Mädchen?

von Sebastian Luther

Ein Mann befiehlt seiner Freundin, auf allen Vieren durch die Wohnung zu kriechen. Er wirft sie auf das Bett, penetriert sie von hinten und ejakuliert auf ihre Brust. Er gipfelt in Lust, sie in Scham. Willkommen in der Wirklichkeit.

Welcome to the cruel world

Der Mann heißt Adam, er ist Künstler durch und durch. Schauspieler, Autor, Holz-Bildhauer. Damit hat er es in New York nicht leicht, die Konkurrenz ist hart, das Angebot rar und die Mieten hoch. Doch er schafft es trotz allem sich seine quirlige, exzentrische Art zu bewahren. Ein unverwechselbarer Charakter, der auch noch bis an die Zähne mit sarkastischen und brutal ehrlichen Kommentaren bewaffnet ist, die allesamt regelmäßig zum Einsatz kommen. Ein streitbarer Charakter, dessen Wirkung aus der fiktionalen Realität heraus, in der er geschaffen wurde, tief in unsere Realität strahlt. Und schließlich ein scheußlicher Charakter. Nicht im guten Sinne, dass man sich an der außerordentlichen Leistung des Schauspielers aufreibt und reale Gefühle auf eine fiktive Person projiziert, sondern scheußlich auf die scheußliche Art, auf die die Botschaft des Charakters jeden Kontext überlagert und dann verschlingt, dann versickert und dann, am Ende, vernichtend verkündet: “So sollst du sein!” Aber das ist glücklicherweise nicht allein Lena Dunhams Werk.

Stairway to Fame

Ihr Werk allein ist ein Anderes. Ihr Werk ist die Serie “Girls”, die sie zusammen mit Judd Apatow (Superbad, Get Him to the Greek) produziert hat und auch die weibliche Hauptrolle Hannah Horvath spielt. Hannah versucht sich in New York als Autorin zu etablieren, bekommt allerdings in der Pilotfolge die Hiobsbotschaft von ihren Eltern, dass sie sie nicht länger finanziell unterstützen werden, verliert dann ihre einzige, halbwegs aussichtsreiche, aber dennoch unbezahlte, Anstellung und schlingert so durch die Sphären des Big Apple Kosmos. Hannah hat außerdem eine Affäre mit besagtem Adam, die gar nicht gut läuft. Zur Seite stehen ihr die drei restlichen Girls, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Jessa, die aufgedrehte Britin, die kaum eine Feier oder einen Typen auslässt und zum ersten Mal seit Jahren wieder in NYC ist. Weil sie dort keine Wohnung hat, zieht sie bei ihrer Cousine und Freundin Shoshanna ein, dem naiven, jungfräulichen Mauerblümchen, das das Herz am rechten Fleck trägt. Und dann ist da noch Marnie, Hannahs taffe Mitbewohnerin, die einen Job in einer Galerie und einen sehr fürsorglichen Freund hat, beide aber nicht besonders gut leiden kann. So soll sich die Serie insgesamt als realistisches Pendant zu Sex and the City und Gossip Girl positionieren, da beide materielle Sorgen durch ihr Setting ausblenden. Pay-TV Platzhirsch HBO hat Dunham damit gewissermaßen ein goldenes Treppchen in den Himmel des Erfolgs gebaut, ein Raketenstart, kein Fuß in der Tür, sondern eine abgerissene Wand.

Normative Normalität  

Wofür die Serie von Kritikern, Fans und der eigenen Crew gleichermaßen gefeiert wird, ist eben der Realismus. “I think it’s interesting for guys to get an insight into realistic females”, erklärt Dunham in einem Interview. Besonders wird dabei immer wieder Sex in den Vordergrund gerückt, der für Fernsehverhältnisse völlig atypisch abläuft und die dreckige Seite zeigen soll, die nur einem Partner Spaß macht (siehe oben). Das Problem ist dabei nicht, dass Adam mit seiner neuen Freundin Natalia etwas tut, das unrealistisch oder konstruiert wäre. Er bestraft sie in dieser Szene für die Demütigung, der sie ihn ausgesetzt hat, indem sie ihn als den kriselnden Künstler auf eine Party voller erfolgreicher Leute mitgenommen hat, was ihn entsprechend schlecht dastehen ließ. Obendrein trifft er vorher Hannah, was ihn zusätzlich deprimiert und wieder zur Flasche greifen lässt. Auch das ist, wenngleich in sich sehr problematisch, nicht das grundlegende Problem. Das grundlegende Problem ist, dass Adams Verhalten auf dem gleichen Zug mitfährt, der von den Realismushymnen von faz.net, sueddeutsche.de und, oh Wunder, SPON zu Ehren der Sendung angeschoben wird. Diese völlig unkritische Haltung, hier im Beitrag von DRadio Kultur, kolportiert Normalität, sein Verhalten wird entschuldbar. Denn der Adam, der so geschaffen wird, ist ja nur “leicht autistisch”, “wenig gesellschaftsfähig” und trotzdem “ein guter Liebhaber”. Er ist eben so, er ist der Exzentriker, wie es im Klappentext der ersten Staffel heißt. Er ist der Charakter, mit dem man sich dann froh identifizieren kann. Und wenn man sich bei ihm keine Sorgen machen muss, dann bei einem selbst auch nicht. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach, kriegt er Hannah am Ende ja doch zurück. Ach ja, und wenn schon. Er war ja auch noch betrunken. Das macht es doch OK, oder?

 

Foto: flickr/charliedees (CC BY 2.0)

Modisch empört

von Nicolai Busch

Wenn heute jemand einen Zuckerwürfel in den Bodensee wirft, könnte er das messtechnisch morgen noch nachweisen. Wenn er wollte. Die Frage ist nur, warum sollte man wollen?

Doch von vorne – Michael Jeffries, CEO des großen, US-amerikanischen Modeunternehmens Abercrombie & Fitch behauptete 2006 in einem Interview seine Kollektionen seien ausschließlich für „schlanke, gutaussehende“ Menschen bestimmt. Die Unternehmensstrategie habe letztendlich den kategorischen Ausschluss „dicker, uncooler“ Käufer zum Ziel. Ein Skandal? Oder nur eine sehr ehrliche und offene Beschreibung spätkapitalistischer Unternehmensphilosophie?

 Jeffries vs. Facebook

Erst sieben Jahre später, 2013 steht das selbe US-amerikanische Modeunternehmen im Auge eines riesigen Shitstorms. A & F sieht sich mit abertausenden wütenden Hassmails und Boykottaufrufen in sämtlichen sozialen Netzwerken konfrontiert. Journalisten hatten die umstrittenen Zeilen des CEO aus dem Jahr 2006 wieder ausgegraben, um sich im Krieg gegen den Körperkult auf die Seite der in dieser Welt diskriminierten Dicken zu schlagen.A & F lehnt es nach wie vor ab, Übergrößen anzubieten.

