Fang sie alle!

von der Redaktion

Alle aufgepasst! Jetzt gibt es bei media-bubble.de etwas zu gewinnen und dazu viele neue Infos. Am morgigen Montag gehen unsere druckfrischen media-bubble Sammelkarten an den Start. Jede Woche verteilen wir für euch ein anderes Kartenmotiv an einem geheimen Ort an der Uni. Und jetzt seid ihr dran! Den ersten drei erfolgreichen Jägern winken nämlich Gewinne!

Als ersten Preis vergeben wir zwei Kinogutscheine für das Kino Museum und die Blaue Brücke. Der zweite erfolgreiche Kartenjäger erhält die frisch erschienene DVD „Lotte-Reiniger – Tanz der Schatten“ über Leben und Wirken der tatsächlich ersten Animationsfilmkünstlerin. Und als dritten Preis bekommt ihr von uns einen fünf Euro Gutschein für die Buchhandlung Osiander.

Den Hinweis für das Versteck von Sammelkarte 1 von 10 bekommt ihr gleich morgen zusammen mit einem Artikel über die These des bekannten Medientheoretikers Marshall McLuhan „The Medium is the Message“. Ab dann gibt es jeden Montag einen Bildhinweis, wo sich die neue Karte verbirgt.

Wer alle zehn Karten beisammen hat schreibt uns einfach kurz an unsere E-Mail-Adresse info@media-bubble.de und schickt uns dazu im Anhang eine Fotografie von sich selbst mit den zehn Kartenmotiven. Die Fotos der ersten drei veröffentlichen wir dann mit eurem Einverständnis auf unserer media-bubble Facebook Seite.

 

Foto: Copyright Sanja Döttling

„‚The Voice‘ hat auch nicht mehr Talente als DSDS.“

von Alexander Karl

Deutschland hat gesucht und fand im Jahr 2009 ihn: Daniel Schuhmacher, Jahrgang 1987, gewann die sechste Staffel von ‚Deutschland sucht den Superstar‘. Mit ‚Anything But Love‘ eroberte er die Spitze der deutschen Charts, aktuell arbeitet er an seinem neuen Album, das im Frühsommer 2013 erscheinen soll.

Mit media-bubble.de sprach Daniel Schuhmacher über ‚The Voice‘, die aktuelle DSDS-Staffel und die Bedeutung von Social Media.

Daniel, du hast im Jahr 2009 ‚Deutschland sucht den Superstar‘ gewonnen. Wie sehr nervt dich die Frage von Journalisten, ob du ein Superstar bist?

Ich habe zwar DSDS gewonnen, aber das heißt nicht, dass ich ein Superstar bin. Das ist einfach der Titel der Show. Kein DSDS-Gewinner ist so weltberühmt wie Madonna oder Justin Timberlake. Aber durch den Sieg konnte ich in der Musikbranche Fuß fassen, Musik machen und mit coolen Leuten zusammen arbeiten.

Aktuell läuft die 10. Staffel, aber die Quoten waren auch schon besser. Was ist der Grund für den Abwärtstrend von DSDS?

Es gibt einfach zu viele Castingshows. Der Zuschauer weiß gar nicht mehr, was er anschauen soll. Aber bei DSDS kommt mittlerweile auch die Musik ein wenig zu kurz. Klar, es wird gesungen, aber auch mit Halb-Playback und Effekten auf den Stimmen. Das ist etwas ganz anderes, als mit einer Liveband zu arbeiten wie in unserer Staffel. Es klingt einfach anders, wenn die Musik live gespielt wird und nicht vom Band kommt. Das Eigentliche – das Talent und der Gesang – treten mehr und mehr hinter der Show zurück.

In eurer Staffel wurde auch noch weniger getanzt als heute, oder?

Wenn wir getanzt haben, mussten wir das alleine machen ohne viele Tänzer. Natürlich ist es legitim und auch ganz cool bei Dance-Songs ein paar Tänzer dabei zu haben. Aber manchmal kommt es mir so vor, als würden in jede Performance auf Biegen und Brechen Showelemente und Tänzer eingebaut werden – egal ob das passt oder nicht. Der Fokus sollte wirklich auf den Kandidaten liegen. Ich will die wahre Stimme des Sängers hören und keine extrem bearbeiteten Stimmen mit Echos und so weiter.

Würdest du dann heute – wenn du 2009 nicht DSDS gewonnen hättest – eher bei ‚The Voice‘ mitmachen?

Gute Frage, ich hab keine Ahnung. DSDS ist das Original, es war das erste Format, das nach einem Solo-Act gesucht hat. Alle anderen Formate sind ein bisschen von DSDS abgekupfert. Ich würde mir glaube ich einfach nur überlegen, ob ich zum Original gehe. Denn was mich nervt – unabhängig davon, dass ich es gewonnen hab – ist, dass die Medien DSDS immer als Schmuddelkind darstellen und ‚The Voice‘ oder ‚X Factor‘ in den Himmel loben. ‚The Voice‘ hat auch nicht mehr Talente als DSDS. Schlussendlich ist das alles Fernsehen, die wollen alle gute Quoten, die wollen alle Geld verdienen und die wollen alle erfolgreich sein.

Du warst in der aktuellen Staffel auch zu sehen – du hast im Casting einem Kandidaten gezeigt, wie man ‚Ain’t No Sunshine‘ singt. Wie hat es sich angefühlt, noch mal vor der DSDS-Jury zu stehen?

Eigentlich sollte ich den Kandidaten, die es in den Recall geschafft hatten, ein paar Tipps geben und Fragen beantworten. Und plötzlich hat mich Dieter Bohlen zur Jury gerufen und mich gebeten, den Song vorzusingen. Aber mir hat der Kandidat auch leid getan, ich wollte da ja niemanden bloßstellen oder so. Aber es war auch cool zu zeigen, wer ich heute bin. Ich wurde danach auch ganz, ganz oft gefragt, ob mein spontanes Vorsingen geplant war – es war definitiv nicht geplant.

Du schaust dir die Show ja auch weiterhin an. Wie ist es, das alles noch mal vom Bildschirm aus zu erleben?

Natürlich schaue ich mir DSDS anders an als ein ganz normaler Zuschauer, der keine Ahnung hat, was für ein riesiger Apparat hinter der Show steckt. Ich weiß, wie sich der Kandidat in der Situation fühlt, was da bei den Interviews vielleicht gemacht, irgendwie hingedreht wurde. Die Kandidaten sind noch unerfahren im Umgang mit den Medien, das war ich damals auch. Aber als Redakteur will man Dinge über die Kandidaten herausfinden und kitzelt die Antworten aus ihnen heraus. Da werden die Fragen so gestellt, dass man in die Falle tappt. Aber das ist einfach das TV-Geschäft.

Als Sieger von DSDS hattest und hast du natürlich viele Fans, auch bei Facebook. Letztens hast du Fanfragen in Videos beantwortet und diese online gestellt. Warum nutzt du Social Media so aktiv?

Für mich als Castingshow-Gewinner sind Facebook und Co. die größte Chance, um mein Publikum zu erreichen. Wir DSDS-Sieger und Kandidaten werden nicht im Radio gespielt und auch im TV haben wir es nicht unbedingt leicht. Durch Social Media kann ich meine Fans an meinem Leben und meiner Karriere auch teilhaben lassen.

Gibt es auch Sachen, die für dich zu privat sind, als dass du sie online posten würdest?

Ich war da anfangs, nachdem ich DSDS gewonnen hatte, ziemlich offen und hab da alles beantwortet und oft ziemlich viel Preis gegeben. Ich habe aber gemerkt, dass ich da eine Grenze finden muss, denn sonst ist das Privatleben nicht mehr privat. Über meine Familie, aber auch über meine Freunde poste ich wenig. Ich habe mir das Leben in der Öffentlichkeit ausgesucht, nicht sie. Anfangs haben Leute meine Eltern angerufen, sie oft auch Mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt – das fand ich extrem unverschämt.

Zum Schluss noch dein Tipp zur aktuellen Staffel – wer wird der diesjährige DSDS-Sieger?

Ich drücke Susan die Daumen. Sie ist am besten und singt sicher, auch wenn sie nicht die einzigartigste Stimme der Welt hat. Aber es heißt ja immer, dass bei DSDS keine Mädels gewinnen können… Auch dieses Mal gibt es mit Erwin den typischen Mädchenschwarm, aber bei den Jungs sehe ich gesanglich Ricardo weit vorne.

 

Fotos: J. Andreasson, aufgenommen beim Konzert von Daniel Schuhmacher am 29. November 2012 in der Stadthalle Pfullendorf.

