Zwei Tage wach

von Sanja Döttling

Auf dem Trickfilmfestival werden nicht nur fertige Kurzfilme gezeigt, sondern auch noch welche gemacht. Bei der „Crazy Horse Session – 48 h Animation Jam“ hatten vier Animationsteams die Aufgabe, das kunterbunte Pferdchen in Szene zu setzen. Und das in nur zwei Tagen.

Pferd in Szene

Seit 2007 ist die „Crazy Horse Session“ Teil des Trickfilmfestivals. Die Aufgabe: Innerhalb von 48 Stunden einen Animationsfilm erstellen. Im siebten Jahr des Awards stellten sich vier Teams der Herausforderung. Der Wettbewerb ist ausgelegt für Animationsstudenten sowie junge Filmemacher unter 30. Den Teilnehmern ist Handlung und Arbeitsweise freigestellt. Was sie eint, ist das Festivalmaskottchen Trixi, ein kunterbuntes Pferd. Die Besetzung war, wie auch schon in den vergangenen Jahren, international. Dänemark, Polen, Spanien und Großbritannien traten an. Die Jury bestand aus den Gewinnern des Vorjahres. Der Preis ist das Flugticket zum nächsten Trickfilmfestival im Jahr 2014.

Spanische Preisträger

Am Ende konnte sich das spanische Team, bestehend aus Antonio Jesús Busto Algarin und Martin Martinez Garcia, den Preis sichern. Ihr Film „Trixies Curiosity“ ist ein farbenfroher Trickfilm. Sie studieren beide an der in Valencia bildende Kunst. „Der Studiengang ist sehr vielseitig“, sagt Busto. „Wir können belegen, worauf wir Lust haben: Film, Trickfilm, Skulptur, Architektur, Malerei und mehr.“

Busto verbrachte einige Zeit in Vancouver, Kanada. Dort traf er auf die Gewinner des letzten Jahres, die ihm vom dem Wettbewerb in Stuttgart erzählten. Daraufhin beschloss Busto, selbst an dem Wettbewerb teilzunehmen und holte Martin ins Boot. „Martin und ich haben schon einen anderen Kurzfilm zusammen gemacht, er trägt den Titel ‚The day I killed my best friend ‘“, erzählt Busto. „Das gemeinsame Arbeiten war cool, deshalb dachte ich, wir nehmen zusammen am Wettbewerb teil.“

Viel Zeit

Zwei Tage, um einen technisch immer aufwendigen Trickfilm zu drehen. Mal ehrlich – haben Busto und Martin wirklich alles in dieser Zeit gemacht? Noch nicht einmal davor an der Idee gearbeitet? Busto sagt: „Wir haben wirklich alles an diesen zwei Tagen gemacht. Wir haben die Idee auch nicht davor entwickelt, das wäre ja unfair gewesen.“ Bei dem Song zum Film haben sie auf private Kontakte zurückgegriffen: Bustos Bruder hat ihn eingespielt, und zwar auch innerhalb der Wettbewerbszeit. „Nur eben zuhause in Spanien“, ergänzt Busto.

Der Wettbewerb war natürlich eine Herausforderung. Busto erklärt die Schwierigkeit: „Wir mussten herausfinden, was überhaupt in 48 Stunden möglich ist. Dafür griffen wir natürlich auf Techniken zurück, die wir kennen und mögen.“ Zu den verwendeten Tools gehörten Programme von Adobe, wie After Effects und Photoshop – zusätzlich arbeiteten sie mit dem teuren Programm Tuon Boom Animaton. Busto ergänzt: „Außerdem muss man sehr ökonomisch arbeiten, was uns ganz gut gelang, weil wir schon zusammen gearbeitet haben.“ Busto und Martin erzählen, dass sie sogar schneller waren als nach der ersten Planung gedacht. Sie haben täglich drei Stunden Schlaf bekommen und wirkten so am Sonntag bei der Preisverleihung ziemlich fit. Busto resümiert: „Der Wettbewerb war eine wirklich gute Erfahrung. Es war eine Freude, ganz ungestört arbeiten zu können, während wir mit freien Getränken und so versorgt wurden, wie bei Mama. Wir konnten uns wirklich ganz aufs animieren konzentrieren.“

Die Teilnehmer des Wettbewerbs saßen zusammen im Jugendhaus Mitte. Obwohl alle auf den Gewinn aus waren, stand für Busto die Gemeinschaft im Vordergrund. „Es ist schön, eine solche Erfahrung teilen zu können“, sagt er. Die beiden werden nächstes Jahr als Jury des Wettbewerbs wieder nach Stuttgart kommen – und diesmal vielleicht ein bisschen mehr Schlaf bekommen.

Auf der Seite des Festivals lassen sich die Videos des letzten Jahres anschauen, mehr von Martin Martinez Garcia gibt es auf dieser Seite, Bustos Werke sind hier zu finden.

 

Foto: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart; Sanja Döttling

Pixelspielsplatz im Regen

von Miriam Gerstenlauer

Es gab viel zu sehen auf dem ITFS, die besten Trickfilme und unsere ganz persönlichen Eindrücke haben wir euch bereits vorgestellt. Doch dieses Jahr gab es noch einen anderen Ort, an dem man bunte Figuren bestaunen konnte. Außerhalb der warmen, trockenen Kinosäle war die Gamezone aufgebaut. Ein Zelt draußen im Regen, zwischen dem Kinderzelt und der Frittenbude, in dem man selbst zu Regisseur werden konnte, der Held seiner eigenen Geschichte sein durfte und einem neue Spiele für den Pausenhof gezeigt wurden. „Videospiele sind Kunst“, davon sind die Game-Designer, denen das Zelt im Regen gehört, überzeugt.

Mit den Sims zum Nachwuchsregisseur

Du wolltest schon immer einen Animationsfilm machen? Kannst aber weder gut malen noch zeichnen, geschweige denn am Computer Figuren animieren? In der Gamezone werden Sie geholfen.
Zum Beispiel beim Machinima-Workshop. Machinimas, das sind kleine Filme, die mithilfe von Computerspielen erstellt wurden, mal witzig, mal tiefgründig, ohne dass man großen Aufwand betreiben muss (mehr).
Die Kinder, die hier mitmachen, werden an die Medienproduktion herangebracht, und ihnen werden Kompetenzen vermittelt, die über das übliche „Internet aufmachen und surfen“ hinausgehen. Ihnen dient für diese Aufgabe Die Sims 3, eines der beliebtesten Simulationsspiele der Welt. Die Nachwuchsregisseure werden in die Grundlagen von Kameraführung, Schnitt und Drehbuch eingeführt. Dabei setzen sie sich kreativ mit dem Medium Videospiel auseinander, denn anders als beim normalen Spielen, muss man hier auf einiges mehr achten.

Organisiert wird dieser Workshop von der Initiative Creative Gaming. Sie setzen sich für eine kritische sowie kreative Auseinandersetzung mit Videospielen ein, als Verbindung aus Medienkunst und Medienpädagogik. Sie sind der Meinung, dass Spiele zum Menschen gehören wie sein täglich Brot und dass Games nicht nur aus Gewalt und Blut bestehen, sondern ein bunter Sandkasten ungeahnter Möglichkeiten sind.

Held per Mausklick

Auf der anderen Seite des Zeltes wird währenddessen tatsächlich gespielt und geknobelt und sich das Hirn zermartert, von Groß und Klein. Keine Ballerspiele und kein Sims laufen hier, sondern Indie-Games. Spiele, die von unabhängigen Entwicklern gemacht wurden, die also nicht den strengen Vorgaben und Einschränkungen eines Publishers unterliegen.

Ein Beispiel ist Machinarium, in dem man einen kleinen Roboter spielt, der seine Körperteile ausstrecken und wieder einfahren kann. Ein anderes das Spiel Botanicula, in dem die Baumbewohner mit unterschiedlichen Fähigkeiten ihren Baum vor Parasiten beschützen. Beides sind sogenannte Point-and-Click Adventures, in denen es meistens darum geht, Rätsel zu lösen. Diese Rätsel sind manchmal gar nicht so leicht, an manchen Stellen scheitern einige. An anderen Stellen rauft sich ein Erwachsener die Haare, bei der ein kleiner Junge zuvor keine Schwierigkeiten hatte.

