Die Zukunft des Journalismus

Von Jasmin Gerst

Der promovierte Politikwissenschaftler Dominik Wichmann referierte am 14. Dezember im Kupferbau der Universität Tübingen über Veränderungen des Verhältnisses zwischen Publikum und Medien sowie dessen Auswirkungen auf den Journalismus wie wir ihn kennen. Wichmann war Chefredakteur des SZ-Magazins und beim STERN, außerdem hat er vor kurzem zusammen mit Guido Westerwelle dessen Biografie „Zwischen zwei Leben: Von Liebe, Tod und Zuversicht“ realisiert.

Geizige Digital Natives?

DominikWichmannWichmann stellt zu Beginn klar, dass der Journalismus noch nie besser war – die Qualität der Inhalte steigt, trotzdem sind immer wenige Konsumenten bereit für diese Qualität Geld zu bezahlen. Eine offensichtliche Veränderung stellt das Leseverhalten der Konsumenten dar. Fakt ist, dass viel weniger Menschen eine Tageszeitung abonniert haben als früher. Und warum? Weil mittlerweile fast alles kostenlos im Netz zu finden ist. Der Kampf, den die Journalisten führen müssen, lässt an der Zukunft des Journalismus zweifeln. Wichmann ist sich jedoch sicher, dass es ihn immer geben wird, allerdings in veränderter Form und mit qualitätsvolleren Inhalten. Die jüngere Generation der Journalisten, die Digital Natives, sind sich ihrer Zukunft zwar ungewiss, bringen jedoch gewisse Vorteile mit sich: Sie können das Neue leichter adaptieren und dabei spielt das Alter eine wichtige Rolle. Da sie bereits in jungen Jahren den Umgang in der digitalen Welt erlernt haben, sind sie der älteren Generation um Längen voraus. Denn Kommunikation allein reicht nicht mehr aus: Die Konsumenten fordern mehr Expertise, aber gerade die Digital Natives sind nicht bereit für diese Expertise zu bezahlen.

Akzeptieren und Umdenken

Fakt ist also, dass sich die Zeiten geändert haben und man sich dieser neuen Zeit anpassen muss. Dazu gehört nicht nur diesen Wandel zu akzeptieren, sondern ihn auch zu „wollen“. Denn die unendlichen Möglichkeiten, die es nun auf dem Markt gibt, müssen optimiert werden. Es ist also von großer Wichtigkeit, dass der Journalismus diese Angebote wahrnimmt und sich heute viel mehr vermarkten muss als früher. Dazu gehört unter anderem stets präsent zu sein, Expertise zu erlangen, Unvoreingenommenheit sowie Form und Inhalt in Einklang zu bringen. Wichmann stellt außerdem fest, dass dieser Umbruch auch viele Widersprüche mit sich bringt. Ein Journalist muss zwei wichtige Parameter vereinen: möglichst aktuell und möglichst zeitnah sein. Das bedeutet, was die Aktualität betrifft, im digitalen Zeitalter angekommen zu sein (Stichwort Liveticker oder Twitter), sowie möglichst schnellen und guten Journalismus zu präsentieren. Dass die Qualität dadurch auf der Strecke bleibt, ist nur allzu verständlich. Nur ein wirklich guter Journalist kann diese beiden Kräfte vereinen, aber dadurch steigt ein weiterer Druck – die Möglichkeit des Scheiterns.

Präsent sein

Ein weiteres Problem ist, dass die Leser nicht nach bestimmten Nachrichten suchen. Die Daten kommen zum Leser und nicht der Leser zu den Daten. Diese werden aufgrund von den Spuren, die der Nutzer tagtäglich hinterlässt, angepasst. Wichtig sei außerdem, dass die Inhalte dort zu finden sein müssen, wo der Leser sich aufhält (z.B. Werbung bei Facebook / Twitter / Instagram etc.). Deshalb wird es immer wichtiger auf Facebook, YouTube, Twitter usw. präsent zu sein. Dass der mediale Wandel begonnen hat, zeigt sich auch dadurch, dass hochkomplexe Themen mittlerweile über mehrere Stunden (z.B. Serie Mad Men) ausdiskutiert werden können. Problem dabei ist jedoch, dass nicht jeder Sender kooperiert und weiterhin ein „spießiges und biederes“ TV-Programm bietet. Die Digitalität ermöglicht revolutionäre Umbrüche sowie eine enorme Verfügbarkeit der Daten.

Aus Real-Time wird Before-Time

Ist es also ein Ende des Journalismus wie wir ihn kennen? Das Berufsbild wird zwar nie verschwinden, so Wichmann, aber der Journalist muss umdenken und sich deutlich mehr nach seinen Lesern richten. Außerdem wird er es deutlich schwerer haben als früher. Denn der Redakteur der Zukunft übernimmt die Rolle als Chefredakteur der Gegenwart. D.h. die Transparenz der Daten führt dazu, dass er oder sie entscheiden.

Durch diese Verfügbarkeit der Daten wird der Journalismus zu einem ganz anderen, so gravierend wird er sich verändern. Sein retrospektiver Charakter wird erweitert und eine neue Erzählform wird entstehen: aus Real-Time wird Before-Time. Um erfolgreich zu sein, fügt Wichmann hinzu, muss man das Rad nicht neu erfinden, es reicht lediglich es als erster zu importieren. Innovation wird ein großes Stichwort sein, diese ist jedoch mühsam und anstrengend. Deshalb ein weiterer Tipp von Wichmann: bestehendes Optimieren!

Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Warum schauen wir Filme? Eine Schlussbetrachtung

von Ricarda Dietrich

12413268605_f04b9b4414_zÜber die letzten Wochen war an dieser Stelle eine Menge über unterschiedliche Formate von Film zu lesen. Die Themen reichten von Daily Soaps über Serien, Krimis und Videoplattformen bis zum Kinobesuch, diversen Fernsehshows und schließlich informativen und bildenden Formaten wie den Nachrichten oder Dokumentationen.

Das Ziel des Schreibens und Lesens über diese Formate war es, ihre unterschiedlichen Bedeutungen für die Zuschauer zu erfassen und festzustellen, wie so viele Formate, die alle mit dem gleichen Medium, dem Film, vermittelt werden, nebeneinander existieren können. Meine Antwort nach eingängiger Beschäftigung mit dem Thema ist: Jedes einzelne Formate bedient ein anderes Bedürfnis des Menschen. Außerdem sind Geschmäcker natürlich verschieden, was immer eine große Rolle spielt, so auch in diesem Fall. Aber zurück zu den Bedürfnissen.

In den ersten beiden Artikeln ging es um Daily Soaps und Serien. Hier könnte man argumentieren, dass sie beide sehr ähnliche Bedürfnisse bedienen. Sowohl Serien als auch Soaps bieten die Möglichkeit, sich in eine andere Welt hineinzudenken. Da sie fortlaufend sind, entwickeln sich Geschichten und Charaktere komplexer als das bei einem Film möglich ist. Von der Thematik her ist die Serie natürlich sehr viel breiter aufgestellt. Hier wird jedes nur denkbare Thema verarbeitet. Daily Soaps hingegen haben immer einen dramatischen Unterton, auch wenn sie die Möglichkeit der Thematisierung von aktuellen Themen bieten. Sie sind dennoch nur in einem Genre angesiedelt. Serien bieten mit anspruchsvollen Quality-Serien auf der einen oder Sitcoms auf der anderen Seite eine große Bandbreite von Angeboten, die man je nach Stimmung wählen kann. Soaps hingegen haben den Vorteil der täglichen Ausstrahlung, was bei manchen Zuschauern noch ein weiteres Bedürfnis befriedigt, und zwar das nach einem strukturierten Tagesablauf. Durch täglich wiederkehrende Ereignisse lässt sich eine Routine entwickeln, das gilt für Unterhaltung durch Soaps genauso wie für Information durch die „Tagesschau“. Serien und Soaps bedienen also das Bedürfnis nach Ablenkung und Alltagsflucht, Identifikation mit den Charakteren und Handlungen sowie Spannung und Entspannung. Zusätzlich bieten Daily Soaps noch Struktur im Alltag.