2 Broken Down – eine Filmkritik

von Marius Lang und Selina Juliana Sauskojus

Wettschulden sind Ehrenschulden. Beinhalten diese Wettschulden allerdings, dass man sich einen Teil der Twilight-Verfilmungen ansehen muss, dann führt es eher zur kompletten Entwürdigung des Verlierers. Und die Oscar-Wette ergab dann schließlich ein Unentschieden: Gemeinhin das Äquivalent einer beidseitigen Niederlage. Im Schluss bedeutet dies, dass wir uns diese Entwürdigung gemeinsam antun mussten, denn geteiltes Leid ist halbes Leid.

„Breaking Dawn – Teil 2“ schaffte es bei der Verleihung der Goldenen Himbeere  so miserable Konkurrenten wie „Der Chaos Dad“ oder Battleship“ sowohl bei den Nominierungen als auch bei den Siegen weit hinter sich zu lassen. Am Ende konnte der Film sieben der zehn Preise gewinnen. Jeden davon verdient. Applaus für eine derart schlechte Gesamtleistung.

Der Krampf beginnt

Zunächst glauben wir, noch nie einen so langen Vorspann gesehen zu haben. Selbst die bekanntermaßen langen Opening Credits der Spider Man-Filme wirkten dagegen kurz. Die Langeweile kriecht uns in alle Glieder. Wie kann es denn sein, dass so viele Menschen an diesem Murks mitgearbeitet haben? Und selbst wenn wir davon ausgehen, dass all diese Menschen daran beteiligt waren, wäre es nicht naheliegender, seinen Namen nicht in dieser zelluloidgewordenen üblen Unterhaltung erwähnt zu wissen? Ja, wir müssen zugeben, das machte schon traurig und betroffen.

Betroffen schauen, bitte!

Apropos betroffen. Man will fast meinen, es wäre absolute Grundvoraussetzung beim Casting gewesen, Darsteller zu finden, die möglichst betroffen schauen können. Und das tun sie. Ständig. Leider nicht mal besonders gut, so oft schauderten wir angesichts der schlechten Darstellung. Ob Kristen Stewart das allerdings absichtlich macht oder ob sie es einfach nicht besser kann, das sei dahingestellt. Als sie ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hält, hätte man genauso gut vermuten können, dass sie sich einen Holzscheit anschaut, statt des Babies, das sie beinahe das Leben gekostet hätte.

Das Baby von Bella und Edward ist in diesem Film zudem die wohl gruseligste Plotdevice. Zunächst handelt es sich um ein Baby mit CGI-Visage, um Bella möglichst ähnlich zu sehen. Ein bisschen wie Schwarzeneggers Kind in „Junior“, nur noch eine Spur unangenehmer. Die Filmemacher generierten damit eine Horrorvision des menschlichen Nachwuchses.

Schwanzwedelnde Wölfe

Das Gesicht jedoch beiseite: Bellas bester Freund und Edwards Nebenbuhler Jacob Ohneshirt ist jedenfalls jetzt nicht mehr scharf auf Bella, sondern auf ihr Baby. Er war wohl schon immer irgendwie auf ihre Eizellen geprägt. Und das macht jetzt alles Sinn, irgendwie. Es ist überhaupt nicht ekelhaft oder pädophil, denn sie wächst ja schnell und was bitte hat sich die Autorin dabei eigentlich gedacht? Übelkeit gesellt sich zu unserer Langeweile. Wie sollen wir das nur durchstehen?

Ekel beiseite, das Baby ist der Grund für die Krise im Vampirparadies, denn irgendeine Verwandte der Cullens denkt, es sei ein Kind, das zum Vampir gemacht wurde. Das wiederum finden die Volturi nicht so gut, finstere Gesellen, angeführt von einem übertrieben spielenden Michael Sheen. Bei dem fragt man sich, ob er als eigentlich guter Schauspieler aus Spaß mitmacht oder, so wie wir, eine Wette verloren hat. Jedenfalls rufen die Volturi jetzt zum Gegenschlag auf. Allzu eilig haben sie es damit allerdings nicht, denn die Cullens haben immer noch Wochen Zeit Vorbereitungen zu treffen.

Vampire fahren Volvos

Aber wir wollen Gnade walten lassen. Der Film wies natürlich auch durchaus Positives auf. Insbesondere ist da natürlich das meisterhaft inszenierte Product-Placement zu nennen. Vampire fahren Volvo. Und wenn die Taktik aufging, tun dies jetzt auch Millionen verwirrter Teenies in den USA. Warum fahren die Volturi eigentlich keinen Volvo, wäre die Alliteration doch genauso schön gewesen? So hätte sich die ganze Chose zumindest nicht gar so lange gezogen und wir hätten uns ganz auf die finale Schlachtszene konzentrieren können.

Selbstbeherrschung rules!

Tatsächlich hatte diese Szene sogar einige erhellende Momente. Nachdem wir schon komplett resigniert hatten, und nicht einmal mehr lachen konnten über die Abstrusität des Ganzen, da haben sich die Filmemacher doch noch ein bisschen ins Zeug gelegt. Der finale Kampf ist nicht nur humorvoll schlecht choreographiert, hier können auch  alle Vampire ihre „Superkräfte“ einsetzen. Da gibt es eine die Blitze wirft, einen der die Elemente beherrscht, einen der Briten nicht mag und natürlich Bella die sich beherrschen kann. Eine Fähigkeit, mit der sie mit Sicherheit nicht Mitglied der X-Men werden könnte.

Und plötzlich konnte man sich auch vor wunderbaren Cameos nicht mehr retten. Eine sehr gut getarnte Uma Thurman aka Jamie Campbell Bower ließ allerdings die Macheten stecken und war, dem Film angemessen, eher unnütz. Aber als wir dachten, dass nun plötzlich unser liebster Reiterfürst Drogo die Szenerie betritt, war es doch nur ein langsam sprechender Vampir-Mensch-Mischling. Wäre der nur eine halbe Stunde früher gekommen, eine Menge Nerven wären uns erspart geblieben.

Dieses Baby!

Unsere Nerven liegen blank. Nach 115 Minuten endet der Film. Breaking Dawn 2, das ist Horror pur. Wir fassen zusammen: Dem Film mangelt es an allem. Die schauspielerische Leistung ist im besten Falle durchschnittlich, im schlimmsten schrecklich. Die Dialoge sind schlicht nicht gut. Eine Story ist praktisch nicht existent, die Effekte dem Budget nicht angemessen und man will gar nicht wissen, was sich die Drahtzieher bei einigen Bestandteilen (DIESES BABY!) eigentlich dachten.

Es wäre bestimmt ein Mordsspaß für den Sieger gewesen, zu wissen dass der Verlierer der Oscar-Wette gänzlich alleine durch die Sache durch muss. Doch gemeinsam war es dann leichter zu schaffen. Wir haben gelitten, wir haben mit unserem guten Geschmack gekämpft. Wir haben uns sogar noch mit dem Film beschäftigt, um diese Kritik zu liefern. Und am Ende waren wir siegreich. Wir haben triumphiert, Twilight hinter uns gelassen und sind noch stärker, wenn auch entnervt aus diesem Erlebnis hervorgegangen. Und gelernt haben wir auch noch etwas daraus: Selbst wenn das Leben noch so hart mit dir ist, immerhin zwingt es dich nicht, Twilight zu sehen. Es sei denn, du hast eine Wette verloren.

Foto: Copyright, Sanja Döttling

 

ZDF: 50 Jahre und noch immer gut drauf?

Eine Miniserie von Pascal Thiel

50 Jahre hat das ZDF nun schon auf dem Buckel. Doch: Wo steht das ZDF heute? Auf Goethe lugend stellte der erste Intendant Karl Holzamer vor einem halben Jahrhundert seine Idee des Fernsehens vor:

„Wie machen wir’s, dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?“ 

Später erklärte er:

„Frisch heißt eben möglichst live, direkt, in einer unmittelbaren Zwiesprache mit dem Zuschauer. Neu, die Aktualität, selbstverständlich. Mit Bedeutung, möglichst kein Quatsch. Und gefällig, unterhaltend. Das wären so die vier Momente gewesen, die heute noch gültig sind meines Erachtens.“

Frisch, direkt, aktuell, kein Quatsch, unterhaltend. Wie sieht das heute aus?

Frisch ist das ZDF allemal, so sieht man im ersten Teil der Serie. Doch ist es auch direkt, aktuell, kein Quatsch und unterhaltend?