Abenteuerliches Geklicke

Solche Point-and-Click Adventures sind zur Zeit sehr beliebt. Nachdem dieses Jahr das Entwicklerstudio von LucasArts (Monkey Island, Sam and Max, Day oft the Tentacle) geschlossen wurde, ruhen nun die Hoffnungen auf Daedalic Entertainment, die sich mit Edna bricht aus und der Deponia-Reihe in der Adventure-Szene einen Namen gemacht haben. Chaos auf Deponia, der zweite Teil der Serie, gewann vor einigen Wochen sogar den Deutschen Computerspielpreis als bestes deutsches Spiel. Ein Spaß für die ganze Familie und ein sehr dankbares Adventure, dem man gerne den mit 385.000 Euro dotierten Preis überreicht.

Videospiele sind Kunst, davon sind Matthias, Kevin und Jana, die jungen Spieleentwickler in der Gamezone, überzeugt. Man muss sich nur mit ihnen auseinandersetzen, sehen, dass sie mehr sind als sie auf den ersten Blick scheinen. Damit das auch gelingt, machen sie weiter Events, bringen den Menschen Spiele näher, machen Workshops in Schulen. Und wenn sie dürfen, bauen sie auch nächstes Jahr wieder ihr Zelt auf dem ITFS auf, ihren kleinen Pixelspielplatz, dann hoffentlich aber ohne Regen.

 

Fotos: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart

Trickfilmfestival privat

von der Redaktion

Vier Redakteure aus der media-bubble.de Redaktion waren auf dem Trickfilmfestival dabei. Sechs Tage und unzählige Kurzfilme später berichten sie, was ihre persönlichen Highlights und Tiefpunkte waren.

„Müsste man das Trickfilmfestival in einem Wort beschreiben, so wäre dieses wohl: vielseitig. Das gilt nicht nur für das immer größer werdende Angebot der Veranstaltungen, sondern auch für die eingereichten Filme. Von Stop-Motion zu modernster 3D-Animation, von Bleistiftzeichungen bis hin zu Knet-Figuren war wirklich jede erdenkliche Art vertreten, Trickfilme zu machen. Auch in den einzelnen Filmschauen wechselten sich Filme ab, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Kunst meets Spongebob Schwammkopf (eine Folge wurde tatsächlich in einem Panel „Best of Animation“ gezeigt). Mein persönlicher Favorit war dabei „Oh Sheep“, ein wunderschön gestalteter und netter Film über zwei Schafherden, die alle Hürden überwinden, um zusammen zu sein. Bildgewaltig war der Film „Gloria Victoria“, der die Propaganda der UdSSR ironisch un in 3D in Szene setzte. Ein weiterer gelungender zeigt, dass Trickfilm mehr leisten kann als jeder „normale“ Film: „Virtuos Virtuell“ übersetzt eine Kompsition von Louis Spohr in Bilder und macht Musik sichtbar.

Mein einziger Wehmutstropfen auf den Festival ergibt sich aus dessen schnellen Wachstums: So war der Saal bei Eröffnungs- wie Schlussgala überfüllt und einige Besucher mussten stehen. Bei beachtlichen 80.000 Besuchern zwar kein Wunder aber dennoch ärgerlich. Hin und wieder wurde auch die Technik oder die englische Sprache, auf der das Festival abgehalten wurde, zum Stolperstein.“ – von Sanja Döttling

 

 

„Das Trickfilmfestival in Stuttgart ist vorbei. Das bedeutet eine Woche voll mit teilweise verdammt guten Trickfilmen und einigen interessanten Vorträgen.

Natürlich, es war nicht alles perfekt. Dass das Wetter nach der Hälfte des Festivals nicht mehr mitspielte war zu verschmerzen, man verbrachte schließlich den Löwenanteil der Zeit in trockenen Kinosälen. Manchmal war der Ton der Filme schlecht eingepegelt. Einmal lief ein französischer Film im Hauptwettbewerb ohne englische Untertitel (was schade war, denn das, was ich mit meinen bescheidenen Französischkenntnissen von dem Film verstanden habe, war gut). Zuletzt kamen wir dann nicht zur Preisverleihung.

Doch das ITFS war alles in allem ein voller Erfolg mit einer fantastischen Bandbreite an animierten Kurzfilmen aus aller Welt. Auch meine persönlichen Highlights waren entsprechend vielseitig. Zum ersten wäre da The Night of the Loving Dead, eine britische Horror-Liebesgeschichte im Silhouettenstil. Der schwarzhumorige Film von Anna Humphries um liebestolle Zombies mit Tim-Burton-Ästhetik lief im Wettbewerb der Young Animations. Ebenfalls in dieser Sparte lief One Day, die Geschichte eines jungen Mannes, dessen Haus jeden Morgen an einer anderen Stelle steht. Zuletzt bleibt für mich noch Oh Sheep! zu nennen. Eine herrliche blutige Geschichte von zwei Schäfern und ihren Schafherden. Eigentlicher Höhepunkt des Festivals waren allerdings jedes Mal die Trailer aus der Reihe Rollin‘ Safari. Egal wie oft ich diese 30-sekünder ansah, sie brachten mich immer wieder zum schmunzeln.“ – von Marius Lang

 

 

„Mein Highlight des ITFS war gleichzeitig mein persönlicher Tiefpunkt. So verstörend wie faszinierend fand ich die Kurzfilme von Atsushi Wada. Sieben an der Zahl, mit wunderbaren Namen wie „Day of Nose“ oder „Well, that’s glasses“.

Warum faszinierend? Nachdem man die Filme gesehen hat, weiß man genauso viel mit ihnen anzufangen wie davor. Warum verstörend? Das Verständnis für künstlerische Darstellung kann sich kulturell sehr unterscheiden. Ich hoffe jedenfalls, dass es an der mir fremden japanischen Kultur liegt. Wenn nicht bin ich wohl einfach Kunstbanause.

Aber ob Kunstbanause oder Connaisseur, auf dem ITFS 2013 war für jeden etwas dabei: Von Biene Maja bis The Walking Dead, von Lotte Reiniger bis David Silverman war jede Alters- und Interessengruppe vertreten. Da konnte selbst das miserable Wetter den Besuchern nicht die Freude an den bunten Figuren vermiesen. Meine Wünsche für nächstes Jahr: Besseres Wetter, motivierte Moderatoren, die bestenfalls auch noch Englisch können. Und ein Dolmetscher für Atsushi Wada, damit ich endlich verstehe, was das mit diesen Nasen auf sich hat.“ – von Miriam Gerstenlauer

 

Ein bisschen kam es einem vor, als wäre mitten in Stuttgart für ein paar Tage eine Insel für Filmfetischisten aus dem Boden gewachsen. Deshalb ist mein größtes Highlight der vergangenen Woche nicht unbedingt ein einzelner Film, sondern die ganze Atmosphäre des Festivals. Das ITFS ist nicht die Berlinale oder eine Oscarverleihung. Dennoch scheint Filmpreisverleihungen immer zumindest ein Hauch dieses Glamours anzuhaften – auch wenn er hier in mit einem nicht ganz so schicken  Publikum vollgepressten Kinosälen vor sich hin glitzern musste.

Besonders gefreut habe ich mich über zwei ganz alte Schinken, von denen tatsächlich schon jeglicher Glitzer abgefallen ist – Next (1989) und Gilbert & Sullivan: The Very Models (1998) von Barry Pures. Den langsam verblassenden Filmen, die nach Angaben von Purves noch auf den Millionär warteten, der bereit wäre, in ihre Restaurierung zu investieren, haftet ein ganz eigener nostalgischer Charme an. Und die schlechte Qualität des Filmmaterials versteckt schließlich nicht, dass diese Filme auch heute noch toll sind. Ich hoffe jedenfalls, dass der Millionär doch kommen möge, damit Shakespeare in Puppenform auch in zwanzig Jahren noch in den von ihm selbst geschaffenen Rollen begeistern kann und die britischen Opernschreiber Gilbert und Sullivan sich dann noch immer kloppen werden und ihren Produzenten in den Wahnsinn treiben.