Stating the Obvious – der Zirkelschluss der Empörung

Nun nehmen wir einmal an, es gäbe Leute, die Zuckerwürfel in den Bodensee werfen und darin eine Relevanz sehen würden, diesen eigens in den See geworfenen Zucker im Wasser auch nachzuweisen. Ein typischer Zirkelschluss, der auch die Empörung um A & F bildlich beschreibt. Denn hier wird das zu Beweisende, bei dessen Beweis schon verwendet (Diese Gesellschaft diskriminiert dicke Menschen. A & F diskriminiert dicke Menschen. A & F ist schuld an der Diskriminierung dicker Menschen durch diese Gesellschaft). Im wütenden Gleichschritt pilgert dann ein Mob aus Weltrettern, Meinungsfreiheitskämpfern und moralisch Schwerverletzten zur Stätte der „Verunreinigung des gesellschaftlichen Grundwassers“. Will heißen, zum Bodensee, oder eben zur Facebook Fanpage des Modeunternehmens A & F. Nicht um Zucker nachzuweisen, sondern um ein mehr als hundert Jahre altes Schönheitsideal anzuprangern, das gesellschaftlich fest verankert ist. Ein Schönheitsideal, das wir nicht zuletzt unzähligen überzeugten Käuferinnen und Käufern zu verdanken haben.

A & F – Täter oder Stellvertreter?

Es soll hier keinesfalls versucht werden, das durchaus diskriminierende Geschäftsmodell von A & F zu verharmlosen. Die Zuckerwürfel-Metapher und der Zirkelschluss verweisen auf einen ganz anderen Umstand. Sie verweisen auf eine Empörungsdynamik des digitalen Publikums, die scheinbar erst losbricht, sobald das ohnehin Offensichtliche („Die Mode der Schönen und Reichen diskriminiert seit jeher keineswegs unabsichtlich die weniger Schönen und Mittellosen“), aber bisher Unausgesprochene, von einem Verantwortlichen ausgesprochen wird. Das heißt, die Bedeutung der eigentlich gesellschaftlich begangenen Tat und damit die Wut aller Zeugen steigt, sobald ein einzelner Täter gefunden ist, der sich durch sein ehrliches Statement zum Täter macht und uns Alle dadurch entlastet. Einer, der uns entlastet von unserer diskriminierenden Sehnsucht, uns körperlich und modisch voneinander abzugrenzen.

Der Skandal ist ein gesellschaftlicher

Dabei hätte man sich doch freuen können über die Worte Michael Jeffries. Endlich gibt da mal einer zu, ein Arsch zu sein. Endlich betreibt da mal einer ganz offen die zielgerichtete Ausschließung unerwünschter Kunden und bekennt sich hierdurch als Mitverantwortlicher unwirklicher Stereotype, den Magermädchen und Milchbuben im Strandoutfit. Doch anstatt sich glücklich zu schätzen, dass jemand die Schuld auf sich nimmt, taucht das Publikum online nach Zucker im Bodensee, ohne das wahre Ausmaß des eigentlichen Skandals überblicken zu können. Anstatt sich mit Jeffries Marketingstrategie ehrlicherweise zu identifizieren und sie dann als gesellschaftliches Problem kontrovers zu diskutieren, fordert die Netzgemeinde „mehr Übergrößen“ bei A & F.

Wie klein und unnütz scheint doch plötzlich die Macht des Publikums im digitalen Netzzeitalter, wenn die skandalisierte Normverletzung des Einzelnen nur über das unveränderbar skandalöse Bewusstsein einer ganzen Gesellschaft hinwegtäuscht?

 

Foto: flickr.com/ E L Montgomery; Bearbeitung Sanja Döttling (BY-NC-SA 2.0)

Mehr Iron Man

von Sanja Döttling

Tony Stark war nie der höflichste Milliadär, und das wird ihm in dritten Teil der Saga zum Verhängnis. Vor ein paar Jahren ließ er den hässlichen, aber brillanten Wissenschaftler Aldrich Killian abblitzen und muss jetzt mit den Folgen leben. Chirurgisch überarbeitet und mit neuem Anzug kommt Killian zurück und versucht sich nicht nur Starks Imperium, sondern auch seine Freundin Pepper unter den Nagel zu reißen. Ein ungünstig gewählter Zeitpunkt, denn in der Beziehung von Pepper und Tony läuft nicht alles rund. Wer will auch schon Mann und Bett mit einem Kampfanzug teilen? Kilian hat eine Methode entwickelt, die Gene des menschlichen Körpers zu verändern – eine Methode, die nur zu leicht als Waffe gebraucht werden könnte.

Weitere Gefahr droht von dem Terroristen Mandarin. Die Auseinandersetzung wird persönlich, als bei einer von Mandarin geplanten Explosion Tonys Sicherheitschef  verletzt wird. Völlig unvorbereitet stolpert Tony Stark in den ersten Kampf und kann nur mit Mühe und einem stark beschädigten Anzug entkommen. Nicht nur der Anzug ist angeschlagen: Seit dem Alien-Angriff auf New York, der im letzten Marvel-Film „The Avengers“ erzählt wird, leidet der taffe Tony Stark an Panikattacken. Nicht die besten Voraussetzungen, um einer terroristischen Vereinigung und einem genveränderten Schönling entgegen zu treten.

Reich und Schön

In den letzten Jahren wurden die Marvelverflimungen immer erfolgreicher. Iron Man 3 bis jetzt  eine Millarde Dollar weltweit ein und steht damit schon jetzt auf Platz 16 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Vorgänger „The Avengers“ belegt übrigens Platz Drei. Das Franchise „Marvel“ hat sich damit endgültig seinen Platz in der Top-Liga erstritten.

Alles auf Anfang

Es ist nur ein konsequenter Schluss, auf Höhe des Erfolgs zum Anfang zurückzukehren. Genau dazu ist Iron Man nämlich gezwungen. Nachdem er nur knapp dem Angriff des Mandarin entkommen konnte, sind Geld, Labor und Autos dahin. Aus dem superreichen Playboy wird wieder der Tüftler Tony, der ganz wie McGyver zum rudimentären Erfinden zurückkehren muss. Ein einfacher und doch effektiver Weg, um aus dem Superhelden einen Underdog zu machen, nicht unähnlich wie im ersten Teil. Neue Verletzlichkeit gewinnt Tony auch durch die Panikattacken, die seinem Charakter mehr Tiefe geben sollen – auch wenn dieser Griff in die Emotionalitätskiste sicher nicht die Neueste im Filmbusiness ist.

Regisseur Shane Black hat schon 2005 mit Robert Downey Jr. zusammengearbeitet, damals bei seinem Regiedebut mit der Actionkomödie „Kiss Kiss Bang Bang“, die gleichzeitig die Rückkehr Downeys auf die große Leinwand markierte. Jetzt kommt das Paar erneut zusammen. „Iron Man 3“ ist actionreicher denn je, alles ist auf Hochglanz poliert. Es ist Popcornkino von seiner besten Seite, und auch auf die Handlung wurde wert gelegt. Das ist nicht bei jedem Actionfilm so.

Aus zwei mach eins

Die Handlung des dritten Teils vereint zwei bekannte Handlungsstränge aus dem Comic, die Geschichte des Bösewichts Mandarin (überraschend und furchterregend: Ben Kingsley) und die Story um „Extremis“, die genetische Veränderung des Körpers. Der aus den 60er Jahren stammende Terrorist Mandarin wäre für die heutige Kinoleinwand zu eindimensional. Im Comic ist er einfach nur der böse Kommunist; im Jahr 2013 reicht diese plakative Beschreibung nicht mehr aus. Deshalb haben die Drehbuchautoren Drew Pearce und Shane Black sich hier eine ganz besondere Auflösung einfallen lassen, die beide Handlungen auch zusammenführt. Fans werden vielleicht entsetzt sein; andere werden den frischen Wind lieben.

