Kino – „Film muss man in einem großen Saal sehen“

von Ricarda Dietrich

„Film muss man in einem großen Saal sehen“

(Georgio Armani)

„Lebende Fotografie“

5593090164_d9eaee3b70_zSeit der Film erfunden wurde, gibt es natürlich auch Orte, an denen er abgespielt wird. Dies ist selbstverständlich, denn, wie wohl allseits bekannt sein sollte, konnte man Film nicht von Anfang an Zuhause im eigenen Wohnzimmer oder gar auf einem mobilen Gerät abspielen. Während in Amerika von Beginn an die so genannten „Nickelodeons“ gebaut und betrieben wurden, wurden in Deutschland zunächst Gasthäuser und Hotels als Vorführungsstätten für Filme genutzt. Außerdem nahmen sogenannte Schaubuden, die allerlei Kurioses zur Unterhaltung der Bevölkerung zeigten, die Neuheit „bewegtes Bild“ in ihr Repertoire auf. Auf dem Land wurden Filme in Wanderkinos gezeigt, die mit dem Equipment von Stadt zu Stadt zogen. Nach und nach wurden dann die ersten Gebäude eröffnet, deren reine Bestimmung es war, Filme zu zeigen. Da die Filme damals maximal 20 Minuten lang waren, bestand das Kinoprogramm, was man für eine Eintrittskarte bekam, aus mehreren kurzen Filmen. Fester Bestandteil neben dem „Hauptfilm“ waren dabei die Wochenschauen, die die Besucher über aktuelle Geschehnisse in der Welt informierten, ein Vorgänger von aktuellen Nachrichtensendungen also. Durch den Wachstum der Filmproduktion, die entstehende Genrevielfalt und die wachsende Zahl an bekannten Schauspielern wurden auch die Kinos immer größer und verbreiteten sich über das ganze Land bis auch die kleineren Städte über ein Kino verfügten. So gab es am Ende des Jahres 1927 4300 Kinos in Deutschland.

Konkurrenz Fernsehen

Für die Menschen der damaligen Zeit war das Kino eine willkommene Alternative zu den klassischen Bühnenkünsten wie Oper, Theater oder Ballett. Gerade in den Anfangsjahrzehnten des Films von 1905 an überzeugten die stetigen Neuerungen und somit die ungewohnten Erfahrungen die Bürger regelmäßig ins Kino zu gehen. Als es in den 50er Jahren möglich wurde, auch Zuhause über den Fernseher bewegtes Bild anzuschauen, fand sich das Kino bald in einer tiefen Krise wieder. In den darauffolgenden Jahrzehnten schloss ein Kino nach dem nächsten, bis es im Jahr 2014 nur noch 1630 Kinos in Deutschland gab. Zwar hat die Kino-Branche durch neue Techniken wie 3D und Breitbandbild sowie soundtechnische Neuerungen seit den 90er Jahren noch einmal etwas Aufschwung erfahren, aber dennoch ist es lange nicht mehr so wichtig, wie es in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts noch war.

Warum gehen wir heute noch ins Kino?

3820788791_575825da1c_zFlachbildfernseher mit 60 Zoll ermöglichen ein Sehen in hoher Auflösung und einer Größe, die ihm Verhältnis zum durchschnittlichen Wohnzimmer vermutlich schon an eine Kino-Erfahrung heranreichen. Außerdem können wir Zuhause den Film stoppen, wann immer wir mögen und es kann kein zwei Meter großer Mensch vor uns sitzen, der die Sicht versperrt. Warum also noch den Weg zum Kino auf sich nehmen, mindestens acht Euro für eine Karte zahlen um dann von Jugendlichen in der letzten Reihe genervt zu werden? Zum einen für das visuelle und auditive Kino-Erlebnis. Denn selbst mit einem großen Fernseher lässt sich das Schauen eines Filmes im Kinosaal nicht rekonstruieren. Um die Größe der Leinwand und den Sound zu imitieren muss man schon eine Villa zur Verfügung haben. Gerade Filme, die sich durch ihre beeindruckenden Landschaftsaufnahmen, große Schlachten oder rasante Verfolgungsjagden auszeichnen, machen sich auf der großen Leinwand und mit dem Soundsystems eines Kinos noch einmal deutlich besser als auf der heimischen Couch. Das lässt sich auch an einer Statistik über die beliebtesten Genres der Deutschen bei Kinofilmen erkennen. Auf Platz eins findet sich hier die Kategorie „Action/Abenteuer“, dicht gefolgt von „Komödie/Satire“, „Krimi/Thriller“ und „Sci-Fi/Fantasy“. Jean Louis Baudry prägte hierzu in den 1970er Jahren den Begriff des „Dispositivs“ im Bezug auf das Kino. Der abgedunkelte Raum, die große Projektion auf einer Leinwand durch einen nicht sichtbaren Apparat und der immobile Zuschauer bilden für ihn einen Rahmen, der den Kinobesuch einem Traum ähnlich werden lässt. Die Dunkelheit hat zusätzlich auch noch den Effekt, dass der Zuschauer seine volle Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Leinwand widmet. Außer den auditiven und visuellen Sinnen wird nichts weiter beansprucht, was die Konzentration noch weiter steigert. All diese Komponenten machen das faszinierende und befriedigende an einem Kinobesuch aus.