Manche anderen Begegnungen mit den Festivalfilmen waren dann zugegebenermaßen eher schräg als glamourös. Figuren mit Händen als Köpfen, die in monotonen Rhythmen Fenster putzen, Figuren, die von Hautporen eingesaugt werden und andere, die in einem Brunnen auf und ab fliegen, während im Vordergrund eine Krankenschwester Ballett tanzt. Aber selbst diese Begegnungen bieten, wie man hier sieht, am Ende Gesprächsstoff und sind immerhin in der Erinnerung haften geblieben – auch wenn ich an der Entschlüsselung wohl noch arbeiten muss. – von Sandra Fuhrmann

 

 

Junge Animateure

von Marius Lang

Ein wanderndes Haus, liebestolle Zombies, betrunkene Puppen in einer Hommage an Manet. Die Filme, die im Wettbewerb Young Animation des diesjährigen Internationalen Trickfilmfestivals in Stuttgart liefen, waren oft ungewöhnlich. Fantastisch, urkomisch, todtraurig und manchmal verwirrend.

Das ITFS würdigte auch in diesem Jahr die Werke junger Filmtalente und Studenten von Film- und Kunsthochschulen weltweit im Wettbewerb Young Animation.

Hier zeigte sich, dass man auch die Werke jüngerer Filmemacher beileibe nicht unterschätzen sollte. Dem Gewinner winkte der Preis von  2.500 €, gestiftet von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg, gewinnen. Die dreiköpfige Jury, die die schwere Entscheidung zu fällen hatte, war dabei international besetzt. Die Jury bestand aus Solomon Maramba aus Ghana und Annegret Richter aus Deutschland. Das letzte Mitglied war Atsushi Wada aus Japan, der selbst mit einem Film im Hauptwettbewerb an den Start gegangen war.

Es fällt schwer, unter den zahlreichen Bewerbern den einen auszumachen, der als Sieger dient. Jede erdenkliche Form des Animationsfilms war vertreten, vom simplen Zeichtrick, über Puppenanimation bis hin zu technisch beeindruckenden 3D-Computer-Animationsfilmen. Und auch die Genres waren weit gefächert. So gab es humorvolle Filme, beispielsweise der französische Film A la Francaise, in dem Hühner die Rollen der Aristokraten am Hofe Versailles einahmen. Oder der israelische Film Happily Ever After, ein 3D-Animationsfilm, der die Panik eines jungen Mannes vor einem Leben mit seiner Partnerin bebildert oder der Silhouettenanimationsfilm á la Lotte Reiniger Night of the Loving Dead, eine britische Horrorkomödie um liebestolle Zombies.

Andere Filme wussten zu unterhalten, regten dabei aber auch verstärkt zum Nachdenken an. Etwa One Day, ein französischer Film. Es geht um ein Haus, das nachts um die Welt wandert und seinen Bewohner nicht zur Ruhe kommen lässt. Oder auch die russische Produktion My Strange Grandfather, eine Geschichte von der Beziehung eines jungen Mädchens mit ihrem bizarren, aber kreativen Großvater. Außerdem gab es Dokumentationen wie etwa den deutschen Film Abdullah von Jakob Besuch, in dem der titelgebende Abdullah von seiner Jugend im Drogenmilieu berichtet.

Zuletzt gab es natürlich noch all jene Werke, die so manchem Zuschauer eher bizarr vorkommen würden, weil sie künstlerischen Anspruch über Verständlichkeit stellten.

Die Jury entschied sich schließlich dafür, einen solchen, mehr der Kunst wegen geschaffenen Film auzuzeichnen: Eine Murul (Breakfast on the Grass) von 2011.  Es ist eine Gemeinschaftsproduktion von Erik Alunurm, Mari Pakkas, Mari Liis Rebane und Mihkel Reha aus Estland. Der Puppentrickfilm handelt von betrunkenen Gestalten, die zu den Klängen von Ravels Boléro durch einen Park wanken und in der letzten Einstellung Édouard Manets Gemälde Le Dejéjeuner sur l’herbe von 1863 bilden. Für manch einen, der die Filme miterlebte, mag diese Entscheidung nicht vollständig einleuchtend sein. Am besten man liest sich die erhellende Begründung der Jury durch:

Die Menschen bewegen sich komisch und wackeln, fallen um, stehen wieder auf und fallen wieder. Unvorhersehbare Bewegungen der Körper und eine irritierende Kameraperspektive fordern das Publikum heraus. Aber er Film hält sich an keine Regeln, sondern folgt in seiner seiner künstlerischen Gestaltung, der Animation, der Puppen und der Musik einem ungeschliffen und wenig perfekt Konzept. Vielen Dank für diese großartige Hommage an Priit Pärn und Èdouard Manet.

Fotos: Internationales Trickfilm Festival Stuttgart

Fett und filzig – die Siegerfilme des ITFS

von Sandra Fuhrmann

Das 20. Internationale Trickfilmfestival (ITFS) ist zu Ende und die Gewinner stehen fest. Es war eine Woche gefüllt mit unzähligen Eindrücken und die Jury des Internationalen Wettbewerbs hatte es sicher nicht leicht mit ihrer Entscheidung. Insgesamt 41 Filme, verteilt auf fünf Tage, hatten die fünf Mitglieder zu bewerten. Wir waren für euch bei den Vorführungen dabei und konnten uns so unsere eigene Meinung bilden.

Drei Preise wurden innerhalb des Wettbewerbs vergeben: der Grand Prix, dessen Gewinner ein Preisgeld von 15.000 Euro winkt und der von der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg gestiftet wird, der Lotte Reiniger Förderpreis für Animation in einer Höhe von 10.000 Euro, von der MFG Filmförderung Baden-Württemberg und der SWR-Publikumspreis für den Film mit den insgesamt besten Noten bei der Abstimmung durch die Zuschauer, für den es 6.000 Euro gab.

Der Grand Prix

…geht an OH WILLY. Die Co-Produktion zwischen Belgien, Frankreich und den Niederlanden entstand unter der Regie von Emma de Swaef und Marc James Roels und stammt aus dem Jahr 2011.

Story

Die Story handelt von dem inzwischen erwachsenen Mann Willy. In seinem Inneren  scheint er jedoch ein Kind geblieben zu sein. Die Erkrankung seiner Mutter lässt ihn in die Nudisten-Gemeinde im Wald zurückkehren, in der er aufwuchs. Kurz nach seiner Ankunft dort, stirbt die Mutter. Für Willy der Zeitpunkt, sein eigenes Leben Revue passieren zu lassen. Behütet, doch auch abgeschottet von der Außenwelt, wuchs er hinter den Zäunen im Kreis der Gemeinde und umsorgt von der Mutter auf.

Ausflüge nach draußen bekamen ihm nicht gut, wurde er doch von anderen Kindern wegen seiner Nacktheit und seines Körperumfangs verspottet und geschlagen. Lang trank er von der Brust der Mutter. Nach ihrem Tod flieht er nun als Erwachsener in den Wald. Noch immer scheint er wenig selbstständig und unfähig, sich alleine in der Wildnis zurechtzufinden. Gepeinigt von der Natur findet er in einer Höhle Unterschlupf. Ein Wendepunk tritt ein, als Willy dort von einem haarigen Yeti angegriffen wird. Doch anstatt ihn zu fressen, entpuppt sich das Ungetüm als zärtlicher Mutterersatz. Mithilfe einer Schere bringt Willy gar unter dem haarigen Gesicht Züge zum Vorschein, die denen seiner Mutter stark zu ähneln scheinen. Und sogar eine Brust verbirgt sich unter den langen Zottelhaaren, von der Willy trinken kann und so in die Rolle zurückkehrt, die er einst nur ungern verließ – die des nackten Jungen an der Brust der Mutter.

 Alles in allem..

Oh Willy ist ein stop-motion Kurzfilm, der auch ohne Sprache auskommt. Auf skurrile Weise weckt der Film Abscheu und Mitleid beim Zuschauer. Die Geschichte scheint eine perfekte Mischung aus Tragik und Komik. Und mancher skurrile Einfall der Macher lässt einen einfach nur staunen. Richtige Lacher sind im Film meist ganz unverhofft eingebaut und wirken dadurch umso besser. So taucht beispielsweise während Willy sich in der Höhle verborgen hält auf einem Fels vor dem Eingang eine Ziege auf. Der Anblick der Ziege im Sonnenlicht hat etwas Erhabenes – bis sie seitlich von einem Stein getroffen wird und vom Felsen stürzt. Es folgt der Auftritt des Yetis.

