Schlagwortarchiv für: Tübingen

Making Of – Bis die Blase platzt!

von der Redaktion

Erinnert ihr euch noch an unsere Spots zum Thema „Bis die Blase platzt“? Dazu gibt es natürlich auch ein Making Of, welches wir euch nicht vorenthalten wollen:

Die nicht so ganz ernst gemeinten Interviews mit den Redakteuren von media-bubble.de, die sich als Schauspieler versucht haben:

Und hier noch einmal einer der drei fertigen Spots:

Ein Jahr im Netz

Jedes Jahr gibt es 365 Milliarden Google-Suchanfragen, 73 Milliarden Tweets und etwa 71 Millarden Bilduploads bei Facebook. Hinzu kommen Millionen von Nachrichten und Meldungen, die über Onlineportale recherchiert, verbreitet und kommentiert werden. Was bedeutet das für die Rezipienten, die Medienmacher und für die Akteure, über die berichtet wird? Ein Jahr online im Blickpunkt.

50 Shades of Sex

von Alexander Karl

Es ist DAS (Pseudo-)Skandalbuch des Jahres: Der Erotik-Roman Shades of Grey. Von Boulevard bis Feuilleton wird es besprochen, mal mit mehr, mal mit weniger positiven Kritiken. Fakt aber ist: Es sorgt für Gesprächsstoff. Und ist doch nicht neu.

Fanfiction goes Independent

Was kaum einer weiß: Der Ursprung der Triologie Shades of Grey liegt in einer aufgepeppten – oder aufgesexten – Version von Twilight. Sex in Fanfiction ist nichts Neues. Dass daraus dann aber plötzlich ein Bestseller wird schon. Erika Leonard, die das Buch unter dem Pseudonym E. L. James auf den Buchmarkt brachte, veröffentlichte die formalige Fanfiction auf der Seite 50shades.com – damals noch unter dem Namen Master of the Universe. Jetzt, nachdem das Buch ein riesiger und weltweiter Erfolg ist, schauen sich Fans der Bücher die veröffentlichte und die frühere online Variante an – und stoßen auf einige Ähnlichkeiten, wie Galleycat berichtet:

Blogger Jane Litte used the Turnitin plagiarism detection program to measure similarities between the two books. She reported: “According to Turnitin, the similarity index was 89%.  There are whole swaths of text wherein just the names were changed from MoTU to 50 Shades.”

Mittlerweile sind die Spuren zu den Wurzeln des Buches aber aus den Weiten des Webs verschwunden – nur noch wenige Screenshots existieren. Doch die Zeiten, in der das Buch ein Insidertipp in Fanforen war, sind vorbei. Shades of Grey, wie das Buch in Deutschland heißt, wurde hierzulande mit einer Auflage von 500.000 Stück geradezu auf den Markt geworfen – und das mit viel Wirbel. So wurden etwa auf bild.de vorab Auszüge aus dem Buch veröffentlicht. Die Überschrift zum Artikel: „Shades of Grey“: Dieses Buch ist schärfer als Porno„. Wie scharf das Buch ist, das ist Geschmackssache. Es dauert einige Seiten, bis der Multi-Milliardär die 21-jährige und jungfräuliche Ana rumbekommt – und ihr zunächst zeigt, was er unter Blümchensex versteht. Denn Christian Grey, nachdem das Buch benannt ist, steht auf harten Sex. SM um genau zu sein – und so findet Ana in seiner Wohnung ein Spielzimmer mit Andreaskreuz und bekommt schnell eine Verschwiegenheitsklausel plus Vertrag vorgelegt – letzteres, um sich als Sub (die vornehme Bezeichnung für Sklave) zu verpflichten.

Sex sells

Und so kommt es, dass viele Stellen äußerst sexuell sind (Stichwort Mommy Porn), wie es aus der Vorab-Veröffentlichung von bild.de vorgeht:

Verdammte Scheiße, tut das weh! Ich gebe keinen Laut von mir, doch mein Gesicht ist schmerzverzerrt. Ich versuche, mich ihm zu entwinden – angetrieben vom Adrenalin, das durch meine Venen pumpt. „Halt still“, knurrt er, „sonst muss ich noch länger weitermachen.“ Inzwischen reibt er meine Pobacke, dann kommt der nächste Schlag. Er verfällt in einen steten Rhythmus: streicheln, tätscheln, schließlich ein kräftiger Schlag. Ich muss meine volle Konzentration aufbieten, um die Schmerzen zu ertragen. Mein Kopf ist wie leer gefegt, während ich versuche, die Schläge wegzustecken. Mir fällt auf, dass er nie zweimal hintereinander auf dieselbe Stelle schlägt, sondern den Schmerz gleichmäßig verteilt.

An dieser Stelle lässt sich natürlich ein zweifelhaftes Frauenbild vermuten: Die völlig unerfahrene Ana unterwirft sich körperlich wie emotional einem deutlich erfahreneren Mann. Bisher hat man aber noch keinen Aufschrei von Alice Schwarzer gehört – nur in der Presse rumort es schon. Beispiel Hamburger Abendblatt. Da heißt es:

Nur die Emanzipierten dürften mit dem Kopf schütteln: Was ist das denn für ein Rollenbild, bitte? Frau mit guter Ausbildung und gesellschaftlichem Selbstvertrauen lässt sich heimlich auspeitschen und sexuell demütigen. Was ist das: Postfeminismus?

