Ein Mann mit kleinen Träumen

von Sanja Döttling

Am Montagabend war Pierre M. Krause im Ribingurumu zu Gast. Seit Jahren senkt der Moderator das Zuschaueralter des SWR gefährlich. Bekannt ist er vor allem durch SWR3 latenight, aber auch durch Serienkonzepte wie In Deutschland um die Welt oder TV Helden. Querfeldein hat den Moderator interviewt.

Es ist acht Uhr abends. Das Wohnzimmer ist voll, die Kneipe in ein kleines Theater umgewandelt. Moderator Max Scherer von Querfeldein und Interviewgast Pierre M. Krause sitzen in alten, abgenutzten Sesseln, ein verblasster Teppich liegt zwischen ihnen und an den Wänden hängen Bilder aus Omis Wohnzimmer. Nur die große, professionelle Leinwand für Einspieler bricht das Bild. Die Atmosphäre ist gelassen, und Pierre macht deutlich, dass er ein Medienmensch zum Anfassen ist, wirft gleich am Anfang die Jacke ins Publikum (und nimmt sie dann doch lieber zu sich).

 

Pierre kann immer noch kein Französisch

Pierre M. Krauses Karriere fing seltsam an: Der ehemalige Bankkaufmann wurde Student, doch das war nicht so das Wahre: „Ich hab Sprachen studiert, unter anderem auch Französisch. Dann habe ich gemerkt, dass ich das schon sprechen sollte.“ Stattdessen drehte er Kurzfilme, und die Preise häuften sich: Der Ehrenpreis der Stadt Straubingen, aber auch zwei Preise aus Japan, für einen Film über das Licht im Kühlschrank, und Russland. Der Gewinn? „So eine kleine Gipsstatue von irgend einem russischen Zaren. Sowas willst du als 19-jähriger Filmemacher unbedingt haben“, sagt Pierre, immer ironisch. Dass die Vergeber der „internationalen“ Preise seine Filme verstanden haben, bezweifelt er stark.

Eine Initativ-Bewerbung brachte ihn dann zum SWR, zu DasDingTV. Dort hatte der junge Pierre M. Krause die Möglichkeit, eine Sendung von Anfang an zu konzepieren und umzusetzen. Die Sendung lief Samstag morgens um neun Uhr. Pierre sagt, und vielleicht steckt hinter dem ironischen Ton ein Funken Wahrheit: „Man hat uns da machen lassen, weil man wusste, dass das ausserhalb des messbaren Bereichs ist.“ Vor allem aber hat der SWR ihm die Möglichkeit gegeben, ohne viele Vorgaben seinen eigenen Stil zu entwickeln.

Pierre nimmt Sachen leicht, oft sich selbst nicht ganz ernst. Seine Preise, auch den Fernsehpreis, den er 2009 bekommen hat, tut er ab, will fast nicht darüber reden. Er verschwindet hinter seinen Witzen und Pointen, seiner Show-Persönlichkeit.

 

Premiumprodukt des SWR

Seit 2005 ist Pierre M. Krause Moderator der Sendung SWR3 latenight, gut und sicher im Samstagnacht-Programm des Senders versteckt. „Ich war schon immer das Premiumprodukt des SWR“, sagt er ironisch. Da finden ihn junge Leute auch nur, wenn sie besoffen aus dem Club geschmissen werden. Was anscheinend oft genug vorkommt: „Wir haben das Durchschnittsalter der Zuschauer bei unserer Sendung von 61 auf 47 gesenkt. Das ist für das SWR schon fast pränatal.“

Seine Kurzfilme der Latenight-Show sind oft Parodien auf die Medien selbst: Der Mann, der an Overvoice und Untertiteln erkrankt ist. CSI Baden Baden, das amerikanische Einheitsbrei-Krimis auf die Schippe genommen hat. Ein Video, in dem er drei Stunden durch Baden-Baden geht und ihn niemand anspricht. Selbtironie und Parodien, Aussage: die Medien soll man besser nicht ernst nehmen.

Alle zwei Wochen werden zwei neue Folgen gedreht. Der Druck, neue Witze, Pointen und Filme zu entwickeln, ist groß. Wenn er keine Ideen hat, redet er einfach fünf Minuten länger mit dem Gast. „Ich würde lieber drei perfekte Sendungen im Jahr machen als 30“, gibt er zu. Er schreibt, dreht und schneidet zum großen Teil selbst. „Ja“, sagt er, „das ist traurig.“ Er meint es nicht so: Pierre scheint die Freiheit zu mögen, die ihm der nicht ganz optimale Sendeplatz lässt, seine ganz eigene Narrenfreiheit.

Manchmal verliert er sich selbst im seinen Witzen: „Was war denn die Frage?“ Er konzentriert sich auf das, war er so gerne tut: unterhalten. Nicht immer auf hohem Niveau, aber die Lacher hat er.

 

Witze mit Nerds

„Ich war zweimal auf einer Esoterikmesse, das war das eine Mal davon. Oder das andere?“ Pierre erzählt Ankedoten aus seinem Leben als Medienmacher. Zum Beispiel von seinem kleinen unteren Chakra, das fotografiert wurde. Von den Agentenmikrofonen, die er anscheinend dabei hatte. „Seitdem darf man dort nicht mehr drehen.“

Auf der CeBIT hat Pierre Computernerds veräppelt. „Ist deine Freundin auch hier?“ fragt er den Computer-Interessierten, und der antwortet: „Ich habe gar keine.“ Noch witzig, auf Kosten anderer? Pierre glaubt, auch der junge Mann fand das lustig.  Darf man andere nicht ernst nehmen, nur weil man sich selbst nicht ganz ernst nimmt? Pierre kommt kurz in Verlegenheit. „Es geht ja nicht um eine Person, sondern um die ganze Messe“, sagt er.