Als nächstes wurden Videoplattformen am Beispiel von YouTube thematisiert. Hier bietet sich für den Nutzer die vollkommen selbstbestimmte Rezeption. Man schaltet nicht den Fernseher an und muss halt schauen, was grade kommt, sondern man sucht aktiv nach Videos, die man rezipieren möchte. Inzwischen ist das Repertoire von YouTube so gigantisch groß, dass es auch kaum etwas geben dürfte, zu dem man keinen Videobeitrag auf der Plattform finden kann. YouTube befriedigt also das Bedürfnis nach Selbstbestimmung in der Rezeption, ähnlich wie dies inzwischen Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime bieten. Zusätzlich bietet YouTube auf der anderen Seite Möglichkeiten für den „Normalo“, Videos herzustellen und hochzuladen. So ist inzwischen ein ganz neuer Berufszweig der mittlerweile professionellen YouTuber entstanden.

Das Kino kann streng genommen natürlich nicht als ein Format von Film gelten, da es in diesem Fall eher um das Erleben von Film im Rahmen eines Kinobesuches geht. Doch gerade das Kino wirft heutzutage die große Frage der Existenzberechtigung von solchen Einrichtungen auf, wo doch inzwischen viele Menschen riesig große Fernseher im Wohnzimmer stehen haben. Dass manche Filme allerdings im Kino noch ganz anders wirken können, hat bestimmt jeder schon einmal erlebt. Und was ein Kinobesuch obendrein noch bewirkt ist die Pflege von sozialen Kontakten. Man geht selten alleine ins Kino, sondern trifft sich mit Freunden, um den neuesten Blockbuster auf der großen Leinwand zu sehen.

Krimis sind ein Format, das unterschiedliche Bedürfnisse bedient. Spannung und Nervenkitzel sind ein Beispiel. Viele Menschen genießen Spannung, aber sie ist dennoch angenehmer auf der Couch mitzuerleben, wenn man selber in Sicherheit ist, als im wahren Leben. Außerdem definieren Krimis immer wieder aufs Neue was gut und was böse ist. Sie bedienen unser Verlangen nach Gerechtigkeit, wenn am Ende der Sendung das Gute über das Böse siegt.

Die vielen Fernsehshows, die das deutsche Fernsehen heutzutage bietet, richten sich nach den unterschiedlichsten Neigungen. Reality-Formate zum Beispiel wecken die Neugierde und den versteckten Voyeurismus im Zuschauer. Quiz- und Game-Shows lassen die Zuschauer mitfiebern und ihr eigenes Wissen testen, was wiederum Spannung erzeugt. Die meisten Shows unterhalten auch schlicht und einfach und tragen zur Entspannung, Ablenkung und Zerstreuung bei. Sie können aber auch der sozialen Orientierung dienen. Wenn ich sehe, was Menschen wie du und ich im Fernsehen machen, wie sie sich geben oder was sie leisten, dann kann ich mich selber ebenfalls positionieren.

Zu guter Letzt sind informative oder bildende Formate eher schnell einzuordnen, da sie von vornherein klarmachen, welches Bedürfnis sie befriedigen wollen: Das nach kognitivem Input. Der Mensch will dazulernen, er will sich weiterbilden und informiert sein. Dazu kann er die Nachrichten anschalten, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben oder er kann spezielle Dokumentationen oder Reportagen zu Themen sehen, die ihn interessieren oder in denen er sein Wissen vertiefen will. Die Nachrichten erfüllen außerdem den eingangs genannten Zweck der Strukturierung des Alltags. Das Abendprogramm vieler Deutschen richtet sich nach der „Tagesschau“ um 20 Uhr.

Was alle verschiedenen Formate gemeinsam haben ist, dass sie das Verlangen nach sozialer Akzeptanz und Integration bedienen können. Da sich unser Leben inzwischen zum großen Teil um das bewegte Bild dreht, findet man in diesem Themenbereich häufig Berührungspunkte und somit Gesprächsthemen. Denn so entspannend es auch sein kann, abends gemütlich einen Grey’s Anatomy-Marathon zu machen, es macht mindestens genauso viel Spaß, am nächsten Tag mit der Freundin über die neueste Folge zu quatschen.

Fotos: flickr.com/popturf.com (CC BY 2.0); flickr.com/Ted Eytan (CC BY-SA 2.0)

Bildungsfernsehen – „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“

von Ricarda Dietrich

„Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen“ (§11.1 aus dem Rundfunkstaatsvertrag).

Der Rundfunkstaatsvertrag beinhaltet für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland einen Bildungsauftrag. Das heißt, dass den Zuschauern ermöglicht werden muss, sich durch das Programm der Sender weiterbilden zu können. Private Sender hingegen sind gesetzlich nur dazu verpflichtet, inhaltliche Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitige Achtung zu bieten. All diese Dinge müssen natürlich auch von den öffentlich-rechtlichen Sendern geleistet werden, diese unterliegen jedoch, da sie nicht vorrangig durch Werbung, sondern hauptsächlich durch den Staat und die Rundfunkgebühren der Bürger finanziert werden, einer größeren Zahl an gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben. Was senden sie also, um den Bildungsauftrag zu erfüllen?

Der Deutsche ist ein Gewohnheitstier

Als erstes kommen natürlich die Nachrichtensendungen in den Sinn. Liebling der Deutschen ist hier ganz klar die „Tagesschau“, die bis zu 23 Mal am Tag auf dem Ersten und   einigen der dritten Programme ausgestrahlt wird. Die Hauptsendung um 20 Uhr schalteten im Jahr 2014 im Schnitt 8,95 Millionen Menschen ein. In den 1990er versuchten RTL und ProSieben, ihr Abendprogramm statt um 20.15 Uhr, also nach der Tagesschau, schon um 20.00 Uhr zu beginnen. Beide Sender kehrten schnell wieder zu dem alten Modell zurück. Die „Tagesschau“ um 20.00 Uhr ist schlichtweg Gewohnheit für viele Menschen in Deutschland. Wenn man umfassend informiert sein will, dann schaltet man um 20 Uhr aufs Erste. Auch die immer wieder aufkeimende Kritik an der zu dichten und komplizierten Sprache der Sprecher oder dem Fakt, dass sie die Nachrichten nur ablesen und nicht selber geschrieben haben, wie das bei den Kollegen im ZDF der Fall ist, ändert daran nichts. Und selbst wenn Sat1 um 19.55 Uhr oder RTL II ebenfalls um 20.00 Uhr ihre Nachrichten senden, kommen sie nicht an den seriösen Ruf der „Tagesschau“ heran. So schreibt die „Tagesschau“, zurecht könnte man meinen, auf ihrer Internetseite über sich selber, dass sie „Deutschlands älteste, bekannteste und erfolgreichste Nachrichtensendung“ sei.

ZDFzoom, ZDFzeit & Co.

Weitere Formate, die bilden sollen, sind die Fernsehreportage oder die Dokumentation. Studiert man das Fernsehprogramm der ARD, so findet man diese Formate unter der Woche nicht vor 20.00 Uhr. Am Wochenende tauchen sie auch schon mal im Vorabendprogramm auf, wenn die Polizeiserien oder Telenovelas Pause machen. Unter der Woche allerdings kommt es dann erstaunlich häufig vor, dass grade das ZDF Dokus oder Reportagen zu aktuellen Themen in der Primetime sendet. Diese betreffen zu so prominenter Sendezeit wie 20.15 Uhr häufig aktuelle Themen, wie momentan zum Beispiel die Flüchtlingsproblematik. Andere Themen dieser Formate, die gerne auch zu später Stunde noch gesendet werden, sind zum Beispiel Reisen, Geschichte oder Natur. Auch viele gesellschaftliche Porträts werden gezeigt, in denen zum Beispiel Menschen in außergewöhnlichen Situationen oder mit interessanten Lebensgeschichten begleitet werden. Reportagen und Dokumentationen sind Formate, die meist vom Zuschauer aktiv zur Rezeption ausgewählt werden. Man zappt nicht einfach so in eine Doku rein und lässt sich dann berieseln, sondern man setzt sich mit dem Thema auseinander und muss auch bereit sein, neue Information aufzunehmen. Daher sind die häufig späten Sendezeiten keine Hilfe für das Format. Die Ausstrahlung zur Primetime allerdings hilft mit Sicherheit, Menschen gerade mit aktuellen Themen zu erreichen.