Eine andere positive Überraschung ist Pepper Pots. Sie ist nämlich mehr als ein weibliches Loveinterest. Zwar ist „Iron Man 3“ noch lange kein Fall für den Bechdel-Test, aber dennoch wird Pepper als weibliche Figur ernst genommen. Sie ist nicht nur Firmenchefin, sondern führt mit Tony auch eine überraschend alltägliche, gleichberechtigte Beziehung. Schön, eine Frau mal nicht nur als Damsel in Distress zu sehen.

Doch ein neuer Faktor (abgesehen von den lebensbedrohlichen Gegnern Tonys) wirft ein Schatten auf die Beziehung. Tony schafft es, den KI-Butler Jarvis seinen Anzug steuern zu lassen. Aus dem Anzug mit der künstlichen Intelligenz entwickelt sich so eine neue Eigendynamik, die auch gern mal in Tonys Schlafzimmer eindringt. Die Fragen, inwieweit sich der Iron Man von Tony Stark entfernt hat, und wie abhängig Tony von seiner eigenen Erfindung geworden ist, werden in diesem Film aufgegiffen. Ist der Superheld die Rüstung? Oder Tonys Erfindergeist?

Lineare Erzählungen waren gestern

Die Comics von Marvel (und DC) hatten schon immer eine anspruchsvolle Chronologie. Alle Superhelden fungieren im gleichen Universum, haben aber andere Handlungsstränge. Außerdem erschienen oft parallel Comic-Bände, die sich auf einen Superhelden konzentrieren, und Bände, die eine ganze Gruppe Superhelden  im Blick haben (wie Avengers). Was dazu führte, dass Helden teilweise in zwei Handlungen „gleichzeitig“, aus Rezipientensicht, zugange waren. Zusätzlich verstärkt wird die Verwirrung durch die Riege der Comicautoren und –zeichner, die die Geschichten manchmal etwas anders erzählen. Die sämtlichen Parallelwelten, in denen Iron Man zugange ist gibt es hier in einer langen Liste.

Lineares Erzählen war in Comics schon lange gestern. Jetzt hat diese Erzählstruktur teilweise auch auf die Marvel-Verfilmungen übergegriffen. Zwar wird hier nur eine Handlung erzählt. Aber „Iron Man 3“ ist der erste Film, der als Fortsetzungen zwei anderer Filme gleichzeitig gilt: Einmal „Iron Man 2“, und zusätzlich „The Avengers“. Aus ersterem wurde die Beziehung mit Pepper fortgesetzt. Aus letzterem behält Tony Stark seine Panikattacken bei. Klingt unkonventionell, ist aber gut gelungen. Der Film sieht sich wie aus einem Guss, Handlungsstränge sind gekonnt ineinander verwoben. Auch die  schöne Hochglanz-Action mit meist zotigem Humor trägt dazu bei.

 

Fotos: TM & © 2013 Marvel & Subs. All Rights Reserved.

Schafpelze statt Daunendecken

von Eva Meixner

Ein freies Leben führen, unter weitem Himmel schlafen und jeden Tag woanders sein – der Film „die Winternomaden“ von Manuel von Stürler zeigt, wie ein fast vergessener Beruf ein solches Leben in Mitten von Europa möglich macht. Der Film porträtiert zwei Menschen, die  als Schäfer und Schäferin für vier Monate mit ihren Schafen durch die Westschweiz ziehen, welche Anstrengungen und Wunder auf sie warten.

Reisevorbereitungen

Die letzten Vorbereitungen werden getroffen, die Esel werden mit Schaffellen und anderen lebensnotwendigen Dingen bepackt, die Leitschafe bekommen Glocken um den Hals. Pascale Eguisier und Carole Noblanc bereiten sich auf eine ungewöhnliche Reise vor. Mitten im Winter werden sie begleitet von 800 Schafen, vier Hütehunden und drei Packeseln durch die Westschweiz wandern, um für die Schafe die besten Futterplätze zu suchen. Den Straßenlärm noch im Nacken machen sie sich mit der riesigen Herde auf den Weg zu einem unkonventionellen und entbehrungsreichen Leben. Tag und Nacht werden sie in den nächsten vier Monaten draußen bei ihrer Herde verbringen, bei Wind und Wetter unter freiem Himmel schlafen und jeglichem Komfort den Rücken zuwenden.

Was hat diese beiden Menschen  veranlasst, ihre warmen, trockenen Wohnungen zu verlassen mit Schafen, Hunden und Eseln bedingungslos den Launen der Natur auszusetzen?

Unter freiem Himmel

Carole und Pascale ist der materialistische Komfort nicht genug. Sie haben Bequemlichkeit gegen ein hartes Leben eingetauscht – aus Liebe zu den Schafen und zur Natur. Sie ziehen von Futterplatz zu Futterplatz, laufen mit ihrer riesigen Herde auf Straßen entlang und durchqueren ganze Dörfer. Fünf Kilometer legen sie im Durschnitt pro Tag zurück, insgesamt werden sie auf ihrer Reise 600 Kilometer laufen. Nach einem Tag voll ununterbrochener Konzentration, kommen sie abends am Lagerfeuer endlich zur Ruhe. In einem Lager aus Planen und Schaffellen schlafen sie nachts an Waldrändern, Lichtungen oder auf freien Wiesen, mit nichts als Schnee um sich herum.

Intensive Vorbereitung

Regisseur Manuel von Stürler und sein kleines Team haben die beiden Schäfer auf ihrer Reise begleitet. Dabei ist ein Film entstanden, der ganz ohne falsche Romantik das Leben der Schäfer widerspiegelt. Von Stürler, der zuvor als Komponist und Musiker tätig war, entdeckte seine Faszination für Schafe und Schäfer, als eines Tages eine Schafherde durch seine Region zieht. Die Idee, seine Leidenschaft des Fotografierens und Filmes, mit seiner Faszination für die Winternomaden zu verbinden, lässt in ihm den Gedanken (die Idee) zu diesem Film reifen. In den zwei Jahren der Vorbereitung für den Film, nimmt von Stürler an einer kompletten Wanderung der Herde teil. Die beiden Schäfer von der Idee zu begeistern gestaltete sich anfangs nicht einfach, verrät von Stürler in einem Interview. Erst nachdem sie der Regisseur überzeugt hat, dass sein Projekt weit anspruchsvoller sein wird, als die zahlreichen Amateurvideos, die über die beiden existieren, willigen sie ein.

Schlicht und einfach überzeugend

Wie auch die Winternomaden selbst, kommt der Film ganz ohne jeglichen Komfort aus. Trotz, oder vielleicht auch gerade weil Manuel von Stürler Musiker ist, entschied er sich weitgehend gegen Filmmusik. Allein das Bellen der Hunde, das Glockengeläute der Leitschafe und das Rufen von Carole und Pascale genügten dem Regisseur zur Darstellung des Schäferlebens. Zwischen hektischem Glockengebimmel, wenn sich die Schafe auf ein Feld verlaufen haben, und ruhigem Feuerknistern, wenn die Tiere bereits schlafen, lässt sich das Leben in der Natur so natürlich wie möglich und ohne aufgesetztes Pathos nachvollziehen. Der Film lädt mit einer leisen, flüsternden Stimme dazu ein, die Winternomaden auf ihrer Reise zu begleiten.