Direkter Draht zum Zuschauer

Karl Holzamers Vorstellung eines „direkten“ ZDFs sah eine permanente „Zwiesprache mit dem Zuschauer vor“. Der ehemalige Intendant wollte einen Sender, der in einem permanenten Dialog mit seinem Publikum steht: Ein ZDF, das auf die Entwicklung seines Publikums und dessen Kritik reagiert und dieses am Fernsehgeschehen teilhaben lässt?

In der heutigen Zeit steht in diesem Zusammenhang ein Begriff besonders im Zentrum der Debatte: der des „interaktiven Fernsehens“ (media-bubble.de diskutierte). Gerade in den letzten Jahren, seitdem soziale Netzwerke immer größere Bedeutung gewinnen, bauten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihren Gebrauch beziehungsweise die Kooperationen mit Social Network-Diensten aus. Im Besonderen das ZDF, das sich wohl auch dadurch eine Abgrenzung von der oftmals als konservativer betrachteten ARD verspricht, integriert diese Dienste in immer mehr Sendungen ihres Programmschemas.

Längst können sich die Zuschauer via Chat persönlich an etwaige Studiogäste wenden, um ihre Fragen loszuwerden. Längst hat heute.de seinen Nachrichtenticker auf Facebook und Twitter ausgebreitet. Längst greift das ZDF vor allem in Sondersendungen immer häufiger auf Meinungen und Kommentare der Nutzer zurück und lässt diese in das laufende Programm einfließen.

Doch die Angebote gehen weit darüber hinaus. Da ist beispielsweise die ZDF-Webapp zu „Wetten, dass..?“. Mithilfe dieser können die Zuschauer parallel zur Live-Ausstrahlung via Twitter Kommentare zur Sendung abgeben. Auch wenn der gemeine Fernsehzuschauer zur Zeit seltsam irritiert gluckst, wenn wieder was Neues von „Wetten, dass..?“ durch die Gerüchteküche geistert oder heise.de die Idee als „Lästern live“ titulierte, stellt sie dennoch eine neue Form der Interaktion von Sender und Zuschauer dar.

Und dann ist da ja noch das ähnlich funktionierende neuartige Nachrichtenangebot – „heute plus„. Hier werden die gewöhnlichen Nachrichten aus den Hauptsendungen von „heute“ detaillierter und vor allem interaktiv aufbereitet. Parallel zur Sendung sind auch hierbei Fragen via Chat und Twitter möglich.

Auch wenn das Programmangebot allgemein manchertags etwas stumpf und zuschauerfern wirken mag, kann sich das ZDF doch als „direkt“ loben.

Voll up-to-date!

Inhaltlich gesehen ist das ZDF durch sein mehrkanäliges Nachrichtenangebot (heute, heute-journal, heute.de, heute-App) permanent auf der Höhe des Geschehens. Zudem finden aktuelle politische Themen wöchentlich Beachtung bei Maybritt Illner. Eine Talk-Überfrachtung, wie etwa im Ersten, besteht jedoch nicht.

Technisch gesehen reagiert das ZDF besonders seit einigen Jahren immer deutlicher auf neue Entwicklungen, die etwa den Empfang des Fernsehprogramms betreffen.

Die Bedeutung des Internets ist im letzten Jahrzehnt regelrecht explodiert – das spiegelt sich auch im Fernsehempfang wieder. Während im 20. Jahrhundert Fernsehprogramme ausschließlich im „Muttermedium“, dem Fernsehen, liefen, wurde mit der ZDFmediathek 2001 ein neues Kapitel der Fernsehgeschichte begonnen. Teile des Hauptprogramms, vor allem Nachrichten und Informationssendungen, wurden im Internet zweitverwertet. Was damals nur lückenweise geschah, ist heute Standard beim ZDF. Mittlerweile, ermöglicht durch die neue GEZ-Pauschalgebühr, kann man das gesamte Programmangebot live auch in der ZDFmediathek verfolgen – zum Teil sogar in HD. Ein Fernsehgerät ist fast überflüssig geworden.

Kein Quatsch und unterhaltend?

Traditionell gibt es im ZDF montags den Fernsehfilm der Woche. Nahezu jede Woche ein anderes Thema, Genre, andere Schauspieler. Gleich danach kommt das Montagskino. Das Problem: Zumeist sieht man auf diesem Programmplatz über mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate, Filme des gleichen Genres: Nur Kriegsfilme, nur Krimis oder nur Liebesthriller. Mögen die meisten Filme gefallen, so ist die Auswahl doch zumeist nicht besonders vielfältig.

Was Kinofilme betrifft, kann das ZDF also durchaus einen Zahn zulegen. Auch Shows betreffend sollte sich das ZDF Gedanken machen. Denn: Was früher einmal als das Flaggschiff des ZDF Ansehen genoss, ist mittlerweile zum internationalen Spottobjekt mutiert. Das heimische Publikum, Hollywoodstars, sogar die New York Times glauben zu wissen, dass „TV abschalten“ das Beste ist, wenn wieder „Wetten, dass..?“-Samstag ist. Und tatsächlich ist vom einstigen Glamour der Show nicht viel geblieben. Lichtblicke sind selten. Sie entstehen allenfalls durch manch aufgeweckten Gast – erfrischende Abwechslung von einer immer wieder aufs Neue scheiternden Lanz-Show. Mit deutscher Zuverlässigkeit wiederkehrende Momente des Fremdschämens für einen übereuphorisierten Moderator, festigen den Eindruck, dass Markus Lanz auch nach fünf Shows nicht der Geeignete für den Job zu sein scheint.

Durch die „Wetten, dass..?“-Tragödie und den Verlust von Jörg Pilawa an die ARD hat das ZDF ein massives Unterhaltungsproblem. Neue Gesichter müssen her – doch momentan sind diese noch nicht in Sicht. Joko und Klaas sind zu ProSieben abgezogen, der Rest der jungen Garde des ZDF probiert sich lieber in anderen Formaten.

Quatsch oder kein Quatsch – das zu beurteilen, fällt aufgrund der Subjektivität solcher Einschätzungen, eher schwer. Doch was die Unterhaltung betrifft, steht das ZDF vor großen Herausforderungen.

Also?

Was bleibt: Das ZDF entspricht über weite Strecken, wenn auch nicht ganz, noch heute der Fernseh-Idee seines ersten Intendanten. Es ist frisch, direkt und aktuell. Und sogar unterhaltend. Doch hier liegen die größten Probleme des Senders: ausgediente Formate, starke Konkurrenz und Nachwuchsprobleme. Viel Arbeit ist in Sicht, doch ein bisschen Feiern hat noch niemandem geschadet.

Bilder: flickr: mattingham (CC BY-NC-ND 2.0); flickr: GeraldS (CC BY-NC 2.0)

Kindheit reloaded: Das Internet als Gedächtnis

von Alexander Karl

Fernab kaputtgetretener Sandburgen war die Kindheit doch eine schöne Zeit, an die man sich gerne erinnert. Wenn man sich überhaupt erinnern kann. Denn abseits von Ausflügen in Freizeitparks und Schulaufführungen gab es eine Vielzahl von kleinen Momenten, welche die Jugend auszeichneten. Dazu gehören auch Erinnerungen an Musik und Filme, die man schemenhaft vor seinem inneren Auge hört oder sieht, aber nicht so recht in Worte fassen kann. Aber glücklicherweise gibt es dieses Internet, das in solchen Momenten eine große Hilfe ist – so auch bei mir.

Captain Planet und die Coversongs der Schlümpfe

Mir ging es vor ein paar Jahren schon einmal so. Damals war ich auf der Suche nach einer Fernseherserie, die ich als Kind geschaut hatte. Ich erinnerte mich, dass die Zeichentrick-Protagonisten bestimmte Elemente – Erde, Feuer, Wasser, Wind, Liebe – darstellten. Aber den Namen der Serie? Keine Ahnung. Wahrscheinlich wäre ich in einer internetlosen Welt ohne die Antwort gestorben oder verrückt geworden. Doch dank des Internets erfuhr ich nach intensiver Recherche: Die Serie heißt Captain Planet. Das bedeutet zwar nicht, dass ich sie mir seitdem jemals wieder wirklich angesehen hätte, aber es tat gut eine Antwort auf meine Frage zu bekommen.

