Podcast: Workers

von Lena Bühler

Der Podcast:

Beitrag Nr. 6 fertig

 

Der Film: Die stille Revolution

Wie wäre es wohl, Tag und Nacht einer Hündin zu Diensten zu sein, die in einem schöneren Bett schläft und besseres Essen bekommt als man selbst? Oder dem Versprechen einer US-Staatsbürgerschaft folgend Kriegsdienst in Vietnam zu leisten und dann doch als Illegaler nach Mexiko abgeschoben zu werden. Wo man 30 Jahre bei Mindestlöhnen im Elektronikkonzern Philips arbeitet und die Rente verweigert bekommt? Das wäre in erster Linie hochgradig ungerecht. Für Lidia und Rafael, die in Tijuana arbeiten, ist es aber Realität. Höchste Zeit also, nach Jahren der Genügsamkeit im Verborgenen ein wenig Rache zu üben. Ob man nun mit einer Hupe der Hündin den Schlaf raubt oder im Supermarkt das Regal für Philips-Glühbirnen mit Konkurrenzprodukten verdeckt – Lidia und Rafael sind kreativ wenn es darum geht, sich für jahrelange Entbehrungen zu revanchieren.

Trotz des sensiblen Themas besticht Workers hauptsächlich mit feinem Humor und einem Händchen für Situationskomik. Koproduziert wurde die schwarze Tragikomödie übrigens von Paulo de Carvalho, der gerade den Tübingern als Leiter des jährlich stattfindenden Filmfestivals CineLatino bekannt sein wird. Fast schon eine logische Konsequenz, dass die humorvoll-poetische Studie der Ausbeutung ab dem 12. Dezember täglich um 18 Uhr im Tübinger Kino Museum gezeigt wird.

 

Workers, Mexiko/Deutschland 2013, 122 Min.

Regie & Drehbuch: José Luis Valle

Mit: Jesús Padilla, Susana Salazar, Bárbara Perrín Rivemar, Sergio Limón, Vera Talaia

 

 

 

Fotos: © Copyright José Luis Valle

„Wir stoßen da in eine Lücke“

von Alexander Karl

Im März dieses Jahres fing alles an: Da gingen die Eimsbütteler Nachrichten online. Nicht ganz Hamburg, sondern speziell der Bezirk Eimsbüttel steht im Zentrum des hyperlokalen Projekts – circa 250.000 Einwohner leben in Eimsbüttel und sind damit eine eigene Großstadt in der Hansestadt. Von Beginn an Teil des hyperlokalen Projekts ist Ada von der Decken, Jahrgang 1984. Nach ihrem Volontariat arbeitet sie nun als freie Journalistin, u. a. für die NDR-Formate ZAPP und plietsch.  – und eben auch als Chefredakteurin der Eimsbütteler Nachrichten.

Im Gespräch mit media-bubble.de spricht sie über Lokaljournalismus, die Akzeptanz von Online-Projekten und die Bedeutung von Social Media.

Ada, Hamburg hat mit dem Hamburger Abendblatt und der Hamburger Morgenpost zwei große Tageszeitungen, 2014 will auch noch die Wochenzeitung Die Zeit einen Hamburger Lokalteil bringen. Wofür braucht es da die Eimsbütteler Nachrichten?

Es gibt jede Menge Kollegen, die über Eimsbüttel schreiben, das stimmt. Aber der Bezirk Eimsbüttel hat über 250.000 Einwohner, gleichzeitig ist der Platz in den Tageszeitungen begrenzt, da es noch mehr über Hamburg und die Welt zu berichten gibt. Aber eine Stadt in der Größe des Bezirks Eimsbüttel hätte sicherlich eine eigene Zeitung. Deshalb gibt es uns.

Was gibt es denn im Hyperlokalen so Spannendes zu berichten?

Alles, was es im Großen gibt, gibt es auch im Lokalen oder Hyperlokalen. Es mangelt hier nicht an Themen, auch nicht an harten Themen. Wir haben aber genauso eine Kolumne über den Tierpark Hagenbeck, da geht es dann auch mal um Halloween im Affenkäfig. Dass ein bisschen Lokalkolorit dazugehört, finde ich absolut schön und sehe es als Bereicherung.

Kürzlich gab Ismaningen Online, ein ähnlich hyperlokales Projekt aus Bayern, kurz vor seinem zweijährigen Bestehen bekannt, gescheitert zu sein. Als ein Grund wird die fehlende Relevanz genannt, durch die keine Anzeigenkunden gefunden werden konnten. Können sich neue Online-Projekte überhaupt gegen etablierte Medien behaupten?

Das war bei uns nie ein Thema. Wir haben uns ganz selbstverständlich als Eimsbütteler Nachrichten vorgestellt, am Anfang noch hinzugefügt, dass wir neu sind. Aber wir wurden immer sofort für voll genommen. Wir stoßen da in eine Lücke. Und das wird beispielsweise von den hier ansässigen Vereinen als sehr positiv empfunden.

„Der lokale Bezug muss da sein.“

Und dabei habt ihr ein breites Spektrum, über das ihr berichtet: Von Hagenbecks Tierpark, über Fußball bis hin zu Politik ist alles dabei.

Ja, aktuell gibt es auch fast jeden Tag einen neuen Artikel – womit wir nach so kurzer Zeit selbst nicht gerechnet hätten. Wir hatten im November etwa 30.000 Seitenaufrufe und würden unser thematisches Spektrum gerne noch erweitern, um etwa über weitere Sportarten berichten zu können. Aber: Der lokale Bezug muss da sein.