„Wo es immer Ärger gibt, ist, wenn es um Tiere geht“, sagte Pierre und zieht die Debatte wieder in den ungefährlichen Bereich. Verklagt wurde er noch nie: „Nur fast.“

 

Stand-Up im Sitzen

Pierre M. Krause ist ein Energiebündel auf der Bühne, schafft er es, dem Moderator und sich selbst, die Worte im Mund umzudrehen, immer auf der Suche nach der nächsten Pointe. Dabei ist es ihm egal, wenn diese mal daneben gehen: Es ist der Versuch, der zählt. Pierre ist ein Entertainer durch und durch. Die Kekse des Sponsors, Rauchen im gelben Vierecken, das Publikum als zeitweise Kleiderständer: Aus allem macht er eine Show.

Moderator Max Scherer will Stand-Up lernen. Pierre erklärt: „Zuerst musst du die Nachricht erklären. Also: Die CSU will, dass Menschen mit Migrationshintergrund Deutsch lernen müssen. Dann lässt du deine Autoren Witze dazu schreiben: Dass sie selbst kein Deutsch können, wäre zu offensichtlich, also sagst du: Wenn die Bayern ihnen Deutsch beibringen, dann ist das so, als würde Bushido Emanzipation erklären. Übertreibung ist das Stichwort. Und wenn gar nichts mehr geht, dann endest du auf Lothar Matthäus oder Rainer Kalmund.“

Moderator Max darf seine Pointen aber gar nicht beenden, Pierre unterbricht ihn und meint: „Du bist vielleicht eher der Journalistentyp“, und fügt eine Sekunde zu spät hinzu: „Was ein Kompliment ist.“ Max nimmt es gelassen.

 

Pierre und das Land

Pierre kann sich dem journalistischen Anspruch selbst nicht ganz verwehren. In der Serie In Deutschland um die Welt besucht er Menschen aus aller Welt, in Deutschland.  Er beschreibt: „Das ist ein bisschen lustig, aber auch journalistisch.“

Pierre selbst ist nie richtig aus Baden weggekommen. Er kommt aus Karlsruhe. Nach dem Studium in Köln verschlug es ihn zum SWR Baden-Baden. Er sagt: „Ich hatte ja keine Ahnung, was es bedeutet, nach Baden-Baden zu ziehen.“ Reiche Russen und Grablichter, so könnte man die Stadt nach Pierre zusammenfassen – natürlich wieder ein Witz. „Das bietet sich als Grundlage für den einen oder anderen Scherz an“, sagt Pierre, „aber leider haben die Baden-Badener keine Selbstironie.“

Vielleicht zog es ihn deshalb aufs Land hinaus. Sein Buch „Hier kann man gut sitzen. Geschichten aus dem Schwarzwald“ erzählt von dem ruhigen, beschaulichen Leben auf dem Land irgendwo hinter Baden-Baden. Vielleicht autobiographisch, sicherlich sehr kurzweilig: Sein lässiger Witz erhält sich auch in seinem Roman.

Ach ja, übers Privatleben wurde auch geredet und wir wissen jetzt: Er hat eine Katze.

 

Fast eine Karriere

„Bist du noch ein Hoffnungsträger, oder langsam zu alt dafür?“, fragt Max. Was er eigentlich fragt, ist, wie es um Pierres Karriere steht. 2009 erhielt er den Deutschen Fernsehpreis für die Serie TV Helden (Eine Sendung, die nach zwei Folgen abgesetzt wurde). Danach arbeitete er für die Harald-Schmitd-Show, dem Urgestein deutscher Latenight-Unterhaltung. Nebenher lief seine eigene Latenight-Show. Im Moment entwickelt er neue Konzepte, doch bis jetzt gibt es keine festen Zusagen. Ein Karriereknick? Pierre sagt: „Ist mir egal. Ich habe gar nicht den Ehrgeiz. Ich will machen, was mir Spaß macht, was ich für richtig halte in dem Moment. Ich nehme mir auch heraus, ganz viel nicht zu machen, wenn ich nicht will.“ Kein Karrieremensch ist er also – eine seltene Spezies, im hart umkämpften Medienbetrieb.

„Ich lebe im ganz Kleinen und spiele einen Traum“, sagt Pierre, „Ich kann machen, worauf ich Bock habe, ohne groß kontrolliert zu werden. Ich kann zum Beispiel einfach nach Tübingen fahren, weil ich Lust dazu habe. Auch wenn im Fernsehen vieles nervig ist, kannst du mit guten Leuten Quatsch machen. Du wirst für die Dinge bezahlt, für die du in der Schule vor die Tür geschickt wurdest.“

Vielleicht ist das sein großes Geheimnis: Pierre bleibt anfassbar. Ein großer Entertainer, keine Frage, der aber nicht nach Größerem strebt. Vielleicht sind seine Pointen deshalb so gut: Sie tun nicht weh, bleiben bei sich, streben nicht nach mehr als einem gut unterhaltenen Publikum.