Kein moralischer Appell

Im Gegensatz zu vielen anderen Dokumentarfilmen dieser Art, erhebt der Film keinen Anspruch daran, die Menschen zu mehr Umweltschutz zu bewegen, oder unseren materialistischen Lebensstil zu kritisieren. Mit ganz einfachen, ruhigen Mitteln zeigt er uns, was es bei uns in der Nachbarschaft gibt, von dem wir gar nichts wissen. Er weist uns auf einen anderen Lebensstil hin, zeigt wie diese beiden mit so wenig Komfort leben können, wie fundamental das Ganze ist. Gerade durch dieses diskrete „Daraufhinweisen“, werden Sehnsüchte geweckt; Sehnsüchte nach einem einfacheren, von aller Hektik und Oberflächlichkeit befreiten Leben. Carole und Pascale haben den Komfort der Zivilisation gegen Freiheit eingetauscht.

 

Die Winternomaden (hiver nomade), Deutschland, Schweiz, Österreich, 2012 – Regie: Manuel von Stürler. Buch: Claude Muret, Manuel von Stürler. Kamera/ Bildgestaltung: Camille Cottagnoud. Mit: Pascale Eguisier und Carole Noblanc. 90 Min.

 

Fotos: mm filmpresse

Der Zombie in uns: „Dawn of the Dead“

von Selina Juliana Sauskojus

Nach dem Zweiten Weltkrieg floriert die USA. Die Wirtschaft wächst kontinuierlich, in den 70er Jahren endet Vietnamkrieg, Hippies beginnen die Straßen zu bevölkern. Frieden liegt in der Luft. Doch der Feind versteckt sich nicht ungern in den eigenen Reihen. Und er tarnt sich meist sehr geschickt. Vornehmlich in Shopping Malls, Autohäusern und überall dort wo der glückliche Amerikaner sein Geld ausgeben kann. Die Versprechungen von Wohlstand und Glück, die die Industrie macht, scheinen den Bürger zum willenlosen Konsumenten gemacht zu haben. Diese Entwicklung verarbeitet George A. Romero im zweiten Teil seiner Zombietrilogie und verlegt die Handlung in ein Setting, welches das Herz konsumwütiger Menschen höher schlagen lässt: das Einkaufszentrum.

„When there’s no more room in hell, the dead will walk the earth

Dawn of the Dead setzt zeitlich kurze nach Romeros erstem Zombiefilm Night of the living Dead (1968) ein. Untote wandeln auf der Erde, auf der Suche nach Lebenden, die sie sich einverleiben können. Wer nur ein einziges Mal gebissen wird, verwandelt sich vom Lebenden in einen wandelnden Untoten. In einem Fernsehstudio in Philadelphia werden letzte Versuche unternommen die Öffentlichkeit mit Informationen über die Katastrophe zu versorgen. Doch auch hier greift das Chaos langsam aber sich um sich. Mitarbeiter des Senders, das Paar Stephen und die schwangere Fran, wollen angesichts der aussichtslosen Situation ihr Heil in der Flucht suchen. Mit einem Hubschrauber und zwei SWAT-Mitgliedern, Roger und Peter, machen sie sich auf die Suche nach einem sicheren Refugium. In den vollständig ausgeplünderten amerikanischen Landstrichen findet sich kein Treibstoff mehr. Notgedrungen landen die vier auf dem Dach einer Shopping Mall. Dort beschließen sie sich zu verschanzen. Die Gruppe richtet sich häuslich ein, indes sammeln sich mehr und mehr Untote um das Einkaufszentrum herum. Während die offensichtliche Gefahr vor den geschlossenen Toren umherwandelt, beginnt der subtilere Feind, die Gruppe allmählich zu zersetzen. Fasziniert und geblendet von den Möglichkeiten, die ein Einkaufscenter ihnen bietet, entfremden sich die Gruppenmitglieder voneinander und von sich selbst.

 Ein sicherer Hafen für Mensch und Zombie

Das Einkaufszentrum stellt in Dawn of the Dead nicht nur ein Setting dar. Mit dem Handlungsort überträgt Romero den wichtigsten Anlaufpunkt des modernen Menschen in ein Horrorszenario.

Die Gruppe wird angezogen vom Angebot, das ihr ein möglichst langes Überleben sichert. Selbiges gilt für die Untoten, die vom lebendigen Fleisch der Gruppenmitglieder angezogen werden.

Der Protagonist Stephen sieht jedoch andere Beweggründe für den Auflauf der Untoten: „It’s some kind of instinct. Memory… of what they used to do. This was an important place in their lives.“

Das Stichwort lautet Instinkt: Ein unbewusst gesteuerter, natürlicher Trieb, der jedem Menschen innewohnt. Ein derartiger Instinkt entsteht aber nicht, wenn man sich als Gelegenheitsshopper einmal pro Monat in die städtischen Einkaufsstraßen begibt. Ein Instinkt sichert das Überleben, schützt vor Gefahren. Der Drang Dinge zu besitzen, sie zu horten und zu verteidigen, ist tief im Menschen verwurzelt. Romero zeigt, wie zerstörerisch dieses triebhafte Verhalten letztlich sein kann.

Der Überfluss führt dazu, dass sich die Gruppe immer mehr zersetzt. Anstatt sich mit ihren unbestreitbar vorhandenen Problemen auseinanderzusetzen, verbringen die Überlebenden ihre Zeit damit Schlittschuh zu laufen, sich neu einzukleiden und Candlelight-Dinners zu veranstalten. Pläne weiterzuziehen werden alsbald verworfen, man habe ja schließlich alles was man brauche.

Der Wahnsinn um Konsum und Besitz gipfelt am Ende im Überfall einer plündernden Motorrad-Gang. Anstatt sich und seine überlebenden Freunde zu schützen, verteidigt Stephen „seine“ Mall. Peters Warnungen, die Gang sei nur an den Gütern, nicht aber an ihrem Leben interessiert, schlägt er in den Wind. Letztlich ist ihm der Besitz von Luxusgütern wichtiger geworden, als das Überleben der eigenen Familie und der Freunde.

Der passive Konsument

Als die Gruppe sich im Einkaufszentrum verschanzt, findet sie zunächst einige Zombies vor, die durch das Gebäude wandeln. In der Darstellung unterscheiden sie sich jedoch kaum von lebendigen Besuchern. Entrückte Blicke, ein schlendernder Gang – so sehen Shopper an einem Samstagmittag aus. Oder eben Untote, die sich auf der Suche nach Nahrung befinden.

Was sowohl die Zombies als auch die Überlebenden vereint, ist ihre Passivität. Sie alle geben sich dem Instinkt hin und werden am Ende zu lethargischen Kreaturen ohne bestimmtes Ziel.

Dass der Regisseur dies nicht nur als Problem weniger Menschen betrachtet, wird dadurch deutlich, dass aus Menschen jeder Bevölkerungsgruppe, jeder religiösen Gemeinschaft und jeden Alters letztlich zu Zombies mutieren. Der Hippie, die Nonne und auch der Erstklässler. Alle sind dem Konsum ausgesetzt und keiner kann ihm am Ende entgegentreten.

Fazit

In Deutschland landete Zombie, so der deutsche Filmtitel, zunächst auf dem Index. Die Gore-Elemente schienen etwaige gesellschaftskritische Aussagen vollkommen in den Hintergrund zu drängen. Dennoch vermag keine andere Verbildlichung als der passiv agierende, lethargische Zombie so genau zu illustrieren, was in Überflussgesellschaften vor sich geht. Den Spiegel hat uns Romero vorgehalten, verändern konnte er nichts. Letztlich bleibt ihm aber noch immer der Verdienst einer der Großen des Genres zu sein und den Horrorfilm salonfähig gemacht zu haben.