Abgeschoben ins Nachtprogramm

4935150299_479069ed1d_zDes Weiteren senden die öffentlich-rechtlichen Sender Polit- und Kulturmagazine. „Titel, Thesen,Temperamente“ ist ein solches Magazin im Ersten. Es beschäftigt sich mit verschiedenen aktuellen Themen, die meist auch aus dem Bereich Kultur kommen. Allerdings ist auch hier wieder das Problem, dass die Sendezeit regulär sonntags ab 23.00 Uhr ist.

Das Problem der ungünstigen Sendezeit haben auch Polittalks. „Hart aber fair“ in der ARD ist eine der wenigen Ausnahmen, die schon um 21.00 Uhr gesendet wird. „Menschen bei Maischberger“, „Markus Lanz“ oder „Anne Will“ werden dagegen frühestens ab 22.00 Uhr gesendet. Daran, dass regelmäßig andere Medien am nächsten Tag von den Ereignissen und Ergebnissen der Gesprächrunden berichten, kann man ihre gesellschaftliche Relevanz deutlich erkennen. Dennoch wird ihnen kein günstigerer Sendeplatz zuteil.

Themensender als Lösung

Diese Problematik rührt daher, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender sich inzwischen anhand von Quoten mit den privaten Sendern messen müssen. Bildungsangebote erzielen keine hohen Einschaltquoten. Kritiker bezeichnen die Öffentlich-rechtlichen daher auch als „Lückenbüßer“, die alles senden, was auf den privaten Sendern nicht angeboten wird. Und das sind auch Nischenprogramme, die nicht die gleichen Quoten erzielen wie Unterhaltung oder Sport. Die öffentlich-rechtlichen Sender wehren sich natürlich gegen ein solches Image und versuchen, ihr Programm für die breite Zuschauermasse trotzdem so attraktiv wie möglich zu gestalten. Sie tun dies vermehrt mit ihren Themensendern. Indem sie Sender wie „einsfestival“, „zdfinfo“ oder „zdfkultur“ eingerichtet haben, haben sie Plattformen, um Nischenprogramme zu senden. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, auf ihrem Hauptsender mit Hilfe eines attraktiven Programms hohe Zuschauerquoten zu erzielen. Das Problem an diesen Spezial-Sendern ist nur, dass sie zum großen Teil nicht bekannt genug sind. Der Frauensender „sixx“ oder der auf Männer zugeschnittene Sender „DMAX“ haben dieses Problem nicht, da massiv für sie geworben wird.

Die Möglichkeit, sich durch das Fernsehen (weiter-) zu bilden ist also durchaus gegeben. Man muss sich allerdings gut auskennen und gezielt Sendungen auch zu ungewöhnlichen Zeiten einschalten. Wer nach Bildungsfernsehen sucht, sollte sich nachmittags allerdings eher vom Fernseher fernhalten. Das Nachmittagsprogramm auf den meisten Sender trägt nämlich nur bedingt zur Bildung bei…

Fotos: flickr.com/Marcus Sümnick (CC BY-SA 2.0); flickr.com/Michael (CC BY-ND 2.0)

Fernsehshows – „Top, die Wette gilt.“

von Ricarda Dietrich

3946869891_ba85cf97bc_zNachdem wir uns zuletzt Reality-Show angesehen haben, sollen nun auch andere Formen des Unterhaltungsfernsehens unter die Lupe genommen werden. Und die Auswahl ist groß: Der Zuschauer hat die Wahl zwischen Casting-, Quiz-, Ranking-, Talk- und Samstagabend-Shows. Diese Unterhaltungssendungen erreichen schon seit einigen Jahren die höchsten Einschaltquoten der Sender. Ein Wunder, dass dazwischen überhaupt noch Zeit ist, mal einen Film zu senden.

Warum nutzen Zuschauer diese Unterhaltungsangebote? Zum einen kommt wieder der schon häufig genannte Eskapismus ins Spiel. Fernsehen bietet Zerstreuung und Entspannung, man kann der Monotonie des Alltags entfliehen und Körper und Gedanken zur Ruhe kommen lassen. Welcher Nutzenaspekt allerdings genau daraus gezogen wird, entscheidet jeder selber. Schaut man einmal genauer auf die verschiedenen Shows im Fernsehen, so lassen sich jedoch, abgesehen von Entspannung und Eskapismus, durchaus weitere Motive für die Rezeption erkennen.

Mit Günther Jauch zu der Millionen

Um die Jahrtausendwende brach eine regelrechte Welle von Quizshows über Deutschland herein. Auslöser dafür war die 1999 erstmals ausgestrahlte Show „Wer wird Millionär?“. Das Quizshow-Format, das aus Großbritannien nach Deutschland kam, erfreute sich von Beginn an großer Begeisterung und sorgte dafür, dass weitere Shows dieses Formats entstanden. Zwar wird „Wer wird Millionär?“ inzwischen nur noch montags, und nicht mehr, wie in den ersten Jahren, montags, freitags und sogar samstags ausgestrahlt, doch als in der Show vom 07. Dezember 2015 ein Student die Millionenfrage richtig beantwortete, wurde wieder in allen denkbaren Medien darüber berichtet. Quizshows sind und bleiben ein beliebtes Format. Warum? Neben der Unterhaltung besteht bei diesem Format die Möglichkeit, sich Wissen anzueignen. Der Zuschauer liest die Fragen und Antworten gemeinsam mit dem Kandidaten und überlegt sich selber, welche die richtige Lösung sein könnte. Er fiebert und rätselt mit, kann somit sein Allgemeinwissen erweitern und hat außerdem noch spannende 45 Minuten erlebt. Zudem kommt bei „Wer wird Millionär?“ noch hinzu, dass Günther Jauch ein Moderator ist, der beim Publikum und den Zuschauern daheim sehr gut ankommt. Die Show lebt neben den Fragen und dem Gewinn auch von seinen Unterhaltungen mit den Kandidaten oder dem Publikum.

Gegen Stefan Raab zu Ruhm und Ehre (und einer halben Million)

Ein Show-Format, das schon seit den 60er Jahren sehr beliebt war, sind die Samstagabend-Shows. Diese bestanden aus Spielelementen, Musikauftritten und Studiogästen. Zu Zeiten, als es noch nicht allzu viele andere Unterhaltungsangebote gab, waren diese Shows regelrechte Straßenfeger: Jeder saß mit der Familie am Samstagabend vor dem Fernseher, sofern einer vorhanden war. „Wetten, dass…?“ ist eine solche Show, die sich verhältnismäßig lange gehalten hat, da sie sich immer wieder den neuen Begebenheiten angepasst hat. Auch in meiner Kindheit war es noch üblich, den Samstagabend mit den Eltern und Thomas Gottschalk zu verbringen.

„Schlag den Raab“ wäre ein (grade noch) aktuelles Beispiel für eine solche Samstagabend-Show der heutigen Zeit. Auch in diesen Shows hat natürlich der Moderator einen großen Einfluss auf den Erfolg der Show. So ist Stefan Raab durchaus beliebt beim deutschen Publikum und viele werden samstagsabends einschalten, um zu sehen, ob es mal wieder einen Kandidaten gibt, der Raab schlagen kann (was übrigens in 70% der Duelle nicht der Fall ist). So vereinen Samstagabend-Shows den Unterhaltungsaspekt mit dem sozialen Erleben in der Familie, mit Freunden oder auch im Gespräch am nächsten Montag auf der Arbeit.