 

Florentin Will kommt zur nächsten Veranstaltung von querfeldein am 12.01.2014. Karten sind wie immer kostenlos, und am Donnerstag davor ab 20 Uhr im Riminguburu zu bekommen.

Fotos: querfeldein, Sanja Döttling

Letzte Reise nach Mittelerde

von Marius Lang und Andrea Kroner

 

Ein letztes Mal zurück nach Mittelerde. Vor fast zwei Jahrzehnten begann die erste Trilogie. Sechs Filme, also gut 20 Stunden Laufzeit später, ist auch das letzte Kapitel von Peter Jacksons epischer Adaption von J. R. R. Tolkiens Werken abgeschlossen. Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere hebt sich dabei stark von seinen beiden Vorgängern ab. Zum einen ist er, mit 144 Minuten Laufzeit, der kürzeste Film der Hobbit-Trilogie. Er ist jedoch auch der spannendste, düsterste, actionreichste und befriedigendste Film der Trilogie. Und dazu ein Film, der gekonnt den Bogen zum Herrn der Ringe spannt und Bilbo Beutlins Reise bezahlt macht.

 

Ein Höhepunkt jagt den nächsten

Seestadt, letzte Menschen-Enklave zu Füßen des Einsamen Berges: Die Stadt ist in Aufruhr, denn Drache Smaug wurde von den Zwergen (und dem Hobbit) geweckt und erzürnt. Seine feurige Wut will dieser nun an den Menschen von Seestadt auslassen. Feuer, Tod und Zerstörung prägen die ersten Minuten des Filmes. Peter Jacksons Entscheidung, den Angriff des Drachens an den Anfang des Filmes zu setzen, macht sich bezahlt. So stark ist der Auftakt, dass man sich fast fragt, was denn noch kommen wird. Hat Jackson etwa sein Pulver schon verschossen?

Nein, natürlich nicht. Denn wenn Peter Jackson in den vorherigen Filmen etwas beweisen konnte, dann dass er weiß, wie man große Kämpfe und Heldenmut in größter Not in Szene setzt. Der weitere Verlauf des Films baut mehrere Krisen auf, die eine Spannung bilden, welche sich in der titelgebenden Schlacht der fünf Heere schließlich entlädt. Saurons kehrt nach Mittelerde zurück und beginnt den strategischen Aufbau seines geplanten Krieges gegen die freien Völker. Thorins (Richard Armitage) Wahnsinn, der sein Königreich und sein Gold von allen bedroht sieht, steigert sich, ebenso die Verzweiflung der Menschen von Seestadt, angeführt von Bard (Luke Evans). Ausserdem wird die Spannung zwischen den Zwergen und den Waldelfen von Thranduil (Lee Pace) unerträglich: beide wollen den Schatz des Drachens.

Und der Hobbit Bilbo (Martin Freeman) steht zwischen den Fronten, zerrissen von seiner Loyalität zu Thorin und den Zwergen und dem Wunsch, Thorin vor sich selbst zu retten. Es passiert eine Menge im dritten Teil der Reihe, doch kurioserweise wirkt der Film nicht zu dicht. Jede Wendung wird entsprechend aufgebaut. Jeder Charakter passt in die Handlung. Der ernstere, düstere Ton des Films, der sich so stark von den eher fröhlichen, optimistischen Vorgängern unterscheidet, steht dem Finale gut. Die düstere Stimmung ist außerdem eine Vorausdeutung auf das dunkle Zeitalter, das mit dem Herrn der Ringe über Mittelerde hereinbrechen wird.

 

Lästern auf hohem Niveau

Wenn es kleine Kritikpunkte gibt, dann wohl in dem zeitlichen Management der finalen Schlacht. Hier passiert so vieles, zu gleichen Zeiten, dass man sich manchmal fragt, woher die Protagonisten die Zeit nehmen, lang miteinander zu diskutieren. Eine Frage, die man sich auch schon bei Herr der Ringe stellen musste. Auch der Liebessubplot zwischen Elbe Tauriel (Evangeline Lilly) und Zwerg Kili (Aidan Turner) mag Puristen hinsichtlich deren Abwesenheit in der Buchvorlage stören, doch schadet er dem Film nicht. Er führt allerdings auch nicht zu sonderlich viel.

Diese Kleinigkeiten sind jedoch weit ausgeglichen in den vielen Höhepunkten des Filmes. Das fantastische Spiel der drei Hauptdarsteller trägt den Film. Martin Freeman, der den Wandel des schüchternen, alteingesessenen Hobbits zu einem wahren Held auf den Punkt bringt. Armitage, der Thorins Wahnsinn und Paranoia perfekt verkörpert und auch die letzten Schritte des Zwergenkönigs glaubhaft vermittelt. Und natürlich Ian McKellen als Gandalf, im Buch nur Stand-In für das wiederkehrende Deus Ex Machina-Prinzip ist gewohnt punktgenau, eine Mischung aus weisem Zauberer, besorgtem Freund und tapferem Helden.

 

Modernste Technik, so weit das Auge reicht

Natürlich ist es vollkommen unmöglich, eine Welt wie Mittelerde ohne die neuesten Animationstechniken auf die Kinoleinwand zu bringen. Erst dadurch kann dieser Film sein komplettes Wirkungspotenzial entfalten: Der Drache zu Beginn des Films verdankt seinen spektakulären Auftritt aufwändigen Animationen, von denen auch die Schlacht der fünf Heere profitiert, da sie dadurch an Plastizität und Dynamik gewinnt. Doch Jackson geht dabei fast eine Spur zu weit, da an manchen Stellen zu viele verschiedene Spezialeffekte verwendet werden. Das macht den Film überladen, manchmal unrealistisch für manche. Es zeigt aber auch, welche fantastischen Bilder moderne Filmtechnik erzeugen kann. Die technischen Möglichkeiten werden auf höchstem Niveau eingearbeitet und setzen dadurch ganz neue Maßstäbe.