Fotos: Sceenshots „Dawn of the Dead“, Copyright: Laser Productions

 

Disney, der Filmtitan

von Julia Heitkamp

Wer Walt Disney hört, denkt an harmlose Zeichentrickfilme aus der Kindheit, die uns bis heute begeistern. Doch hinter der Walt Disney Company verbirgt sich heute weit mehr als nur das Zeichentrickstudio: Mit Walt Disney Studio Entertainment, der Disney-ABC Television Group, der Buena Vista Music Group und den Walt Disney Parks und Resorts gehört der Konzern heute zu den Größten der Welt. Der neuste Coup der Studios: Mit dem Kauf von George Lucas Lucasfilm im vergangenen Jahr sicherten sie sich die Rechte an Star Wars und kündigten für 2015 bereits eine Fortsetzung der Saga an. Nicht nur auf der großen Leinwand, auch am heimischen Bildschirm gibt es Neuerungen. Der Disney Konzern will ab Januar 2014 mit einem eigenen Free-TV Kanal das „Vierte Programm“ in Deutschland ersetzten.

Es begann wie im Märchen …

Die Brüder Walt und Roy Disney gründeten 1923 das Disney Brothers Cartoon Studio im Sunshine State Kalifornien. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Der erste Micky-Maus Cartoon wurde 1928 veröffentlicht. Nach dem Erfolg von Schneewittchen und den sieben Zwergen und Bambi während des zweiten Weltkrieges, gelang ihnen der Durchbruch in den Nachkriegsjahren. Es folgte eine wahre Flut an Zeichentrickfilmen wie Cinderella, Alice im Wunderland, Peter Pan, Dornröschen oder Das Dschungelbuch. Heute zählen viele der Meisterwerke zu Filmklassikern, die auch heute noch den Nachwuchs begeistern.

Möge die Macht mit ihnen sein

Seitdem gehört die Disney Company zu den Giganten der Unterhaltungsbranche. Erst im Oktober vergangen Jahres machte Disney Schlagzeilen mit dem Kauf von George Lucas Lucasfilm. Fans dürfen sich, ab 2015 alle zwei Jahre auf Fortsetzungen der berühmtesten Science-Fiction-Saga freuen. Disney traut sich das, was der Star Wars Schöpfer George Lucas niemals wagte: Die Verfilmung der Episoden Sieben bis Neun. Für den Dreh der Fortsetzungen hat Disney J. J. Abrams verpflichtet, der sich bereits mit Filmen wie Mission Impossible III einen Namen in der Branche machte. Dass der gleiche Regisseur ebenfalls für die neuen Star-Trek-Verflimungen verantwortlich ist, scheint den eigentlich verfeindeten Fans egal zu sein. Doch damit nicht genug: Um den Fans die Wartezeit zwischen den Filmen zu verkürzen, sollen weitere Spin-Offs produziert werden, die spezielle Charaktere der Reihe in den Mittelpunkt stellen. Und auch dafür hat sich Disney namhafte Unterstützung ins Boot geholt: Lawrence Kasdan und Simon Kinberg (Mr. & Mrs. Smithsollen an den Drehbüchern arbeiten. Mit diesem Projekt hat sich der Disney Konzern einiges vorgenommen.

Was ist denn alles Disney?

Die Übernahme von Lucasfilm ist nicht der erste große Streich der Disney Studios. Die Masse an Entertainmentstudios die zu dem Medienkonzern gehören, ist überwältigend. Zur Filmproduktion gehören neben Walt Disney Pictures, denen wir die berühmten Zeichentrickverfilmungen verdanken, auch noch Schwergewichte der Branche wie Touchstone Pictures (Flubber, Freaky Friday), seit 2006 die Pixar Animation Studios (Findet Nemo, Die Monster AG), die Disney Animation Studios (Küss den Frosch) und die Marvel Studios (X-Men, The Fantasic Four).

Neben Freizeitparks und einem Plattenlabel ist Disney´s zweites großes Standbein das Fernsehen. Die Disney-ABC Television Group besitzt amerikanische Sender wie ABC, aber auch die Hälfe der Anteile an dem deutschen Sender Super RTL . Doch Disney will sich weiter vergrößern und sich auf verschiedenen Märkten etablieren, so auch im Deutschen Free TV.

Disney ersetzt das Vierte

Wie Lars Wagner, der Geschäftsführer des neuen Disney-Senders, in verschiedenen Interviews berichtet, will man Disney mit dem neuen Free-TV-Sender eine neue Präsenz verschaffen und sicherte sich deshalb bereits im vergangenen Jahr die Rechte an dem „Vierten Programm“. Im Gegensatz zu Super RTL, das sich aus mehreren Quellen speist, setzt man bei dem neuen Sender ausschließlich auf Produktionen aus dem eigenen Haus. Es gehören nicht nur Kinder zum Zielpublikum des neuen Senders, zur Prime Time will man sich auch an das erwachsene Publikum wenden, die mit Filmen wie „Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp umworben werden sollen. Von denen habe Disney nämlich auch eine Menge zu bieten, auch wenn sie oft in Vergessenheit geraten. Mit diesem Schachzug tritt der neue Disney Sender in direkte Konkurrenz zu Super RTL, die ihr Programm nach einer ähnlichen Strategie zusammenstellen. Zwar sei man laut Wagner mit der Arbeit von Super RTL nach wie vor zufrieden, doch Mediendienste wie kress.de vermuten, dass sich das zweigleisige Fahren auf lange Sicht nicht lohnen wird.

Was bleibt ist die Erkenntnis

Mit dem harmlosen Trickfilmproduzenten aus den Anfängen der Company hat der Konzern 2013 nichts mehr zu tun. Aus der Trickfilmproduktionsfirma ist ein riesiger Konzern geworden, der expandiert, wo er kann. Die Walt Disney Company gehört zu den 100 größten Unternehmen der Welt und mischt in fast allen Bereichen der Unterhaltungsbranche mit. Zwar können sich Fans von Disney, Star Wars und Co. über Nachrichten wie diese freuen, trotzdem geht der Aufkauf von kleineren Produktionsfirmen wie Lucasfilm durch Medienkonglomerate wie Disney zu Lasten der Vielfalt der Unterhaltungsindustrie.

 

Foto: flickr.com/Aziem Hassan (CC BY-NV-SA 2.0) und  ©2012 Disney•Pixar. All Rights Reserved.

Zwei Tage Rosa

von Stefanie Molitor

Ja, ich habe es getan! Wenn man die Chance hat, einen der erfolgreichsten und umstrittensten Dokumentarfilmer Deutschlands in einem Workshop zu treffen, sollte man sie nutzen. So erlebte ich das wohl ungewöhnlichste Interview-Training meines Lebens.

Eine E-Mail in meinem Postfach berichtet mir von dem außergewöhnlichen Angebot im Haus des Dokumentarfilms: Der Filmemacher Rosa von Praunheim leitet in Stuttgart eine zweitägige Meisterklasse zum Thema Interviewführung.