Mit Heidi Klum auf den Laufsteg

5962933795_d3769fbc25_zAls Fernsehzuschauer in Deutschland kann man sich Casting-Shows heutzutage kaum noch entziehen. Auslöser war dafür im Jahr 2000 „Popstars“. Dicht gefolgt von „Deutschland sucht den Superstar“ hat es uns heute bis zu „The Voice of Germany“ und, über die Musik hinaus, zu „Germany’s next Topmodel“ und dem „Supertalent“ geführt. Während die Gewinner der ersten Staffeln dieser Formate teilweise tatsächlich erfolgreich sind bis zum heutigen Tage, hört man von Gewinnerin Nummer sieben von „Germany’s next Topmodel“ nur noch sehr wenig. Mit wechselnden Bedingungen und kleinen Veränderungen im Format oder der Jury versucht man, die Zuschauerschaft immer noch zu binden, doch nach zehn Jahren sind die meisten Shows schlichtweg uninteressant geworden. Dass wir uns ihnen dennoch ab und an zuwenden liegt am gleichen Prinzip, das auch Serien nutzen: haben wir einmal angefangen zu schauen, wollen wir auch wissen, wer weiter kommt.

Bei „Deutschland sucht den Superstar“ spielt noch ein anderer Aspekt eine Rolle: bekannterweise ist das vermeintliche Gesangstalent der Teilnehmer inzwischen unterdurchschnittlich schlecht, aber genau das macht den Reiz aus. Wir sitzen auf dem Sofa, schämen uns manchmal ein bisschen fremd und rufen „Da kann ja sogar ich noch besser singen!“. Hinzu kommen die gemeinen Kommentare von Dieter Bohlen und die Unterhaltung ist perfekt. Die Kandidaten geben uns ein höheres Selbstwertgefühl, „Besser als die sind wir allemal dran.“ So könnte man an dieser Stelle wieder den Bogen zu Reality-Shows schlagen und gewisse Ähnlichkeiten zu „Deutschland sucht den Superstar“ feststellen. Die Gründe der Zuwendung sind auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit.

Mit Joko und Klaas in die Zukunft

Aber wer die Ereignisse der deutschen Fernsehlandschaft etwas verfolgt, der weiß: „Wetten, dass…?“ gibt es nicht mehr, Stefan Raab beendet in wenigen Wochen seine TV-Karriere und Günther Jauch hat seinen Exkurs in die Talkshow-Welt auch recht schnell wieder beendet. Sind diese Show-Formate also zum Scheitern verurteilt? Nicht zwangsläufig. Die Formate müssen in Bewegung bleiben und sich verändern. „Wetten, dass…?“ lief immerhin über 30 Jahre ziemlich erfolgreich. Irgendwann ist dann halt auch mal gut. Manchmal muss Platz gemacht werden für neue Formate. Joko und Klaas, zum Beispiel, werden seit einigen Jahren als die nächste Generation gehandelt, die genau diese neuen Formate einführt, die wieder die Menschen vor den Fernseher bringen. Durch das Internet und Streaming-Dienste hat das Fernsehen natürlich eine große Konkurrenz bekommen. Daher bleibt also nur zu hoffen, dass es noch mehr Leute wie Joko und Klaas gibt, die es schaffen, mit verrückten und frischen Ideen die Leute wieder zu begeistern.

Fotos: flickr.com/Mark Michaelis (CC BY 2.0); flickr.com/Admiralspalast Berlin (CC BY-ND 2.0); flickr.com/Nadja Amireh (CC BY-SA 2.0)

Mehr als nur Zombies – die Erfolgsformel von TWD

Von Philipp Mang

Der Streifzug durch das transmediale Universum hat es gezeigt: Egal in welchem Medium – The Walking Dead begeistert die Massen. So hat die Comicreihe in den Staaten beispielsweise längst Kultstatus erreicht, während die Fernsehserie größeren Networkformaten in Sachen Einschaltquoten immer häufiger den Rang abläuft. Auch die Webserien und Videospiele erfreuen sich erstaunlicher Klick- und Downloadzahlen. Warum geht diese crossmediale Vermarktungsstrategie der Verantwortlichen so gut auf? Zeit für ein abschließendes Resümee.

Das Spiel mit den Urängsten

Zunächst einmal verfügt The Walking Dead über ein faszinierendes Ausgangsszenario: Eine Pandemie, die die Weltbevölkerung auszulöschen droht – diese Bedrohung ist wohl nicht erst seit Krankheiten wie der Schweine- oder Vogelgrippe in unseren Köpfen omnipräsent. Ähnlich wie die Charaktere des fiktionalen Universums haben auch wir ständig Angst, die Menschen, die wir lieben, zu verlieren und das Eintauchen in die Zombieapokalypse ist unsere Art mit all den Schrecken in der Welt umzugehen. Kirkman spielt also geschickt mit einer unserer Urängste und reaktiviert gleichzeitig ein Mythos aus der medialen Versenkung, der die Menschen schon seit Anbeginn ihrer Zeit fasziniert: Zombies. Diese untoten Kreaturen treffen aber keinesfalls den Mainstream-Geschmack des Publikums und spielen für die generelle Faszination deshalb nur eine untergeordnete Rolle.

Ein ungewöhnliches Rezeptionserlebnis

Viel entscheidender ist da, da es sich bei hierbei um ein hochgradig ungewöhnliches Franchise handelt. Dies zeigt sich zum einen in dem interessanten Genre-Mix aus Endzeithorror, Neo-Western und Drama. In manchen Momenten ist TWD eine düstere Charakterstudie, die den moralischen Verfall der menschlichen Psyche beleuchtet – Sekunden später eine blutige Seifenoper, in der die Charaktere lügen und Intrigen spinnen. Darüber hinaus zeigt sich die Besonderheit des Franchise aber auch in der exzessiven Darstellung von Gewalt, die insbesondere Jugendschützern ein Dorn im Auge ist, und in der Verhandlung moralischer Dilemmata. Als Clou erweist sich außerdem die kompromisslose Erzählweise. So schrecken die Macher etwa nicht davor zurück, auch beliebte Charaktere umzubringen. All dies hat zur Folge, dass sich Menschen unterschiedlichster Ethnizitäten, Altersgruppen und Bildungsniveaus mit Kirkmans Geschichten identifizieren können. Trotz alledem sei darauf hingewiesen, dass Medienrezeption ein unheimlich vielschichtiger Prozess ist. Warum ein Rezipient ein bestimmtes mediales Angebot konsumiert kann von unterschiedlichsten Faktoren abhängen. Die oben vorgestellten Gründe sollten deshalb lediglich als erste Ansatzpunkte dafür betrachtet werden, warum TWD so viele Menschen fasziniert.

Transmediales Storytelling in Perfektion

Auch die clevere Konstruktion des transmedialen Universums als Non-Finito Erzählung trägt ihren Teil zum Folg des Franchise bei. Zahlreiche narrative Leerstellen sorgen hier für eine Aktivierung des Rezipienten, der immer neue Aspekte des Zombie-Kosmos entdecken will. Zwar liefert keiner der einzelnen Beiträge ein so genanntes Origami Unicorn (d.h. einen überraschenden Plottwist), doch jedes Medium spielt, wie von Jenkins gefordert, seine Stärken konsequent aus. So zieht uns der Comic etwa durch seine außergewöhnliche Visualität in den Bann, die TV-Serie erweist sich als äußerst realistisch, wohingegen die Videospiele als einziges Medium eine Interaktion mit der fiktiven Welt erlauben. Die Romane und Webisodes statten das Universum schließlich mit interessanten Hintergrundinformationen aus. Erzählt wird dabei immer eine komplett eigenständige Geschichte. Deshalb kann auch jedes Medienprodukt prinzipiell als Einstieg in Kirkmans Zombie-Universum dienen. Um die Webisodes zu verstehen muss man beispielsweise nicht die Comics gelesen haben und umgekehrt. TWD ist damit fast schon als Paradebeispiel für gelungenes Transmediales Worldbuilding zu bezeichnen.