 

Ein zweischneidiges Schwert

Auch beim letzten Teil der Hobbit-Trilogie gehen die Meinungen auseinander: Viele bemängeln, Peter Jackson hätte die Handlung des Buches zu sehr ausgeschlachtet und für jüngere Zuschauer sei die Verfilmung des eigentlichen Kinderbuches gar nicht mehr geeignet denn der ursprüngliche Stoff wurde enorm erweitert und verändert. Die Charaktere wurden ausgebaut, die Schlacht ausgebaut, der Stoff um politische Dimensionen erweitert. Und dennoch ist Der Hobbit kein reiner Film für Erwachsene. Er ist im Vergleich zum Herrn der Ringe deutlich unblutiger, weniger düster, weniger hoffnungslos. Vor allem die ersten beiden Teile bestechen durch Slapstick und harmlose Witze. Dieser letzte Teil ist, wie gesagt, dunkler in der Grundstimmung, schafft damit aber eine Brücke zu den anschließenden Herr-der-Ringe-Filmen. Mit denen kann und will sich die Hobbit-Trilogie nicht vergleichen. Letzten Endes ist die Trilogie eine bildgewaltige Buchverfilmung, die zu unterhalten versucht: und allen Reisenden und Suchenden die Möglichkeit gibt, einmal mehr nach Mittelerde zurückzukehren. Vielleicht zum letzten Mal.

 

THE HOBBIT – THE BATTLE OF THE FIVE ARMIES, Neuseeland, Vereinigtes Königreich, USA, 2014 – Regie: Peter Jackson. Buch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro. Kamera: Andrew Lesnie. Mit: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage. 144 Minuten.

Fotos. Copyright 2014 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. / Mark Pokony

 

Damals, als Kind…

von der Redaktion

Pumuckl – von Jasmin M. Gerst

Ob als Hörspiel oder im Fernsehen – von diesem rothaarigen Frechdachs konnte ich einfach nicht genug kriegen. Als Pumuckl in der Werkstatt am Leim vom Meister Eder kleben bleibt, verändert sich dessen Leben schlagartig. Der Junggeselle hat nun einen Kobold, der ihn jeden Tag aufs Neue ärgert. Die beiden gehen durch dick und dünn, bis hin zum großen Krach und der Versöhnung.

Dadurch, dass Pumuckl unsichtbar für andere Menschen ist, kam es einem immer so vor, dass wenn etwas fehlte, Pumuckl wieder am Werk gewesen war. Für mich ist und bleibt es meine Lieblingsserie, die ich sogar noch ab und zu heute schaue – denn was gibt es besseres wieder in die Kindheit hineinversetzt zu werden?

 

Tom und Jerry – von Andrea Kroner

Gleich wird Jerry von Toms Pranken zerquetscht – doch virtuos entkommt er wie immer dem sicheren Tod und haut dafür den Kater in die Pfanne. So oder ähnlich laufen die meisten Szenen bei den beiden Erzfeinden ab. Und trotz dieser einfachen Story schaffen sie es immer wieder, kleine und große Zuschauer zum Lachen zu bringen und von sich zu begeistern. Dabei kommen sie  erstaunlicherweise fast ohne Sprache aus, indem sie sich mit ausgeprägter Mimik und Gestik ausdrücken.

Besonders prägend an dieser Serie ist vor allem der Aspekt, dass sich die Beiden zwar immer gegenseitig ärgern, den anderen insgeheim aber doch irgendwie mögen und brauchen. Denn wenn es Jerry einmal doch geschafft hat, Tom aus dem Haus zu jagen, merkt er sehr schnell, wie langweilig es alleine ist und holt ihn zurück – und die Jagd geht wieder von vorne los.

 

Pippi Langstrumpf – von Elena Hodopp

Mit ihren roten abstehenden Zöpfen, ihren Sommersprossen und ihren bunten Socken kam sie daher. Unerschrocken, wild, stark und sich vor nichts fürchtend. Die Heldin meiner Kindheit konnte nichts ins wanken bringen. Die Villa Kunterbunt war der Ort meiner Träume. Ein Ort zum toben an dem einem keine Eltern Vorschriften machen, an dem man so lange wachbleiben darf wie man möchte und an dem man zu jeder Tages- und Nachtzeit Pfannkuchen machen durfte. Pippi Langstrumpf – wie gerne hätte ich dich mal persönlich getroffen.

 

Wickie und die starken Männer – von Laura Meis

Flacke, ein Wikingerdorf irgendwo im Norden, ein kleiner Junge kratzt sich an der Nase, kratzt sich unter der Nase, euphorischer Fingerschnipser und- „ Ich hab’s!“. Wer da keinen Kindhiets-Flashback bekommt, war wohl kein Kind der 70er/80er oder 90er. Ich habe jedenfalls meine tägliche halbe Stunde Fernsehzeit mit Wickie und den starken Männern verbracht. Wickie, der kleine Knirps mit den pinken Strumpfhosen, hat da gefährliche Abenteuer bestanden und immer die zündende Idee. Besonders schön, eigentlich passt der ängstliche Wickie ja gar nicht in die raue Welt der Wikinger, aber wer so clever ist, der kann auch mal so starken Männern sagen wo’s lang geht. Ein Outsider wird zum Anführer der Gruppe, wenn das mal kein gelungenes Fernsehmaterial für Kinder ist.