Sofort fange ich an, mein Gedächtnis aufzufrischen. Mit seinem Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ wurde der Filmemacher mit dem Faible für verrückte Hüte  1971 zum Pionier der Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland. Rosa von Praunheim heißt mit bürgerlichem Namen Holger Bernhard Bruno Mischwitzky und ist selbst bekennender Schwuler. In einer RTL- Show outete er 1991 die Prominenten Alfred Biolek und Hape Kerkeling und sorgte so für einen handfesten Medienskandal. Seine Filmographie umfasst über 60 Werke. Zu seinem 70. Geburtstag im November 2012 drehte Rosa von Praunheim für jedes seiner Lebensjahre einen weiteren Film. 700 Minuten davon wurden im RBB ausgestrahlt. Keinem Dokumentarfilmer vor ihm wurde so viel Sendezeit zur Verfügung gestellt.

Ich gehöre definitiv nicht zu den extrovertiertesten Personen der Welt. Bei dem Gedanken, zwei Tage mit dem schrillen und unkonventionellen Rosa von Praunheim zu verbringen, wird mir mulmig. Ich klicke auf „Anmelden“, bevor ich es mir anders überlege.

Verliebt euch!

Der Dokumentarfilmer macht seinem Namen alle Ehre, als ich am Tag des Workshops um die Ecke des Eingangs biege. Hut und Hemd strahlen mir in grellem rosa entgegen, seine 70 Jahre sieht man ihm nicht an.

Der Workshop beginnt, noch bevor wir die Seminarräume betreten haben, denn eine Parkplatz suchende ältere Dame wird zum ersten unfreiwilligen Opfer des Interviewmeisters: „Wo wollen Sie hin? Zum Notar? Was machen Sie da? Haben Sie Geld? Haben Sie was zu vererben?“. Da ist er, der Praunheim‘sche Interviewstil: Direkt, eindringlich, ohne Berührungsängste, ohne Tabus.  Um das zu lernen, sind wir hier.

Rosa von Praunheim hat kurze Gedichte verfasst, die er an uns 22 Workshopteilnehmer verteilt – in fast jedem kommen Wörter wie Sex oder Penis vor. Die „Stoßrichtung“ der folgenden Interviews ist offensichtlich. Ein Eichhörnchen, das mit Nüssen wirft, bildet da keine Ausnahme. Nachdem der erste Workshopteilnehmer das Gedicht vorgetragen hat, steigt Rosa direkt ins Interview ein: „Schmeißt du auch manchmal mit Nüssen?“

Wir werden Zeuge, wie Rosa binnen weniger Minuten Knackpunkte in der Persönlichkeit entdeckt und seinen Gesprächspartner für sich öffnet. Drei Stunden Workshop und zehn Interviews später kenne ich zwar immer noch keinen einzigen Teilnehmer mit Namen, aber ich weiß, wer Angst vor dem Tod hat, welcher Typ Mann hoch im Kurs steht oder wie oft in der Woche Bettsport betrieben wird.

„Ihr müsst die Person, die ihr interviewt, lieben.“ Egal ob es eine unschuldige Oma oder ein kaltblütiger Neonazi ist. „Wenn ihr die Gesichter der Interviewpartner genau beobachtet, jedes kleine Detail wahrnehmt, werdet ihr euch verlieben.“ Und das glaubt man ihm sofort. Im Interview weckt seine ruhige Stimme Vertrauen, sein intensiver Augenkontakt vermittelt ehrliches Interesse.

Aber ist es wirklich notwendig, privateste Details an die Öffentlichkeit zu zerren? Rosas Meinung ist eindeutig: „Was uns interessiert, ist das Böse und Schmerz. Wenn ihr einen Film macht, seid ihr keine moralische Anstalt. Ihr müsst unmoralisch sein. Je schöner eine Geschichte, desto eher fehlen die Konflikte und damit auch das, was Menschen interessiert.“

Ankunft einer Königin

Nach der Mittagspause ziehen wir in den Garten um. Rosa von Praunheim probt mit uns die Ankunft einer Königin. Was es damit wirklich auf sich hat, verrät er nicht. Die ganze Szenerie wird immer absurder, als plötzlich auch noch das zweiköpfige Filmteam von Rosa von Praunheim auftaucht. Trotzdem jubeln und jammern wir auf Kommando, üben das Huldigen und Anhimmeln einer imaginären Adligen und spekulieren in die Kamera, wer diese Königin sein könnte. Ganz ehrlich? Ich habe selten eine abstrusere Situation erlebt und hoffe insgeheim, dass sich dahinter eine kluge Übungseinheit zum Thema „Wo liegt meine Schmerzgrenze?“ verbirgt. Als dann die Königin – übrigens eine ältere Dame mit Sonnenbrille und knalligem Nagellack –  nach einer gefühlten Ewigkeit tatsächlich doch noch auftaucht, ist die Vorfreude in der Gruppe dezenter Ungeduld gewichen. „Natürlich bin ich keine Königin, sondern die Besitzerin des „Kings Club“ in Stuttgart“. Aha … und dafür das ganze Theater? Ja. Die Inszenierung war ein spontaner Einfall Rosa von Praunheims. Für sein neues Portrait über Laura Halding Hoppenheit, die „Königin“ eines schwul-lesbischen Nachtclubs. Und wir waren seine Statisten.

Rollentausch

Nach diesem Happening beginnt der nächste Tag fast enttäuschend unspektakulär. In einem Sitzkreis sprechen wir über das Filmemachen, über Inszenierungen und Übungsaufgaben: Eine Straßenecke acht Stunden lang mit der Kamera zu beobachten, eine Szene aus neun unterschiedlichen Perspektiven zu drehen oder ein und denselben Film zehn Mal hintereinander anschauen, um immer wieder auf einen andern Aspekt der Gestaltung zu achten. Doch schon wenig später schlägt die Spontaneität Rosa von Praunheims wieder zu. Ich  finde mich im Partyspiel „Psychose“ wieder, bei dem es darum geht, die Einstellungen und Vorlieben der Menschen um mich herum einzuschätzen. Auch in der folgenden Improvisationsrunde, in der wir versuchen einen Spielfilm zu inszenieren, geht es um spontane Interaktion und um die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Was es bedeutet, dabei gnadenlos direkt zu sein, führt uns Rosa von Praunheim in der nächsten Übung vor Augen. Platziert wie auf einem Präsentierteller sehen sich die drei männlichen Teilnehmer plötzlich mit 19 weiblichen Augenpaaren konfrontiert: Fleischbeschau. Frau soll zuordnen: Wer ist der unattraktivste Mann, wer der einfühlsamste Liebhaber und wer am ehesten ein Kinderschänder? Unbehagen macht sich auf beiden Seiten breit. Was soll das? Ist das einfach nur demütigend und verletzend? Oder etwa doch notwendig unmoralisch? Es sei nichts weiter als eine Umkehr der üblichen Rollenmuster. Rosa scheint sich sichtlich über unsere Gewissenskonflikte zu amüsieren. Die Minuten vergehen qualvoll langsam. Am Ende sind nicht nur die Männer erleichtert, dass mit dem Abschluss des Workshops auch diese Übung vorbei ist.

Noch bevor wir uns alle voneinander verabschiedet haben, ist Rosa von Praunheim schon wieder verschwunden – und der Workshop vorbei. Ja, ich habe etwas über die Kunst des Interviews gelernt. Ich habe viele Dinge getan, die ich eigentlich nie tun wollte: Ich habe mit fremden Menschen über private Themen gesprochen, die sie meiner Meinung nach eigentlich nichts angehen. Ich habe eine fiktive Königin angebetet und dafür jede Rationalität abgelegt und ich habe immer wieder meine eigenen Grenzen hinterfragt und getestet.