Es gibt in Hamburger ja noch weitere hyperlokale Projekte, die sich mit einem Bereich in der Großstadt beschäftigen.

Genau: Mittendrin beschäftigt sich mit Hamburg-Mitte, Wilhelmsburg Online mit der Elbinsel und Elbmelancholie versteht sich eher als Blog und Magazin für Hamburg. Wir haben aber einen gemeinsamen Stammtisch und tauschen uns aus. Wir sind vor allem durch den lokalen Bezug voneinander abgegrenzt, aber kooperieren miteinander.

Aber werdet ihr als Eimsbütteler Nachrichten von Politik und Presseabteilungen von Unternehmen als Online-Projekt überhaupt ernst genommen?

Ja, ich glaube spätestens seit unserer Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl, an der sieben Direktkandidaten unseres Wahlkreises teilgenommen haben. Vielleicht liegt es an unserem Namen – als ‚Eimsbüttel Online‘ wäre es vielleicht schwieriger. Hinzu kommt: Wir arbeiten sorgfältig, das merken sich die Leute.

Siehst du trotzdem Vorteile in einem zusätzlichen Printteil oder wollt ihr ausschließlich online bleiben?

Wir planen derzeit auch eine Printauskopplung um uns bekannter zu machen – auch weil mache sagen: Ihr seid gar keine richtige Zeitung, ihr seid ja nur online (lacht). Online können wir aber all das machen, was wir in der Zeitung nicht könnten: Etwa Videos und Audios einbinden oder verlinken. Wir sehen das als große Spielwiese. Für uns ist da aber wichtig, dass der Medieneinsatz zum Thema passt. Aber der Printteil ist von uns eher als Offline-Werbung gedacht.

„Die Teilbarkeit für Social Media ist wichtig.“

Wenn du die Offline-Werbung ansprichst: Wie sieht es denn mit der Aufmerksamkeit online aus? Wie wichtig ist der Einsatz von Social Media für euch?

Social Media sind für uns als Online-Medium wichtig, klar. Wir haben mittlerweile über 700 Facebook-Fans und veranstalten im Web auch Balkon- und Fotowettbewerbe. Die Teilbarkeit für Social Media ist wichtig, gerade auch bei Artikeln mit einem Service-Charakter. Diese werden zudem gut aufgerufen.

Wenn die Einnahmen nicht durch eine Print-Ausgabe kommen: Wie finanziert ihr euch?

Wir haben Partnerprogramme und orientieren uns damit an anderen Stadteilzeitungen. Lokale Geschäfte können sich bei uns vorstellen, das ist dann als Anzeige markiert. Die Partner wissen aber, dass wir Redaktionelles und Werbung strikt trennen, die Werbetexte werden auch nicht von der Redaktion geschrieben. Für die Anzeigenkunden ist jedoch der Vorteil, dass sie sehr zielgruppenspezifisch in einer hyperlokalen Umgebung werben können.

 

Foto: Özgür Uludag

5 Möglichkeiten, wie Medien und Journalisten soziale Netzwerke nutzen können

von Alexander Karl

Die Zeiten, in denen gesellschaftliche Debatten in der Kneipe um die Ecke stattfinden, sind noch nicht vorbei. Doch mit den sozialen Netzwerken haben sich neue Orte etabliert, in denen diskutiert wird: Seit Wochen ist etwa die Große Koalition, kurz GroKo, ein zentrales Twitter- und Facebookthema. Die klassischen Medien und einige Journalisten haben Twitter und Facebook längst für sich entdeckt – und greifen über diese in die Debatten ein. Doch wofür nutzen Medien, Journalisten und Blogger soziale Netzwerke?

Variante 1: Social Media zur Distribution journalistischer Inhalte

Sicherlich haben nur die wenigsten User Zeit und Lust, alle wichtigen journalistischen Medien wiederholt am Tag zu besuchen. Abhilfe schaffen da die Medien selbst: Spiegel Online, heute.de und Co. sind auf den sozialen Netzwerken vertreten und posten dort ihre Beiträge. Followen die User bei Twitter oder Liken sie die Seiten bei Facebook, bekommen sie die News direkt auf die Timeline. Artikel und Videos erreichen die Nutzer somit da, wo sie sich sowieso befinden: In den sozialen Netzwerken.

Variante 2: Social Media als Themenlieferant und Straßenumfrage

Die Landung eines Flugzeugs im Hudson River oder News der Koalitionsverhandlungen – die Informationen haben die User wahrscheinlich zuerst in den Sozialen Netzwerken erreicht. Bei der Notlandung im Hudson River 2009 war ein Tweet „mit höchster Wahrscheinlichkeit die erste Nachricht überhaupt, die über die Beinahe-Katastrophe von New York in die Welt gesetzt wird“, wie es Spiegel Online formuliert. Bei den Koalitionsverhandlungen waren es die Politiker selbst, die die Öffentlichkeit so auf dem Laufenden hielten. Sowohl die Notlandung 2009, als auch die Twitter-Nachrichten aus den Koalitionsverhandlungen wurden von den klassischen Medien entsprechend aufgegriffen. Die sozialen Netzwerke werden so zum Themenlieferant. Doch nicht nur die Tweets von Politikern werden journalistisch aufbereitet: Auch die Tweets von Otto-Normal-Bürgern werden von etablierten Online-Medien aufgegriffen. Anstatt in Deutschlands Innenstädten Passanten nach ihrer Meinung zu fragen, stellen Journalisten die Tweets und Posts der Nutzer zu einem Thema zusammen – quasi als Straßenumfrage 2.0 (media-bubble.de berichtete).