 

Batman – von Marius Lang

Die unverwechselbare Titelmelodie setzt ein, wir befinden uns in einer verzerrt-düsteren Entschuldigung einer Großstadt, Gotham, voller Abschaum und Verbrechen. Doch die Stadt hat einen Beschützer, ebenso finster und grimmig wie seine Heimat: Der dunkle Ritter, Batman.

Es gibt viele Gründe, warum Batman, die Animationsserie aus den 90ern, bis heute in Fan-Kreisen fast ausschließlich als die beste Adaption des Comichelden gilt. Die Animation ist bis heute akzeptabel, die Musik ist, wie oben erwähnt, herausragend, das Schauspiel der Sprecher ist, vor allem im englischen Original, exzellent und vor allem die Story hebt die Serie von der Konkurrenz ab: Die Folgen sind schlicht gut geschrieben, besser als die meisten Serien die ansonsten so über die Mattscheiben flimmerten und bis heute flimmern. 1992 entstanden um auf den großen Erfolg der Batman-Filme von Tim Burton aufzuspringen und mit Unterbrechungen bis 1997 eine feste Säule guter Unterhaltung (ja, die vierte Staffel war gut) war es Batman, die mich damals nicht nur zu einem Fan des Titelhelden machte, sondern auch mein Interesse an der Quelle weckte und somit großen Anteil an meiner Liebe zu Comics hatte. Die Serie, vor allem das Original, ist jedem empfohlen, auch solchen, die keine Comicfans sind.

 

Löwenzahn – von Sanja Döttling

Peter Lustig war der verrückte Onkel, den ich immer haben wollte. Gut, mein Onkel ist auch nicht schlecht, aber Herr Lustig war nochmal von einem ganz anderen Schlag: der lebte in einem Bauwagen und erlebte Abenteuer. Vielleicht war Peter Lustig auch eine Inspiration für mein Studium: schließlich war Peter Lustig nichts anderes als ein investigativer Journalist, und hat sich Fragen gestellt, die jeden interessieren: Warum Shampoo brennt wenn man es zu lange auf der Haut lässt, oder warum Unkraut eigentlich so heißt. Während der Sendezeit schaffte es Onkel Lustig, einfache und komplizierte Dinge anschaulich zu erkären und in (völlig ungestellten) Szenen die richtigen Experten auf der Strasse aufzugabeln.Und dass Herr Lustig keine Kinder mag, ist übrigens aus dem Zusammenhang gerissen.

Aber vor allem dieser Bauwagen. Der war toll! So ein wollte ich immer haben: stellte ich mit gemütlich vor. Nun, um einige Erfahrung im Bereich von Zimmern mit einstelliger Quatratmeterzahl, ist auch dieser Traum verflogen. Naja, da hilft nur eins: Abschalten.

 

„The Act of Killing“

von Felix Niedrich

Anwar: Portrait eines Serienmörders

Indonesien 1965/66. Nach einem gescheiterten Putschversuch übernimmt das Militär die Kontrolle über die Regierung. Infolge dessen kommt es einer systematischen Vernichtung der vermeintlichen Feinde. Das Ziel sind Anhänger der Kommunistischen Partei, (mutmaßliche) Sympathisanten und Angehörige der chinesischen Minderheit. Eine halbe Million Menschen werden dabei ermordet. Je nach Schätzung liegt die Zahl der Opfer noch deutlich höher. Thematisiert wurde der Völkermord bis heute so gut wie nicht.

Für die Gräueltaten rekrutierte die Armee sogenannte „Gangster“ und Mitglieder paramilitärischer Gruppierungen, die für nicht wenig Geld die Drecksarbeit verrichteten. Einer von ihnen war Anwar Congo, die Hauptfigur in „The Act of Killing“. Mit einem innovativen Ansatz, bei dem er seinen Akteuren kreative Kontrolle über Teile des Films gewährt, portraitiert Regisseur Joshua Oppenheimer seine Person und versucht seine Taten zu reflektieren.

„Facts do not constitute truth“

Oppenheimer ist dabei nicht daran interessiert, historische Fakten aufzuarbeiten und stellt bewusst wenig Kontext zur Verfügung. Auch Werner Herzog, der hier als Produzent fungiert, teilt die Meinung, dass Fakten nicht hinreichend zur Wahrheit führen. Für ihn sollte sich der Dokumentarfilm ohnehin weiter weg von der auf Fakten basierenden Vermittlung bewegen. „The Act of Killing“ folgt vielmehr einem außergewöhnlichen und zugleich erschreckenden Konzept, um den Akteuren des Films nahe zu kommen und sie mit ihrer Schuld zu konfrontieren. Ähnlich wie Claude Lanzmanns Holocaust-Doku „Shoah“, den Oppenheimer neben Jean Rouch als Inspiration nennt, verzichtet Oppenheimer auf Archivmaterial, auch um den Gegenwartsbezug zu stärken. So versucht er den Umgang mit diesen traumatischen Ereignissen zu beleuchten und gleichzeitig das dahinterliegende korrupte System bloß zu stellen.