Die verwendeten Materialien untermauern im Grunde die Story. Die Puppen sind aus Filz gefertigt, was ihre Konturen weich wirken lässt. Auch die Umgebung besteht aus Filz und anderen Textilien, wirkt dabei aber sehr lebensecht. Die weiche Atmosphäre passt zur Gesamtgeschichte des hilflosen dicken Willy, der sich nach der Liebe und Fürsorge der Mutters sehnt. Der Film verläuft durch eher lange Schnitte sehr ruhig, was dem Ganzen etwas Getragenes verleiht. Insgesamt ergibt sich so ein sehr rundes Bild.

Eigener Senf

Tatsächlich bot uns Oh Willy schon am ersten Präsentationsabend Stoff zur Diskussion und die Meinungen in der Redaktion gingen durchaus auseinander. Doch Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Ich selbst habe mich in diesem Fall sehr über die Entscheidung der Jury gefreut, da der Film auch zu meinen persönlichen Lieblingen im Internationalen Wettbewerb gehört hat. Der Film ist in sich ausgesprochen stimmig und auch seine skurrile Komik macht ihn meiner Meinung nach wirklich sehenswert.

Der Lotte Reiniger Förderpreis für Animationsfilm

…geht an KARA NO TAMAGO (A Wind Egg). Die japanische Produkion entstand 2012 unter der Regie von Ryo Okawara.

 Story

„A Wind Egg“ ist allgemein die Bezeichnung für ein Ei, dass in irgendeiner Form Mängel aufweist. Kara no tamago steht ganz in der Tradition des japanischen surrealen Animationsfilms. So steht bei diesem Film auch nicht unbedingt eine logische Handlung im Vordergrund. Der Film porträtiert eine vierköpfige Familie, die einen Hühnerhof bewirtschaftet.

Nacheinander werden alle Familienmitglieder vorgestellt. Der cholerische Vater, der eifersüchtig über die Eier wacht, die er mehr zu lieben schein, als alles andere. Die kleine Schwester, eine überdrehte Petz Liese. Die Mutter, nicht beachtet vom Vater, frönt sie ihren eigenen erotischen Fantasien und der Junge, der der Protagonist der Geschichte ist. Obwohl keiner in dieser Familie besonders nett zu den anderen zu sein scheint, wirkt der Junge doch in besonderem Maße wie ein Außenseiter.

Einzelne Handlungsstränge überlagern sich im Film, werden auseinandergeschnippelt und dann irgendwie wieder zusammengesetzt. Die Surrealität der Handlung steigert sich mit dem Fortschreiten der Geschichte. Beim Versuch ein Ei zu stehlen wird der Junge von der Schwester beobachtet und verpetzt und anschließend vom Vater eingesperrt. Das Ei kann er retten. Gegen Ende des Films ist zu sehen, wie daraus eine Miniaturversion des Jungen selbst entschlüpft und dies eine zusammenhängende Kette von Gedanken in seinem Kopf auslöst, bei denen sich beispielsweise die Mutter in ein Huhn verwandelt. Gemeinsam bilden diese Gedanken eine Erkenntnis bei dem Jungen, die sich dem Zuschauer aber nicht automatisch erschließt.

Alles in allem..

Kara no tamago ist ein Zeichentrickfilm, der in gedeckten Farben und eher minimalistisch gehalten ist. Die Figuren sind nicht auf Schönheit ausgerichtet. Sie haben ihre Ecken und Kanten. Der Film erfordert eine gewisse Konzentration vom Zuschauer, will man nicht bei den immer wieder unterbrochenen Handlungssträngen ganz den Faden verlieren. Was gehört eigentlich ans Ende und was passiert zuerst? Wie gehören die einzelnen Elemente zusammen? Ein Film, der definitiv einer angestrengteren Auseinandersetzung mit wiederholter Rezeption bedarf, um ganz entschlüsselt zu werden.

Eigener Senf

Leider muss ich an dieser Stelle zugeben, dass diese Entschlüsselung bislang keinem von uns ganz gelungen ist. Besonders für uns als europäische Zuschauer fiel die Rezeption des Films schwer. Doch die verborgene Bedeutung weckt auch Ehrgeiz während des Zuschauens. Man möchte den Schlüssel zur Geschichte finden und weiß, dass er sich vermutlich dort in der Story versteckt. Auch der Schlüssel zur Bewertung ist hier ein ganz anderer als bei „Oh Willy“. Szenische oder ästhetische Kriterien scheinen nicht so recht zu greifen. Dieser Film muss von einer ganz anderen Seite aus betrachtet werden. Deshalb war für uns einstimmig die Entscheidung der Jury auch nicht ganz durchsichtig.

 Der SWR-Publikumspreis

…geht an JUNKYARD. Der Film wurde 2012 in den Niederlanden produziert. Der Regisseur ist Hisko Hulsing.

 Story

In einer U-Bahn wird ein Mann erstochen. Während sein Mörder noch über ihm steht, reist der Zuschauer aus der Dunkelheit heraus zurück in die Vergangenheit des Mannes, in der er im Sonnenschein mit seinem besten Freund spielt. Der Mann, den man nun als Jungen sieht, wächst in behüteten Verhältnissen auf, während die Mutter seines Freundes diesen verwahrlosen lässt. Auf dem Schrottplatz, auf dem die beiden gemeinsam spielen, wohnt ein dritter Junge mit seinem gewalttätigen Vater in einem Wohnwagen.

Während die Jungen heranwachsen entfremden sich die beiden besten Freunde zunehmend. Der Protagonist sucht die Gesellschaft eines Mädchens, zu dem sich eigentlich auch sein Freund hingezogen fühlt. Dieser freundet sich stattdessen mit dem Jungen vom Schrottplatz an und gerät so mehr und mehr in die falschen Kreise. Eines Tages gehen alle drei Jungen zum Wohnwagen auf dem Schrottplatz. Der Protagonist bleibt am Eingang des Schrotplatzes zurück, denn er wagt nicht, dem Mann im Wohnwagen zu nahe zu kommen. Man sieht und hört aus Sicht des Protagonisten, wie die beiden anderen Jugendlichen den Wohnwagen betreten und im Inneren ein Streit ausbricht. Kurz darauf explodiert der Wohnwagen. Die beiden Jungen können sich retten, den Mann jedoch lassen sie schreiend zurück und beobachten, wie er in Flammen aufgeht. Alle drei Jungen gemeinsam suchen Zuflucht in einem alten Haus. Als einige Zeit später die Polizei auftaucht, während schon der gesamte Schrottplatz in Flammen steht, verrät der Protagonist den Polizisten, wer die Schuldigen sind. Die beiden anderen wandern so ins Gefängnis. Der Zuschauer kehrt zurück zu dem Sterbenden in der U-Bahn. Der Blick in das Gesicht des Mörders offenbart die Züge seines ehemals besten Freundes.

Alles in allem..

In Junkyard steht auf jeden Fall die Geschichte im Vordergrund und die hat auf jeden Fall das Potenzial, den Zuschauer zu ergreifen. Mord in der U-Bahn und drogenabhängige Jugendliche sind sicher keine ganz neue Story, man spürt jedoch, dass hier in der Erzählung sehr viel Liebe und Authentizität steckt. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass teilweise Erlebnisse aus der Vergangenheit des Regisseurs Hisko Hulsing aufgegriffen und verarbeitet wurden.

So gibt er beispielsweise an, während seiner Kindheit in Amsterdam früh bemerkt zu haben, wie einige seiner Freunde immer mehr abstürzten und sich von ihm entfremdeten. Auch er selbst fing mit zwölf an Haschisch zu rauchen bis er merkte, dass sein Kopf nicht mehr richtig funktionierte. Die klaren Bilder des Zeichentrickfilms tragen dazu bei, der Geschichte etwas sehr Ehrliches zu verleihen. Mit Farben und Licht wird erreicht, dass die Stimmung zuweilen zwischen Traum und Inferno schwankt und irgendwie in diesen Momenten auch beides passt.