Variante 3: Social Media als Kommunikator

Die Zeit, in der es sich die klassischen Medien erlauben konnten, auf ihre Rezipienten nicht einzugehen, ist vorbei: Journalisten suchen auf Twitter und Facebook den Diskurs – so fragte die Schwäbische Zeitung ihre Follower beispielweise nach ihrer Meinung zu den Maut-Plänen der CSU. Gleichzeitig können die Medien Fragen der User beantworten und Feedback entgegennehmen. Tweets und Facebook-Kommentare sind damit das Online-Pendant zu den klassischen Leserbriefen. Mit einem großen Unterschied: Sie sind öffentlich und für jedermann einsehbar.

Variante 4: User helfen bei der Recherche

Warum sollten Journalisten nicht unter ihren eigenen Followern oder Freunden nach Unterstützung für Beiträge suchen? Daniel Bröckerhoff fragte beispielsweise Ende November für das Medienmagazin ZAPP um Hilfe über Twitter. Für den ZDFcheck während des Wahlkampfes konnten die User gar bei der Recherche helfen. Dabei wurden die Aussagen von Politikern auf ihre Richtigkeit geprüft, die User konnten die Recherche mit Hinweisen unterstützen.

Variante 5: Journalisten werden sichtbarer

Nicht nur die Medien können sich und ihre Beiträge über Social Media darstellen und sichtbar machen, sondern auch die Journalisten selbst. Sie können ihre Community mit persönlichen Meinungen, Analysen und Linktipps auf dem Laufenden halten und sich damit gleichzeitig selbst nur Marke machen. Gerade für Journalisten, die nicht vor den TV-Kameras stehen, ist das eine Möglichkeit, sich zu präsentieren. Dabei reicht das Spektrum der twitternden Journalisten von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, über den Mitherausgeber der FAZ Frank Schirrmacher, bis hin zum Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL Wolfgang Büchner.

Social Media – das hat diese Übersicht gezeigt – ist von großem Nutzen für den modernen Journalismus. Gleiches gilt natürlich auch für Blogger, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind. Und doch ist klar: Je mehr Medien, egal ob klassische oder reine Online-Medien, die sozialen Netzwerke bevölkern, desto eher droht ihnen die Gefahr, im News-Strom nicht mehr wahrgenommen zu werden. Und dann sind es doch wieder die analogen Stammtische, die das eigentlich Wichtige herausfiltern.

 

Bilder: flickr/lioman123 (CC BY-SA 2.0), flickr/mauricevelati (CC BY 2.0)

Podcast: Review – „Ein Freitag in Barcelona & „Frances Ha“

von Lena Bühler

Der Podcast:

Beitrag Nr. 5 fertig

 

Die Filme:

 

Ein Freitag in Barcelona

„Ihr Männer lauft herum wie mit einer Waffe in jeder Hand!“ beschwert sich die resolute Mamen (Candela Peña) bei ihrem Kollegen, dessen dreiste Anmache sie gerade abblitzen ließ. Una Pistola en cada Mano (Eine Waffe in jeder Hand) lautet auch der Originaltitel der spanischen Episodenkomödie. Wirklich schade, dass es die Metapher nicht in die deutsche Übersetzung geschafft hat, wären die acht Protagonisten doch so viel lieber John Wayne als ihr von der Midlife-Crisis gebeuteltes Selbst. Regisseur Cesc Gay ist selbst Mitte 40 und setzt seinen männlichen Altersgenossen mit Ein Freitag in Barcelona ein filmisches Denkmal – nicht gerade schmeichelhaft aber höchst selbstironisch und humorvoll.

 

Ein Freitag in Barcelona, Spanien 2012, 95 Min.

Regie: Cesc Gay

Drehbuch: Cesc Gay, Thomas Aragay

Mit: Javier Cámara, Ricardo Darín, Jordi, Mollà, Candela Peña, Leonor Watling

 

Frances Ha

Die stets gut gelaunte Endzwanzigerin Frances lebt mit ihrer besten Freundin Sophie zusammen wie „ein altes lesbisches Paar, nur ohne Sex“. Gemeinsam schmieden sie große Pläne für die Zukunft, denn Frances will eine erfolgreiche Modern-Dance Tänzerin werden. Dass sie sich im Moment mehr schlecht als recht mit kleinen Nebenjobs durchschlägt, tut ihrem Optimismus keinen Abbruch. Doch als ihre Freundschaft zu Sophie zu bröckeln beginnt, gerät auch ihr Lebenskonzept durcheinander. Regisseur und Drehbuchautor Noah Baumbach ist auch privat mit Hauptdarstellerin Greta Gerwig liiert, die für ihre Rolle der Frances von den Kritikern hoch gelobt wurde. Obwohl Baumbach vor allem mit Drehbüchern für amerikanische Indieperlen wie Die Tiefseetaucher und Der Tintenfisch und der Wal bekannt wurde, kann er auch anders – für den Animationsfilm Madagascar 3 – Flucht durch Europa lieferte er ebenfalls das Drehbuch.

 

Frances Ha, USA 2012, 86 Min.

Regie: Noah Baumbach

Drehbuch: Noah Baumbach, Greta Gerwig

Mit: Greta Gerwig, Mickey Sumner, Adam Driver

 

 

 

Copyright: MFA / Camino Filmverleih

Grasshopper Films

von Lina Heitmann

Start-Up Feeling in Tübingen: Die Büro-WG in der Derendinger Straße ist spärlich möbliert und hell, es liegen Kabel frei während umgebaut wird; die Kekswerkstatt zieht aus und Webtronic kommt hinzu. Hier sitzt auch die junge Firma Grasshopper Films. Seit 2012 ist die Filmemacherin und Geschäftsführerin Anna Ross in der selbtgegründeten Firma tätig.