Das Phänomen geht weiter …

Da überrascht es nicht, dass das Franchise jüngst um weitere Erzählstücke erweitert worden ist. So startete im Sommer dieses Jahres etwa das lang erwartete Spinoff zur Mutterserie Fear auf AMC und sorgte dort für den erfolgreichsten Neustart einer Kabelserie überhaupt. Eine zweite Staffel des Formats ist deshalb bereits längst beschlossene Sache. Fear erzählt in bislang sechs Episoden eine komplett neue Geschichte abseits der Gruppe um Rick, die zeitlich vor den Ereignissen aus TWD angesiedelt ist. Im Mittelpunkt der Serie steht eine Patchworkfamilie, die in der kalifornischen Großstadt L.A. den Ausbruch der Zombie-Apokalypse von Anfang an miterlebt. Doch auch in Sachen Mini-Serie legen die Verantwortlich nach. Um den Fans des Spinoff die Wartezeit auf neue Geschichten zu verkürzen, sollen ab Ende des Jahres 16 knapp einminütige Webisodes auf der Homepage des Senders veröffentlicht werden. Unter dem Titel Flight 462 wird der Zombie-Horror dabei erstmalig an Bord eines Passagierflugzeuges verlegt.

TWD & kein Ende?!

19478267758_73a31d26c3_zEin Ende des apokalyptischen Zombie-Horrors ist also längst noch in Sicht. Ob das Phänomen aber wirklich „unendlich lang weiterlaufen“ wird, wie Produzent David Alpert jüngst in einem Interview verlauten ließ, darf durchaus bezweifelt werden. Tatsächlich wird der Fortbestand von Kirkmans Franchise vor allem davon abhängen, wie schnell sich dessen außergewöhnliche Machart bei den Fans der Reihe abnutzt. Gelingt es den Machern nicht, weiterhin überraschende Wendungen zu konstruieren, wird sich der Hype um die Untoten drastisch abkühlen. Irgendwann ist eben jeder noch so aussichtsreiche Markt einmal übersättigt. Bis es so weit ist, wird aber bereits ein neues Phänomen in den Startlöchern stecken, dass unsere mediale Faszination auf sich zieht.

Fotos: flickr.com/Televisione Streaming (CC BY 2.0), flickr.com/Scott Beale (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Ewen Roberts (CC BY 2.0)


Weitere Artikel der Reihe:

Wenn aus apokalyptischem Ernst Spiel wird

Das Serienhäppchen für zwischendurch

Ein multimediales Franchise

Der Hype um die Qualitätsserie

Ethik im Angesicht des Todes

Das transmediale Phänomen „The Walking Dead“

Mythos Zombie

Wenn die Welt untergeht

Gewalt als Attraktion

Michael Stone – die unglückliche Puppe

Von Maya Morlock

„Anomalisa“ erzählt die Geschichte eines erfolgreichen, aber einsamen Buchautors, der durch die Begegnung mit einer wundervollen Frau neuen Lebensmut schöpft. Der gefeierte Stop-Motion Film von Charlie Kaufmann und Duke Johnson(Regie) belegte bereits beim internationalen Filmfestival in Venedig den ersten Platz. Bei uns ist er ab dem 27. Januar 2016 zu sehen.

Von Einsamkeit und dem Lichtschimmer

17178312972_9f01c592a0_zMichael Stone wirkt nicht gerade glücklich: Seine missmutige Miene spricht Bände, die Augen sehen ins Leere und er hat die Tendenz seinen Kopf hängen zu lassen. Der Buchautor, der Ratgeber zur Kundenzufriedenheit in der Servicegesellschaft verfasst, ist geschäftlich zu Gast in Cincinnati in Ohio, um einen Vortag zu halten. Gerade von ihm sollte man meinen, er sei ein offener und kommunikativer Mensch, doch er lebt in der Isolation, in seiner eigenen Blase, durch die niemand einen Draht zu ihm findet. Die Menschen um ihn herum gehen auf ihn zu, unterhalten sich mit ihm, doch er versucht nur das Nötigste zu sprechen. Selbst seinen Sohn wimmelt er am Telefon ab. Doch dann lernt er die schüchterne Lisa im Hotel kennen und für einen kurzen Moment scheint er der Einsamkeit entkommen zu sein…

Viel Herz und eine brillante Technik

Dieser Stop-Motion Film macht seinem Ruf alle Ehre: Die Puppen sind vom Feinsten und die Animationen sind herrlich anzusehen. Auffällig bei den Puppen ist eine Art Naht, die zwischen den Augen und bis zum Ohr verläuft, als sei ein Kopfstück aufgesetzt worden. Es sieht immer ein bisschen so aus, als trage jede Figur eine Brille. Der ästhetische oder inhaltliche Grund wird nicht aufgelöst. Den guten Gesichtsausdrücken und der Wirkung der Figuren tut dies aber keinen Abbruch: Ohne viele Worte erkennt man die Leere in Michaels Mimik und die zurückgezogene Haltung von Lisa entlarvt sofort ihre Schüchternheit im Umgang mit fremden Menschen. Die Stop-Motion-Technik hat es so an sich, dass die Bewegungen etwas unnatürlich und abgehackt aussehen. Wo die neueren Stop-Motion-Techniken, beispielsweise bei Tim Burtons „Corpse Bride“, diese Brüche kaum mehr erkennen lassen, sind sie in diesem Meisterwerk unübersehbar. Die Szenen scheinen bis ins kleinste Detail geplant und auch das Licht wird gut in Szene gesetzt. Auffällig und verwirrend sind die Frauenstimmen: Sie werden alle von demselben Mann gesprochen, der tiefere Sinn entpuppt sich relativ weit am Ende und lässt die Brillanz dieses Films erkennen.

Der Puppenfilm für Erwachsene

Wer nun meint „Puppenfilm“ gleich Kinderfilm liegt bei „Anomalisa“ komplett daneben: Die Geschichte, die aus der Feder des Oscarpreisträgers („Vergiss mein nicht“) Regisseur Charlie Kaufmann, stammt, grübelt über den Sinn des Lebens und die Menschlichkeit. Was macht das Leben lebenswert und wie entkommt man einem tristen Dasein in der Isolation? Gibt es ab einem gewissen Grad überhaupt noch das Glück? Oder ist alles nur ein anfänglicher Schein, der dann wie eine Rauchwolke zu verpuffen droht?

Ein Film mit enorm viel Liebe zum Detail und Spielraum für eigene Interpretationen – Das ist „Anomalisa“.

Fotos: flickr.com/gilles chiroleu (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Heinrich Plum (CC BY-ND 2.0)

Reality-Shows – „Ich bin ein Star- holt mich hier raus!“

von Ricarda Dietrich

Was kommt als erstes in den Sinn, wenn das Wort „Reality Show“ fällt? Bei mir war es „Big Brother“. Der Begriff stammt aus dem Roman „1984“ von George Orwell und beschreibt in dem Buch die komplette Überwachung der Gesellschaft durch den „Großen Bruder“. Mithilfe von Videokameras und Mikrofonen wird jeder Schritt, jede Bewegung, jedes Gespräch gesehen und gehört. Privatsphäre ist so nicht mehr existent.

Die gleichnamige Reality-Show greift dieses Konzept auf. Eine Gruppe von Menschen lebt über einen längeren Zeitraum in einem Fernsehstudio, das als Wohnung eingerichtet ist, der so genannte „Container“. Die Bewohner werden dabei permanent von Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet, also rund um die Uhr beobachtet. Für die Zuschauer werden Zusammenfassungen des Tages zusammengeschnitten und täglich ausgestrahlt. Sie haben dann die Möglichkeit, zu wählen, welche Leute im Container bleiben dürfen. Der Kandidat, der am Ende als letztes aus dem Container rausgeworfen wird, hat gewonnen.

