Breaking Bad

Serien – „Was bisher geschah….“

von Ricarda Dietrich

Diese drei Worte lassen das Herz eines jeden Serien-Liebhabers höher schlagen. Sie kündigen eine Dreiviertelstunde in einer anderen Welt an, die Möglichkeit für 45 Minuten dem eigenen Leben zu entfliehen. Und das Beste ist, dass nach den 45 Minuten nicht Schluss ist, sondern das Abenteuer im Normallfall in einer Woche weitergeht. Dieses Format bietet nicht nur dem Zuschauer die Möglichkeit, sich viel intensiver in die Welt der Serie hineinzudenken, sondern es gibt auch den Autoren, Regisseuren und Schauspielern sehr viel mehr Spielraum, die Geschichte und ihre Akteure sich entfalten zu lassen.

Serien, im Sinne von sich fortsetzenden Geschichten, gibt es schon so lange wie es Medien gibt, die diese Serien tragen können. Die ersten Serien werden wohl die Fortsetzungsromane in Tageszeitungen gewesen sein. Jeden Tag wurden weitere Zeilen eines Buches abgedruckt und dienten den Menschen zur Unterhaltung. Hier greift schon das Konzept einer Serie: Fängt man einmal an zu lesen, möchte man auch wissen, wie die Geschichte weitergeht, also kauft man die Zeitung am nächsten Tag wieder. In den 1920er Jahren breitete sich die Serie dann auf das Radio aus und Ende der 40er Jahre wurden die ersten Fernsehserien ausgestrahlt. Man übernahm die Idee der Serie aus dem Radio, da sich dort gezeigt hatte, dass die Zuhörer dran blieben. Serien waren somit perfekt, um Werbung auszustrahlen, die garantiert gehört und später dann gesehen wurde. Daher sind die Episoden der Serien auf privaten Sendern bis heute noch 44 oder 22 Minuten lang. Diese Minutenzahl lässt sich wunderbar mit Werbung auf eine, beziehungsweise auf eine halbe Stunde aufstocken.

Die Serienlandschaft ist so vielseitige wie die Zuschauerschaft selbst. Von Western über Krimis bis hin zu Krankenhausserien gibt es alles, was das Herz begehrt. Nicht nur das Genre der Serien variiert stark, auch qualitativ unterscheiden sie sich deutlich. So kann man schlecht geskriptete Gerichtsshows genauso im Fernsehprogramm finden, wie Zuschauerlieblinge wie „The Big Bang Theory“ oder so genannte Quality-Serien wie „The Sopranos“.

„The Third Golden Age of Television“

Kevin Spacey, zweifacher Oscar-Gewinner, setzt inzwischen auf genau diese Quality-Serien. In einer Rede beim Edinburgh International Television Festival 2013 spricht er davon, dass inzwischen die „dritte goldene Ära des Fernsehens“ angebrochen sei und man dies an vielen qualitativ hochwertig produzierten Serien mit anspruchsvollen Charakteren und Plots erkennen kann. Er zählt Serien wie „The Sopranos“, „Homeland“, „Six Feet Under“, „Dexter“, „The Wire“, „Mad Men“, „Game of Thrones“, „Breaking Bad“ und natürlich die von ihm produzierte Serie „House of Cards“ auf, in der er selbst auch die Hauptrolle spielt. Quality-Serien zeichnen sich häufig durch zwiegespaltene Charaktere aus, die oftmals skrupellos vorgehen, um an ihr Ziel zu kommen und dabei auch vor Mord nicht zurückschrecken. So lernt man vom Chemie-Lehrer Walter White aus „Breaking Bad“ zum Beispiel wie man am besten Leichen los wird. Frank Underwood aus „House of Cards“ erdrosselt in den ersten fünf Minuten der Serie den Nachbarshund, der ihn schon immer genervt hat und Carrie Mathison riskiert in „Homeland“ mehrmals kalkuliertes Sterben von Menschen, wenn es denn zur Sicherheit der Vereinigten Staaten geschehen muss. Der Zuschauer verzeiht dieses Verhalten immer wieder, da alle diese Charaktere nicht von Grund auf Böse sind. Sie verhalten sich auf diese Art und Weise, weil sie nicht anders können, weil sie vom Schicksal dazu gezwungen werden. Walter White wäre niemals zum Drogendealer geworden, wenn er nicht Krebs im Endstadium hätte und Carrie Mathison sieht Menschen beim Sterben zu, wenn sie dafür einen Terroranschlag auf Amerika verhindern kann.