Sprung in die Selbstständigkeit

Anna studierte in Tübingen Amerikanistik, Islamwissenschaft und Deutsche Mediavistik, und hatte erstmals im Jahr 2009 bei einem Career Service Kurs der Uni eine Videokamera in der Hand. Die Liebe zum journalistischen Filmen entwickelte sie bei CampusTV. Eigentlich kam die Idee für eine Art „CampusTV auf dem freien Markt“ von Oliver Häußler, dem Leiter des Tübinger Uni-Fernsehens. Gemeinsam gründeten Anna und Oli im Februar 2012 Grasshopper Films und verwirklichten damit diese Idee. Mit ihrer Firma schafften die beiden Gründer eine Plattform für Jugendliche und Studenten, die von dort aus ins Berufsleben springen. Der Namensfindungsprozess zeigt, welches Image Grasshopper Films kultivieren will: jung, dynamisch und antihierarchisch soll der Name wirken. Und wie der Grashüpfer springt sie „weit über das hinaus, was man von der Größe erwarten kann“, verbildlicht Anna im Interview.

Den ersten Auftrag realisierte Grasshopper Films gemeinsam mit dem Zentrum für Medienkompetenz der Uni Tübingen: Die Übermorgenmacher war ein Projekt des Landesmarketing Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem SWR, dem ZfM der Uni Tübingen und Grasshopper Films. Seitdem verwirklichte Grasshopper unter anderem Projekte für die Jugendstiftung Baden-Württemberg, für den Landespreis für Heimatforschung und für den Regierungsreise-Bus der Landesregierung Baden-Württemberg. Seinen Erfolg kann Grasshopper Films vor allem auf Empfehlungen und Mundpropaganda zurückführen – die Webseite bezeichnet Anna eher als „Stiefkind“, um das sie sich kaum kümmert. Für den Erfolg von Grasshopper ist die Online-Präsenz in einer Zeit von Web und Social Media Hype bisher kaum essentiell.

Studi-Grashüpfer

Eine Besonderheit von Grasshopper Films ist, dass die Firma nicht nur mit Profis zusammenarbeitet. Ein zentraler Punkt der Grasshopper-Philosophie ist, dass Studenten die Möglichkeit bekommen, bereits während der Studienzeit auf professionellem Niveau zu arbeiten. Für Auftraggeber gibt es unterschiedliche Preisvarianten. Sie können sich für die Profivariante entscheiden, Anna vergleicht dies mit dem „Top-Stylist“ beim Friseur. Alternativ gibt es die Mischvariante, wo Studenten mit Kameraerfahrung, junge Filmemacher und Profis zusammenarbeiten. „Ich versuche immer die ‚Stylist-Variante’ zu pitchen“, erklärt Anna, und handelt auch für die studentischen Team-Mitglieder eine faire Vergütung aus. Denn sie ist überzeugt: „Das was vielleicht fehlt an Berufserfahrung, das haben sie mehr an frischer Herangehensweise und an Querdenken“. Für die Studenten ist nicht nur die Bezahlung ein Anreiz: „Du hast deinen Beitrag, der wirkt in der Welt“, so Anna. Studenten bekommt die Firma vor allem über Empfehlungen und über Tübingens CampusTV, wo beide Gründer noch in der Redaktionsleitung tätig sind.

Die Ausbildungsschiene

Dass Anna und Oli durch CampusTV einen Hintergrund in der Ausbildung herangehender Filmemacher haben, zeigt sich nicht allein in ihrer Zusammenarbeit mit Studenten. Grasshopper filmt nicht nur, sondern bringt auch anderen das Filmen bei: Die Firma bietet die Möglichkeit, anstatt selbst eine Dokumentation, beispielsweise zu einem Jugendprojekt, zu produzieren, gemeinsam ein Ausbildungskonzept zu entwickeln. Mit Workshops zu Interviewtechnik, Kamera und Schnitt bringt Grasshopper dann zum Beispiel den Jugendlichen selbst das Filmhandwerk bei.

Jetzt steht Grasshopper vor der Herausforderung, sich inmitten vieler Aufträge genug Zeit freizuschaufeln, um eigene Projekte zu verwirklichen – unter anderem an Schulen. Wie Anna erklärt, ist das Filmen durch Handykameras heute schon gängiger Teil des Lebens Jugendlicher; ihr geht es darum, Schülern zu zeigen, was sie alles damit machen können.

„Leute, glaubt an euch!“

Selbstsicher erklärt Gründerin Anna, sie habe noch nie daran gedacht, ihre Entscheidung zur Gründung der eigenen Firma zu bereuen. Im Gegenteil, sagt sie: „Ich habe unterschätzt, wie viel dauerhafte Freude es mir bereiten würde“. Angehenden Filmemachern rät sie zu „Selbstvertrauen in die eigene Idee und in das eigene Können, und die Bereitschaft sich weiterzuentwickeln und die Augen offenzuhalten, dann steht der Karriere und einem erfüllten Berufsleben nichts im Weg“. Na dann mal los!

 

Fotos: Copyright Anna Ross und Christine Burkart

Podcast: The Counselor

von Lena Bühler

Der Podcast:

Beitrag Nr. 4 fertigKlein

Der Film: Koks und Kohlenstoff – Wenn Gier zum Verhängnis wird

Als Laura (Penélope Cruz) von ihrem Freund einen riesigen Diamantring bekommt, kann sie nur entzückt „Ja, ich will“ hauchen. Was sich wie das Happy End einer so kitschig wie unrealistischen Hollywoodromanze anhört, ist in diesem Fall der Beginn einer Geschichte von Gier und ihren Konsequenzen. Denn der Anwalt, im Film nur Counselor (Michael Fassbender) genannt, kann sich diesen Ring nur leisten, weil er in ein dubioses Drogengeschäft investiert, das seine Zukunft mehr als sichern soll. Als die Lieferung verschwindet müssen der Counselor und seine Partner (Brad Pitt & Javier Bardem) am eigenen Leib erfahren, dass die Drogenmafia nichts von Zufällen hält.