Seit die Show im Jahr 2000 zum ersten Mal auf RTL II lief, wurde sie, zurecht, scharf kritisiert. Es wurden mangelnde Privatsphäre und die Zoo-ähnliche „Haltung“ von Menschen angeprangert. Dennoch war dieses Format in den ersten Jahren erstaunlich erfolgreich. Nachdem die erste Staffel bei den Zuschauern sehr gut ankam, bewarben sich für die zweite Staffel 70.000 Menschen, um als Kandidaten in den Container einziehen zu dürfen.

Wie viel Reality steckt wirklich in diesen Formaten?

Was hat dieses Format mit Reality, mit der Wirklichkeit zu tun? Die Menschen werden zwar in einem künstlichen Umfeld zusammengesteckt, doch schauen wir ihnen scheinbar bei alltäglichen Dingen zu, die auch unsere Wirklichkeit ausmachen. Sie müssen, wie auch in der Wirklichkeit, sich morgens Kleidung raussuchen, den Abwasch machen oder staubsaugen. Hinzu kommen bei Big Brother dann noch kleinere Wettbewerbe oder Spiele, um den Tagesablauf etwas interessanter zu gestalten. Die Begriffe „scripted Reality“ oder „performatives Realitätsfernsehen“ kommen hier in den Sinn. Es soll zwar wie die Wirklichkeit aufgezogen sein oder ganz natürlich rüberkommen, aber schlussendlich hat doch ein Produzent seine Finger im Spiel, der Rollen verteilt, Tagesabläufe bestimmt oder Dialogfetzen vorgibt.

Realität als Unterhaltung

Warum schaut der Zuschauer sich ein derartiges Format an? Medienpsychologen und -wissenschaftler haben hierzu Studien durchgeführt und kommen zu folgenden Schlüssen: Reality-Shows bieten, wie jedes andere Unterhaltungsmedium, Ablenkung, die Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag und vor den persönlichen Problemen. Hinzu kommt, dass man den Kandidaten im Container bei alltäglichen Dingen zusieht, die man auch tag ein, tag aus verrichtet. Es ist also eine deutlich stärkere Identifizierung mit den Protagonisten möglich als zum Beispiel mit jemandem, der den amerikanischen Präsidenten oder einen Kommissar in einer Fernsehserie spielt. Charaktere in Reality-Shows sind auch nur Menschen wie du und ich.

Diese Darstellung von „normalen“ Menschen in Alltagssituationen bietet dem Zuschauer außerdem die Möglichkeit des Abgleiches mit der eigenen Lebensrealität. Man kann sich sozial orientieren und einordnen. Zudem bieten Shows mit einem derartigen Sensationscharakter einen hohen sozialen Nutzen: sie bieten Gesprächsstoff im Alltag und können somit auf die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen verstärken.

Doch obwohl „Big Brother“ zwar 2015 in einer neuen Staffel wieder auf Sixx läuft, hat die Show trotz all der genannten Argumente nach anfänglichem Erfolg schnell an Beliebtheit verloren. Das mag daran liegen, dass sie dann halt doch nur das normale, und somit auch manchmal langweilige Leben der Kandidaten im Container darstellt. Was das Drama angeht, kann sie somit nicht mit den beliebten Daily Soaps mithalten. Zudem wird der Show auf der anderen Seite immer wieder mangelnde Authentizität vorgeworfen, da sich die Kandidaten doch in einer sehr unnatürlichen Situation wiederfinden.

Jenseits von „Big Brother“

2500417744_b3a730dd8a_zInzwischen erfreuen sich andere Formate großer Beliebtheit, die auch in dem Bereich der Reality-Formate angesiedelt sind. Beispiele hierfür sind Sendungen wir „Bauer sucht Frau“, „Das perfekte Dinner“ oder „Familien im Brennpunkt“. Diese Art von Shows machten 2012 38% der Sendezeit auf RTL aus. Eine Mischung aus Schadenfreude, Voyeurismus und Alltagshilfe bringt viele Menschen dazu, täglich diese Sendungen anzuschauen. Man hat das Gefühl, man schaut den Menschen von nebenan zu, manchmal kann man sich wertvolle Koch- oder Einrichtungstipps holen und manche Sendungen geben uns die Hoffnung auf die wahre Liebe zurück. Auf der anderen Seite sitzt man aber auch auf seiner Couch und kann sich gut fühlen, dass man selber nicht so viele Schulden oder eine so komplizierte Familie hat. Ein Gefühl der Erhabenheit über die Teilnehmer solcher Shows stellt sich sicherlich auch bei dem einen oder anderen ein.

Ein weiteres Highlight für Menschen mit einer voyeueristischen Vorliebe ist das Dschungelcamp „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“. Die Medien prägten vor einiger Zeit für genau solche Beispiele den Begriff des „Ekelfernsehens“. Wir schauen gerne anderen Menschen dabei zu, wie sie in Kakerlaken baden oder Tierhoden essen müssen, weil es uns unterhält. Wir ekeln uns, sind aber selber in Sicherheit. Und während der eine kopfschüttelnd weiterzappt, findet der andere es lustig, wenn sich so genannte „Promis“ durch den Dschungel schlagen. Denn auch beim Fernsehen gilt: Geschmäcker sind eben verschieden.

Fotos: flickr.com/Danny Mekic‘ (CC BY-ND 2.0); flickr.com/themonnie (CC BY-SA 2.0)

„Krimi schauen ist wie Achterbahn fahren“

von Ricarda Dietrich

„Krimi schauen ist wie Achterbahn fahren“

(Borwin Brandelow, Psychiater aus Göttingen)

 

Es ist ein deutsches Phänomen: Sonntagsabends um 20.15 Uhr sitzt die gesamte Republik vor dem Fernseher und schaut verschiedenen Ermittler-Teams beim Aufklären von Fällen zu. Woher kommt diese Faszination mit Mord und Geheimnissen? Was gefällt Menschen so an Krimis?

13 der 15 meistgesehenen Filme im deutschen Fernsehen im Jahre 2010 waren „Tatorte“. Diese Zahlen zeigen vor allem eins: Wir lieben Spannung. Krimis sind eines der beliebtesten Fernseh-Formate und der „Tatort“ speziell läuft seit 1970, also nun seit 45 Jahren sehr erfolgreich. Um noch ein paar weitere überzeugende Zahlen zu liefern: insgesamt wurden in diesen 45 Jahren 962 Folgen des „Tatorts“ ausgestrahlt. Es gibt etwa 35 neue Folgen jedes Jahr, die beliebtesten davon sind laut Einschaltquoten die, in denen das Münsteraner Ermittler-Team sich auf die Fährte von Verbrechern und Mördern begibt. Am 08. November 2015 zum Beispiel, schalteten 13,63 Millionen Zuschauer den Fernseher ein, um Boerne und Thiel in der neuen Folge „Schwanensee“ beim Ermitteln über die Schulter zu schauen. Woher kommt dieser wahnsinnige Erfolg von Krimis? Wohl nicht nur von unterhaltsamen Ermittler-Teams, auch wenn diese sicherlich eine große Rolle im internen „Tatort“-Ranking spielen.

Gruseln zur Bedürnisbefriedigung

1477203892_0b11668f81_zKrimis befriedigen drei Bedürfnisse des Menschen. Zum einen besitzen wir ein Grundbedürfnis nach Gerechtigkeit. In Krimis, die in den meisten Fällen den Kampf des Guten gegen das Böse darstellen, wird genau dieses Bedürfnis befriedigt. Der Mörder ist am Ende der Folge gefasst, die Ermittler haben gesiegt.

Ein weiteres Bedürfnis, das Krimis befriedigen, ist das nach Spannungsabbau. Der durch eine spannende Handlung aufgebaute Nervenkitzel wird von uns als angenehm empfunden. Die Spannung weckt Urinstinkte in uns, die dafür sorgen, dass wir uns im Notfall verteidigen oder flüchten. Sehen wir jedoch einen Krimi im Fernsehen, dann wissen wir, dass wir sicher sind, im Wohnzimmer auf der Couch. Wir können also diese Spannung erleben ohne selber in Gefahr zu sein. Nachdem die Schreckensmomente vorbei sind, schüttet der Körper Glückshormone aus – ein angenehmer Nebeneffekt. Durch die Bestätigung, dass am Ende alles gut ausgeht, können wir wieder entspannen und von dieser Erfahrung etwas mit in unseren Alltag nehmen; es wird am Ende alles gut. Der erwünschte Spannungsabbau ist erreicht.