Und auch das Wort „Schocker“ oder „Skandal“ ist für Shades of Grey zu viel des Guten: Geschockt wird ein wenig, da ist sich die Presse einig: Sowohl in American Psycho als auch in Geschichte der O geht es härter zur Sache. Trotzdem eignet es sich – da muss man der Schwäbischen Zeitung zustimmen – als Urlaubslektüre. Aber nicht nur Zwecks Eskapismus, sondern, weil der menschliche Voyeurismus par excellence bedient wird – und das nicht zu knapp. Auch deshalb stellen die Verkaufszahlen selbst Harry Potter in den Schatten. Deshalb steht nun halb Hollywood für die Filmrollen Schlange – aber nicht die Stars aus Twilight, die ja immerhin indirekt als Imspiration dienten. Übrigens: Auch Stephenie Meyer, Autorin der Twilight-Saga, äußert sich zu dem Buch: „I haven’t read it. I mean, that’s really not my genre, not my thing,“ she said with a laugh. „I’ve heard about it; I haven’t really gotten into it that much. Good on her — she’s doing well. That’s great!“

Foto: Presse

So viel bist du im Web wert

von Alexander Karl

Es ist ein Schreckensszenario: Der Wert eines Menschen wird nur noch in Likes, Kommentaren und Retweets gemessen. Das Lebewesen hinter den Posts verschwindet. Doch längst ist das Realität, zumindest dann, wenn man Klout nutzt. Die App misst nämlich die Reputation von Menschen anhand von Facebook und Twitter – und der gläserne Mensch verschwindet hinter Bits und Bytes.

Das Ideal: Justin Bieber

Klout, das ist die Schufa unter den Apps: Sie sagt, was ein Mensch im Netz wert ist. Ob anderen gefällt, was er tut. Ob er beeinflusst. Und ob er vernetzt ist. Berechnet wird das – mal wieder – über einen Algorithmus, der ähnlich wie Google verfährt. Nur werden hier keine Webseiten gerankt, sondern real existierende Menschen. Und das anhand von Twitter-Retweets und Erwähnungen, Facebook-Kommentaren, Likes und Chronik-Posts. Ist man auch bei LinkedIn oder Google+ angemeldet, werden auch dort Kommentare und Co. gemessen. Es geht also um drei Säulen: Die Verstärkung (Retweets und Co.), die Reichweite (wie viele Follower lesen meine Tweets?) und das Netzwerk (Habe ich Kontakt mit „wertvollen“ Personen?) – und fertig ist der eigene Online-Wert! Wer also mit Justin Bieber befreundet ist, viele Follower hat und der eigene Status von Lady Gaga geteilt wird, der kann sich sicher sein, auch bei Klout einen hohen Wert zu erreichen. Außerdem hilfreich: Viel posten und das am besten immer wieder zum gleichen Thema. Der Maximum-Wert bei Klout ist 100 (den hat Justin Bieber), der Durchschnitt liegt bei 20, und bei null – dann existiert man quasi nicht.

Klout-Scores ist auch für Firmen interessant, um Meinungsmacher zu finden. Denn wer beeinflusst, kann für das Unternehmen nützlich sein. Dann bekommt man Geschenke, etwa ein Windows Phone, weil die Firmen um den Einfluss der Privatperson wissen – und sie mit Werbegeschenken dem eigenen Produkt zuneigen wollen. Was sich im ersten Moment als ein nettes Gadget anhört, nimmt gerade auch in den USA erschreckende Züge an. Dort werden Leute mit 15 Jahren Berufserfahrung nicht eingestellt, weil ihr Klout-Score zu niedrig ist, andere mit höheren Scores bekommen den Job.

Wertlosigkeit 2.0

Die Analogie zur Schufa macht durchaus Sinn: Die Reputationswürdigkeit jedes Einzelnen ist nur einen Klick entfernt. Und wer nichts auf der hohen Kante hat, der ist raus. Aber kann man Klout und seinen Bewertungen überhaupt vertrauen? Der Blog netzwertig.com hat da so seine Zweifel:

Auch die Tatsache, dass der US-Jungstar Justin Bieber mit einer Klout Score von 100 nach Erkenntnis des kalifornischen Startups einen größeren Einfluss hat als Barack Obama (Klout Score 93), stellt die Validität der Klout-Algorithmen in Frage – es sei denn, man sieht Klout Scores tatsächlich als reinen Indikator der Onlinereputation, der vollkommen von Image und sozialer Stellung einer Person im “realen Leben” losgelöst ist. Doch eigentlich wollen wir im Jahr 2012 ja genau diese Separation von Online und Offline hinter uns lassen.

Und was den Datenschutz angeht – da muss man erhebliche Bedenken haben. Denn anscheinend wird jeder – egal ob bei Klout registriert oder nicht – im Vorfeld ein Wert zugewiesen, der dann bei der Anmeldung angezeigt wird.

Klout ist vor allem eines: Eine bittere Pille, wenn man ein normales Leben führt. Der Durchschnittsuser, der ein Facebook-Profil hat, wird bei Klout sicherlich keinen Spaß haben. Eher jene, die im Netz viel unterwegs sind und auch selbst posten. Aber in der Ideologie von Klout geht es dabei nicht um die Pflege und Intensität von Freundschaften, sondern von reiner Oberflächlichkeit und Massentauglichkeit: Poste ich etwa einen kritischen Artikel über das (Nach-)Leben im Web, ist das wohl nicht so massenkompatibel, wie wenn ich jeden deutschen Sieg bejubel und dafür Likes von Gleichgesinnten sammele. Aber sollte man deswegen nur noch mit dem Strom schwimmen? Bei jeder Freundschaftsanfrage erst einmal den Klout-Wert checken? Diese Ideologie führt im Endeffekt nur wieder zu einer Blase, in der nicht mehr das Individuum, sondern nur noch die Masse zählt – die Masse an Likes, Freunden und massentauglicher Freunden. Doch das sollte wohl kaum der Sinn des Internet sein. Denn trotzdem sind wir noch mehr als Bits und Bytes.

Übrigens: Mein Klout-Score beträgt derzeit 45. Ich bin also nicht einmal halb so viel Wert wie Justin Bieber. OK, damit kann ich trotzdem irgendwie leben.