Ähnlich ging es mir kürzlich, als ich in den Annalen der Musikgeschichte stöberte und auf den Song „No Limit“ von 2 Unlimeted stieß. So eine schmissige Eurodance-Nummer, die in grauer Vorzeit mal echt cool war. Und irgendwie kam mir in den Sinn, dass Die Schlümpfe den Song mal gecovert hatten. DennMitte der 1990iger Jahre interpretierten Die Schlümpfe aktuelle Hits mit eigenen Texten für Kinder neu. In der Schlumpf-Version hieß „No Limit“ dann „Keine Schule“, hatte aber auch den stampfenden Beat des Originals. Tatsächlich gibt es die alten CDs der Schlümpfe bei Amazon zum Reinhören und Kaufen. Also hörte ich mich durch die CDs und durch meine (schlumpfigen) Kindheitserinnerungen und stellte außerdem fest: Die Schlümpfe covern auch heute noch Songs, diesmal beispielsweise den Eurovision Songcontest-Siegerhit „Euphoria“ (bei den Schlümpfen: „Ein Schlumpfentag“).

Google und das Gehirn

Dass es für die Merkfähigkeit unseres Gehirns nicht toll ist, sich nur auf Google und dessen Ergebnisse zu verlassen, habe ich schon einmal auf media-bubble.de berichtet. Aber manchmal ist es doch schön, wenn es Antworten auf lange offene Fragen liefert – denn nicht immer kann man seinen Gehirnschmalz so sehr anstrengen, als dass das Problem sich von selbst beantworten ließe. Und da das Internet selbst wohl die größte Chronik aller Zeiten ist, eröffnet sie die Möglichkeit, längst Vergessenes wieder hervorzuholen. Das kann bei Skandalen und Peinlichkeiten natürlich eine schlimme Sache sein – immer wieder hört man ja den Spruch „Das Internet vergisst nichts“. Aber oftmals hat das auch seine guten Seiten. Nämlich dann, wenn man für einen Abend noch mal ein Dreikäsehoch sein und Die Schlümpfe hören kann.

 

Bilder: flickr/otis0329; flickr/Izcreations

400 Zeichen-Journalismus

von Lina Heitmann

Vor ein paar Tagen kaufte Yahoo Summly, eine App, die Nachrichtenartikel zusammenfasst und mithilfe eines Algorithmus kürzt. Yahoo hat vor, den Algorithmus in eigenen Apps zu benutzen und gezielt an Smartphone-Nutzer zu vermarkten. Die Internetfirma, die schon lange nicht mehr als “hip” gilt, will durch die gezielte Vermarktung an Smartphone-Nutzer versuchen, den Technologiemarkt zurückzuerobern.

Kurze Artikel

Viel berichtet wurde darüber, dass Nick D’Aloisio, der siebzehnjährige Erfinder der Startup-Firma, durch den Verkauf plötzlich Multimillionär wurde. Aber was bedeutet die hohe Wertschätzung von Summly (angeblich zahlte Yahoo 30 Millionen US Dollar) für den Journalismus? Summly steht für gleich zwei Entwicklungen: einerseits die der immer kürzer werdenden Nachrichten, und andererseits die eines automatisierten Journalismus.

Neu ist die Verkürzung von Nachrichtenartikeln nicht – Time hat als resümierende Zeitschrift für Geschäftsmänner, die nicht viel Zeit haben, angefangen, und The Week arbeitet auch heute noch auf Basis der Zusammenfassung. Aber auf Smartphones wird die Verkürzung exponentiell vorangetrieben. Was sich verändert ist auf jeden Fall, wie wir unsere Zeit nutzen. Dadurch, dass wir ständig vernetzt sind, ist es beispielsweise möglich und durchaus üblich an der Bushaltestelle oder vor Seminarbeginn die letzten Neuigkeiten zu lesen – jedoch meist nur in Überschriften- oder Tweetformat, wobei Letzteres bekanntlich auf 140 Zeichen beschränkt ist.

Summly-Artikel sind 400 Zeichen lang. Die Gefahr besteht wohl darin, dass man sich mit diesen kurzen Zusammenfassungen zufriedengibt. Aber die Zeit für längere Artikel haben wir ja weiterhin: am Frühstückstisch, am Wochenende, auf längeren Bahnfahrten, etc. Und Platz für lange Reportagen ist im Internet ja genug! Oftmals ist im Internet eine Tiefe möglich, die selten gedruckt wird.

Mit Hyperlinks zum Hintergrundbericht

Nimmt man Twitter als Beispiel, so gelangt man über kurze Tweets tatsächlich oftmals auf längere Artikel – entweder durch die Tweets einer Zeitung selbst oder über Empfehlungen. Ein Beispiel: folgender Tweet führt zu diesem fünf Seiten langen Artikel über Londons zentrale Rolle in der internationalen Geldwäsche.

Die Studie The State of the News Media 2013 bestätigt diese Erfahrung: Wer hauptsächlich über soziale Medien Nachrichten liest, verfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit (77%) die Geschichte über den geteilten Link. Das heißt: Überschriften und kurze Zusammenfassungen reichen nicht aus, und die Nutzer wissen das auch.

Für einen Konsumenten ist das breite Journalismusangebot im Internet zur Zeit ideal, schreibt bei Slate Matthew Yglesias. Tatsächlich ist es einfacher denn je die Nachrichten in verschiedensten Zeitungen, Onlinemagazinen und Blogs aus dem In- und Ausland zu verfolgen. (Dieses Überangebot ist aber wohl auch genau das, was einen Nachrichtenaggregator wie Summly wertvoll macht – wer hat regelmäßig Zeit, das ganze Internet zu lesen?) Aber die Realität des Journalismus sieht trotzdem nicht gut aus. Mit weniger Ressourcen kann weniger Berichterstattung und weniger Spezialisierung finanziert werden, sodass sowohl die Breite als auch die Tiefe des Journalismus leidet. Wenn dieser Trend weiter bergab geht, gibt es für einen Nachrichtenaggregator – und für Nachrichtenleser, die Menschen am Frühstückstisch – einfach weniger (gutes) Material.

Denn richtigen Journalismus ersetzen kann eine App nicht. Der Journalismus muss finanziert und geschätzt werden. Inzwischen haben Zeitungen auch begriffen, dass ihr Inhalt nicht nur in gedruckter Form einen Wert hat, sodass auch im Internet verschiedene Bezahlmöglichkeiten existieren. Die New York Times, Die Welt und das Hamburger Abendblatt benutzen beispielsweise Bezahlschranken (allerdings mit unterschiedlichem Erfolg). Wenn Konsumenten den Journalismus auch in seiner Online-Form genug wertschätzen um für ihn zu bezahlen, gibt es noch einen Schimmer Hoffnung – vorausgesetzt der Journalismus ist von einer Qualität, für die man gerne zahlt.

Automatisierter Journalismus

Yahoo hat sich mit Summly nicht nur Kürze gekauft. Die andere Seite des Dienstes ist die Automatisierung durch den Algorithmus. Tatsächlich ist automatisierter Journalismus nicht ganz neu. Beispielsweise nutzt das Wirtschaftsmagazin Forbes in seinem Onlineauftritt einen Dienst, der sich “Narrative Science” nennt. Hier werden Datenbanken zu kleinen Artikeln und Geschichten zusammengefasst. Doch auch das automatisierte Herstellen von Geschichten dürfte den Journalismus nicht ersetzen, egal wie geschickt – denn zum wirklichen Journalismus gehört mehr. Trotzdem können Zusammenfassungen von Datenbanken so auch ganz ohne körperliche Nachrichtenschreiber gemacht werden – beispielsweise bei der Finanzberichterstattung, wenn es vor allem darum geht Datenbanken und Statistiken in Textform zu bringen.

Dabei gibt es aber Gefahren, die darüber hinausgehen, dass weniger Menschen gebraucht werden um die Datensätze zu Nachrichten zusammenzufassen. Die automatisch erstellten Berichte können an verschiedene User angepasst werden. Das Onlinemagazin Slate beschreibt die Gefahr dabei folgendermaßen: Man stelle sich zwei Nachrichtenleser mit unterschiedlichen Interessen, Einstellungen und Leseniveaus vor – der eine liest, sagen wir mal, vor allem Die Zeit, und der andere Bild, und Google kennt diese und weitere Präferenzen ja ganz gut. Erhalten die beiden dann verschiedene Artikel? Die Gefahr ist nicht nur, dass sie unterschiedliche Artikel empfohlen bekommen, sondern dass für die beiden Leser vom Niveau und Inhalt her ungleiche Artikel erstellt werden – jeder fühlt sich gleich informiert aber sieht nur eine auf sich persönlich zugeschnittene Berichterstattung.