Zu Beginn des Projekts hatte Oppenheimer allerdings andere Pläne. Anfangs hatte er vor, einen Film über Überlebende der Massaker und deren aktuelle Situation zu machen. Bis heute leben diese in Angst und Unterdrückung. Nachdem die Behörden den Dreh immer wieder verboten haben und die Sache zu gefährlich wurde, begann Oppenheimer die Seite der Täter zu beleuchten, die bis heute hohes Ansehen in der Region genießen. Bei den Interviews musste er feststellen, dass die Mörder ihre frühere Arbeit keineswegs verheimlichten, sondern sogar von sich aus und mit Stolz davon berichteten. Häufig demonstrierten diese ihre Taten sogar spontan vor der Kamera. So bot Oppenheimer folglich an, die von den Tätern selbst dargestellten Erfahrungen zu filmen – egal, wie sie es sich vorstellten.

 

„Warcrimes are defined by the winners“

Das Ergebnis ist ebenso bizarr wie eindrucksvoll. Anwar und seine Kollegen lehnen die Tötungsszenen zunehmend an verschiedene Filmgenres an. Viele der „Gangster“ arbeiteten nebenbei als Kartenverkäufer in den Kinos der Stadt und liebten die Filme aus Hollywood. Durch diese lernten sie nach eigener Aussage auch neue Methoden des Tötens und Folterns kennen.

In „The Act of Killing“ entstehen somit zwei Filme parallel, die einerseits miteinander in Konflikt stehen, andererseits aber auch keine klare Grenzziehung zwischen einander erlauben: auf der einen Seite stehen die Re-Enactments nach den Erfahrungen oder Ideen von Anwar und seiner Crew; auf der anderen steht Oppenheimer, der neben diesen Nachstellungen selbst auch die Entstehung dieser Szenen filmt und zusätzlich auf Interviews und Ausschnitte aus dem täglichen Leben der Männer zurückgreift. Beide Teile sind von unterschiedlichen Motivationen geleitet und versuchen unterschiedliche Versionen der Geschichte(n) zu entwerfen, wobei Oppenheimer aber letztlich über das Gesamtwerk die Kontrolle behält. Er versucht die Sequenzen so zu montieren, dass sie in einen Zusammenhang gestellt oder auch bewusst kontrastiert werden.

Die Frage ist: wie sehen sich die Männer selbst? Wie wollen sie sich darstellen? Und warum stellen sie sich überhaupt auf diese Weise dar? Und wie nehmen wir sie dadurch wahr? Trotz oder gerade aufgrund der dramatisierten Darstellung bleibt man sich hier der Realität bewusst. Denn es sind die wahren Mörder, die hier die Szene spielen. So verschwimmen die Grenzen zwischen den beiden Ebenen.

Zwischen den Szenen wird dabei oft kontrovers diskutiert, was gezeigt werden soll und wie es gezeigt werden soll. Adi, ein ehemaliger Anführer der Killer, ist nicht einverstanden mit dem Vorgehen. Er fürchtet um das Image seiner Landsleute, ist sich selbst aber keiner Schuld bewusst. „Kriegsverbrechen werden von den Gewinnern definiert“, meint er später. „Ich bin ein Gewinner, also kann ich meine eigene Definition machen“.

Oppenheimer entlarvt letztlich die Erzählung selbst als Konstrukt und als Versuch der Distanzierung, Rechtfertigung und Manipulation. Er sieht im Storytelling einen Weg im Umgang mit der Vergangenheit.

 

Person, Figur und Performance

Der eher fiktive und der dokumentarische („reale“) Teil des Films durchdringen sich sowohl inhaltlich als auch formal.

Ein weiterer zentraler, wenngleich ambivalenter Punkt ist die Performance. Anwar tritt im Film sowohl als reale Person als auch als Figur auf. Er ist außerdem in mehreren Rollen zu sehen. Dies findet aber nicht klar getrennt auf den verschiedenen Ebenen statt. Vielmehr kommt es auch hier zur Vermischung der Welten. Es stellt sich wiederum die Frage: wie viel des „fiktiven Films“ ist real und wie viel des Doku-Teils ist fake? Wo fängt die Performance an und wo hört sie auf?

So führt Anwar Zuschauer und Regisseur zu Beginn auf das Dach eines Hauses. Hier, so erzählt er, leben viele Geister. Allein an diesem Ort habe er dutzende Menschen umgebracht. Die eigens kreierte Methode des Tötens mit Draht hat sich bewährt. Anwar führt sie direkt an einem Freund vor. Kurz darauf beginnt Anwar an derselben Stelle freudig zu tanzen. Das Tanzen (unter anderem) habe ihm geholfen, zu vergessen. Das Tanzen erscheint, wie all die Prahlerei und das Auftreten im Film, als Fassade, als ein Akt der Verleugnung. Ein Zeichen von Angst, nicht von Stolz. Die Distanzierung von der eigentlichen Tat. In diesem Sinne wird das Töten als „Akt“ verstanden, um damit leben zu können.

Oppenheimer zwingt Anwar durchweg zur Selbstreflektion, indem er ihn immer wieder mit den Aufnahmen konfrontiert. Zunächst versucht Anwar das Gesehene zu überspielen; alles andere wäre ein Schuldeingeständnis. Aber auch wenn Anwar für seine Taten nie zur Rechenschaft gezogen wurde, kann er sich einer Strafe doch nicht ganz entziehen. Nachts plagen den alten Mann Alpträume. Ob Anwar am Ende aufrichtig eine Läuterung erfährt, ist fraglich. So wie Oppenheimer die Sequenzen zusammensetzt ist klar: für ihn gibt es am Ende keine Katharsis für Anwar. Aber auch der Zuschauer wird hier zum Nachdenken angeregt.