Fotos: Screenshot klout.com (19.06.2012)

Ein Tisch tourt durch Tübingen

von Sandra Fuhrmann

Ich bin ein alter hölzerner Schreibtisch. Vielleicht kennt ihr mich ja – in der letzten Woche war ich in ganz Tübingen unterwegs. Was? Ihr denkt ein Tisch kann nicht wandern? Nun – das ist völliger Unsinn.

Gleich am Montag hatte sich unser Chefredakteur Alexander Karl mit seinem Laptop vor dem Clubhaus postiert. Zwar schlotterte er in seinem blauen Cardigan ein wenig vor sich hin, Unterhaltung hatte er dafür genug. Nur als einer der Passanten ihn dann fragte, ob er Hölderlin sei, da wirkte Alex doch ein wenig irritiert.

Tübinger Schreibtische“ ist somit eigentlich nicht ganz richtig. Tatsächlich war es nur ein einziger Tisch, der teilweise sogar mehrmals am Tag seinen Standort in der Stadt änderte. Man fand ihn an der Neckarbrücke, beim Baumarkt, auf dem Marktplatz oder am Bahnhof. In der Tat eine erstaunliche Agilität, die dieses nostalgisch anmutende Holzgestell an den Tag legte. Gewechselt hat der Schreibtisch nämlich nicht nur seinen Standort sondern auch die Menschen, die auf ihm schrieben.

Tibor Schneider fühlte sich am Bahnhof so wohl wie in seinem eigenen Wohnzimmer. Sogar einen Kartoffelsalat bekam er geschenkt. Dann noch ein Bierchen dazu – da schreibt es sich doch gleich doppelt so gut.

Die „Tübinger Schreibtische“ sind ein Teil des Projekts „Megafon“ über das media-bubble bereits in einem anderen Beitrag berichtete. Unter ihrem grünen Sonnenschirm strotzten die Tübinger Autoren Wind und Wetter. „Sie sind greifbar, sie sind in Echtzeit und es geht um eine große Offenheit“, sagt Maria Viktoria Linke, die leitende Dramaturgin des Landestheaters, die zusammen mit der Autorin Sandra Hoffmann das Megafon-Projekt leitet.

Die Autoren, die gewöhnlich unsichtbar zuhause in ihren Zimmern schreiben, sollten für Tübingen sichtbar werden – und Tübingen sichtbar machen. Jeder zu einer anderen Zeit und jeder an einem anderen Ort brachten sie ihren Blick auf die Stadt zu Papier – beziehungsweise auf den Bildschirm ihres Laptops. Elf Autoren waren von Montag bis Samstag in der Stadt anzutreffen. Zwei weitere flanierten inkognito durch die Straßen. Am 22. und 23. Juni werden sie ihre Texte im Landestheater präsentieren.

Wer am Mittwochvormittag zufällig am Bürgeramt vorbeispaziert ist, der hat dort mit großer Wahrscheinlichkeit Eva Kissel getroffen – und ist vielleicht unbewusst Teil ihres Textes geworden.

Man konnte sie sehen, man konnte sie vollquatschen oder man konnte sie ausfragen. Letzteres habe ich dann auch bei drei unserer Autoren an Ort und Stelle getan. Und weil es viel spannender ist selbst zu hören was mir Alexander Karl, Tibor Schneider und Eva Kissel alles erzählen konnten, gibt es meine Gespräche mit den Autoren hier als mp3.

Tübingen hallt und schallt – es lohnt sich also reinzuhören

 

Fotos: Jan Andreas Münster

Neuer Blickwinkel mit Megafon

von Sandra Fuhrmann

Im Grunde sind wir alle Beobachter. Ich selbst beobachte Tübingen, seit ich vor einem Dreivierteljahr in die Stadt gezogen bin – und die Stadt hat sicher ihre Eigenheiten. Heute bin ich weniger gekommen um zu beobachten, als um zuzuhören. Auf der kleinen Terrasse des Tübinger Landestheaters (LTT) warte ich auf Maria Viktoria Linke, die leitenden Dramaturgin des LTT, und die Autorin Sandra Hoffmann. Sie haben mich eingeladen, um mir von „Megafon“, ihrem gemeinsamen Projekt, zu erzählen. Während ich dort so sitze, fällt mir auf, dass ich die einzige Studentin im Restaurant zu sein scheine. Ein in Tübingen eher seltenes Erlebnis. Ich bin gespannt, welche Perspektive auf die Stadt meine beiden Gesprächspartnerinnen bei ihren Beobachtungen gewonnen haben.

„Megafon – Tübingen hallt und schallt“, so das Motto des Projekts. Seit September des vergangenen Jahres haben Maria Viktoria Linke und Sandra Hoffmann Stimmen gesammelt oder diese aus der Stadt „herausgelockt„. Sie haben sich in Tübingen umgeschaut und vor allem umgehört. Dann haben sie das, was sie zusammengetragen haben, „umgewälzt“ und  dabei ganz unterschiedliche Perspektiven entdeckt.

 Auf der anderen Seite des Neckars

An diesem Tag nehme ich selbst einmal eine andere Perspektive ein. Ich bin auf der anderen Seite des Neckars. „Hierhin verirren sich die Studenten eher selten“, sagen die beiden Organisatorinnen und bestätigen damit meine eigenen Beobachtungen. Während ich mir einen Kaffee bestelle, reden wir über das Megafon-Projekt. Und während die beiden erzählen, spüre ich, wie viel sie sich in den vergangenen Monaten durch das Projekt mit der Stadt und ihren Bewohnern auseinandergesetzt haben.