Eigener Senf

Auf jeden Fall ein sehr gelungener Film. Eine nicht ganz neue Geschichte, die aber doch nie ihre Relevanz und emotionale Tragfähigkeit verliert, auf sehr liebevolle Art umgesetzt. Obwohl in diesem Film Sprache zum Einsatz kommt, wird mehr über die Bilder gearbeitet. Ein Film, der auch meiner Meinung nach auf jeden Fall in der oberen Hälfte der gezeigten Filme angesiedelt war. „Sehr schöner Film“, war auch die Meinung der Redaktion.

 

Fotos: Internationales Trickfilm Festival Stuttgart

SchülerVZ ist tot – es lebe Facebook!

von Sabine Appel

Die Uni hat gerade erst angefangen und ich bin schon wieder heftig am prokrastinieren meiner anstehenden Hausaufgaben. Natürlich auf Facebook, wo das bekanntlich am leichtesten funktioniert. Doch was habe ich nur vor Facebook getan, wenn ich eigentlich lernen sollte? Tatsächlich gelernt jedenfalls nicht. Wo waren wir, Generation Internet, eigentlich alle, bevor wir uns auf Mark Zuckerbergs virtueller Schöpfung herumtrieben? Ach ja, damals gab‘s ja noch das Schüler VZ. Man könnte es als eine Art „Vorläufer“ des Giganten Facebook beschreiben. Doch während Facebook trotz vielfacher Kritik an Datenschutz und Co. nach wie vor weltweit beliebt ist, schließt das SchülerVZ morgen seine virtuellen Türen.

„Wir machen‘s kurz: Es ist vorbei“

Die VZ-Gruppe, bestehend aus SchülerVZ, StudiVZ und meinVZ, gehört inzwischen der Investmentgesellschaft Vert Capital. Während  StudiVZ und meinVZ zunächst weiter bestehen, wird dem SchülerVZ nun radikal der Garaus gemacht. Von 5 Millionen Nutzern sind nur noch 200 000 übrig geblieben. Aus 200 Mitarbeitern wurden 12 Angestellte, die nur noch für die Verwaltung zuständig sind, statt Hoffnung in das Projekt zu setzen. Anfang April geht die Nachricht an alle Nutzer, dass sie zum Ende des Monats automatisch gelöscht werden und vorher am besten noch ihre persönlichen Andenken sichern sollten.  Nach sechs Jahren ist das SchülerVZ am Ende und auch der Schlusssatz „Statt dem üblichen ‘Lebewohl‘ sagen wir:  Man sieht sich“ wirkt nicht so richtig überzeugend.  Was ist da eigentlich passiert?

Als mich die Nachricht erreicht, muss ich erst einmal  grübeln, ob mein SchülerVZ Account eigentlich noch existiert. Ich war schon Jahre nicht mehr auf der Plattform, bin allerdings auch nicht unbedingt gründlich, was die Entsorgung von persönlichen Karteileichen angeht. Probeweise starte ich einen Versuch, mich einzuloggen. Fehlanzeige – ich habe meinen Account wohl irgendwann  doch gelöscht, spätestens nach dem Abitur. Dann gehört man schließlich auch nicht mehr ins SchülerVZ, auch wenn dieses für ein Nutzeralter von 10 bis 21 Jahren freigeschaltet ist. Kurz überlege ich mir, mir für die letzten Stunden noch einmal einen Account anzulegen, um die Funktionen noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Leider muss ich mich jedoch von der Idee des neuen Accounts verabschieden, da nur eingeladene Nutzer ins Verzeichnis aufgenommen werden und keiner meiner Freunde noch einen SchülerVZ-Account besitzt. Mensch, ich werde alt. Oder ist die Plattform alt geworden?

Hühnerbrüste und Duckfaces

Einst unter Schülern und sogar Eltern sehr beliebt, nicht zuletzt aufgrund von Datenschutzpolitik und Nutzerbetreuung, ist SchülerVZ inzwischen in Vergessenheit geraten. Ohne neuen Account muss ich mich hier auf meine Erinnerung verlassen. Und die fördert folgende Bilder zutage: Selbstdarstellung in weiblichen „me, myself and I“ Fotoalben inklusive erster Duckfaces, nackte Hühnerbrüste von 16-jährigen Jungs, die gerade das Fitnesstraining entdeckt haben und private Nachrichten mit dem ersten richtigen Schwarm. Neben einem Steckbrief mit Beziehungsstatus, Lieblingsfilmen und Zitaten gab es da zum Beispiel „Gruppen“, denen man beitreten konnte, und die kleine Communities waren. Eigentlich. In Wirklichkeit dienten sie nur dazu, im Profil aufgezählt zu werden, um eine für das Image schmeichelhafte Bulletpoint-Liste von lustigen Sprüchen neben dem hübschen bearbeiteten Profilfoto zu bilden. Die perfekte Mischung aus Schönheit, Witz und Selbstironie – das war angesagt. Zusätzlich gab es eine Pinnwand auf jedem Profil, an der wir Sympathien, Herzchen und sozialen Status sammelten. Irgendwann kam die „Buschfunk“ Funktion  hinzu, mit der man einen aktuellen Status kundtun konnte. Ach, war das alles schön! Und es klingt  gar nicht so viel anders, als heutzutage auf Facebook – oder?

Von Facebook überholt

Das SchülerVZ gab es seit 2007, Facebook entstand schon 2004. Bevor die große Facebook-Welle jedoch auch nach Deutschland überschwappte, dauerte es ziemlich lange: Ich selbst erinnere mich, 2009 meinen Account erstellt zu haben und damals noch zu den ersten meiner Freunde gehört zu haben. Im SchülerVZ war ich wie viele andere von Anfang an dabei – dadurch konnte das Netzwerk sich vor Facebooks Zeiten in Deutschland etablieren. Der große Unterschied: Während Facebook spätestens 2009 als globale Epidemie im Stil der Amerikanisierung ausbrach, waren und bleiben die VZ Netzwerke bundesweit ausgelegt. Dazu kommt die Altersbegrenzung, die gerade  SchülerVZ zu einem sehr limitierten Netzwerk macht.

Und Facebook hat letztendlich schlichtweg mehr zu bieten: Nicht nur die Reichweite ist größer, sondern auch der Funktionsumfang. Die Basics sind ähnlich, doch etwas Entscheidendes ist anders: Facebook zeigt Entwicklung. Während man im SchülerVZ noch ziemlich suchen musste, indem man auf die einzelnen Profile seiner Klassenkameraden klickte, liefert Facebook den kompletten Livestream über das aktuelle Geschehen im Leben der anderen. Es sind dadurch nicht mehr nur die Profile der engsten Freunde, die man sich regelmäßig anschaut. Es sind je nach Abonnement verschiedenste Mitmenschen, Organisationen, vielleicht sogar berufliche Chancen, die man täglich verfolgt. Durch die Timeline steht Facebook beinahe schon an der Grenze zum Push-Medium, von dem man zum Austausch oder wenigstens zur Kenntnisnahme gezwungen wird, sobald man die Plattform betritt. Klingt irgendwie fies, passt aber auch zum voyeuristischen Bedürfnis der Gesellschaft und erlaubt eine angenehme Faulheit.

Der vom VZ bekannte  Exhibitionismus kommt bei Facebook nicht zu kurz: Man kann sein Leben in Beiträgen verschiedenster Art sowie mit sozialen Interaktionen dokumentieren und präsentieren wie sonst nirgends. Die ultimative Selbstbestätigung folgt durch den Like-Button. Selbstdarstellung ging auch im SchülerVZ – aber lange nicht so gut wie bei Facebook, da der Entwicklungsfaktor fehlt. In der Facebook-Chronik kann man nicht nur die Beiträge von Freunden einer Person nachverfolgen, was schon bei der VZ-Pinnwand funktionierte, sondern auch die Kundgebungen der Person selbst. Der „Buschfunk“-Status im VZ war selbstlöschend, sobald man einen neuen schrieb, Facebook speichert jede öffentliche Aussage chronologisch. Für immer. Fakt ist: Facebook ist spannender als das lang gleichbleibende SchülerVZ-Profil und es erlaubt mehr Chancen zur Kommunikation.