Sheldon und Co. zum Abschalten

Obwohl es inzwischen eine große Zahl an Quality-Serien gibt, erfreuen sich auch einfacher gestrickte Serien weiterhin großer Beliebtheit. So wird von „Grey’s Anatomy“ grade die zwölfte Staffel ausgestrahlt und auch Serien wie „CSI:Miami“ erreichen weiterhin traumhafte Einschaltquoten, obwohl sie in vieler Hinsicht nicht an Quality-Serien mit ähnlichen Themen heranreichen. Das liegt ganz einfach daran, dass der Mensch mit der Rezeption von Film nicht nur Unterhaltung, sondern auch unbewusst einen inneren Spannungsausgleich sucht. „House of Cards“ schaut man nicht nebenher oder wenn man müde nach Hause kommt und nur ein bisschen abschalten will. Dafür sind die Charaktere und Plots zu komplex, man muss zu sehr am Ball bleiben, damit man noch versteht, was passiert. Seichte Drama-Serien mit dem immer gleichen Aufbau jedoch lassen sich gut während des Bügelns oder einfach nur zum Runterfahren und Entspannen anschauen. Das Gleiche gilt für Sitcoms.

Hier kommt auch ein Unterschied innerhalb der Serien zum Tragen: Man kann zwischen Episodenserien und Fortsetzungsserien unterscheiden. Bei Episodenserien ist jede Folge ähnlich aufgebaut, folgt einem gewissen Muster und es gibt viele Punkte der Wiedererkennung. So erkennt der Zuschauer zum Beispiel sofort McLaren’s Pub aus „How I Met Your Mother“ oder Sheldons Wohnung aus „The Big Bang Theory“. Bei Episodenserien kann man in irgendeine Episode reinschalten und findet sich trotzdem zurecht.

Bei Fortsetzungsserien wiederum ist es wichtig, keine Folge zu verpassen. Es fehlen sonst Informationen, die zum Verstehen der nächsten Episode unentbehrlich sind.

Was der Zuschauer will? Selbstbestimmung!

Also was erwarten wir als Zuschauer, wenn wir eine Serie einschalten? Je nach Serie erwarten wir für eine Dreiviertelstunde in eine andere Welt versetzt zu werden. In eine Welt, die komplexer und herausfordernder ist, als es die eines Filmes jemals sein kann. Wir erwarten zu sehen, was nach dem Happy End passiert, denn eine Serie ist nicht auf zwei Stunden beschränkt wie ein Film, sondern sie läuft über einen deutlich längeren Zeitraum. Wir erwarten Spannung, Drama, Gefühl. Und was noch viel wichtiger ist: Wir erwarten heutzutage selber aussuchen zu können, was davon wir in der Serie unserer Wahl sehen wollen. Es gibt ein breites Angebot aus dem wir wählen können. Aber dieses Angebot wollen wir auch dann rezipieren und dort rezipieren, wo wir wollen. Wir wollen nicht mehr an den Mittwochabend bei Pro7 gebunden sein, um die neueste Folge „Grey’s Anatomy“ zu schauen. Und mit Streaming-Diensten wie Amazon Prime oder Netflix müssen wir das auch nicht mehr. Kevin Spacey sagt in seiner Rede in Edinburgh dazu: „Give people what they want, when they want it, in the form they want it in, at a reasonable price and they are more likely to pay for it.“ Netflix unterstützt das Verlangen der Zuschauer zur Selbstbestimmung sogar so weit, dass es die neuen Staffeln von „House of Cards“ immer komplett auf einmal online stellt. Dann kann der Zuschauer alle Folgen am Stück sehen, das sogenannte „Binge-Watching“. Am Erfolg der Serie lässt sich erkennen, wie beliebt dieses Konzept ist.

Für den klassischen Binge-Watcher ist dann natürlich auch das „Was bisher geschah…“ nicht mehr wichtig, immerhin schaut er die Serie seit Stunden am Stück und weiß sehr genau, was bisher passiert ist…

 

Fotos: AMC Networks