Ridley Scott siedelt seinen Film nicht zufällig im Grenzgebiet zwischen Mexiko und den Staaten an, gilt dieser Ort im Film doch seit jeher als ein Niemandsland, in welchem Gesetze und Moral eine untergeordnete Rolle spielen. Ein düsterer Film, dessen Dreh für Ridley Scott von einem harten Schicksalsschlag überschattet wurde. Zu Beginn der Dreharbeiten nahm sich Tony Scott, Ridleys jüngerer Bruder, das Leben. Auch er wurde als Regisseur von Actionfilmen wie Staatsfeind Nr. 1, Déjà Vu und Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 weltbekannt. Ridley Scott widmete sein neuestes Werk The Counselor seinem Bruder Tony und seinem Regieassistenten Matthew Baker, der ebenfalls während des Drehs verstarb.

 

The Counselor, GB/US 2013, 117 Min.

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: Cormac McCarthy

Mit: Javier Bardem, Cameron Diaz, Penélope Cruz, Michael Fassbender, Brad Pitt

 

 

 

© Copyright: 20th Century Fox

 

 

Vom Film zum Politikum: JFK

von Selina Juliana Sauskojus 

Vor fünfzig Jahren, am 22. November 1963, verübten bis heute Unbekannte einen Anschlag auf den amtierenden Präsidenten John F. Kennedy. 28 Jahre später versuchte der Regisseur Oliver Stone die Ereignisse rund um das Attentat auf der Leinwand aufleben zu lassen – und löste mit JFK einen Aufruhr in den Vereinigten Staaten aus.

Tatort: Dallas

Gegen 12.30 biegt der Lincoln, in dem John F. Kennedy mit seiner Frau Jackie und dem texanischen Gouverneur Connally und dessen Frau sitzt, in die Elm Street am Dealey Plaza ein. Das Präsidentenpaar winkt gutgelaunt in die Menge. Plötzlich fallen Schüsse. Der Präsident wird am Hals getroffen. Dann der zweite – er geht daneben. Der dritte – der tödliche Schuss. Er trifft den Präsidenten am Kopf, verletzt ebenfalls den Gouverneur. Um 12.34 Uhr folgte die erste Meldung der Medien: „Drei Schüsse wurden auf Präsident Kennedys Autokolonne in der Innenstadt von Dallas abgegeben.“ Diese Meldung lähmt das gesamte Land. Um 13 Uhr wird Kennedy für tot erklärt.

Ein Täter ist schnell gefunden. Lee Harvey Oswald, ein Marxist mit Verbindungen nach Russland und Kuba, soll Einzeltäter gewesen sein. Zwei Tage nach dessen Festnahme wird Oswald von Jack Ruby, einem Nachtclubbesitzer, bei der Überführung ins Staatsgefängnis von Dallas erschossen. Nach dem Attentat bewegte die Welt vor allem eine Frage: Wer war der Täter? Oder auch vielleicht sogar die Täter? Eine Woche nach der Ermordung wurde Warren-Kommission einberufen. Sie sollte die Täterfrage klären. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass es sich um einen Täter, Lee Harvey Oswald, gehandelt habe, der drei Schüsse abgefeuert haben soll. Damit war der Fall vorerst erledigt. Bis Jim Garrison, der Staatsanwalt von New Orleans, sich erneut mit der Angelegenheit befasste. Stutzig machte ihn vor allem die „Magic Bullet“, der letzte Schuss, der angeblich sieben Verletzungen beim Präsident und dem Gouverneur verursacht haben soll. In seinen Ermittlungen kam er zu dem Ergebnis, dass CIA und FBI die Hände mit im Spiel gehabt haben sollen. Im März 1967 klagte er den Geschäftsmann Clay Shaw wegen Teilnahme an der Verschwörung zur Ermordung des Präsidenten an. Im Prozess 1969 wurde dieser allerdings von der Jury freigesprochen. Damit wurde der Fall Kennedy zu den Akten gelegt – Zweifel an den Ergebnissen der Warren-Kommission blieben aber weiterhin bestehen.

Oliver Stone – Regisseur oder politischer Aktivist?