Das Konzept ist sich sehr ähnlich, an manchen Stellen, Stichwort Nutzerbetreuung, bei SchülerVZ besser.  Dennoch haben die Entwickler der VZ-Netzwerke nicht gut genug aufgepasst. Im Vergleich wirkt SchülerVZ wie eine antiquierte, unausgereifte Version von Facebook mit weniger Funktionen. Es ist ein Abstand, der vor allem durch die globale Vormachtstellung von Facebook nicht mehr aufzuholen ist – und das ist vermutlich auch der Grund, warum das SchülerVZ morgen seine virtuellen Türen für immer schließt und Vert Capital sich weitere Liebesmühe spart. Wir verabschieden uns von einem sozialen Netzwerk, das schon vor Verkündung der Schließung nostalgisch werden ließ. Nutzt die verbleibenden Stunden, um eure Jugendsünden noch einmal Revue passieren zu lassen. Und dann heißt es: Lebewohl, SchülerVZ!

Fotos: Privat



Simpsons, ’s Äffle und ’s Pferdle

von Sandra Fuhrmann

„’S Äffle und ’s Pferdle hen zu meiner Kindheit gehört, wie meine Oma.“ Treffender als mit diesen Worten von Winfried Kretschmann kann man es wohl kaum sagen. Die meisten von uns sind mit Trickfilmen aufgewachsen. Mit manchen Figuren verbindet man gar wehmütige Erinnerungen. Da macht wohl auch der Baden-Württembergische Ministerpräsident keine Ausnahme. Kein Wunder also, dass die gestrige Eröffnung der Internationalen Trickfilmfestivals zahlreiche Besucher in den Saal des Stuttgarter Kinos Gloria lockte. Für Nachzügler blieb nur der Stehplatz an der Wand.

Konvergenz auf dem Vormarsch

Im 31. Jahr und zum zwanzigsten Mal findet das ITFS nun schon in Stuttgart statt und feiert damit Jubiläum. Die Geschäftsführer Dittmar Lumpp und Ulrich Wegenast betonten bei der Eröffnung, wie sehr es seit seinen Anfängen als Kurzfilmfestival gewachsen ist und an Bedeutung gewonnen hat. Das liegt natürlich nicht nur am Festival selbst, sondern auch an den Tendenzen in der Medienindustrie. „Animation hat alle unsere Lebensbereiche durchdrungen“, sagten die beiden. Neu ist auch, dass dieses Mal Games mit in das Festival integriert wurden. Die Veranstalter versuchen damit den zunehmenden Mendienkonvergenz Rechnung zu tragen. Film (und vielleicht der Animationsfilm im Besonderen) und Spiele lassen sich heute nicht mehr so einfach trennen.

Von Homer bis King Kong

Mit dem Ministerpräsidenten oder dem Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte sich nicht nur Prominenz auf der Bühne versammelt. Die, um die es in diesen Tagen in Stuttgart wohl vor allem gehen wird und auf die Augen der internationalen und lokalen Filmfanatiker gerichtet sein dürften, saßen an diesem Abend im Publikum. Denn der Dienstag war nicht nur der Tag der Eröffnung, es startete auch bereits der Internationale Wettbewerb, bei dem die weltweit besten Animations-Kurzfilme gekürt werden sollen. Die ersten acht waren schon gestern Abend zu sehen. Die übrigen werden nun in den kommenden Tagen folgen, bis am Sonntag die große Preisverleihung stattfindet. Der Grand Prix ist mit einer Höhe von 15.000 Euro dotiert. Für den besten Abschlussfilm einer Filmschule gibt es den Lotte Reiniger-Preis in Höhe von 10.000 Euro. Nicht nur die Macher der Filme, sondern auch die internationale Jury waren gestern schon im Publikum zu finden. Darunter finden sich Größen, wie Barry Purves, der durch Toby’s Travelling Circus, King Kong oder auch Mars Attacks bekannt ist. Auch Simpsons-Macher David Silverman hatte sich unter das Publikum gemischt. Mehr von ihm gibt es am Samstag um 23 Uhr im Gloria mit einem Simpsons-Special. Und schon gestern hatte das Publikum die Chance selbst Jury zu spielen. Der Publikumsprei des SWR hat eine Höhe von 6.000 Euro und wird immer bei den Vorführungen zum Internationalen Wettbewerb vergeben.

Preise noch und nöcher

Neben dem Internationalen laufen beim ITFS zahlreiche andere Wettbewerbe. So zum Beispiel im Bereich Young Animation für die besten Nachwuchsfilmer und Studenten internationaler Filmhochschulen, im Bereich Animato Com Award für die beste Auftragsarbeit oder im Bereich Animated Fashion Award für die Kombination kreativer Mode und innovativer Animation. Auch für das beste Drehbuch und den besten deutschen Sprecher werden Preise vergeben und auch die ganz Jungen kommen mit Tricks for Kids und Cartoons for Teens nicht zu kurz. Die Jury bewegt sich dort in derselben Altersklasse, wie die Teilnehmer.

Für alle Animationsfilmbegeisterten ist also genug geboten. Außerhalb der Wettbewerbe gibt es viel Rahmenprogramm und beim Open Air kommt man auch ohne Tickets auf seine Kosten. Media-bubble.de wird diese Woche auf jeden Fall weiter für euch dabei sein und euch wissen lassen, was es in Sachen Preisvergabe und Events Neues und Spannendes aus Stuttgart zu berichten gibt.

Fotos: „Trickfilm-Festival Stuttgart

We love Food – Der Weg zum fertigen Film

von Sandra Fuhrmann

„We Feed the World“, „Food INC“, oder „Taste The Waste“ Filme über die Schandtaten der Lebensmittelindustrie kennen wir vermutlich alle. Drei Masterstudentinnen der Tübinger Medienwissenschaft haben sich solche Filme zum Vorbild genommen und feiern am 26. und 27. April die Premiere ihrer Reportage „We Love Food“. media-bubble.de sprach mit Jenny über ein Abschlussprojekt, dass anders und vielleicht auch ein wenig besser sein sollte als seine Vorbilder.

Jenny, könntest du zu Anfang einen kurzen Überblick über den Inhalt geben?

 „We love food- Vom Feld in den Mund und was dabei auf der Stecke bleibt“ ist ein halbstündiger Film über Lebensmittel. In Deutschland werden jährlich über 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, wovon die meisten noch sehr gut verzehrbar sind. Man wirft sie weg, weil sie nicht der Norm entsprechen (wie zum Beispiel eine krumme Gurke) oder weil sie kurz vor dem Ablaufen des Mindest(!)haltbarkeitsdatums sind. Gedreht haben wir größtenteils in und um Tübingen, zum Beispiel unterwegs mit der Tübinger Tafel e.V., einem Mädchen, dass aus politischem Protest „containern“ geht und einer Familie, die eine Bio-Kiste mit regionalen Essen abonniert hat. Der ganze Film spielt auf einer sehr persönlichen Ebene, nah an den Protagonisten.

Du hast den Film gemeinsam mit Katharina Schwarz und Sarah Müller produziert. Wie viel filmische Erfahrung hattet ihr drei vor diesem Projekt?

Genau. Der Film ist unser gemeinsames Projekt, das wir als Abschlussarbeit des Masterstudiengangs Medienwissenschaft produziert haben. Konzept, Dreh und Schnitt haben wir selbst bewerkstelligt. Für uns war das definitiv eine große Herausforderung, da wir vorher nur kleinere Filmprojekte mit Hilfe anderer im Rahmen von Campus TV und für verschiedene Filmtage produziert haben. Aber mit dem Dreh unserer ersten halbstündigen Reportage haben wir wirklich noch vieles gelernt, vor allem auf technischer Seite.

Was sollte an „We Love Food“ anders werden, als bei den bereits bekannten Reportagen über die Lebensmittelindustrie?