Noch sind wir nicht so weit. Um sich zu retten, muss sich der Journalismus von solchen Angeboten differenzieren und das tun, was er am besten kann: originell, investigativ und kritisch berichten. Gleichzeitig müssen die Nutzer sich aktiv tiefgehend informieren und außerdem eine Kompetenz zur kritischen Selektion beweisen, die im digitalen Zeitalter wertvoller ist als jemals zuvor.

Foto: flickr.com/Andy Field (CC BY-NC-SA 2.0), flickr.com/401(K) 2013, (CC BY-SA 2.0)

 

ZDF: 50 Jahre und noch immer frisch?

Eine Mini-Serie von Pascal Thiel

„Es ist soweit: Ohne feierliche Eröffnung, ganz aus dem Alltag der Arbeit, geht nunmehr das Zweite Deutsche Fernsehen auf den Schirm.“ Mit diesen Worten des ersten ZDF-Intendanten Karl Holzamer, begann die Erfolgsgeschichte des ZDF, das in diesen Tagen seinen 50. Geburtstag feiert.

Dies ist der erste Teil einer Miniserie zum 50. Geburtstag des Zweiten Deutschen Fernsehens. Das Thema: Wie frisch ist das ZDF heute? Doch zuvor: Wie kam es überhaupt zur Gründung des ZDF?

Kind der Länder

Deutschland 1961: Bundeskanzler Konrad Adenauer sieht sich mit zunehmend regierungskritischer Berichterstattung vonseiten der ARD konfrontiert. Er geht in die Offensive: Ein zweites, vom Bund kontrolliertes, regierungsfreundlicheres Fernsehen soll etabliert werden. Doch er scheitert. Das Bundesverfassungsgericht stoppt seinen Vorstoß und spricht hingegen den Ländern die volle Rundfunkkompetenz zu. Diese beschließen in den Folgemonaten die Gründung einer zweiten öffentlich-rechtlichen, gemeinnützigen, aber von den bisherigen Rundfunkanstalten unabhängigen Fernsehanstalt – das ZDF ward geboren. Am 1. April 1963 war es dann so weit: Der Sender mit den Matschaugen nahm den Fernsehbetrieb auf.

Mittlerweile hat sich das ZDF fest in den Fernsehgewohnheiten der Menschen in Deutschland etabliert. Es hat gelernt, zu informieren und zu unterhalten – und innovativ zu sein. Die größte Show Europas thront wohl über allen Innovationen, aber auch das heute-journal und zahlreiche andere Sendungen sind nicht zu vernachlässigen.

Das ZDF heute

Keine Frage, das ZDF hat zweifellos beispiellose 50 Jahre hinter sich. Doch: Wo steht das ZDF heute? Und wo wird es in 50 Jahren stehen?

Auf Goethe lugend stellte Karl Holzamer vor 50 Jahren seine Idee des Fernsehens vor:

„Wie machen wir’s, dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?“ 

Später erklärte er:

„Frisch heißt eben möglichst live, direkt, in einer unmittelbaren Zwiesprache mit dem Zuschauer. Neu, die Aktualität, selbstverständlich. Mit Bedeutung, möglichst kein Quatsch. Und gefällig, unterhaltend. Das wären so die vier Momente gewesen, die heute noch gültig sind meines Erachtens.“

Frisch, direkt, aktuell, kein Quatsch, unterhaltend. Wir sieht das heute aus?

Frisch?

Zweifellos hat sich das ZDF seit 2009 eine Verjüngungskur auferlegt. Die etwas überholt wirkenden Spartenkanäle zdf.dokukanal, zdf.infokanal und zdf.theaterkanal wurden der Reihe nach mit einem neuen Konzept und Design überzogen. So entstanden: ZDFneo (2009), ZDFinfo und ZDFkultur (beide 2011).

ZDFneo richtet sich speziell an die älteren der jüngeren und an die jüngeren der älteren Zuschauer – konzipiert ist es für Menschen von 25 bis 49, auf der Suche nach Spaß und „Unterhaltung mit Anspruch“. Auf dem, quotenbezogen, wohl erfolgreichsten der drei digitalen Spartenprogramme des ZDF, treffen amerikanische Serien auf spacige Dokus wie Wild Germany oder DWMÜ, aber auch auf jede Menge Wiederholungen aus dem Hauptprogramm. Und hätte man seine Late-Night-Show nicht zu Tele 5 ziehen lassen, so bließe Benjamin von Stuckrad-Barre im Hause des ZDF noch heute so demonstrativ affrontiv den, über ihr stressiges Leben parlierenden Politikern den Qualm billiger Zigaretten in die Schnute.

So neo das eine, so brav zu mancher Sendezeit das andere: ZDFinfo. Neben jede Menge Wiederholungen gesellen sich immer wieder neue Formate, wie etwa das interaktive heute plus, dessen Zuschauer parallel zur Live-Ausstrahlung Fragen äußern können. Oder Berlin PolitiX, das gleichsam ernsthafte wie ungewöhnlich kuriose Themen im politischen Berlin behandelt. Und natürlich nicht zu vergessen, der Elektrische Reporter: 15 Minuten Netzkultur, E-Politik, Web-Trends und digitale Visionen.

ZDFkultur lebt wie kein anderer deutscher Sender die digitale Popkultur. Mit Anleihen an MTV und VIVA brachte der Hipster unter den deutschen Fernsehprogrammen die wohl innovativsten Formate der Gegenwart hervor. Nirgendwo konnte man das Scheitern so grandios begaffen wie bei Roche und Böhmermann, der Ohrfeige an den deutschen Abendtalk. Nirgendwo wirkten Interviews so herzlich wie ungezwungene Dates als bei Kathrin Bauerfeind. Klassenkameraden: Pixelmacher, On Tape. OpenAir. ZDFkultur ist der lang ersehnte Experimentalkanal im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Etwas, worauf das ZDF stolz sein müsste – doch in einer durch Quoten regierten Fernsehwelt denkt man anders.

Und dann ist da ja noch das Hauptprogramm. Allen voran die heute-show, die mit ihrer satirischen Berichterstattung garniert mit einem herrlichen Leck-mich-doch-am-Arsch-Slang so ziemlich alles abräumt, was es zu gewinnen gibt. Aber auch ZDFzoom, unter dessen Namen modernste TV-Dokus ausgestrahlt werden. Und nicht zuletzt die manchertags futuristisch anmutenden heute– und heute-journal-Nachrichten aus der „grünen Hölle“ auf dem Lerchenberg.

Frisch? Ja!

Das ZDF entfernt sich zusehends von seinem Image als Rentnerfernsehen: Es ist jünger, innovativ und frisch geworden – zumindest in den letzten vier Jahren. Doch die Absetzung von ZDFkultur, die Abwanderung von Formaten wie Stuckrad-Late-Night oder NeoParadise birgt die Gefahr, gewonnene junge Publika, im Besonderen die hippe Mitte-20-Generation, wieder an die Privaten zu verlieren.

 

Das ZDF ist frisch, aber ist es auch direkt, aktuell, kein Quatsch und unterhaltend? Mehr dazu im zweiten Teil dieser Miniserie.

 

Bilder: flickr: GeraldS (CC BY-NC 2.0); flickr: Videopunk (CC BY-NC-SA 2.0)

BBC versus ARD

von Sanja Döttling

Semesterferien sind Reisezeit. Weit reicht die Studentenkasse nicht, deshalb ging es nach England. Und da es dort bekanntlich viel regnet, verbrachte die reisende Medienwissenschaftsstudentin ihren Urlaub großteilig vor der Glotze. Gedanken zu den kleinen und großen Unterschieden zwischen dem englischen Hauptprogramm BBC und der deutschen öffentlich-rechtlichen Bastion ARD.

Ein Tag vor dem Fernseher

Sowohl BBC One als auch das Erste beginnen den Tag mit den unvermeidbaren Morgenmagazinen. Da wird gekocht, gebastelt und geredet. Um neun, wenn der normale Student langsam aus den Federn kommt, beginnt das Programm sich aber zu unterscheiden. Bis um eins mittags sendet die BBC One verschiedene Dokumentationen. Da geht es um Häuser, die renoviert werden, verschwundene Erben und Rettungsdienste. Das Erste hält mit den Daily-Soaps des vorherigen Tages dagegen, unterbrochen von fast stündlichen Tagesschau-Ausgaben. Ab ein Uhr ist in beiden Programmen Nachrichtenzeit, dann folgen im Ersten die neuen Folgen der Daily-Soaps „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“. Dann ab in den Zoo, gefolgt von einer weiteren Dialy Soap. Den Vorabend schließt die leichte Krimi-Serie „Heiter bis tödlich“, in der es selten humorvoll zugeht. In der BBC wird der Nachmittag mit Spielesendungen auf dem Flohmarkt und Antiqutäten, einer Doku über Leute, die auf das Land ziehen, und Quizshows totgeschlagen.