Außerdem ist der Mensch, so einfach es klingen mag, ein neugieriges Lebewesen. Wir mögen Geheimnisse und rätseln gerne mit, wer der Täter gewesen sein könnte. Zudem führt es uns immer wieder vor Augen, wie profan unsere Geheimnisse oder Probleme doch sind im Vergleich zu den schweren Verbrechen, die im Fernsehen geschehen. Da kann man auch schon mal darüber hinwegsehen, dass die Aufklärungsquote in Krimis äußerst unrealistisch ist. Laut polizeilicher Kriminalstatistik werden 54% aller Fälle im echten Leben aufgeklärt. Im Krimi sind es etwa 99%. Aber ein unaufgeklärter Fall wäre für die Zuschauer nicht befriedigend, da er mit einem mulmigen Gefühl den Fernseher ausschalten würde, dass manche Verbrecher nicht gefasst werden, sondern mitten unter uns leben. Um etwas über diese Realität zu erfahren schaut man Nachrichten und kein Unterhaltungsfernsehen.

Aktualität und gesellschaftlicher Diskurs

Die gesellschaftliche Relevanz von Krimis darf nicht unterschätzt werden. Krimis beschäftigen sich unausweichlich mit Moralüberschreitungen und -verletzungen. Sie führen dazu, zu hinterfragen, was richtig und was falsch ist und ob etwas Falsches in manchen Situationen nicht auch vertretbar sein kann. So geben sie nicht nur die Möglichkeit, sich mit den Ermittlern zu identifizieren, die immer auch ihr eigenes Gepäck mit in den Fall bringen, sondern bisweilen findet der Zuschauer sich auch in der Position, sich mit dem Opfer oder sogar dem Täter verbunden zu fühlen. Außerdem kann der Krimi auch Milieus und Kreise beleuchten und zugänglich machen, mit denen der Durchschnitts-Bürger sonst nicht in Berührung kommt.

Die Deutschen und ihr „Tatort“

14214570902_ce4a8f229a_zBesonders der Lieblings-Krimi der Deutschen, der „Tatort“, übt diese Funktion verstärkt aus. Wie bei den meisten Krimis, die im Fernsehen zu sehen sind, ist der „Tatort“ eher im Alltag angesiedelt – der Fall ebenso wie die Sendezeit. Krimis, die für die große Leinwand produziert werden gehen häufiger in die Genre-Richtung des Thrillers und decken größere Komplotte, Verstrickungen und Skandale auf, als es sie in Münster oder Ludwigshafen wohl geben wird. Doch gerade der manchmal kleinstädtische, aber vor allem der regionale Bezug ist das, was jeden Sonntag tausende Menschen vor die Fernseher lockt. Regionale Besonderheiten sind bewusst eingebaut, man kennt die Orte, an denen die Ermittler ihre Curry-Wurst essen und identifiziert sich so mit der Krimi-Reihe. Zudem werden im „Tatort“ häufig aktuelle Themen, die die Bevölkerung beschäftigen, behandelt. Sei es Stuttgart 21 oder das Thema des Bleiberechts. Der Zuschauer hat im „Tatort“ häufig noch einmal die Chance, sich mit diesen Themen auf eine andere Art und mit einer anderen Perspektive auseinander zu setzen, als wenn er nur die Nachrichten schaut.

Genau diese zwei Punkte sind die wichtigsten Argumente, um den „Tatort“ einzuschalten. Zudem hat er sich inzwischen zum neuen Wochenendritual in vielen Familien oder Wohnungen gemausert. Das was früher einmal „Wetten, dass…?“ war, ist heute der „Tatort“. Auch wenn vielleicht nicht mehr unbedingt die Kinder mitschauen, man schaut ihn doch häufig im Kollektiv. Es gibt viele Kneipen, die Sonntagsabends ein „Tatort“-Schauen anbieten. Er ist aber auch ein gutes Beispiel für die Neigung zur Routine der Deutschen. Der Krimi am Sonntagabend gehört zur Woche dazu und wenn der Fall um 21:40 geklärt ist, dann kann die Zuschauerschaft zufrieden in die Woche entlassen werden. Und sollte jemandem der Sonntagabend nicht genügen, so ist an jedem anderen Abend der Woche ein alter „Tatort“ auf einem der dritten Programme zu finden.

Fotos: flickr.com/Eva Freude (CC BY-NC-SA 2.0); flickr.com/seagers (CC BY-NC-SA 2.0); flickr.com/Tim Reckmann (CC BY-NC-SA 2.0)

Wenn aus apokalyptischem Ernst Spiel wird

Von Philipp Mang

Computerspiele erfreuen sich in unserer Gesellschaft immer größerer Beliebtheit. Nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern längst auch bei Erwachsenen aus unterschiedlichsten Bildungsniveaus – dies geht aus einer Untersuchung des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware hervor. So konsumiert in Deutschland mittlerweile jeder zweite Bundesbürger regelmäßig digitale Spiele – Tendenz steigend. Und auch die internationale Spielebranche erfreut sich zunehmend an Umsatzzahlen, die sich hinter Hollywoods Filmindustrie nicht länger verstecken müssen. Wie ist diese Faszination aber zu erklären?

Immersion als Schlüsselmerkmal

Zur Beantwortung dieser Frage, ist zunächst einmal der Begriff der Immersion heranzuziehen, der das metaphorische Eintauchen in fiktionale Welten bezeichnet. Dieser Wirkungseffekt ist in Videospielen besonders stark zu beobachten. Anders als bei Filmen, Serien oder Comics – die allesamt nur eine passive Rezeption ermöglichen – kann der Konsument die Erzählung hier nämlich aktiv durch seine Entscheidungen beeinflussen. Er interagiert dabei mit einer künstlich geschaffenen Umgebung und betrachtet die Protagonisten im Spiel gewissermaßen als eine Erweiterung seiner selbst. Das Ausmaß seiner emotionalen Involvierung wird auf diese Weise beträchtlich gesteigert. Insbesondere in transmedialen Welten kommt digitalen Spielen damit eine entscheidende Rolle zu.

Die Zombies erobern Smartphones & Tablets

9497139020_1d37d428b6_zEs ist also keine Überraschung, dass sich auch die Macher von TWD dazu entschlossen haben, das Franchise um digitale Erzählstücke zu erweitern. Absoluten Kultstatus unter Fans genießt dabei das so genannte Point-and-Click-Adventure der Marke Telltale, das sich in ästhetischer Hinsicht stark an den Comics orientiert. Dieses ist seit dem Jahr 2012 über den Appstore für mobile Endgeräte verfügbar und tut genau das, was Spiele am besten können: Es macht den Spieler selbst zu einem aktiven Teil der Zombie-Apokalypse, in dessen Verlauf er nicht nur Original-Schauplätze aus dem Comic (wie z.B. Hershels Farm), sondern auch beliebte Charaktere aus der Serie (u.a. Glenn) trifft.

Eine Waise kämpft ums Überleben

Die bislang zehn Episoden umfassende Geschichte ist dabei in der gleichen fiktionalen Welt angesiedelt wie die Comics, rückt jedoch völlig neue Charaktere in den Mittelpunkt. So wird anfangs vor allem das Schicksal des verurteilten Straftäters Lee Everett beleuchtet. Dieser rettet nach Ausbruch der Zombie-Seuche der jungen Clementine in ihrem verlassenen Elternhaus das Leben und nimmt die Waisin fortan unter seine Fittiche. Der Spieler begleitet die beiden im Laufe der Handlung auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort und wird somit Zeuge, wie sich das junge Mädchen von einer Schutzbedürftigen selbst zur toughen Überlebenskünstlerin entwickelt.