Ein Selbsterfahrungstrip getarnt als Interviewtraining. Öfter mal was Neues. Vielleicht sollte man sich Rosa von Praunheims Schlussworte also doch einmal zu Herzen nehmen: „Schönen Lebensabend noch! Es kann jederzeit vorbei sein – also macht das Beste draus.“

 

Fotos: Stefanie Monitor

Vorhang auf für Anna Karenina

von Marina Hänsel

Joe Wright haucht Lew Tolstois tragischer Liebesgeschichte neues Leben ein. Theater im Film war schon seit Lars von Triers Experimentalfilm Dogville (Dänemark, 2003) ein umstrittenes Thema – die einen nannten es Kunst, die anderen verschmähten es regelrecht in den Kinos. Wenn sich nun ein renommierter Regisseur wie Joe Wright auf den schmalen Grat zwischen realistischem Filmemachen und Theatralik wagt, dürfen wir gespannt sein. Bereits in Atonement (dt. Abbitte, 2001) bewies der Brite ein Feingefühl für offene Dramaturgie, parallele Handlungsstränge und vor allen Dingen Plansequenzen. Mit Anna Karenina präsentiert sich der engagierte Filmemacher in der selben Tradition – und vielleicht sogar einen Ticken besser.

„Soviel Herzen, Soviel Arten von Liebe.“

– Wie viel Wahrheit in den Worten von Lew Tolstoi steckt, offenbart sich in drei ineinander verflochtenen Liebes – und Leidensgeschichten der russischen Highsociety des 19. Jahrhunderts. Fürst Stepan Oblonski (Matthew MacFadyen) als untreuer Ehemann der liebenswerten Dolly (Kelly MacDonald) ist Dreh und Angelpunkt von gleich zwei weiteren Liebeleien: Zum einen dient er als Verbindungsmann zwischen Dollys jüngerer Schwester Kitty Schtscherbazkaja (Alicia Vikander) und dem freiheitsliebenden Gutsbesitzer Kostja Ljewin (Domhnall Gleeson), der sich nichts mehr wünscht als die Hand der heiratswilligen Dame. Diese ist jedoch geblendet von dem hübschen Graf Wronski (Aaron Taylor-Johnson), der ihr ebenfalls zugetan ist – zumindest solange, bis er in einem Zug auf Stepans Schwester trifft: Anna Karenina (Keira Knightley). Als gut situierte Ehefrau des allseits geachteten Staatsbeamten Alexej Karenin (Jude Law), führt Anna ein beschauliches, wenn auch etwas zurückgezogenes Leben. Erst die Begegnung mit Wronski offenbart ihr eine Welt, von der sie zuvor kaum zu träumen gewagt hatte. Gefangen im Netz der Intrigen des russischen Adels, den Fesseln ihrer Ehe und ihres Gewissens, entflammt einer leidenschaftliche Affäre zwischen den beiden. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer: Geblendet von ihrer Liebe, gesteht und verteidigt die junge Anna ihre Beziehung vor Alexej; will sogar eine Scheidung erwirken. Und während die Leute um sie herum zu tuscheln beginnen, verfällt die gefallene Frau dem Morphium und schließlich dem Wahnsinn. Wie ironisch präsentiert sich hier die eigentliche Tragik des Werkes: Der Zug, in welchem die unglückliche Affäre einst ihren Lauf nahm, zieht sich als Symbol durch den gesamten Film und erfasst die schöne Anna schließlich, als sie sich der Verzweiflung wegen vor die Lokomotive wirft.

Der Meister am Werk

Joe Wrights Anna Karenina erstrahlt mit ineinander gleitenden Bühnenbildern, opulenter Choreographie und virtuosen Plansequenzen – die anfängliche Materialität zwischen Theater und Film verschwimmt bald zu einer homogenen Symbiose: Die Bühne wird Realität; die Künstlichkeit der russischen Adelsgesellschaft wird bittere Wirklichkeit. Um den Schleier der Illusion erst zu erzeugen, bediente sich Wright einem gewagten Konzept: Er drehte tatsächlich einen Großteil der Szenen innerhalb eines alten Theaters im englischen Shepperton. Für die sinnbildlichen Zugfahrten und Panorama-Shots wurden eine Modelleisenbahn und Puppenhäuser verwendet. Einzig dem idealistischen Ljewin ist es erlaubt, die Bühne zu verlassen, womit sein authentischer und einfacher Charakter noch weiter aus der unwirklich anmutenden Adelsgesellschaft heraus gehoben wird. Es ist also kaum verwunderlich, dass ausschließlich ihm ein Happy End gegönnt wird: in Form der ersehnten Heirat mit Kitty.

Trotz Wermutstropfen gelungen

Nach den Hauptrollen in Joe Wrights Atonement und Pride & Prejudice (dt. Stolz und Vorurteil, 2005) ergatterte Keira Knightley neben Jude Law (Der talentierte Mr. Ripley, Sherlock Holmes) erneut das Zepter in Anna Karenina – eine der wenigen vom Regisseur tatsächlich vorgesehenen Besetzungen. Eigentlich sollten James McAvoy (Atonement, X- Men: First Class), Benedict Cumberbatch (Atonement, Gefährten) und Cate Blanchett (Wer ist Hanna?, Elizabeth) in der Literaturverfilmung glänzen. Alles Schauspieler, die bereits zuvor mit dem britischen Regisseur zusammen gearbeitet hatten. Sie lehnten jedoch ab. Obwohl diese Starbesetzung dem Film sicherlich eine interessante Note gegeben hätte, müssen sich die Zuschauer keineswegs ärgern: Auch mit der finalen Rollenverteilung beweist Joe Wright ein gutes Gespür für Charakter und Inszenierung.

Fazit

Joe Wright gelingt das Experiment des theatralischen Films. Anna Karenina zeugt erneut von dem Feingefühl und dem eifrigen Perfektionismus des britischen Filmemachers.

 

Anna Karenina, Vereinigtes Königreich/Frankreich 2012 – Regie: Joe Wright. Drehbuch: Tom Stoppard (nach der Romanvorlage von Lew Tolstoi). Produktion: u.a. Tim Bevan, Paul Webster. Musik: Dario Marianelli. Kamera: Seamus McGarvey. Kostüm: Jacqueline Durran. Mit: Keira Knightley, Aaron Taylor-Johnson, Jude Law, Matthew MacFadyen, Domhnall Gleeson, Alicia Vikander. Länge: 130 Minuten.

 

Fotos: © Focus Features

Film und Gesellschaft

von  Selina Juliana Sauskojus

Was haben Die Nacht der lebenden Toten, Inglorious Basterds und American Beauty gemeinsam? Es sind drei Filme aus drei unterschiedlichen Jahrzehnten, gedreht von drei Regisseuren, die ein und dasselbe Ziel verfolgen: der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Die Aufforderungen an das Publikum zur Selbstreflektion sind häufig subtiler, als man denkt. Mnachmal braucht es sogar einige Jahre, bis man die Aussage eines Werks in den gesellschaftlichen Kontext bringen kann.