In den Abend startet das Erste mit der deutschen Bastion Tagesschau ab acht, die bis heute das gesamte Abendprogramm in allen Sendern diktiert. Danach der Mittwochs-Film, dieses mal geht es um das Internet. Genau so gut könnte hier aber auch Volksmusik gesendet werden. Zum Schluss diskutiert noch Anne Will. In der BBC geht es abends weniger gehoben zu: Nach einer Koch-Castingshow gibt es eine Doku über Pompeji, danach ist Lachen bei einer Comedy-Sendung angesagt.

Wer hat’s erfunden?

Die BBC steht kurz für die British Broadcasting Corporation, die 1922 als Radiosender gegründet wurde. Er sollte von Staat und Werbung unabhängig sein, und wurde 1927 offiziell in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt. Damit ist die BBC die erste öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunkanstalt in Europa, auch wenn viele andere Länder sich nach ihrem Vorbild ebenfalls für dieses Modell entschieden haben. Seit 1936 werden auch Fernsehsendungen ausgestrahlt. Inzwischen umfasst das Programm die Hauptsender BBC One und BBC Two, sowie zusätzliche digitale Sender, Radiosender und internationale Angebote, die ihre Wurzeln noch in der Kolonialzeit von England haben.

Die BBC diente Deutschland nach Kriegsende als Vorbild für den Aufbau eines staatsunabhängigen Rundfunksystems, welches anfangs ausschließlich aus öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestand. Im Jahr 1945 gründete der Brite Hugh Greene den NWDR (Nordwestdeutschen Rundfunk) als ersten deutschen öffentlich-rechtlichen Radiosender. In den 50ern wurde aus ihm das Gemeinschafts-Fenrsehprogramm der Landesrundfunkanstalten, das bekannte „Erste deutsche Fernsehen“. Der Name ARD ist dabei eigentlich umgangssprachlich, der steht nämlich für die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, also für den Verbund aller öffentlich-rechtlicher Sender.

Wie funktioniert’s?

Die BBC sowie die ARD wollen von Werbung und Regierung unabhängig sein, werden deshalb weitestgehend über Rundfunkgebühren finanziert. Allerdings spielen heutzutage auch geringe Werbeeinnahmen eine Rolle, um die Gebühren niedrig zu halten. Doch da hören die Gemeinsamkeiten in der Organisation der beiden Sender auch schon wieder auf.

Die ARD ist eine Gemeinschaftproduktion der Landesrundfunkanstalten. Deren Größe bestimmt, wie viele Stunden sie im Ersten senden dürfen. Die Liste führt der WDR mit über vier Sendestunden an, gefolgt vom SWR an zweiter Stelle. Doch das Erste ist nur das erste Programm in einer langen Liste deutscher Fernsehsender. Auf der öffentlich-rechtlichen Seite kommt neben den Teilen der ARD (die Landesrundfunkanstalten und die digitalen Sender wie Eins Plus) auch noch das ZDF dazu. Es sollte das Programm der ARD ergänzen und erweitern, ist von der ARD aber eigentlich unabhängig. Weitere Konkurrenz erhält das Erste von den zahlreichen privat finanzieren Sendern.

Noch heute ist die BBC in England ungeschlagener Platzhirsch. Das kommt auch daher, dass die Konkurrenz durch Privatsender viel geringer ist als in Deutschland.

Das Programm

Die BBC legt ihr Hauptaugenmerk auf die Bildung der Zuschauer. Vielleicht wird der eine oder andere Student schon auf die synchronisierten Fassungen der BBC-Dokumentationen im  Fernsehen gestoßen sein. Doch es sind nicht nur die Dokumentationen, die um die Welt gehen. Die BBC ist in Großbritannien führend bei den Nachrichtensendungen, bringt Magazine zum aktuellen Geschehen und lässt sich auch bei der Produktion von Serien nicht lumpen. Im Hauptsender BBC One wird seit 1963 die Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ ausgestrahlt, die in England Kultstatus erreicht hat. 2010 kam die Serie „Sherlock“ hinzu. Die Soap „EastEnders“ bereichert seit 1985 das Programm und stellt vier der fünf Zuschauerrekorde der BBC One. BBC One ist als Massenunterhaltung konzipiert, BBC Two als anspruchsvollerer Schwerpunkt dagegen gehalten. Insgesamt zeichnet sich die BBC aber vor allem durch aufwendige Dokumentationen, vielerlei innovative Serienformate und unzählige Comedy-Sendungen und Sitcoms aus.

Das erste Deutsche Fernsehen konzetriert sich nicht auf Massenunterhaltung wie der Sender BBC One. Hier geht es vor allem um harte Information. Nachrichtensendungen wie die Tagesschau, Magazine wie Monitor und Zapp sowie zahllose Talkshows mit unterschiedlichem Wert sorgen für die Infromation der Zuschauer. Dafür ist das Programm in Deutschland auch noch immer die erste Wahl. Doch im Unterhaltungssektor sieht das Programm des Ersten nicht mehr ganz so spitzenmäßig aus – vor allem, wenn es um junge Zuschauergruppen geht. Die humorvollen 20-Minuten-Sendeschnipsel sind entweder tief in die Nacht oder in die digitalen Sender verbannt worden, die Musiksendungen sind großteilig volksmusikgeprägt und die Dokumentationen wurden allesamt in den Zoo verlegt. Allerdings: Einige gute Serien hat das Erste zu bieten, man denke da an den Sonntagabend-Hit „Tatort“ oder das solide „Großstadtrevier“. Auch Soaps wie „Verbotene Liebe“, „Sturm der Liebe“ oder die „Lindenstraße“ sind fest im Programm verankert.

Dennoch wirkt das Programm des ersten deutschen Fernsehens im Vergleich doch eher eingestaubt. Wo sich die Briten ihren alten Hit „Doctor Who“ nehmen und völlig neu erfinden, dümpelt der Tatort seit Jahrzehnten vor sich hin, mit hohem Buget und oft unterdurchschnittlichen Fällen (Ausnahme: Münster). Und überhaupt wirkt das deutsche Prgramm eher angestaubt – und humorlos. Liegt das an der langen Gewöhnung oder doch an dem kleinen Vorsprung, den die BBC in der Programmkonzeption inne hat? Ein Lichtblick: Immerhin hat das Erste die Sendung „Sherlock“ von der BBC gekauft und in Deutschland ausgestrahlt.

Foto: flickr.com/Daniel Y. Go (CC BY-NC 2.0)

KLARTEXT: Was nun? Die Publikumsforschung am Scheideweg

von Pascal Thiel

Die Publikumsforschung ist am Scheideweg – zumindest, wenn man Sonia Livingstone Glauben schenkt. 1998 erschien ihr wissenschaftlicher Artikel „Audience research at the crossroads – The implied audience in media and cultural theory“, im European Journal of Cultural Studies. Dort warnt die international renommierte Kommunikationswissenschaftlerin vor einer negativen Entwicklung der Publikumsforschung.

Zur Autorin

Sonia Livingstone ist Professorin für Sozialpsychologie am Departement of Media and Communications der London School of Economics and Political Science. Zudem hat sie Gastlehrstühle in Kopenhagen, Stockholm, Bergen, Illinois, Mailand und an der Universität Panthéon-Assas in Paris. 17 Bücher und weit über 100 wissenschaftliche Artikel hat Livingstone in ihrer Karriere bereits publiziert. 2007 bis 2008 war sie Präsidentin der International Communication Association (ICA).

Sonia Livingstone hat sich mit einer weiten Palette kommunikationswissenschaftlicher Forschungsgebiete befasst. Zentral sind etwa ihre Untersuchungen der Beziehungen von Kindern und Jugendlichen zum Internet, Forschungen zu Internetnutzung und -politik und schließlich mediale Publika.

Mediale Publika

Sonia Livingstone schreibt medialen Publika eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung zu. Jedoch muss im Voraus auf eine wichtige Voraussetzung der Bildung medialer Publika hingewiesen werden: die Massenkommunikation. Sie ermöglicht zum Ersten, so Livingstone, entgegen dem Begriff der Massenkommunikation durch Maletzke, Interaktion und Teilhabe, zum Zweiten schafft sie gesellschaftliche Bedeutungen. Zum Dritten erzeugt sie, daraus resultierend,  mediale Publika.