Ein weiterer Punkt, der für das Schauen auf der großen Leinwand spricht, ist ein sozialer Aspekt: Man möchte Mitreden können. Wenn man immer erst warten muss bis die DVD auf den Markt kommt, um den Film zu sehen, kann man zu so manchem Gespräch zwischen Kollegen oder Kommilitonen nur das beitragen, was man irgendwo über den Film gelesen hat. Hierfür sprechen auch die Kino-Rankings der letzten Jahre. Die bekannten Franchises wie zum Beispiel „Mission Impossible“, die „Bond“-Filme, alle Filme, die mit „Der Herr der Ringe“ zu tun haben oder „Harry Potter“ finden sich immer ganz oben in den Kino-Charts. Häufig vereinen sie die beiden bisher genannten Punkte. „Der Herr der Ringe“ mit seinen monumentalen Landschaftsaufnahmen wirkt im Kino einfach besser und außerdem möchte man gerade bei so sehnlich erwarteten Filmen möglichst bald mitreden können.

Zudem ist der Kinobesuch selber auch häufig ein soziales Event. John Naisbitt, ein amerikanischer Autor und Prognostiker, hat einmal gesagt: „Man geht nicht bloß ins Kino, um sich Filme anzusehen. Man geht vielmehr ins Kino, um mit zweihundert Menschen zu lachen und zu weinen.“ Man erlebt den Film im Kollektiv, etwas was man im Normalfall im eigenen Wohnzimmer nicht tut. Die wenigsten Menschen gehen alleine ins Kino, im Normalfall verabredet man sich und der Kinobesuch soll ja auch in der heutigen Zeit noch als beliebtes erstes Date genutzt werden.

Wie viele Menschen gehen noch ins Kino?

Die Filmförderungsanstalt veröffentlicht jedes Jahr eine Studie über die Kinobesucher in Deutschland auf Basis des Panels der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). In ihrem Bericht über das Kinojahr 2014 zählt sie einige Fakten auf, die wenig überraschend sind. So gehen die meisten Besucher beispielsweise in der zweiten Hälfte der Woche, also Donnerstag bis Sonntag, ins Kino. Desweiteren ist das Einzige, was in diesen Statistiken ansteigt in den letzten Jahren, der Eintrittspreis. Auch das dürfte jeder bemerkt haben, der ab und zu ins Kino geht. Überraschend ist jedoch, dass mehr Frauen als Männer ins Kino gehen, auch wenn diese Zahlen nicht allzu weit auseinander gehen. Die größten Besucherzahlen haben die Altersgruppen von 30 bis 39 und von 40 bis 49. Daher beträgt das durchschnittliche Alter des deutschen Kinobesuchers 37,5 Jahre.

Trotz aller Schwarzmalerei macht die Kino-Branche einen starken Umsatz. So spielte „Fack Ju Göthe 2“ in diesem Jahr sagenhafte 74 Millionen Euro ein. Aus welchem Grund so viele Menschen diesen Film gesehen haben, kann sich ja nun jeder selber überlegen…

Fotos: flickr.com/janwillemsen (CC BY-NC-SA 2.0), flickr.com/magro_kr (CC BY-NC-ND 2.0)