Zwickmühlen soweit das Auge reicht

Ähnlich wie der Comic oder die Serie dreht sich also auch das Videospiel in erster Linie nicht um die Untoten, sondern die Beziehungen der Figuren untereinander. Immer wieder wird das ungleiche Duo Lee und Clem auf seinem Überlebenskampf vor moralische Dilemmata gestellt: Wem kann man vertrauen? Wer erhält eine Extra-Ration der ohnehin schon knappen Nahrungsvorräte? Und wem rettet man bei einem Zombieangriff das Leben? All diese Fragen müssen stellvertretend vom Spieler beantwortet werden – und das oft innerhalb weniger Sekunden, während ein Timer bedingungslos abläuft. Ist eine Entscheidung erst einmal getroffen kann dies einen langfristigen Effekt auf die Geschichte haben. Das Videospiel vermittelt einem damit das Gefühl, die Handlung durch das eigene Tun verändern zu können. Als Clou erweist sich außerdem, dass ein Server von Telltale im Anschluss an jede Episode berechnet, wie viele andere Spieler ebenfalls eine bestimmte Handlungsoption gewählt haben. Dadurch wird eine kritische Reflexion des eigenen Verhaltens in der digitalen Welt ermöglicht.

Shoot The Walking Dead

Gänzlich andere Schwerpunkte setzt dagegen das Konsolenspiel Survival Instict aus dem Jahr 2013, das die Vorgeschichte der beiden Dixon-Brüder erzählt. Hierbei handelt es sich um einen recht klassischen First-Person-Shooter, in dem man mit Schusswaffen aus der Ego-Perspektive heraus computergesteuerte Zombies bekämpft. Deshalb finden sich hier auch keine komplexen Figuren, emotionale Hintergrundgeschichten oder ethische Zwickmühlen. Stattdessen zeichnet sich der Ego-Shooter durch die genretypischen Gewaltdarstellungen aus. Da werden Messer durch Augenhöhlen gebohrt. Gliedmaßen abgetrennt. Oder ein Zombie-Schädel so lange mit dem Gewehr malträtiert bis dieser rot spritzend zerplatz. Diese exzessive Brutalität wird jedoch – anders als in der Serie oder dem Comic – zu keinem Zeitpunkt von den Charakteren moralisch hinterfragt.

Ernst & Spiel – zwei unvereinbare Gegensätze?

9412521708_22acdda5d7_zAngesichts einer so unreflektierten Lust an der Gewalt darf also durchaus bezweifelt werden, ob aus apokalyptischem Ernst wirklich immer bedenkenlos Spiel werden sollte. Point-and Click-Adventures wie das aus dem Hause Telltale beweisen jedoch, dass Ernst und Spiel nicht zwingend unvereinbare Gegensätze darstellen müssen. In einigen Fällen können beide Elemente sogar durchaus produktive Symbiosen miteinander eingehen, durch die moralische Lehrstücke entstehen. So führt das erste TWD-Game dem Konsumenten beispielsweise eindrucksvoll vor Augen, wie schwierig es sein kann in Extremsituationen überlebenswichtige Entscheidungen zu treffen. Es ist damit fast schon als so genanntes „serious game“ zu bezeichnen, da hier nicht allein der Spielspaß im Vordergrund steht, sondern zusätzlich ein Lerneffekt beim Rezipient erzielt wird. Ein Lehrer aus Norwegen setzt das Spiel deshalb nicht ohne Grund bereits als praktisches Anschauungsmaterial im Ethik-Unterricht ein.

Fotos: flickr.com/Anothy Jauneaud (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Anothy Jauneaud (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Óscar Velázquez (CC BY-NC-ND 2.0)


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Gewalt als Attraktion

Feindbilder in den Medien

Von Lara Luttenschlager

„Es ist leichter, ein Atom zu spalten als ein Vorurteil“, soll Einstein einmal gesagt haben. Und tatsächlich: Vorurteile, darunter deren negativste und wohl hartnäckigste Form – die Feindbilder – begegnen uns nahezu immer und überall. Auch in den Medien.

Wer bin ich – und wenn ja, gegen wen?

Das passiert aus gutem Grund: Denn die Definition dessen, was gut ist und was wir selbst sein wollen, beginnt paradoxerweise mit der Erfindung des Feindes. Erst durch die Abgrenzung der eigenen Gruppe von einer anderen, sei es durch Nationalität, Ethnizität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, wissen wir, was uns scheinbar auszeichnet. Als Schwarz-Weiß-Denkmuster weisen Feindbilder bestimmten Personengruppen schlechte, unerwünschte Eigenschaften zu. Sie reduzieren unsere komplexe Umgebung und geben uns so Orientierung und Identität. Unser Feind ist unser Gegenstück. Gleichzeitig wird unser eigenes Selbstwertgefühl enorm gesteigert, wenn wir uns vom bösen und niederträchtigen „Anderen“ distanzieren können. Besser noch: Wir halten angesichts des auserkorenen Feindes auch noch stärker zusammen.

Ein berühmtes Beispiel für diese Art der Ab- und Ausgrenzung zur Festigung der eigenen Identität ist die Erfindung des Orients im 19. Jahrhundert. Als Orientalismus beschreibt Literaturtheoretiker Edward Said die Schaffung des Konzeptes des bedrohlichen, mysteriösen Orients durch die europäischen Kolonialmächte als negatives Spiegelbild zur eigenen, westlichen und „zivilisierten“ Gesellschaft. Ein Bild, das sich bis heute wacker zu halten scheint.

Ein ewiger Kassenschlager

6989367511_9b77fdb8b0_oFür Medien bietet das Feindbild ein ewiges Erfolgskonzept: Wie kann man den Helden eines Films besser definieren als das schillernde Gegenstück zum unverbesserlichen, hässlichen Bösewicht? Was macht eine Geschichte spannender als die Bekämpfung eines bedrohlichen Feindes? Auch in Zeiten auflebender Islam- und Fremdenfeindlichkeit zeigt sich wohl, dass sich kaum ein Thema besser verkauft als eine gesellschaftliche Debatte, die durch ein gutes Feindbild unterfüttert ist. Medien gestalten dabei unsere Wahrnehmung und Weltbilder entscheidend mit. Ihren großen Einfluss auf die ursprüngliche Entstehung und Verbreitung von Feindbildern zeigen nicht zuletzt die Auswirkungen erfolgreicher Propagandamaschinerien in vergangenen Kriegen.

Gefährliche Feindschaften: Warum Feindbilder hinterfragt werden müssen

Doch gerade hier liegen auch die Gefahren: Da Feindbilder sich meist auf Randgruppen oder Minderheiten konzentrieren, ziehen sie in Krisenzeiten Stigmatisierung und Diskriminierung nach sich, dienen als Ventil für angestaute Aggressionen und werden schnell instrumentalisiert. Sie beinhalten moralisch und meist emotional aufgeladene negative Bewertungen von anderen Menschen, die, einmal verinnerlicht, kaum mehr hinterfragt werden und eine richtige Beschäftigung mit dem „Feind“ nahezu ersetzen. Folgen sind generelles Misstrauen, Schuldzuschreibungen und Empathieverweigerung. Der psychologische Wissenschaftler Louis Oppenheimer sieht in Feindbildern gar die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung, da durch die andauernde Stigmatisierung der „out-group“ durch die „in-group“ frustrierte Reaktionen hervorgerufen werden können, die dem Feindbild letztendlich tatsächlich entsprechen.

In den nächsten Wochen wird die neue Artikelreihe Feindbilder in den Medien daher einigen unserer Lieblingsfeinde auf den Leib rücken und neue Einblicke in Phänomene der Feindbildkonstruktion gewähren. Wie sieht eigentlich der perfekte Film-Bösewicht aus? Wie werden in politischen Konflikten Feindbilder durch Handyvideos geschaffen? Und was hat es eigentlich mit Shitstorms und Bashing in den sozialen Netzwerken auf sich?

Fotos: flickr.com/sm0re (CC BY 2.0), flickr.com/Michael Caroe Andersen (CC BY-NC 2.0)