Aktualität erlangte der Fall erst wieder im Jahr 1991, als Oliver Stone die Geschehnisse der sechziger Jahre in seinem Film JFK wieder in das kollektive Gedächtnis der Amerikaner rief. Dreh- und Angelpunkt des Films ist Jim Garrison, gespielt von Kevin Costner. Stone stellte die Ereignisse rund um dessen Ermittlungen nach und folgte dessen These, dass es sich keinesfalls um einen Einzeltäter hätte handeln können, sondern um eine Verschwörung in den höchsten Institutionen der USA.
Oliver Stone ist bekannt dafür, Filme zu machen, die sich mit den großen politischen und sozialen Fragen der Staaten befassen: 1986 bannte er mit Platoon das Grauen des Vietnamkrieges auf die Leinwand, in Wall Street legte er die Machenschaften der Börsenhaie offen, in Nixon und W. befasste er sich mit der Watergate-Affäre und dem Leben des umstrittenen Präsidenten George W. Bush. Dennoch bezeichnet sich Stone selbst nicht als politischen Aktivisten, sondern als Regisseur, der Geschichten erzählt und sein großes Vorbild in Jean-Luc Godard sieht. Schon vor Veröffentlichung sorgte der Film für Furore, als die erste Version des Drehbuchs gestohlen und großen amerikanischen Zeitungen wie dem Chicago Tribune, der Washington Post und dem Times Magazine zugespielt wurde. Diese warfen Stone vor Fakt und Fiktion durcheinanderzubringen und zerrissen das Werk bevor es in die Kinosäle kam. Auch der damalige Präsident George Bush positionierte sich klar gegen den Film und versuchte sogar die Veröffentlichung zu stoppen. Stone konterte indem er den Entwurf des Drehbuchs mit Quellenangaben versah und in die Öffentlichkeit brachte. Der große Aufschrei erfolgte dann aber nach Veröffentlichung des Films. Die Darlegung einer theoretischen Unmöglichkeit eines Einzeltäters löste einen Aufruhr im amerikanischen Volk aus.
28 Jahre nach der Ermordung war noch immer keine befriedigende Lösung des Falles präsentiert worden. Die Tatsache, dass ein Großteil der Akten zum Attentat und zu Lee Harvey Oswald immer noch unter Verschluss waren, stieß den Bürgern sauer auf. Ein wichtiges Beweisstück, das Jim Garrison in der Verhandlung anführte, war der Zapruder-Film, der Film eines Amateur-Kameramannes, der ein völlig neues Licht auf den Fall warf: Dieser belegte ganz klar, dass es nicht nur einen Schützen gegeben haben konnte, weil die Schüsse von mehreren Seiten kamen. Die Audiospur bewies ebenfalls, dass es mehr als drei Schüsse gab. Dieser Film wurde erst 1975 öffentlich gemacht. Eine wichtige Rolle spielten für den Film auch Zeugenaussagen, die von der Warren-Kommission ignoriert worden waren: Jene Zeugen sagten aus, dass sie die Schüsse nicht nur gehört, sondern ebenso einen zweiten Schützen gesehen hatten. Die größte Rolle spielte allerdings Lee Harvey Oswald, dargestellt von Gary Oldman, und dessen Verbindung zur CIA. Die Öffentlichkeit war bis 1991 weitestgehend davon ausgegangen, dass der angeblich bekennende Marxist alleine gehandelt habe. Doch Oliver Stone zeigt eine andere Version der Geschichte, in der Oswald ein CIA-Mann war, der zum Sündenbock gemacht werden sollte.

Conventions und Kommissionen

All die Fragen, die der Film aufwarf, konnten in der Realität nicht beantwortet werden. Die Geheimhaltungspolitik der amerikanischen Institutionen machten eine Recherche mit Originalmaterial unmöglich. Unmittelbar nach Veröffentlichung des Films rollte eine Lawine von Literatur zu dem Thema über die USA hinweg: Bücher, in denen die Ereignisse dargestellt wurden, Bücher, die sich mit der Warren-Kommission und der Causa Shaw beschäftigten, Bücher, die eine Verschwörungstheorie nach der anderen in die Welt setzten. Amerika war gespalten in zwei Lager. Auf der einen Seite standen die Institution CIA, FBI, Secret Service, die Regierung und jene, die deren Version der Dinge für die Realität hielten. Auf der anderen Seite unabhängige Analysten, skeptische Bürger und eine nicht geringe Anzahl an freien Medien, die sich nicht zufrieden geben wollten mit dem Argument, dass die Akten aus Gründen des Heimatschutzes unter Verschluss bleiben sollten. Plötzlich tummelten sich auf dem Dealey Plaza Gruppen aus hunderten von Menschen aus aller Herren Länder, die sogenannte „Conspiracy Conventions“ abhielten und eigenständig versuchten, den Fall zu lösen. Mittlerweile waren 73% der Amerikaner der Überzeugung, dass die Regierung sie für dumm verkaufte und sie forderten die Veröffentlichung sämtlicher Akten. Internationale Tragweite erlebten die Auswirkungen der Veröffentlichung von JFK als die russische Regierung sämtliche KGB-Akten Lee Harvey Oswald betreffend öffentlich machte. Die CIA weigerte sich nach wie vor standhaft ihr Material offenzulegen. Doch die Regierung konnte sich dem öffentlichen Druck nicht länger entziehen und sah sich gezwungen zu handeln:

Am 26. Oktober 1992 trat der „President John F. Kennedy Assassination Records Collection Act of 1992“ in Kraft. Eine unabhängige Kommission, genannt das „Assassination Records Review Board“ wurde dazu angehalten, sämtliche Beweise zum Attentat zu sammeln und Zeugen zu befragen. Eine These zum Täter sollte allerdings nicht geliefert werden. Bis 1998, als die Kommission ihre Arbeit beendet hatte, wurde der gesamte Warren-Report (bis auf wenige Ausnahmen) in nationalen Archiven für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bis heute allerdings sind schätzungsweise weitere 50.000 Dokumente unter Verschluss, darunter die von Akten von FBI und CIA zu Lee Harvey Oswald.