„The Act of Killing“ ist auch ein Film über die Gegenwart unserer Gesellschaft. Über die vielen kleinen und großen Lügen, die wir uns erzählen, um uns besser zu fühlen. Es ist ein Film, der wachrüttelt. Denn wenn man nur lange genug in einen Abgrund schaut, schaut der Abgrund auch in einen zurück.

 

Fotos: © WOLF Consultants

Deutschland, deine Krimis

von Julia Heitkamp

Seit 1970 bringt der Tatort der ARD jeden Sonntagabend Spitzenquoten zur besten Sendezeit. Damit ist es die erfolgreichste und am längsten laufende Fernsehreihe in Deutschland.

Woran liegt es, dass so viele Krimiserien so erfolgreich laufen? Denn mit anderen Produktionen haben die deutschen Sender ja bekanntlich so ihre Probleme. Wenn es sich nicht gerade um Trash-Formate á la Dschungelcamp oder eine Castingshow handelt, halten sich Eigenproduktionen selten länger als eine Saison und ziehen selten so ein großes und heterogenes Publikum an wie Krimiserien.

 

Same but Different

Doch Krimi ist nicht gleich Krimi. In allen möglichen Varianten ist er zu sehen – von lustig bis dramatisch. Doch was ist das Erfolgsrezept der Krimimacher?

Denn die polizeilichen Ermittlungen der öffentlich-rechtlichen Sender beschränken sich nicht nur auf den Sonntagabend. Die Küstenwache im ZDF oder Heiter bis tödlich in der ARD laufen seit einiger Zeit erfolgreich im Vorabendprogramm, das als wichtiger Quotenfänger für die Prime Time gilt. Auch im Nachtprogramm findet man immer häufiger erfolgreiche Importe, die sich sehen lassen können: Die britischen Krimiserien Luther und Sherlock sind hier nur beispielhaft zu nennen.

Doch den Erfolg von Krimiserien haben nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender für sich entdeckt. Auch private Sender wissen um den Quotenerfolg dieser Produktionen und kaufen aus dem Ausland Serien ein, die dem gleichen Konzept folgen.

 

Private Sender setzten eher auf ausländische Formate

Mehr Action, mehr Drama, mehr Emotionen – mit dem größeren Budget, dass die amerikanischen Networks nun mal zur Verfügung haben, lässt sich alles eine Nummer größer produzieren. Serien wie Navy CIS oder verschiedene CSI Formate laufen seit vielen Jahren erfolgreich auch hierzulande. Kaum zu glauben, dass es den Produzenten immer wieder gelingt, neue Storys aus den Fingern zu ziehen. Auch für Schauspieler sind Engagements in diesen Serien äußerst attraktiv und sichern den Lebensunterhalt.

Beliebt sind auch Formate, in denen Charaktere die aus Metiers, die sonst eher wenig mit der disziplinierten Polizeiarbeit zu haben, auf die Ermittler treffen. Diese Konstellation findet man unter anderem in Castle und The Mentalist. In Castle ermittelt der Charmeur und Krimiautor Castle, klopft Sprüche und flirtet mit der Abteilungsleiterin. Das hält ihn aber nicht davon ab, auch mal einen Fall zu lösen.

The Mentalist hingegen zeichnet sich durch seine sehr genaue Beobachtungsgabe aus, die er, als Medium getarnt, zur Lösung des Falles einsetzt. Vielen dieser Serien, nicht zuletzt die amerikanischen Neuauflage der Sherlock Geschichten (Elementary), leben von dem Witz und Charme des Hauptcharakters; all diese Serien orientieren sich stark am Vater aller Krimis, dem deduktiven Genie Sherlock Holmes: Seine Konzentration auf kleine Details und ein Intellekt, der „normale“ Menschen in den Schatten stellt, ist handlungsgebend für viele neue  Krimiserien.

 

Immer mal wieder findet man solche amerikanischen Ambitionen auch im deutschen Fernsehen. Wer erinnert sich nicht an den viel diskutierten ersten Tatort von und mit Til Schweiger, den teuersten Tatort aller Zeiten. Den kritischen Stimmen im Vorfeld zum trotz, konnte sich die Produktion am Ende mehr als sehen lassen und wurde zu einem der erfolgreichsten der Filme, die die Reihe je hervorgebracht hat. Stellt sich die Frage, ob sich internationale Ambitionen für das deutsche Fernsehen auf Dauer umsetzen lassen oder ob man sich nicht auf neue Ideen stürzen sollte. Denn die erfolgreichsten Tatorte stammen bisher immer noch aus Münster, und deren Konzept besticht ja bekanntlich durch andere Qualitäten. Das Zusammenspiel der Hauptcharaktere Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (gespielt von Axel Prahl) und Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (gespielt von Jan Josef Liefers) besticht durch humoristische Dialoge, die bei Publikum und Presse gleichermaßen gut ankommt.

 

Ist das gezeigt nicht doch irgendwie Unrealistisch?