Zum Programm: Megafon – was ist das eigentlich? „Ein offenes Sprachrohr“, könnte man antworten. Beim Projekt „Megafon“ wird ganz Tübingen zu einem Sprachrohr. Hoffmann hatte die Idee, die Leserbriefe des Tübinger Tagblatts als eine Art „Seismograf“ für das zu verwenden „was Tübingen ist“. Teilweise sei es ein richtiggehender Kampf, der in diesen Briefen ausgefochten werde und das zeige spannende Seiten der Stadt. „Die Stadt hat interessant reagiert“, berichtet die Autorin, „es gab viele Fragen und enormen Einspruch und Zorn. Zorn darüber, dass wir die Stadt beobachten, dass wir diese Leserbriefe lesen und dass wir sie möglicherweise theatral verwenden.“ Linke vermutet: „Es war die große Angst vor Verarschung.“

Die Ohren gespitzt

Maria Viktoria Linke und Sandra Hoffmann haben ein Dreivierteljahr lang „Tübingen gehört“. Das Gesammelte soll am 22. Und 23. Juni in ein großes Theaterspektakel münden. Die Abende werden je aus zwei Teilen bestehen. Im ersten Teil wird es einen Gang durchs Theater geben, bei dem in Form theatraler Einlagen und verschiedener Lesungen dokumentarisches zu sehen und zu hören sein wird.  Das, was aus dem Gesammelten entstanden ist, wird im zweiten Teil des Abends als eine „Groteske“ oder „Materialkollage“ zu sehen sein. Dabei soll es nicht um eine dokumentarische Darstellung der Stadt gehen. „Theaterstück“ sei auch der falsche Name dafür – zum Beispiel bestehe das Stück nämlich nicht aus einzelnen Akten, so Hoffmann.

Die Straße hinter der Straße

Zum einen geht es bei Megafon darum, eine Stimmenvielfalt der Stadt sichtbar zu machen. Zum anderen hoffen die Organisatorinnen vielleicht etwas „Tübingen-Spezifisches“ zu finden, „das hier ist anders als anderswo“, heißt es auf der Internetseite des Projekts.

Was ist hier denn anders als anderswo? frage ich. „Erzählen Sie doch mal, was anders ist. Das würde uns gleich interessieren.“ lacht Maria Viktoria Linke. Als ich nach Tübingen kam, erinnere ich mich, da kam mir erst einmal vieles „anders“ vor als in anderen Städten. Vielleicht erschien mir dieses „anders“ zu Anfang ein wenig fremd – und bekanntermaßen neigen wir Menschen dazu, Fremdes mit großem Misstrauen zu beäugen. Aber was ist Tübingen denn eigentlich? Schaut man auf das Ortsschild, ist es zuerst einmal eine Universitätsstadt. Es sind die Studenten, die Tübingen zur Stadt mit dem niedrigsten Altersdurchschnitt in ganz Deutschland machen. Tübingen hat keine Universität – Tübingen ist eine Universität.

Hinter Tübingens Kulissen

Und weil ich in meinem Medienwissenschafts-Studiengang stecke, schaue ich auf die vielen verschiedenen Wege, die die Organisatoren in den letzten Monaten gegangen sind, um hinter die Kulissen der Stadt zu blicken. Es wurden Briefe gelesen, Interviews geführt, Radiobeiträge erstellt und eine Website mit einer Hotline extra für das Projekt eingerichtet. Die letzten beiden „knackigen“ Wochen im Juni sollen von einem Blog zum Projekt begleitet werden. Ich frage, welche Rolle diese Multimedialität im Projekt spielt. „Sie ist ein Teil davon, aber nicht unser Hauptaugenmerk“, sagt Linke. „Ich habe auch schon Projekte gemacht, die eindeutig medienbasiert waren. Bei Megafon sind wir eher ein bisschen retro. Vor allem ging es uns um eine große Offenheit.“

Vielleicht könnte in dieser Hinsicht, so haben die beiden gelernt, Tübingen ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit und ein bisschen mehr Ironietolleranz nicht schaden. Die Sorge von manch einem „verarscht“ zu werden, sei völlig unbegründet. „Wenn man Leute nicht ernst nimmt, dann beschäftigt man sich auch nicht mit ihnen“, findet Linke. Und mit der Stadt beschäftigt haben die beiden sich in den vergangenen Monaten zur Genüge. 

Tübingen und ich

Während ich den Artikel schreibe, wird mir bewusst, dass tatsächlich viel Wahrheit hinter den Worten der Dramaturgin steckt. Ich glaube, dass Beobachten etwas ist, das man lernen kann. Aber nur, wenn man lernt, bewusst zu beobachten. Vielleicht habe ich während des Schreibens gelernt, „mein Tübingen“ hinter „dem Tübingen“ zu sehen und die Stadt auch ein wenig ernster zu nehmen.

Aber halt! Es ist noch nicht Schluss mit Beobachten. Denn Sandra Hoffmann und Maria Viktoria Linke werden noch ein wenig weiter sammeln – beziehungsweise sammeln lassen. Vom 11. bis zum 16. Juni werden etwa zwöft Tübinger Autoren ihre stillen Kämmerlein verlassen und sich an den sogenannten „Tübinger Schreibtischen“ in der Stadt verteilen, um einfach nur zu sehen und das Gesehene aufzuschreiben. Ich werde losziehen und die eigentlich stummen Beobachter ein wenig zum Quatschen bringen. Vielleicht sind wir am Ende überrascht, auf was sie so stoßen. Das Ergebnis wird wieder auf media-bubble.de zu finden sein.

Die beigefügten Bilder wurden von Jan Andreas Münster speziell für das Megafon-Projekt aufgenommen.

„Der Skandal macht vor niemandem halt!“

von Alexander Karl

Wann wird ein Skandal zum Skandal?

Das fragen sich Hanne Detel und Prof. Bernhard Pörksen in ihrem Buch „Der entfesselte Skandal“. Im Gespräch mit media-bubble.de sprach Hanne Detel, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Pörksen, über Voyeurismus, die Entstehung von Skandalen und eine mögliche Rückkehr von Guttenberg.