Das Rätseln geht weiter

Dass sein Film einen solchen erheblichen Beitrag zur Meinungsbildung im amerikanischen Volk leisten würde, konnte Oliver Stone bis zur Veröffentlichung höchstens hoffen. Doch die Wunden, die das Attentat dem Volk zugefügt hatte und die dubiosen Umstände der Tat, konnten in 28 Jahren nicht verheilen. Bis heute ist der Mord an John F. Kennedy eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte der USA. Und immer noch umgibt der ganze Fall eine Aura des Mysteriösen, was ihn auch noch für nachfolgende Generationen spannend machen wird. Wirklich neue Erkenntnisse konnten nach der Veröffentlichung von JFK nicht gemacht werden. Es ranken sich immer noch diverse Verschwörungstheorien um den 22. November 1963, eine Involvierung der Mafia etwa oder gar eine Beteiligung von Fidel Castro an dem Verbrechen. Nichtsdestotrotz ist JFK der Beweis dafür, dass das Medium Film eine unglaubliche Schlagkraft entwickeln kann. Bei Veröffentlichung des Werkes sagte Oliver Stone, er habe eine Geschichte erzählen wollen. Er wolle, dass die Menschen im Jahr 1991 das fühlten, was ihre Eltern und Großeltern 1963 gefühlt hatten. Am Ende war es ihm zu verdanken, dass das amerikanische Volk im Jahre 1991 so handelte, wie es vielleicht schon 1963 hätte handeln sollen.

 

Bilder: 20th Century Fox

Podcast: Blancanieves

von Lena Bühler

Der Podcast:

Beitrag Nr. 3 fertig

 

Der Film:  Es war einmal der Stummfilm? Wenn Märchen wahr werden

Bis zur Oscarverleihung 2012 hatten wohl die Meisten den schwarz/weiß Stummfilm als Relikt einer lange vergangenen Zeit abgetan. Umso größer war also die Überraschung über den Erfolg von The Artist, mit dem der Stummfilm ein kleines Comeback feierte und sich wieder zurück in unser Bewusstsein katapultierte. Davon profitieren vor allem kleinere Produktionen mit geringerem Budget, wie eben der spanische Stummfilm Blancanieves von Pablo Berger.

Obwohl der Titel genau das vermuten lässt, ist Blancanieves nicht wirklich eine Adaption des Märchenklassikers Schneewittchen. Es gibt keine Prinzen und Königreiche, keine sieben Berge und sprechende Spiegel. Stattdessen gibt es Flamenco, Stierkampf und einen frechen Hahn. Pablo Berger selbst sagte, er habe seine ganz eigene Version von Schneewittchen erzählen wollen und nutzt dafür auch Elemente der berühmten Oper Carmen. Zum Beispiel leiht er sich von ihr den Namen für seine Protagonistin. Und so entfaltet sich vor der malerischen Kulisse Sevillas der 20er Jahre eine Geschichte voller Poesie, die ganz ohne Farben und Worte verzaubert.

Wem übrigens die Idee von spanischen schwarz/weiß Filmen gefällt, kann vom 20. Bis zum 27. November neben Blancanieves auch Das Mädchen und der Künstler von Oscarpreisträger Fernando Trueba  im Tübinger Kino Museum sehen. Beide Filme laufen im Rahmen des Filmfestivals FrauenWelten, das sich nun zum 13. Mal jährt. Mittlerweile eine feste Institution in der Tübinger Festivallandschaft, werden auch dieses Jahr wieder humorvolle, berührende und außergewöhnliche Geschichten von außergewöhnlichen Menschen erzählt.

 

Blancanieves, Spanien  2012, 109 Min.

Regie & Drehbuch: Pablo Berger

Mit: Maribel Verdú, Daniel Giménez Cacho, Ángela Molina, Macarena Garcia, Sofia Oria

 

 

 

 

Copyright: AV Vision Filmverleih

 

Generation YouPorn vs. Reality: Don Jon

von Selina Juliana Sauskojus

Macho Jon Martello bekommt jede Frau ins Bett, die er haben will. Doch zur wirklichen Ekstase bringt ihn nur eines: Internet-Pornos. Mit seinem erfrischenden Regiedebüt Don Jon gewährt Joseph Gordon-Levitt Einblick in eine Generation, die trotz mediengeprägter Erwartungen nur eines will: menschliche Nähe.

Meet Don Jon

„Mein Körper, meine Bude, meine Karre, meine Familie, meine Kirche, meine Jungs, meine Mädels und meine Pornos.“ Mehr braucht Jon Martello (Joseph Gordon-Levitt) nicht, mehr würde vor allem nicht in sein wunderbar strukturiertes Leben passen. Neben der pingeligen Instandhaltung von Wohnung und Auto verbringt dieser seine Zeit nämlich am liebsten damit, abends im Club eine „Zehn“ nach der anderen abzuschleppen. Nur um immer wieder festzustellen, dass der Sex, den er da bekommt, absolut nicht befriedigend ist. Doch Don Jon, wie ihn seine Freunde in Anlehnung an Don Juan nennen, weiß sich zu helfen: Pornos. Sobald der One-Night-Stand im Nebenzimmer zufrieden schlummert und sein Laptop das typische Hochfahr-Geräusch von sich gibt, beginnt für ihn die wahre sexuelle Erfüllung. Welche normale Frau kann schon mit einem Pornostar erster Güte mithalten?

An einem seiner Clubabende lernt Jon Barbara Sugarman (großartig: Scarlett Johansson) kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch diesmal hat es der Eroberer schwerer als zuvor. Denn Barbara liebt Schnulzen und ginge es nach ihr, sollte ihr Liebesleben genauso aussehen, wie in den stereotypen RomComs dieser Welt.

Sasha Grey vs. Jane Austen

Joseph Gordon-Levitt schwebte vor allem ein moderner Liebesfilm vor, als er sich an das Schreiben des Drehbuchs setzte.Unterm Strich ist Don Jon mehr als das. Gordon-Levitt karikiert Männer und Frauen, die geprägt sind von Gender-Modellen, wie sie in den heutigen Medien präsentiert werden. Für Jon ist die Frau von heute vor allem heiß, gut im Bett und absolut austauschbar. Barbara allerdings träumt von einem gebildeten Mann, der im Haushalt keinen Finger krümmt und vor allem eines nicht darf: Pornos gucken. Dass diese beiden Welten kollidieren müssen, ist von Anfang an vorprogrammiert.