Wir wollten es unbedingt vermeiden, das Thema nur – wie es die meisten Reportagen im Fernsehen tun – aus negativer Sicht zu zeigen. Im Fernsehen sieht man oft nur Müllberge von Essen und Menschen und Unternehmen, die einen sehr problematischen, verschwenderischen, Profit-gierigen Umgang mit Essen an den Tag legen. Wir wollten Menschen zeigen, die einen positiven Zugang zur Lebensmittelthematik haben und diesen auch leben. Egal, ob sie über Lebensmittel forschen, diese an Bedürftige weiter verteilen, wie die Tafel oder sie möglichst Umwelt-effizient verkaufen, wie die Bio-Kiste. Das ist uns mit den Protagonisten denke ich auch gelungen.

Hattet ihr anfangs Angst, dass ihr es eventuell nicht schaffen könntet, eure Vorstellung so umzusetzen?

Wir  hatten schon eine gewisse Vorstellung von unserem Film, aber bei nicht-fiktionalen Formaten muss man immer mit Unvorhergesehenem rechnen. Was wirklich sehr schwierig war, war es eine Drehgenehmigung in einem Supermarkt zu bekommen. Wir haben wochenlang Supermärkte angeschrieben, aber immer eine Abfuhr kassiert. Wie viel gute Ware die Supermärkte täglich wegwerfen zeigen sie natürlich nicht gerne. Letztendlich haben wir über private Kontakte einen Supermarktbesitzer kennengelernt, der uns Filmen ließ. Er ist auf dem Land tätig, kennt seine Kundschaft und kümmert sich auch wirklich darum, dass er gut mit den Lebensmitteln umgeht und sie nicht grundlos entsorgt.

Das Thema Lebensmittel ist natürlich eines, das uns alle betrifft. Aber was hat euch dazu veranlasst diesen Film zu drehen?

Wir hatten uns auf dem Holzmarkt eines Abends über Themen für ein mögliches Filmprojekt unterhalten. Was uns damals wirklich beeindruckt und gleichzeitig geschockt hatte war der Film „Taste the Waste“ von Valentin Thurn. Das Unverständnis darüber, weshalb man so viel noch gutes Essen wegwirft, hat uns zum Nachdenken bewogen und auch irgendwie nicht mehr losgelassen. Langsam hat sich die Idee zu „We love food“ gebildet und heute stehen wir mit dem fertigen Film in der Hand da.

Ihr habt noch eine Vierte im Bunde. Eva Müller ist für die Vermarktung des Films zuständig. Welche Maßnahmen wurden in dieser Richtung bis jetzt umgesetzt und wie erfolgreich seid ihr damit?

Eva Müller ist wirklich sehr aktiv, was das Twittern, Bloggen und Posten angeht. Sie hat durch unsere Facebook-Seite, Twitter und der Homepage schon eine gute Fanbase aufgebaut und wir freuen uns immer noch über jeden Kommentar, Post und „Like“. Vor allem stehen nun wertvolle Kontakte zu anderen Aktivisten in der Lebensmittelbranche, wie zum Beispiel „Slow Food Deutschland“, den „Food Fightern“ und vielen mehr. Letzte Woche wurden wir durch unsere Internet-Präsenz auf ein „Bloggertreffen“ der Slow Food Messe in Stuttgart eingeladen, das war schon toll. Mal sehen was noch folgt, wir sind echt gespannt.

Was war das größte Hindernis, dass euch auf eurem Weg zum fertigen Film in die Quere kam?

Das ist schwierig zu sagen…Wahrscheinlich war es die größte Herausforderung aus 15 Stunden gedrehtem Material die besten und stärksten Sequenzen herauszusuchen und dies dann auf eine halbe Stunde herunterzubrechen. Das hat wirklich ein Weilchen gedauert. Man muss das Material sichten, die Interviews transkribieren und die Aussagen der Protagonisten abwiegen. Schnell waren wir uns dann einig, was in den Film soll. Die Arbeit mit den Mädels war wirklich toll!

Und wie wird es für „We Love Food“ und natürlich für euch vier jetzt weitergehen? Hat die Produktion eines Films euch Lust auf mehr gemacht?

Ja, der Traum wäre natürlich eine eigene kleine Produktionsfirma und weiter im Bereich Film zu arbeiten. Wir werden nun erst einmal unser Studium komplett abschließen und dann weitersehen. Eine Idee für ein neues Filmprojekt steht aber schon. Und nach dem wir „We love food“ gemeistert haben, haben wir auch wirklich Lust auf mehr, gerade weil wir jetzt viel gelernt haben und es beim nächsten Mal auch anwenden können.

 

Am 26. und 27. findet die große Premiere von „We Love Food- Vom Feld in den Mund und was dabei auf der Stecke bleibt“ im Kino Museum statt. Der Film wird dort gemeinsam mit einem weiteren Masterprojekt gezeigt werden. „Ins Schwarze getroffen“ ist eine Reportage von Rebekka de Buhr, Bastian Wagner und Ulf Puntschuh, bei der die drei Studenten die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft zum Endspiel begleiten. Die Vorstellung der beiden Filme beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt kostet 7 Euro.

 

Trailer und Bild: Copyright Jennifer Raffler, Katharina Schwarz und Sarah Müller

Da nuffzuas gaht’s zur Kirch

von Sanja Döttling

Der Pfarrer Kai-Uwe Köster schnauft mit letzter Kraft den Wengert hoch. Da ist nämlich seine Kirche, in Oberrieslingen. Kaum oben, muss er den Berg schon wieder runter: In Unterrieslingen liegt nämlich der alte Rossbauer im Sterben. Ankommen tut er da fast zu spät, denn der Weinbauer Häberle reist ihn erstmal vom frisch geliehenen Moped und überhäuft den armen Norddeutschen mit einer schwäbischen Schimpftirade, die sich gewaschen hat und die der gute Mann Gottes glücklicherweise nicht versteht.

Sehr schnell findet er aber zwischen angrifflustigen Hunden, Hasch rauchenden Teenies, verheimlichten Schwangerschaften und Kräuterhexen eines heraus: Warum sein Vorgänger eines morgens näggat vor der Kirche saß und sich für einen Auerhahn gehalten hat.

Dialekt gehört zum guten Ton

2012 erschien in den deutschen Kinos der Film „Die Kirche bleibt im Dorf“. Er erzählt die Geschichte der beiden verfeindeten schwäbischen Dörfer Ober- und Unterieslingen. Nur widerwillig teilen sich die zwei Ortschaften Kirche und Friedhof. Die nun erschienene gleichnamige Serie erzählt die Vorgeschichte dieses regionalen Kleinkriegs. Letzte Woche startete sie im SWR, die Folgen sind Online abrufbar

Lokalklorit hat in den letzen Jahren Schule gemacht. Die bayrische Komödie „Wer früher stirbt ist länger tot“ war 2006 auch über Bayerns Grenzen hinaus ein Kinoerfolg. Auch im Serienformat ist Mundart angesagt. „Dahoam is Dahoam“, wieder aus Bayern, hat den Dialekt im Fernsehen etabliert. Und nun folgen die Schwaben.

Schwäbisch für Anfänger

Doch die neue Serie ist mehr als nur die schwäbische Sprache. Sie bringt schon in den ersten beiden Folgen gut auf den Punkt, was als typisch für die Schwaben gilt: Grummeligkeit, der Hang zum verniedlichten Schimpfen und prinzipielle Ehrlichkeit um jeden Preis. Wer aus dem Ländle kommt, der muss schon bald hie und da zustimmend nicken, wenn schwäbische Eigenarten humorvoll übertrieben dargestellt werden. Und den Neigschmeckten wird es wohl so gehen wie dem norddeutschen Pfarrer Köster (nachfolgend als „Köschder“ ins Schwäbische übertragen), der erstmal nur Bahnhof versteht (Nicht mal den gibt es in den beiden Rieslingen – der gute Mann muss ja deshalb aufs Moped umsteigen). Da werden Tote lieber heute als morgen beerdigt, alte Feindschaften weiter fein säuberlich gepflegt und schwäbische Hilfsbereitschaft drückt sich durch ein gebelltes „GEHTS?“ aus.

Doch die Serie ist mehr als ein schwäbisches Sittengemälde. Von wegen, die Deutschen (und die Schwaben im Besonderen) sind unlustig! Die Serie überzeugt schon bald durch den detailreichen Humor, der nicht nur durch sprachliche Barrieren, sondern auch durch feinen Landgeruch zustande kommt. In Rieslingen rückt die Feuerwehr (der Ein-Mann-Verein bestehend aus dem Schweinebauer) noch mit dem Traktor aus. Und den Joint raucht man am besten im Beichtstuhl.