Hanne Detel sagt: „Der Skandal macht vor niemandem halt!“

media-bubble.de: Frau Detel, Sie haben mit Prof. Pörksen das Buch „Der entfesselte Skandal“ geschrieben. Welche Skandale findet man im Netz über Sie?

Hanne Detel: Hoffentlich keine (lacht). Im Zeitalter der digitalen Überallmedien – also Handys mit Kamera und Internetverbindung – bin aber auch ich nicht davor gefeit, in ungünstigen Situationen fotografiert oder gefilmt zu werden. Daher bin ich aufmerksamer geworden und versuche darauf zu achten, welche Bilder oder Videos man wo von mir macht.

Vom Dioxin-Skandal bis zum Sex-Skandal von Tiger Woods wird so ziemlich alles als Skandal betitelt. Was versteht man wissenschaftlich darunter?

Jeder Skandal – egal ob Dioxin im Hühnerei oder Tiger Woods Affären – hat drei Merkmale: zum einen die Normverletzung, also ein Verhalten entgegen gesellschaftlicher Konventionen. Zweitens die Enthüllung, sodass Menschen davon erfahren. Und drittens die kollektive Empörung der Masse. Umgangssprachlich wird das Wort Skandal viel öfter genutzt, auch wenn nicht alle drei Merkmale vorliegen.

Gibt es denn einen Unterschied zwischen Lebensmittel- und Promi-Skandalen?

Bei einem Lebensmittelskandal ist theoretisch jedermann betroffen, daher ist die Empörung meist größer. Bei den Promis geht es vielmehr um den Voyeurismus von außen. Niemand von uns ist wirklich betroffen, wenn Tiger Woods seiner Frau fremdgeht.

„Der Skandal macht vor niemandem halt – heute kann er jeden treffen.“

Und was ‚entfesselt‘ einen Skandal?

Jeder kann jetzt durch das Internet an die Öffentlichkeit treten und Skandale provozieren. Längst geht es nicht mehr nur um Prominente, die mit Enthüllungen rechnen müssen. Der Skandal macht vor niemandem halt – heute kann er jeden treffen.

Sie und Herr Pörksen stellen in Ihrem Buch die Frage: „Kann man über den entfesselten Skandal in einer Weise schreiben, die sich nicht von der allgegenwärtig gewordenen Neigung zur Skandalisierung forttragen lässt?“ Ja, kann man das?

Ob uns das gelungen ist, müssen letztlich die Leser entscheiden. Beim Schreiben des Buches haben wir versucht, unbekannte Fälle zu anonymisieren, um die betroffenen Personen zu schützen. Einige heikle Fälle haben wir bewusst ausgespart. Und wir bitten die Leser, die Skandale im Kontext des Buches zu belassen und nicht wieder medial aufzukochen. Denn schnell entsteht dann ein Voyeurismus zweiter Ordnung, also gewissermaßen ein Voyeurismus, der unter dem Deckmantel eines Aufklärungsinteresses einen Skandal aufwärmt.

Nicht mehr nur die Mächtigen und Prominenten werden heutzutage im Web bloßgestellt, sondern auch der Junge von nebenan. Sind klassische Medientheorien – z.B. die Nachrichtenwerttheorie – im digitalen Zeitalter noch korrekt?

Früher hatten allein Journalisten – als sogenannte Gatekeeper – die Möglichkeit, sich an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Heute ist das anders: Jedermann kann publizieren und veröffentlichen. Und so erweitert sich das Themenspektrum der Skandalgeschichten, die enthüllt werden, denn Blogger, Twitterer und Co. schreiben Nachrichten oftmals einen anderen Nachrichtenwert zu als die klassischen Journalisten. Doch damit ein Netzskandal zu einem großen Skandal wird, braucht es nach wie vor die klassischen Medien. Für sie spielen die bekannten Nachrichtenfaktoren noch immer eine zentrale Rolle.

Sind also die Journalisten die Skandal-Gatekeeper?

Nicht unbedingt, die klassischen Journalisten übernehmen eher die Rolle des Analytikers und des Chronisten. Sie recherchieren die Hintergründe und zeigen Entwicklungen auf. Vor allem aber verstärken Zeitungen und Co. die öffentliche Empörung. Das hat der Fall von Ex-Bundespräsident Horst Köhler gezeigt, dessen kritisierte Aussage über die Auslandseinsätze der Bundeswehr ja auch von Bloggern entdeckt wurde, bevor die großen Medien darüber berichteten.

Und die Qualitätsmedien nehmen jeden Skandal dankbar auf.

Nicht immer, allerdings kann man beobachten, dass Journalisten immer öfter Skandale aufgreifen, die im Netz große Aufmerksamkeit erhalten – dazu gehören auch Geschichten, die eher dem Klatsch und Tratsch zuzuordnen sind, denn immerhin lassen sich so effektiv Zuschauer und Leser locken.

Skandal ist Ansichtssache

Aber gibt es nicht auch verschiedene Lesarten eines Skandals? Der Soziologe Roland Hitzler sagt: Skandal ist Ansichtssache.

In der Tat. Während sich früher in den klassischen Medien recht schnell eine einheitliche Sicht auf den Skandal durchsetzte, können heute verschiedene Meinungsstränge nebeneinander existieren. Beispiel Ariane Friedrich: Manche verurteilten den mutmaßlichen Absender der anzüglichen Facebook-Nachricht, andere die Hochspringerin für die Veröffentlichung des Textes mitsamt Namen und Wohnort des Mannes. Streng genommen waren das zwei Skandale in einem.

In Ihrem Buch untersuchen Sie verschiedene skandalöse Einzelfälle, darunter auch den des Politikers Anthony Weiner, der aufgrund seiner Cybersex-Affäre zurücktreten musste. Darf man in Zeiten des Internets überhaupt ein Privat- und Sexualleben haben, ohne Angst zu haben, dass es einmal gegen einen verwendet wird?