Die zentrale gesellschaftliche Bedeutung medialer Publika resultiert nun aus der Tatsache, dass die Positionierung, also der Status der Personen in medialen Publika, ihre Teilhabe und  Teilnahme and der Gesellschaft bestimmt. Konkret bedeutet das: Je mehr eine Person medial interagiert, desto besser ist sie in mediale Publika und somit in die Gesellschaft eingebunden.

Sonia Livingstone spricht häufig von dem „implied audience“. Darunter ist kein reales Publikum, sondern eher eine theoretische Konzeption eines Publikums zu verstehen, die als Rezipient medialer Texte und Codes vorausgesetzt wird.

Die Publikumsforschung

Die Publikumsforschung interessiert sich nach Glogner-Pilz (2012) für ein weites Spektrum publikumsrelevanter Fragen. Etwa für die soziodemografische und -ökonomische Zusammensetzung von Publika, für einstellungs-, motiv- und wirkungsbezogene Fragestellungen oder (statistische) verhaltensbezogene Daten.

In den letzten 50 Jahren erlebte sie einen wahren Hype. Als neue kommunikationswissenschaftliche Ideen um 1960 das einseitige Stimulus-Response-Modell der Massenkommunikation allmählich verdrängten, ahnte wohl noch keiner der beteiligten Forscher, welch beispiellose Entwicklung dieses noch so kleine, unbedeutende Forschungsgebiet machen würde.

Insbesondere in den letzten 20 Jahren hat sich die Publikumsforschung in ein breit gefächertes Forschungsfeld verwandelt. Bezogen auf die theoretische Vielfalt hat sie eine gewaltige theoretische Ausdifferenzierung hinter sich. Zugleich etablierte sie sich als anerkannte wissenschaftliche Disziplin.

Die Probleme

Doch gerade letzteres – so Livingstone – habe in den letzten Jahren zu einer weiteren, jedoch verhängnisvollen, Entwicklung geführt. Die wissenschaftliche Etablierung der Publikumsforschung habe der theoretischen Ausdifferenzierung entgegengewirkt. Die Folge: eine kanonische Publikumsforschung.

Zu der schwindenden theoretischen Vielfalt komme ein weiteres Problem hinzu: In vielen Forschungsgebieten außerhalb der Kommunikationswissenschaft sei nach wie vor ein reges wissenschaftliches Interesse am Publikum zu erkennen. Jedoch seien hier keine Publikumsforscher, sondern andere disziplinexterne Forscher am Werk. Die Gefahr ist eindeutig: Kann die Publikumsforschung diese externe Forschung an Publika nicht in sich integrieren, ist eine Fragmentierung der Publikumsforschung unausweichlich.

Hier kommt der Begriff des „Scheidewegs“ ins Spiel: Über die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen hinweg, scheint man sich verstärkt mit dem Thema „Publika“ zu befassen, die eigentliche Publikumsforschung jedoch sieht sich mit ihrem drohenden Untergang konfrontiert.

Ein Beispiel: Die Cultural Studies

Wie oben erwähnt, greifen viele Forschungsdisziplinen das Thema „Publika“ mit ihren eigenen Forschungsinteressen auf. So auch die Cultural Studies.

Ende der 1980er Jahre entdeckte man in der Kultur die Gewöhnlichkeit. Von da an interessierten sich die Cultural Studies für das alltägliche (gewöhnliche) Leben der Menschen – die Alltagskultur ward geboren. Man fand heraus, dass dominante Kulturen existieren, die andere Kulturen marginalisieren. Man kann sie als Prozesse verstehen, die bestimmte – dominante – Ansichtsweisen anderen vorziehen.

Nun nahm man die Zutat „Publika“ hinzu – zwei Fragen ergaben sich: Wie reagieren gewöhnliche Nutzer auf gewöhnliche Medientexte? Und: Wie äußert sich dieses gewöhnliche Antwortverhalten in Bezug auf bestimmte Prozesse der gesellschaftlichen Bedeutungskonstitution?

Und wieder war eine neue „externe“ Publikumsforschung entstanden.

Doch bald stieß sie an ihre Grenzen: So interessant die Fragen auch sein mochten, so schwer fiel ihre Beantwortung. Zur Schwierigkeit der schwach eingegrenzten, sehr offenen Fragestellung gesellte sich das Problem des Fehlens eines kohärenten Theorierahmens zur angemessenen Interpretation der Antworten.

Was nun?

Auch um solch Fehlentwicklungen zu vermeiden, fordert Sonia Livingstone eine Verstärkung der Beziehungen und des Austauschs zwischen Publikumsforschung  und Cultural Studies sowie Medienwissenschaft. Gleichzeitig – dies wird im Folgenden dargestellt – dürfe man aber unter keinen Umständen Ansätze von Politischer, Technologie-, Wirtschafts- und Sozialer Theorie vernachlässigen.

Das aktive Publikum

Scheidewege sind oft negativ konnotiert. Sie sind verbunden mit Sätzen wie „Wie konnte es nur so weit kommen?“ oder „Wie sind wir nur hier gelandet?“. Doch Scheidewege stellen auch eine letzte Chance dar, einen neuen Weg zu beschreiten.

Dies, so Sonia Livingstone, habe die Publikumsforschung bereits getan. Die Publikumsforscher haben sich vom alten Stimulus-Response-Paradigma ab- und neuen Ideen zugewandt. Theorien medialer Inhalte mit starren Bedeutungen, die linear auf ein passiv-rezipierendes, einheitliches Massenpublikum treffen und absehbare Wirkungen erzeugen, sind Geschichte.

Ein Publikum bestehe nun aus pluralen, kulturabhängig dekodierenden, aktiven Rezipienten. Unter Berufung auf Silverstone (1990) beschreibt Livingstone dieses neue Publikum als „Dreh- und Angelpunkt“ für das Verständnis sozialer und kultureller Prozesse öffentlicher Kommunikation.

Annäherung an Soziale und Politische Theorie

Wissenschaftstheoretisch stellt sich weiterhin die Frage, wie die Publikumsforschung auf die gegenwärtigen negativen Entwicklungen reagieren kann.

Alexander & Jacobs (1998) fordern, die Publikumsforschung näher mit Sozialer und Politischer Theorie zusammenzubringen. Dazu müssten sich aber auch Sozial- und Politische Theorie neuen Ideen öffnen. Konkret sprechen sie von einer Loslösung der Fixierung auf Macht und Entscheidungsfindung als primäre regulative Prozesse hin zu einer Öffnung gegenüber des Aspekts der öffentlichen Debatte, sprich Publika.

Alexander & Jacobs unterstreichen ihre Haltung mit dem Argument, dass die Gesellschaft nicht nur durch ihre Beziehungen zu Staat und Wirtschaft, sondern auch durch die „erfinderische Konstruktion kollektiver Identitäten und Solidaritäten“ konstituiert werde.

Sie sprechen sich gegen die Vorstellung von Medien als bloßem Informationskanal für ein einheitlich rezipierendes Publikum aus. Alexander & Jacobs sprechen von polysemantischen Texten, die unter heterogenen, interessierten Öffentlichkeiten verbreitet werden. Der Einfluss der Menschen, ihre Identitäten und Solidaritäten werden, wie eingangs schon einmal dargestellt, von den Medien, der Teilnahme an der Massenkommunikation bestimmt.

Nur durch diesen Schritt könne eine engere Verbindung und wissenschaftliche Kooperation zwischen Publikumsforschung und Sozialer bzw. Politischer Theorie gelingen.

Das Mikro-Makro-Problem

Zu guter Letzt sei zur Genese der Publikumsforschung ein weiterer Schritt essentiell: Das Überdenken der Beziehungen zwischen Ansätzen der Mikro- und der Makro-Ebene.

Das Publikum als „social and cultural object within the complex reality of everydays life“ spiele auf beiden Analyseebenen eine wichtige Rolle, denn es sei „embedded both in the macro-environment of political economy and in the micro-world of domestic and daily existence“ (Silverstone 1990: 174). Auch bei dieser neuen Reflexion sei die Annäherung der Publikumsforschung, Sozial- und Kulturtheorie ein wichtiges Ziel.

Fazit der Autorin

„There are several things one can do at a crossroads. One is to look back. […] Another possibility is to look forward, even it seems that the problems […] seem insurmountable. But it is also possible to sit and rest awhile, for a little reflection […], the problems may prove manageable after all. If audience researcher want anyone else to notice their journey […] then a pause for reflection may be the best option for the moment“ (Livingstone, 1998, p. 211).