Auch die Leistungen der Schauspieler sind durchweg spitzenmäßig und bieten ein entspannt hochwertiges Gegenprogramm zur Scripted Reality der Privaten und den eingestaubten Serienformaten der öffentlich-rechtlichen. Von gemächlicher Dorfidylle ist hier wenig zu spüren: Neue Ereignisse, Probleme und Geheimnisse scheinen sich geradezu aufzutürmen, die halbe Stunde pro Folge vergeht im Flug. Die Serie ist durchweg spannend und dramatisch und macht es dem Zuschauer leicht in die Handlung einzusteigen ohne gleich am Anfang zu viel zu verraten. Keine Spur also von der langsamen Schwarzwaldfamilie „Fallers“, die ja auch aus dem SWR kommt.

A’gucka!

„Die Kirche bleibt im Dorf“ ist ein Kleinod des SWR, das ganz sicher nicht im Dorf bleiben sollte. Nicht nur für wahre Schwaben, auch für Deutsche, die nicht aus dem Ländle kommen, lohnt sich das reinschauen. Ein Schwäbsich-Wörterbuch hilft denen natürlich. Das SWR setzt hier auf eine qualitativ hochwertige, an das junge Publikum gerichtete Serie und macht das überraschend gut.

Die nächsten zwei Folgen laufen heute um 20.15 Uhr im SWR. Allerdings gibts alle Folgen jetzt schon online, wenn auch etwas versteckt auf der Internetseite zur Serie.

 

Bilder: SWR/Fortune Cookie Filmproductio


Hundeliebe über den Tod hinaus: Tim Burtons „Frankenweenie“

von Jacqueline Göron

„Schlafende Hunde weckt man nicht“. Dass diese Redewendung nicht für tote Hunde gilt, beweist Tim Burton in seiner Neuauflage von Frankenweenie.

Bereits 1984 war Burtons Original als Kurzfilm erschienen. 2012 wagte sich der bekannte Produzent und Filmregisseur an ein Remake in Spielfilmlänge – mit altbewährter Stop-motion-Technik und liebevoller Gestaltung erfährt sein Werk einen Neuanstrich in Schwarz-Weiß und 3D.

Handlung

Der zehnjährige Victor Frankenstein lebt mit seinen Eltern und seinem Hund Sparky in einer kleinen Stadt mit dem Namen New Holland. Als eines Tages sein Hund Sparky stirbt, weil er einem Ball nachläuft und daraufhin von einem Auto angefahren wird, ist Victor untröstlich, denn mit dem geliebten Hund stirbt auch Victors einziger Freund. Als tags darauf der neue Naturkundelehrer, Mr. Ryzkrusky, erklärt, wie die Muskeln eines toten Frosches durch Elektrizität zum Zucken gebracht werden können, wird Victor aufmerksam und eine kuriose Idee entsteht. Warum nicht den eigenen Hund mittels Elektrizität wieder zum Leben erwecken? Victors Affinität zur Wissenschaft und sein inniger Wunsch, seinen besten Freund wieder zu bekommen, lassen das Experiment gelingen. Jedoch nicht ohne Konsequenzen: als sich Sparkys Auferstehung von den Toten herumgesprochen hat, überschlagen sich die Ereignisse und wenig später verwüsten Monster die Stadt. Mit viel Mut und Hund Sparky an seiner Seite, zieht Victor in den Kampf, den Monstern den Garaus zu machen.

Victor als Held im Kampf gegen unbändige Monster? Nach dieser Szene würde man im Kurzfilm von 1984 vergeblich suchen, handelt es sich hierbei doch lediglich um eine von vielen Ausschmückungen, die Tim Burton inszeniert hat, um die Länge eines Spielfilms zu erreichen. Was sich in erster Linie problematisch anhört, erweist sich schließlich jedoch als durchaus gelungen, denn Burton fügt nicht einfach bedeutungslos Handlungsstränge aneinander. Die knapp sechzig zusätzlichen Minuten die zu ergänzen sind, füllt der Kultregisseur mit witzigen Anekdoten, Filmzitaten und logischen Handlungsergänzungen. Der Angriff der Monster auf die Stadt vereint so gleich zwei selbstreferenzielle Elemente, wie sie auch in anderen Burton-Filmen immer wieder auftauchen. Zum einen schlägt er eine Brücke zur Eröffnungsszene, in welcher Victor seinen Eltern einen selbstgedrehten Horrorfilm mit verblüffend ähnlicher Thematik zeigt.

Godzilla trifft auf American Werewolf

Zum anderen verwendet Burton keine 08/15 Monster, sondern Monster aus bekannten Horrorklassikern. Die Tiere der Klassenkameraden verwandeln sich dementsprechend in eine „Godzilla-Schildkröte“, in Urzeitkrebs- Gremlins und in eine fliegende Ausgabe einer American-Werewolf-Katze. Burton der selbst ein großer Fan von Horrorklassikern wie Frankenstein ist, inszeniert viele der Charaktere als Hommage an eben diese Meilensteine des Genres. Beginnend mit Sparky, der genau wie Frankensteins Monster aus Einzelteilen zusammen geflickt ist, bis hin zu Victors Klassenkameraden die verblüffende Ähnlichkeit mit Figuren aus Mad Scientist Movies, wie Frankensteins Monster und Frankensteins buckligem Assistenten Igor, aufweisen. Und dann wäre da noch Mr. Ryzkrusky der Burtons großem Idol Vincent Price (bekannt aus etlichen Edgar-Allen-Poe- Verfilmungen) ähnelt.

Tim Burton als verrückter Wissenschaftler?

Kein Projekt lag Burton je mehr am Herzen als die Neuauflage von Frankenweenie. Laut eigener Aussage spiegele keiner seiner Filme so viel seiner eigenen Vergangenheit wieder. Die Parallelen zu Burtons Leben sind offensichtlich, so sah er sich früher ebenfalls als Außenseiter, der ein starkes Interesse für die Produktion von Filmen entwickelte. Schon früh begann er mit dem Zeichnen und Produzieren eigener Werke. Außerdem war Burtons Traumberuf früher der eines verrückten Wissenschaftlers, was sicher auch seine Liebe für den Horrorklassiker Frankenstein prägte (Vorlage für Frankenweenie). Wie Victor hatte auch Burton einen Hund als treuen Weggefährten, der früh starb. Burtons eigene Betroffenheit lässt den Film Frankenweenie ehrlich wirken und hebt die wahre Bedeutung der Freundschaft hervor. Wer verliert schon gerne einen Freund?

Burton bleibt seinem Stil treu

Natürlich bietet das Remake in Stop-Motion-Form auch die, für Burton-Produktionen, typischen Elemente wie: die musikalische Untermalung von Danny Elfman, die düstere Atmosphäre und natürlich die skurrilen Charaktere. Doch die wahre Bedeutung und Relevanz des Films Frankenweenie ist auf die persönliche Betroffenheit des Regisseurs zurückzuführen, welche den Film authentisch wirken lässt – und das, obwohl wir wissen, dass es Frankensteins Monster nicht gibt… Das einzige Manko der Neuverfilmung dürfte eine gewisse Langatmigkeit sein, die einem vor allem dann auffällt, wenn man den Kurzfilm aus dem Jahre 1984 kennt. Dies ist jedoch zu verzeihen, bedenkt man, dass der Film nun die dreifache Länge des „Originals“ besitzt.

Alles in allem ist Tim Burton mit Frankenweenie mal wieder ein toll inszeniertes Gruselmärchen mit wichtiger Botschaft gelungen: Das Wecken toter Hunde scheint weit weniger gefährlich, als es das Wecken schlafender Hunde sein kann…

FRANKENWEENIE, USA 2012 – Regie: Tim Burton Buch: John August. Kamera: Peter Sorg. Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon Musik: Danny Elfman. Mit: Charlie Tahan, Catherine O’Hara, Martin Shaw. FSK 12. 87 Minuten.

 

Fotos: flickr/insidethemagic; flickr/mooshuu