Natürlich kann man es haben, aber je berühmter man ist, desto größer ist die Gefahr, dass Berichte über Affären oder uneheliche Kinder enthüllt werden. Denn überall lauern im digitalen Zeitalter indiskrete Technologien wie Smartphone und Digitalkamera, die es leicht machen, Intimes und Privates zu dokumentieren und ins Netz zu stellen. Der Fall Weiner lief etwas anders ab: Hier war er es selbst, der versehentlich ein Bild von sich in Unterhose durch einen falschen Klick bei Twitter für alle Welt öffentlich machte – und damit die Sache ins Rollen brachte.

Im Buch heißt es, dass bei Weiner zunächst ein Ritual der Reuebekundung fehle – nämlich der Rücktritt. Wann reichen Worte nicht mehr und Taten müssen folgen?

Das ist sehr individuell, hängt aber unter anderem von der Fallhöhe des Skandalisierten ab. Wenn man sich wie Horst Seehofer als konservativen Familienvater inszeniert und dann eine Affäre hat, ist das schon grenzwertig. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg war die Fallhöhe noch größer, reklamierte er für seine Politik doch eine besondere Werteorientierung. So musste er in der Plagiatsaffäre Worten Taten folgen lassen und schlussendlich zurücktreten.

Und eine Rückkehr ist dann nicht mehr möglich, quasi ein Gang nach Canossa?

Auch hier gilt: Das ist abhängig vom Vergehen. Beispiele, bei denen es geklappt hat, sind Cem Özdemir oder Wolfgang Schäuble. Aber wenn das Vertrauen einmal angeknackst ist, ist es schwer, es wieder herzustellen. Guttenberg hat zwar auch heute noch viele Befürworter, aber ich glaube nicht, dass er jemals wieder ein so hohes Amt innehaben wird.

Das Buch zum Interview: Hanne Detel und Bernhard Pörksen zeigen in ihrem Buch „Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter“ am Beispiel von zahlreichen Fallgeschichten, dass die Reputation von Einzelnen, aber auch von Unternehmen und Staaten blitzschnell zerstört werden kann. Erschienen im Herbert von Halem Verlag (Köln), 19,80 Euro.

Foto: Verlag; Sophie Kröher

Bitte recht hetero! Schulbücher und ihr Weltbild.

von Alexander Karl

Homosexualität in der Gesellschaft bleibt ein Streitthema: Während US-Präsident Obama sich für die Öffnung der Ehe ausspricht, hetzt in Deutschland ein Uni-Professor gegen den Berliner Senat, der homosexuelle Partnerschaften im Unterricht behandeln will. Aber: Wie wird Homosexualität bisher im Unterricht behandelt?

Auch Kinder sollten lernen: „Love is Never Wrong“

Tradition contra Irrglaube

Wie präsent soll Homosexualität in der Gesellschaft und somit auch in den Medien sein? Prozentual zu dem tatsächlichen Anteil, der zwischen 4-10 Prozent liegt? Und wann sollen Schüler mit einer Welt außerhalb des heteronormativen Weltbilds konfrontiert werden? Diese Frage stellt sich nicht nur der Berliner Senat, der in weiterführenden Schulen über Homosexualität diskutieren lassen will, sondern auch der Politikwissenschaftler Jürgen Bellers der Uni Siegen. In einer Facebook-Gruppe der Uni rief er zu einem Treffen der Gruppe „Traditional international“ auf, die als Menschenrechtsorganisation gegründet werden sollte. Es sollte „Mailaktionen an die, die (…) Menschenrechte missachten“, geben, etwa über den Berliner Senat, „der im Unterricht auch homosexuelle Beziehungen als mögliche Partnerschaftsformen lehren will“. Für die Uni Siegen ein mittlerer Skandal, der nicht nur Entschuldigungen nach sich ziehen darf.

In Berlin wird man darüber wohl nur den Kopf schütteln können. Dort gibt es bereits seit 2006 eine Handreichung zum Thema „Lesbische und Schwule Lebensweisen“ in der es heißt: „Sie, liebe Kollegin, lieber Kollege, können dazu beitragen, dass lesbische und schwule junge Menschen ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln und ihnen ihre Mitschülerinnen und -schüler mit Offenheit, Selbstverständlichkeit und Akzeptanz begegnen.“

Das ist auch in den Lehrplänen verankert: Seit dem Schuljahr 2006/2007, werden die Themen „Sexualität und sexuelle Orientierung, sexuelle Identität und gleichgeschlechtliche Lebensweisen“  als Unterrichtsinhalte genannt – etwa in Biologie, Ethik, und Geschichte. Aber auch die Thematisierung in anderen Fächern, etwa Deutsch und Fremdsprachen, aber auch Sport, wird angeregt.

Schulbücher. Oder: Wie viel homo ist erlaubt?

Dies wirkt sich auch auf die Schulbücher aus. Auf Anfrage von media-bubble.de erklärte Dagny Ladé vom Ernst Klett Verlag, dass alle Schulbücher des Verlags „in vollem Maß den Vorgaben des Lehrplans in den Bundesländern [entsprechen], für die sie genehmigt sind. Die Wahl der behandelten Themen, die Ausführlichkeit ihrer Darstellung und die konkreten Unterrichtsaufgaben an den Schüler ergeben sich aus den Vorgaben der jeweiligen Kultusministerien.“ Das heißt, wenn die Kultusministerien in ihren Lehrplänen keinen Wert auf die sexuelle Aufklärung legen, schlägt sich das auch nicht in den Schulbüchern nieder. Doch wie Brigitte Kieser vom Bildungsministerium Baden-Württemberg erklärt, sind Schulbücher kein Allheilmittel. Stattdessen bestünde ein gelungener Unterricht „aus dem Einsatz verschiedener fachdidaktischer Methoden und Unterrichtsmittel.“

Das mag zwar richtig sein, aber nur wenige Lehrer sprechen das sensible Thema Homosexualität fernab des Lehrplans an. Gegenüber media-bubble.de erklärte Brigitte Kieser weiter, dass die neuen Bildungspläne zum Schuljahr 2015/16 „Aspekte wie Heterogenität/Diversität, Empathie, Respekt und Toleranz gerade auch angesichts der weiteren Pluralisierung von Lebensstilen maßgeblichen Stellenwert einnehmen“ werden.

