer ist.

In Kirkmans Story-Universum dagegen ist der Tod ein ständiger Begleiter. Er erinnert die übrigen Überlebenden und die Leser an die ständige Bedrohung durch Zombies und andere Menschen. Man könnte meinen, dass mit den titelgebenden „wandelnden Toten“ nicht nur die Zombies gemeint sind, sondern auch die Helden der Reihe, die oft schon mit einem Bein im Grab stehen.

 

Bild und Kontrast in der Postapokalypse

Totengräber Kirkman allerdings ist nur der Autor der Comics. Doch visuelle Narration besteht immer aus zwei Aspekten: Text und Bild. Die Rolle des Zeichners ist nicht weniger wichtig als die des Autors. TWD musste dabei recht früh einen Wandel durchmachen. Zeichner der ersten sechs Ausgaben des Comics war Tony Moore, der mit Kirkman auch Urheber der Grundidee war.

Seine Nachfolge trat ab #7 Charlie Adlard an, der seitdem jede weitere Ausgabe illustrierte. Moore arbeitete nur noch vereinzelt und an den Covern der Comics mit. Der Stil der beiden Zeichner ist denkbar unterschiedlich: Moores Stil war sauberer und runder, aber auch cartoonhafter. Adlard hingegen pflegt einen dreckigeren Stil, unterstrichen von den starken Kontrasten aus den Händen von Colorist Cliff Rathburn, die sich auf Schwarz und Weiß konzentrieren und wenig Raum für Grautöne lassen. Schwarz, Weiß, wenig dazwischen, das ist es, was die Optik der Reihe ausmacht. Farben sieht man nur in den Covern. Die Geschichten selbst kommen jedoch sehr gut ohne die bunte Optik, für die Comics oft bekannt sind, aus.

TWD ist ein Comic, das theoretisch endlos weitergehen kann. Die Charaktere haben nur ein Ziel vor Augen: Überleben. Oft um jeden Preis. Die Hintergründe des Virus bleiben im Dunkeln. Heilung steht nicht in Aussicht, ebenso wenig wie Rettung von außen. Somit kann man nicht absehen, wo die Reihe hinführen wird. Kirkman allerdings hat schon das Ende im Kopf (ohne Aliens). Er hat schon die letzte Szene geschrieben, er kennt den letzten Dialog, er weiß, wer am Ende noch lebt. Allerdings weiß er nicht, wie lange es bis dahin noch dauert. Und am Spaß an seiner Reihe mangelt es ihm definitiv nicht. Somit können die Toten noch eine ganze Weile in den Seiten seiner Comics umherwandern.