In Deutschland gingen in diesem Jahr 12,5% aller Klicks auf Seiten mit pornografischem Angebot. Damit steht Deutschland weltweit auf Platz 1. Pornos gehören zur Lebenswelt in Europa und in den USA sowie es Bücher von Jane Austen, Filme von Woody Allen und Musik von Taylor Swift tun. Und alle haben eines gemeinsam: sie verändern unser Bild von der Realität, beziehungsweise sie verändern unsere Erwartungen an reale Beziehungen. Der einzige Unterschied ist, dass dem Konsum von Pornos immer noch etwas Anrüchiges anhaftet. So anrüchig, dass selbst Jon bereitwillig die vom Pfarrer auferlegten Ave Marias und Vater Unsers beim Trainieren im Fitnessstudio runterrattert. Dass diese gesellschaftliche Wertung an sich aber paradox ist, zeigt der Film sehr gut auf und das ohne selbst eine Wertung der Charaktere vorzunehmen. Möglicherweise schafft er es sogar zum Verständnis zwischen den Geschlechtern beizutragen. Die Rolle als Vermittlerin füllt Julianna Moore als Esther, Jons Mitschülerin, aus. Durch sie realisiert er, dass der Versuch eine alltagstaugliche Pornomieze im Club nebenan zu finden, zum Scheitern verurteilt ist. Dass diese Erkenntnis im Gesamtkonzept des Filmes etwas zu moralisch daherkommt, ist zu verschmerzen.

Fazit

Don Jon ist zwar eine Low Budget-Produktion, doch sie ist für Hollywood gemacht. Dennoch unterscheidet sie sich komplett von den Vorgängern ihres Genres. Es ist Gordon-Levitt gelungen, eine sehr ehrliche Version des Liebesfilms auf die Leinwand zu zaubern. Eine, die einen eher zum Hinterfragen als zum Träumen bringt. Und das schafft er mit einer Leichtigkeit und einem erfrischenden Selbstbewußtsein, wie man es in letzter Zeit selten im Kino erleben durfte. Zuträglich ist dem Ganzen auch der Look des Films. Mit einem raffinierten Einsatz von Schnitt und Kamera ähnelt Don Jon in manchen Sequenzen eher einem Musikvideo als einem Leinwandfilm. Das ist nicht unbedingt neu, macht aber Spaß und schafft es mehr als davon zu überzeugen, dass Joseph Gordon-Levitt nicht nur einer der besten Schauspieler seiner Generation ist, sondern durchaus auch das Zeug dazu hat, einer der besten Regisseure zu werden.

 

Szenebilder: Ascot Elite PresseService

 

Podcast: Review – „Die Monster Uni“ & „Only God forgives“

von Lena Bühler

Der Podcast:

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Die Filme:

 

Die Monster Uni

Astronaut, Polizist oder doch lieber Lehrer? Wer kennt sie nicht, die klassische Antwort auf die „Und wenn du mal groß bist?“ – Frage. Kleinen Monstern geht es ganz ähnlich, nur steht „Schrecker“ auf der Liste der prestigeträchtigen Berufe ganz weit oben. So auch bei Sully und Mike, die in Die Monster Uni auf die Leinwand zurückkehren um von ihrem harten Schreckologie-Studium zu erzählen und davon, wie sie Freunde wurden. Statt Peter Docter führte im Prequel zur Monster AG Dan Scanlon Regie, den man bei Disney/Pixar bereits aus Cars kannte. Ein zweiter Monster-Film war zwar schon seit 2005 geplant, allerdings gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen Steve Jobs († 2011), damals Geschäftsführer von Pixar und Michael Eisner, Geschäftsführer von Disney. Das damalige Drehbuch sah eine Fortsetzung vor, in welcher Sully und Mike der kleinen Boo ein Geburtstagsgeschenk machen wollen. Als sie merken, dass sie umgezogen ist, machen sie sich in der Menschenwelt auf die Suche nach ihr. Umgesetzt wurde das Drehbuch allerdings nie.

Die Monster Uni, USA 2013, 104 Min.

Regie: Dan Scanlon

Drehbuch: Dan Scanlon, Daniel Gerson, Robert L. Baird

Synchronstimmen: Reinhard Brock, Ilja Richter, Kerstin Sanders-Dornseif

 

Only God forgives

Wer bereits 2011 von Drive begeistert war wird sich freuen, dass mit Only God forgives ein weiteres Werk von Nicolas Wending Refn mit Ryan Gosling entstand, das ab der kommenden Woche auf DVD und Blu-Ray erhältlich ist. In dem abgründigen Thriller will Drogenhändler Julian seinen Bruder Billy rächen, der wegen Vergewaltigung und Mord umgebracht wurde. Doch der Plan entwickelt sich zu einer unaufhaltsamen Gewaltspirale, die eine blutige Spur in Thailands Hauptstadt Bangkok hinterlässt. Kameramann Larry Smith arbeitete bereits mit Stanley Kubrick in Eyes Wide Shut, Kubricks Interpretation von Arthur Schnitzlers Traumnovelle.

Only God Forgives, Dänemark, Frankreich, Thailand, 2013, 90 Min.

Regie & Drehbuch: Nicolas Wending Refn

Mit: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Vithaya Pansringarm, Yayaying Rhatha Phongam