Bis sexuelle Vielfalt also ihren Weg in die baden-württembergischen Schulbücher findet, wird es noch dauern. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich düster aus: Eine Studie des Autonomen Lesben- und Schwulenreferat an der Universität zu Köln (LUSK) aus dem Jahr 2011 ergab, dass von 365 in NRW gängigen Schulbüchern gerade einmal 67 Homosexualität bzw. schwule oder lesbische Lebensweisen thematisieren. In manchen Büchern wird Homosexualität gar in einem Atemzug mit Sodomie und Prostitution genannt. Der Gegenpol dazu sind die Niederlande. Dort sollen in Mathebüchern Aufgaben gestellt werden wie „Zwei Väter kaufen ein Sofa für 1.399 Euro mit 25 Prozent Rabatt. Wie viel müssen sie bezahlen?“. Natürlich laufen auch hiergegen christliche Gruppen Sturm. Zugegeben: Das tun beim Thema Homosexualität die meisten christlichen Gruppen. Aber, liebe christliche Gruppen, warum immer gegen die sexuelle Diversität hetzen? Kümmert euch doch lieber um Männer, die sich rasieren, oder solche, die Schalentiere essen! Das ist auch nicht konform mit der Bibel.

Fernab jeglicher religöser Überzeugungen stellt sich immer wieder die Frage: Welche Rolle sollte Homosexualität in einer aufgeklärten westlichen Gesellschaft spielen? Homosexualität ist keine „Krankheit“ oder „Verwirrtheit“, sondern schlicht menschlich – ein Ausdruck von Diversität. Wenn in Schulbüchern Behinderte, Farbige und andere so genannte „Randgruppen“ ihren Platz finden, muss es eine logische Schlussfolgerung sein, dass auch Homosexuelle dort ihren Platz finden. Denn genauso wenig, wie man durch den Anblick eines dunkelhäutigen Menschen selbst die Hautfarbe wechselt, wird man durch die Lektüre eines homosexuellen Comics schwul oder lesbisch. Stattdessen eröffnet sich den Schülern die Chance, bereits von Kindesbeinen an Homosexualität als eine Facette der menschlichen Gesellschaft anzusehen. Damit es in Zukunft weniger Menschen wie Jürgen Bellers gibt.

Foto: flickr/danny.hammontree (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/leg0fenris (CC BY-NC-ND 2.0)

Dieser Text ist ein Beitrag zur Aktion der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum “Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie”  am 17.5.2012. Auf media-bubble.de gibt es dazu auch eine Aktionsseite.

„Modern Family“ – Äußerst komisch!

von Alexander Karl

Man nehme eine Patchwork-Familie und tue so, als würde man sie auf Schritt und Tritt begleiten, garniert das mit viel Humor und fertig ist eine äußerst komische Comedy-Sendung. Und die Erfolge sprechen für sich: 2012 gab es den Golden Globe als beste Comedy-Serie.

Patchwork. Oder: Wie geht Familie?

In der ersten Episode der ersten Staffel ist man – sollte man ohne Hintergrundwissen die Serie schauen – vielleicht etwas verwirrt: Warum haben sich die Schreiberlinge genau diese drei Familien einfallen lassen, die auf den ersten Blick so unterschiedlich sind?

Oberhaupt von Familie Delgado-Pritchett ist der reiche und in die Jahre gekommene Jay (gespielt von „Eine schrecklich nette Familie“-Darsteller Ed O’Neill). Er ist seit kurzem mit einer attraktiven Kolumbianerin Gloria verheiratet, die ihren Sohn Manny mit ihn die Ehe bringt.

Familie Dunphy hat drei Kinder, die alle kurz vor oder direkt in der Pubertät stecken, einen Dad, der sich für den coolsten und hippsten Vater auf Erden hält, und eine fürsorgliche Mutter.

Und schlussendlich Familie Pritchett-Tucker, bestehend aus zwei Schwulen, die eine Tochter aus Vietnam adoptiert haben.

Was diese Familien verbindet? Jay ist der Vater der fürsorglichen Mutter Claire und dem schwulen Mitchell (den Stammbaum gibt’s auch bei Wikipedia).

Eine klassische Patchwork-Familie also, die sich fernab von sämtlichen gesellschaftlichen Schranken formiert hat. Und darum geht es in „Modern Family“: Das moderne Familienleben mit schwulem Sohn und einer Stiefgroßmutter, die jünger (und attraktiver) als die eigene Mutter ist.

Wie ist sie also, die „moderne Familie“? The Atlantic fasst es so zusammen:

In the case of Modern Family, however, it must be acknowledged that the trick, or bag of tricks, works. It works spectacularly. The American family circa 2011 is, after all, an acutely self-conscious and self-interrogating unit: How does one “parent”? Who does what, which “role”? Is Dad sufficiently dad-like and Mom enough of a mom? And what if there are two dads, or two moms, or half- or step-siblings?