 

Klartextlogo: Copyright Pascal Thiel

Bilder: flickr/go.goflo (CC BY-NC-ND 2.0); flickr/11335395@N06 (CC BY-ND 2.0)

Die Zukunft des Buches

von Alexander Karl

Es ist wieder soweit: Vom 14.-17. März präsentiert sich die Buchbranche auf der Leipziger Buchmesse – und mit dabei ist auch die Münchnerin Karla Paul. Seit 2006 bloggt sie auf buchkolumne.de über Bücher, außerdem arbeitet sie seit 2009 bei der Literaturcommunity LovelyBooks.de im Bereich der Redaktionsleitung und des Social Media Managements. Wenn dann auch noch Anfang 2014 ihr Buch „Das Alphabet der Bücher: Bekenntnisse einer hemmungslosen Leserin“ im Heyne Verlag erscheint, wird wohl allen klar werden – diese Frau liebt Bücher!

Mit media-bubble.de sprach Karla Paul über die Bedeutung der Buchmesse im Internetzeitalter, die Trends des Buchmarkts und Social Media bei Büchern.

Karla, die Buchmessen haben in Deutschland eine lange Tradition. Welche Bedeutung haben sie noch im Zeitalter des Internets?

Die Kommunikation findet meistens das ganze Jahr über auf digitalem Weg bzw. telefonisch statt – umso schöner ist es dann, wenn man sich in Leipzig und Frankfurt auch einmal persönlich trifft, wenn man das Zwischenmenschliche pflegen und die Kontakte auch mal bei einem Kaffee vertiefen kann. Hier kann man in kurzer Zeit viele Menschen aus der Branche treffen, sich miteinander vernetzen, Insiderwissen austauschen und was tatsächlich für mich eine große Rolle spielt: Verlage, Autoren und auch die LovelyBooks.de Mitglieder haben ein besseres Gefühl, wenn sie den Menschen, mit dem sie tagtäglich zu tun haben, auch einmal im echten Leben gesehen und kurz mit ihm geredet haben. Man macht sich eben, trotz all der Möglichkeiten via sozialer Netzwerke und Email miteinander in Kontakt zu bleiben, gern auch von Mensch zu Mensch ein richtiges Bild voneinander. Also bleibt die Bedeutung weiterhin sehr wichtig.

Welche Trends gibt es aktuell auf dem Buchmarkt?

Social Reading, Book Discoverability, E-Reader, Epub 3, Selfpublishing – all diese Schlagworte geistern schon seit einigen Jahren bzw. Monaten durch den Raum und es ist ganz klar: alles wird sich verändern. Der Buchmarkt ist im Aufbruch und die Teilnehmer suchen stets nach neuen Möglichkeiten um Literatur an Leser zu vermitteln und sich den Veränderungen anzupassen, sie wenn möglich voranzutreiben. Wir haben uns bei unserem Relaunch auf LovelyBooks.de dem Problem angenommen, wie der Leser in Zukunft online durch Stöbermöglichkeiten neue Bücher für sich entdecken kann, anstatt den Vorgaben und Empfehlungen der Shops zu folgen. Leser wollen wieder mehr entdecken, Geheimtipps (egal ob nun als gebundene Ausgabe oder als E-Book) weitergeben und den Empfehlungen ihrer Freunde folgen – dies wird auf der umgewandelten Plattform alles neu umgesetzt und wir sind sehr gespannt auf die ersten Reaktionen der Branche. Ansonsten wird sicher der neue E-Reader „Tolino“ eine Menge Presse bekommen – ob verdient, das muss sich erst noch zeigen und auch weitere Entwicklungen werden sicherlich erst auf der Messe präsentiert.

Welche Rolle wird Amazon in Zukunft auf dem Buchmarkt – gerade auch im Bereich des E-Books – spielen?

Amazon ist bereits der größte Player auf dem Markt und sorgt für steigende Umsätze im Online-Versandbuchhandel. Trotz der scharfen Kritik aufgrund der Arbeitssituationen bei Amazon wird sich gerade hier wahrscheinlich in den kommenden Monaten noch viel in Richtung des amerikanischen Riesen tun, sollten nicht gerade die Leser hier wieder mehr in Richtung „buy local“ denken. Es gibt zwar mit der Kampagne des Deutschen Buchhandels bzw. des Börsenvereins sowie den Gegengrößen Thalia und Weltbild mit ihrem Tolino Bestrebungen hier wieder mehr Raum einzunehmen, aber ob dies gelingt, dies bleibt abzuwarten. Eins ist sicher – die ersten Leidtragenden sind die kleinen Buchhandlungen vor Ort, denen Amazon Stück für Stück auch aufgrund des wachsenden Ebook-Markts die Existenzgrundlage entzieht.

Wie wichtig sind Internet und Social Media für Bücher? Gibt es da aktuelle Beispiele?

Inzwischen finden die meisten Einkäufe online aufgrund von Empfehlungen statt – d.h. zum Beispiel meine Freunde auf Facebook oder Twitter reden dort über ein Buch und schreiben eine Rezension und da ich diesen vertraue, kaufe ich das Buch eher als wenn es mir über eine Werbung sozusagen aufgedrängt wurde. Wir sehen dies über unsere Facebook-Integration, d.h. wenn ein Mitglied eine Rezension schreibt, dann wird diese automatisch auf Facebook geteilt und so gelangen wiederum dessen Freunde auf unsere Plattform. Aktuell sind auch circa 80-90 Prozent aller Verlage auf den größten sozialen Netzwerken zu finden und auch die Autoren ziehen mehr und mehr nach und suchen dort den Kontakt zum Leser und damit zum Endkunden.

Für wen ist Social Media insgesamt wichtiger: Für Autoren oder Verleger?

Da beide am gleichen Produkt verdienen, ist es auch für beide Gruppen wichtig. Inzwischen wird oft behauptet, dass die Verlage gar dank Selfpublishing ihre Existenzgrundlage verlieren würden, dem muss ich widersprechen. Das was Verlage leisten, d.h. vom Tragen des Risikos, dem Druck, der Verbreitung im flächendeckenden Buchhandel, Presse und Marketing, Qualitätskontrolle und vieles mehr, das ist nur schwer allein zu meistern und ich weiß auch so gut wie kein Beispiel, wo dies nachweislich so geklappt hat, wie es oft und gern in den Medien gehyped wird. Also sollten sich beide online und offline ergänzen und unterstützen und an einem Strang ziehen, damit man mit vereinten Möglichkeiten dem jeweiligen Buch zu einem noch besseren Start bzw. Verkauf verhelfen kann. Inzwischen sind nur Autoren mehr eingebunden und nutzen den direkten Kontakt zum Leser ja auch nicht nur aus Marketinggründen, sondern auch um sich direktes Feedback zum Buch zu holen – was vorher ja nur bei Lesungen vor Ort möglich war. Viele genießen den Austausch sehr und bleiben deswegen auch in veröffentlichungsarmen Zeiten jederzeit gern mit dem Leser in Kontakt.

Welche Tipps hast du für die Nutzung von Social Media bei Büchern?

Das kann man schwer verallgemeinern, oft erarbeiten wir mit den Verlagen zu den jeweiligen Büchern und deren Grundthemen passende Konzepte. Grundsätzlich sollte man als Autor oder Verlag alle Möglichkeiten anbieten, damit die Inhalte möglichst breit und einfach geteilt werden können – z.B. Einbau der Sharing-Buttons auf allen Autoren- und Buchseiten, Integrierung des Social-Reading-Streams im Ebook, die Social Media Accounts des Verlags und Autors überall einbinden und so für den Leser auf allen Netzwerken erreichbar sein. Und dann noch stets authentisch bleiben – auch online entwickelt man ein recht feines Gespür für den Menschen hinter dem Account und trotz aller Bemühungen von Firmen und Marken sich möglichst neutral und glatt zu geben, damit man unangreifbar ist – Kommunikation, d.h. der Dialog funktioniert nur zwischen Menschen und dies sollte man stets bedenken. Wer dann noch die gleichen Regeln für die Offline-Kommunikation d.h. eine sogenannte Netiquette verwendet, der kann eigentlich wenig falsch machen. Und falls es doch noch Fragen gibt – einfach her damit, da ich auch Autoren und Verlage im Auftrag von LovelyBooks.de in Workshops und Seminaren berate und dafür auch jederzeit online zur Verfügung stehe.

 

Foto: Privat

Bild: flickr/photomequickbooth (CC BY-ND 2.0)