Mythos Zombie
von Philipp Mang
Vampire, Werwölfe und Dämonen – die Mythen- und Sagenwelt kennt viele Monster. In den letzten Jahren machen jedoch vermehrt andere Kreaturen von sich Reden: Zombies. Die Untoten sind in nahezu jedes Medium eingefallen. So belegte die satirische Novelle „Stolz und Vorurteil und Zombies“ zum Beispiel wochenlang die vordersten Plätze der Bestsellerlisten. Brad Pitt kämpfte in dem Blockbuster „World War Z“ gegen eine globale Zombie-Pandemie. Und das Videospiel „Plants vs. Zombies“ brach Downloadrekorde in App-Stores. Auch in der Fernsehserie The Walking Dead spielen die Monster eine zentrale Rolle – als tödlichste Gefahr des transmedialen Universums.
Ein wahrer Kern
Die wandelnden Toten sind jedoch keine Erfindung der Film- oder Fernsehindustrie. Tatsächlich lassen sich ihre kulturellen Wurzeln bis nach Afrika zurückverfolgen. Ursprünglich stammt der Begriff Zombie aus den so genannten Bantusprachen und bedeutet so viel wie „Totengeist“. Er wurde im 17. Jahrhundert erstmals durch afrikanische Sklaven nach Haiti importiert. Dort glaubt man auch heute noch an die Magie des Voodoo – wonach ein Mensch mittels eines schwarzmagischen Pulvers zuerst getötet und anschließend als willenloser Arbeitssklave wieder zum Leben erweckt werden kann.
Doch auch im europäischen Raum übten die Wiedergänger bereits früh eine makabere Faszination auf die Menschen aus. So finden sich bereits im 14. Jahrhundert in vielen Kirchen so genannte Transi (franz. „ein (vor Kälte) Erstarrter“). Hierbei handelt es sich um spezielle Grabplastiken, die den Verstorbenen nicht selig schlafend oder körperlich unversehrt zeigen, sondern als lebende Leiche in teils drastischen Phasen der Verwesung. Diese sollten den Menschen die Vergänglichkeit des eigenen Lebens vor Augen führen.
Vom Grab auf die Leinwand
Erst hundert Jahre später wurde der Mythos um die Zombies schließlich erstmalig auf die große Leinwand übersetzt. Mit Filmen wie „The White Zombie“ (1932) hielten die Untoten Einzug in die Populärkultur. Für den endgültigen Durchbruch des Genres sorgte aber George A. Romero. Mit „Die Nacht der lebenden Toten“ (1969) erfand der amerikanische Regisseur die Monster gewissermaßen neu: Von bemitleidenswerten Sklaven wurden sie zu fleischfressenden Mordmaschinen. Romero beraubte die Zombies hierfür nicht nur ihrer haitianischen Wurzeln (indem er die Handlung in amerikanische Metropolen verlegte), sondern auch jeglicher Individualität. Es ist der Beginn der Zombies, wie wir sie heute kennen.
„ (…) they don’t talk. They don’t think. They eat people.“
45 Jahre später schreibt The Walking Dead die Geschichte dieser Kreaturen weiter. Ähnlich wie in Romeros frühen Werken werden die titelgebenden „Walker“ hier ebenfalls als triebgesteuerte Leichen dargestellt, die nur ein Ziel kennen: zu töten. Dabei können die Zombies nur durch eine massive Verletzung des Gehirns in ihrem Blutrausch gestoppt werden. Dies macht sie alles in allem zu einer ernstzunehmenden Bedrohung. Immer wieder müssen auch beliebte Charaktere wegen den Untoten ihr Leben lassen. Wodurch die Zombieapokalypse ausgelöst wurde? Hierüber ranken sich unter den Fans die wildesten Theorien. Geht es nach Erfinder Robert Kirkman wird diese Frage aber möglicherweise niemals abschließend geklärt werden. Nur so viel ist bislang bekannt: Weder radioaktive Strahlung noch schwarze Magie sind für die Verwandlung der Toten verantwortlich – sondern ein ominöser Virus!
Im Comic braucht es zur Darstellung dieser Transformation nur ein paar Striche und etwas Farbe. Für ein realistisches Medium wie die TV-Serie stellen die wandelnden Leichen dagegen eine ästhetische Herausforderung dar. Um eine Horde Untoter zu schaffen, braucht es hier allein zahlreiche Statisten, unzählige Liter Kunstblut und aufwändige Masken. Darüber hinaus werden die Darsteller bei jedem Dreh genau instruiert, auf eine zombietypische Art zu gehen – so als würden sie betrunken aus einer Bar wanken.
Monster von nebenan
Während The Walking Dead die Untoten aufwändig als mörderische Gefahr inszeniert, gehen andere Produzenten in Hollywood längst neue Wege. Die US-amerikanische Fantasyserie Resurrection erzählt beispielsweise die Geschichte eines kleinen Jungen, der über 30 Jahre nach seinem vermeintlichen Tod ungealtert in seine Heimatstadt zurückkehrt. Und in iZombie bekämpft eine Untote Pathologin Verbrecher, indem sie die Gehirne der Opfer verspeist. Still und heimlich ist hier eine neue Generation von Zombies herangewachsen. Diese sind nicht länger eine Plage, die es zu bekämpfen gilt. Stattdessen handelt es sich um körperlich unversehrte Monster von nebenan, die Mitgefühl wecken – und uns manchmal sogar zum Lachen bringen.
Die Welt im Zombiefieber
Wie wir es also auch drehen und wenden – die Untoten faszinieren. Und das so sehr, dass immer mehr Menschen auch an so genannten Zombie Walks teilnehmen. Hierbei handelt es sich um Veranstaltungen, bei denen Fans als Untote verkleidet durch Großstädte auf der ganzen Welt ziehen. Wie ist diese eigenartige Faszination für die Wiedergänger aber zu erklären? Als lebende Tote stellen diese zunächst einmal ein faszinierendes Paradoxon dar, das die Grenze zwischen tot und lebendig zu einer diffusen Grauzone verwischt. Außerdem lassen sich an den Untoten tiefgreifende Fragen der Humanität verhandeln. So ist für viele Fans z.B. unklar, wie viel Menschlichkeit in den Leichen überhaupt noch steckt. Am wichtigsten erscheint jedoch, dass Zombies als Spiegelung unserer Furcht vor dem Tod betrachtet werden können. Serien wie The Walking Dead sind damit auch ein Stück weit „Therapie“: Sie ermöglichen es uns, in einem sicheren Kontext diese Ängste durchzuspielen.
Fotos: flickr.com/Daniel Sempértegui (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Lawrence OP (CC BY-NC 2.0), flickr.com/traumweltenwanderer (CC BY-NC 2.0)