Dabei wird natürlich auch mit Klischees gespielt: Der coole Übervater Phil will ein Nacktbild auf dem PC seinem zehnjährigen Sohn Luke anhängen. Wenige Folgen später beschließen er und seine Frau Claire, den Valentinstag mit einem Rollenspiel zu begehen. Blöd nur, dass sich der Mantelgürtel in einer Rolltreppe verfängt – und Claire nichts drunter trägt. Ein böses Ende gibt es aber nicht: Vater Jay kommt mit der neuen Frau Gloria vorbei, die Rat weiß. Typisch Sitcom, also: Jede Episode wird abgeschlossen und endet positiv, obwohl sich die Charaktere natürlich immer weiterentwickeln.

Wie mit Klischees gespielt wird, zeigt auch das Paar Mitchell und Cameron: Der schwule Cameron präsentiert die frisch adoptierte Tocher dem Rest der Familie zur Titelmusik aus „König der Löwen“, der unglaublich authentisch vom heterosexuellen Eric Stonestreet gespielt wird. Zu recht bekam er für seine Rolle 2010 einen Emmy. Trotz oder gerade wegen dieser vordergründig offenen Thematisierung von Homosexualität wurde der Show von den Fans angelastet, keine körperliche Zuneigung des Paares zu zeigen. Erst in der zweiten Staffel wird ein Kuss des Paares gezeigt.

Mockumentary und Technik für den Humor

Mockumentary ist eine Wortschöpfung aus „(to) mock“ und „documentary“, also ein verspotten des Dokumentarfilms. In Deutschland ist dies vor allem aus der Serie „Stromberg“ bekannt, in der die Charaktere zum einen in die Kamera schauen dürfen (oder müssen), die Bilder manchmal ein wenig wackeln und zum anderen die Figuren (fiktive) Interviews vor der Kamera führen.

Gleichzeitig aber spielt die neue Technologie und das digitale Leben in der Serie eine große Rolle: Da wird gesimst und mit dem Handy telefoniert, aber gleichzeitig auch mit den Problem kokettiert. So passiert es Claire, dass sie halbnackt in das Zimmer ihrer Tochter geht, während dort die Webcam läuft und deren Freund seine Schwiegermutter in spe so in Unterwäsche sieht. Dieser Einbau von moderner Kommunikation ist geschickt, das wissen auch die Serienmacher:

“We used to talk about how cellphones killed the sitcom because no one ever goes to anyone’s house anymore,” said Abraham Higginbotham, a writer on the show. “You don’t have to walk into Rachel and Ross’s house, because you can call and say, ‘Hey, what’s up?’ We embrace technology so it’s part of the story.”

Gleichzeitig erhebt modern Familie aber nicht den Anspruch, die Realität abzubilden – das wird alleine durch die mockumentary-Kameraführung deutlich. Vielmehr führt uns die Serie Rollen und Muster vor, die wir aus unserem eigenen Leben kennen. Und unterhält zudem. Nicht schlecht für 20 Minuten Sitcom.

Nur schade, dass in Deutschland „Modern Family“ nur über Satellit auf RTL Nitro (montags, 20.15 Uhr) zu empfangen ist. Auf RTL Now sind die Folgen bis 7 Tage nach Ausstrahlung kostenlos zu sehen.

Quelle: Internet

von Alexander Karl

Dieses Internet ist wirklich überall! Selbst in den Nachrichten wird nicht nur davon gesprochen, sondern auch daraus zitiert. Oder man versucht es zumindest. So wie am heutigen Tag das ZDF in seiner Nachrichtensendung „heute“. In Syrien treffen UN-Beobachter ein, eigentlich herrscht Waffenruhe, doch in Homs wird weiter gekämpft. Letzteres ist auf verwackelten Bildern zu sehen. Die Quelle der Bilder wird mit „Internetvideo“ angegeben.

Das ist in etwa so, als schreibt man in seiner Doktorarbeit als Quelle „Bibliothek“. Oder als würde auf Zugfahrplänen „irgendwo“ stehen. Oder als hätten die Medienschaffenden keine Ahnung vom Urheberrecht.

YouTube und so

Manche Redaktion geben als Quelle – und diese wird es wahrscheinlich auch im Fall des „Internetsvideos“ des ZDF sein – YouTube an. Das ist wiederum so als würde man in seiner Doktorarbeit „Regale 1 bis 2000“ oder auf dem Fahrplan „irgendwo in Berlin“ schreiben. Also kaum hilfreicher als die Angabe „Internetvideo“. Ferner ist es ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht.  Von Seiten Googles, YouTubes Mutterkonzern, heißt es in den Nutzerbedingungen:

  • Erwähne den Content-Eigentümer. Obwohl YouTube eine Lizenz zur Verbreitung des Contents, ist der YouTube-Nutzer der Eigentümer des Contents. Wenn du ein Video verwenden möchtest, empfehlen wir, den Nutzer direkt zu kontaktieren und einen entsprechenden Hinweis anzugeben, indem der Nutzername oder der echte Name des Nutzers angezeigt wird.
  • Erwähne YouTube beim erneuten Senden des Videos. Wenn du ein YouTube im Fernsehen zeigst, achte darauf, dass YouTube erwähnt und ein entsprechender Hinweis zu sehen ist. Wir haben das offizielle YouTube-Logo hierfür zum Download zur Verfügung gestellt.

Denn, liebe Fernsehmacher und Medienschaffende, das Urheberrecht, welches sonst so gerne ins Feld geführt wird wenn es um Musik, Fernsehen oder nachrichtliche Meldungen geht, gilt auch für Online-Content wie YouTube-Videos oder Blogs. Das weiß mittlerweile sogar die Autorin Helene Hegemann, in deren Buch „Axolotl Roadkill“ die Quellenangaben zu ihren Inspirationen mittlerweile zu finden sind.

Denn wie jeder Erstsemester lernt: Das A und O jeder (wissenschaftlichen) Arbeit ist ein genauer Nachweis der Quellen. Und eben nicht „irgendwo im Internet“.

Foto: Flickr/Jeffrey Beall (CC BY-ND 2.0)