Wünsche, Weltkriege, Wirtschaftswunder. Oder aber die Auseinandersetzung des Individuums mit sich selbst und der Gesellschaft, das Leben in einer immer schneller werdenden Welt, in der man sich kaum noch zurechtfindet. Dies sind Stoffe, mit denen sich Filmemacher seit der Entstehung des Mediums auseinandersetzen. Mal mehr, mal weniger offensichtlich. Wer käme schon auf den ersten Blick auf die Idee eine Horde Zombies, die sich vor einem Kaufhaus postieren, mit Menschen gleichzusetzen, die im wirtschaftlichen Aufschwung schwelgen?

Es sind aber nicht nur die greifbaren gesellschaftlichen Änderungen, die für diese Arbeit von Interesse sind, sondern auch abstrakte Änderungen im Menschenbild, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts herauskristallisiert haben. Die Nacht der lebenden Toten von George A. Romero beschäftigt sich mit der neu erwachten Konsumgesellschaft, Funny Games von Michael Haneke beleuchtet die Verrohung der Gesellschaft durch die explizite Darstellung von Gewalt im Film. Im Gegenzug dazu gab es andere Filme, die sich mit dem Menschen als Individuum auseinandergesetzt haben.  So zum Beispiel The United States of Leland von Matthew Ryan Hoge, der die existentialistische Weltauffassung des französischen Philosophen Albert Camus aufgreift und in die USA des 21. Jahrhunderts überträgt.

Umstritten und von der Kritik weitestgehend missverstanden ist der amerikanische Regisseur Terrence Malick. Der Ausnahmeregisseur steht im Ruf zu spirituell und zu moralisch sein. Sein Film The Tree of Life (2011) polarisierte wie kein anderer Film im Erscheinungsjahr. So sehr, dass oftmals das eigentlich wichtige außer Acht gelassen wurde: das filmische Werk so wie dessen Aussage und Ästhetik selbst.

Im Rahmen des Projektstudiums „Film und Gesellschaft“ sollen diese und fünf weitere Filme aus den letzten rund 70 Jahren rezensiert werden, vor allem in Hinblick auf deren kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung. Dabei sollen Filme in den Kontext ihrer Zeit gesetzt und untersucht werden, wie eine gesellschaftliche Entwicklung zu einem gewissen Zeitpunkt wahrgenommen wird, wie sie letztlich vom Regisseur in einem Film verarbeitet wird und wie vor allem die zeitgenössische Kritik einen solchen Film auffasst und bewertet.

Die Serie zum Projektstudium wird immer donnerstags auf media-bubble.de erscheinen. Die Übersicht gibt es hier.


 Foto: flickr.com/Kenneth Lu (CC BY 2.0); Bearbeitung Sanja Döttling

Zwei Tage wach

von Sanja Döttling

Auf dem Trickfilmfestival werden nicht nur fertige Kurzfilme gezeigt, sondern auch noch welche gemacht. Bei der „Crazy Horse Session – 48 h Animation Jam“ hatten vier Animationsteams die Aufgabe, das kunterbunte Pferdchen in Szene zu setzen. Und das in nur zwei Tagen.

Pferd in Szene

Seit 2007 ist die „Crazy Horse Session“ Teil des Trickfilmfestivals. Die Aufgabe: Innerhalb von 48 Stunden einen Animationsfilm erstellen. Im siebten Jahr des Awards stellten sich vier Teams der Herausforderung. Der Wettbewerb ist ausgelegt für Animationsstudenten sowie junge Filmemacher unter 30. Den Teilnehmern ist Handlung und Arbeitsweise freigestellt. Was sie eint, ist das Festivalmaskottchen Trixi, ein kunterbuntes Pferd. Die Besetzung war, wie auch schon in den vergangenen Jahren, international. Dänemark, Polen, Spanien und Großbritannien traten an. Die Jury bestand aus den Gewinnern des Vorjahres. Der Preis ist das Flugticket zum nächsten Trickfilmfestival im Jahr 2014.

Spanische Preisträger

Am Ende konnte sich das spanische Team, bestehend aus Antonio Jesús Busto Algarin und Martin Martinez Garcia, den Preis sichern. Ihr Film „Trixies Curiosity“ ist ein farbenfroher Trickfilm. Sie studieren beide an der in Valencia bildende Kunst. „Der Studiengang ist sehr vielseitig“, sagt Busto. „Wir können belegen, worauf wir Lust haben: Film, Trickfilm, Skulptur, Architektur, Malerei und mehr.“

Busto verbrachte einige Zeit in Vancouver, Kanada. Dort traf er auf die Gewinner des letzten Jahres, die ihm vom dem Wettbewerb in Stuttgart erzählten. Daraufhin beschloss Busto, selbst an dem Wettbewerb teilzunehmen und holte Martin ins Boot. „Martin und ich haben schon einen anderen Kurzfilm zusammen gemacht, er trägt den Titel ‚The day I killed my best friend ‘“, erzählt Busto. „Das gemeinsame Arbeiten war cool, deshalb dachte ich, wir nehmen zusammen am Wettbewerb teil.“

Viel Zeit

Zwei Tage, um einen technisch immer aufwendigen Trickfilm zu drehen. Mal ehrlich – haben Busto und Martin wirklich alles in dieser Zeit gemacht? Noch nicht einmal davor an der Idee gearbeitet? Busto sagt: „Wir haben wirklich alles an diesen zwei Tagen gemacht. Wir haben die Idee auch nicht davor entwickelt, das wäre ja unfair gewesen.“ Bei dem Song zum Film haben sie auf private Kontakte zurückgegriffen: Bustos Bruder hat ihn eingespielt, und zwar auch innerhalb der Wettbewerbszeit. „Nur eben zuhause in Spanien“, ergänzt Busto.

Der Wettbewerb war natürlich eine Herausforderung. Busto erklärt die Schwierigkeit: „Wir mussten herausfinden, was überhaupt in 48 Stunden möglich ist. Dafür griffen wir natürlich auf Techniken zurück, die wir kennen und mögen.“ Zu den verwendeten Tools gehörten Programme von Adobe, wie After Effects und Photoshop – zusätzlich arbeiteten sie mit dem teuren Programm Tuon Boom Animaton. Busto ergänzt: „Außerdem muss man sehr ökonomisch arbeiten, was uns ganz gut gelang, weil wir schon zusammen gearbeitet haben.“ Busto und Martin erzählen, dass sie sogar schneller waren als nach der ersten Planung gedacht. Sie haben täglich drei Stunden Schlaf bekommen und wirkten so am Sonntag bei der Preisverleihung ziemlich fit. Busto resümiert: „Der Wettbewerb war eine wirklich gute Erfahrung. Es war eine Freude, ganz ungestört arbeiten zu können, während wir mit freien Getränken und so versorgt wurden, wie bei Mama. Wir konnten uns wirklich ganz aufs animieren konzentrieren.“

Die Teilnehmer des Wettbewerbs saßen zusammen im Jugendhaus Mitte. Obwohl alle auf den Gewinn aus waren, stand für Busto die Gemeinschaft im Vordergrund. „Es ist schön, eine solche Erfahrung teilen zu können“, sagt er. Die beiden werden nächstes Jahr als Jury des Wettbewerbs wieder nach Stuttgart kommen – und diesmal vielleicht ein bisschen mehr Schlaf bekommen.

Auf der Seite des Festivals lassen sich die Videos des letzten Jahres anschauen, mehr von Martin Martinez Garcia gibt es auf dieser Seite, Bustos Werke sind hier zu finden.

 

Foto: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart; Sanja Döttling