Natürlich gibt es nicht es in Deutschland lange nicht so viele Mord- und Vermisstenfälle, wie sie im Fernsehen untersucht werden. Und doch, immer wieder lesen wir in den Nachrichten von ähnlichen Fällen, die das ganze dann doch wieder in einem realistischen Licht erscheinen lassen. Inzwischen ist folgen auf den Tatort regelmäßig Diskussionsrunden, etwa wie bei Günther Jauch, in denen die Ereignisse aus der Sendung diskutiert und mit wahren Begebenheiten verglichen werden. Ganz aus der Luft gegriffen sind die Ereignisse demnach nicht. Und sie scheinen ja auch einen Nerv beim Publikum zu treffen, das regelmäßig immer wieder einschaltet.

 

Sinn für Gerechtigkeit?

Nicht nur Polizei und Ermittlungen, auch Anwaltsserien wie Boston Legal, Suits etc. laufen seit Jahren erfolgreich auf dem internationalen Markt. Vielleicht sehnen wir als Zuschauer uns einfach nach einer gerechten Welt, in der nach eine Stunde spätestens alles zum Guten wendet. Vielleicht glauben wir Zuschauer einfach gerne an die Überlegenheit unseres Rechtsystems und an ein Happy End – ob im der Fernsehen- oder der realen Welt.

 

 

Bild: WDR

Chronik eines Sommers

von Felix Niedrich

„Sind Sie glücklich?“

Die 1960er Jahre waren in vielerlei Hinsicht eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Das gilt auch für die Filmindustrie. Während sich die großen Studios in Hollywood längst in einer Krise befinden, kommt in Europa neue Bewegung in die Filmlandschaft. Die jungen Filmemachern der französischen Nouvelle Vague, die mit originellen Ideen dem eingerosteten Erzählkino aus Übersee entgegentreten wollen, führen neue Debatten über den Stand des Mediums und seine Zukunft. Wichtige Beiträge zur Entwicklung innovativer filmischer Ansätze kamen dabei auch aus dem Bereich des Dokumentarfilms. Eine zentrale Figur dabei war der französische Regisseur Jean Rouch, dessen wohl bekanntestes Werk „Chronik eines Sommers“ neue Maßstäbe setzte und bis heute Filmemacher beeinflusst.

Ein Film als soziologisches Experiment

Das Projekt wurde von Jean Rouch und dem Soziologen Edgar Maurin ins Leben gerufen . „Chronique d’un été“ gilt seither als Schlüsselfilm des sogenannten „Cinema verité“. Dabei handelt es sich um eine Strömung im Dokumentarfilm der 60er Jahre, die sich durch ihre neuen Prinzipien im Umgang mit der Kamera und dem Dargestellten, sowie durch das hohe Maß an Selbstreflexivität auszeichnet. Der Film stellt ein soziologisches (wie auch filmisches) Experiment dar, dessen Entstehung Maurin als Forschungsprozess betrachtete.

Ziel des Films war nichts geringeres,  als etwas „Wahrhaftiges“ aus dem Leben festzuhalten.
Der Film versucht eine Annäherung an das Leben in der zeitgenössischen französischen Gesellschaft. Dazu porträtiert er eine Gruppe von Menschen verschiedenen Alters und mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen in Paris. Diese werden sehr direkt in unterschiedlichen Situationen, sowie bei spontanen Diskussionen und Einzelinterviews begleitet und gefilmt und äußern sich im Verlauf des  Films zu ihrem Leben, ihrer Arbeit und anderen soziopolitischen Themen. Im Rahmen des Drehs, der meist in möglichst natürlicher Umgebung, also bei den Leuten zu Hause oder am Arbeitsplatz, stattfindet, lernen sich die Personen auch gegenseitig kennen.  Zu Grunde liegt lediglich die existenzielle Leitfrage: „Etes vous heureux?“ („Sind sie glücklich?“).

Rouch behandelt gleichzeitig Fragen nach Darstellungskonventionen, Genregrenzen und Herangehensweisen. Er sah den Dokumentarfilm zu seiner Zeit in der Krise. Durch zu viel Vorbereitung, die Orientierung am Drehbuch und an technischen Möglichkeiten, lag seiner Meinung der Fokus zu sehr auf dem Einfangen des Spektakulären, nicht des Alltäglichen. Im Kleinen, in den Reaktionen der Menschen lag für Rouch eine zunächst vielleicht banal erscheinende Wirklichkeit, der es gerecht zu werden galt.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür waren unter anderem neue technischen Entwicklungen. Sie ermöglichten erst die Art der Aufnahmen, die Rouch im Sinn hatte. Auf künstliche Beleuchtung konnte aufgrund des verbesserten Filmmaterials oft verzichtet werden.  Mit leichten Handkameras war man mobiler und flexibler beim Dreh und mit der damit verbundenen neuen Tontechnik waren direkte Synchronaufnahmen einfach und schnell herzustellen. Dies bot einen direkteren Zugriff und ermöglichte, das Gezeigte relativ bruchlos wiedergeben zu können oder aber auch bewusste Brüche (zum Beispiel zwischen Bild und Ton) einzusetzen.

 

Die Provokation der „Wahrheit“

Das Besondere bei Rouch war zum einen seine konzeptionelles Vorgehensweise, als auch der Bruch mit den Konventionen des zeitgenössischen Dokumentarfilms. Im Vordergrund steht dabei das Element der Spontanität und der Improvisation. Es ist ein Film ohne Skript, ohne vorgegebene Struktur und ohne Schauspieler. Selbst die Filmemacher wissen dabei nicht, wo der Film hinführen wird. Vielmehr lässt sich der Film die meiste Zeit von seinen Akteuren leiten.

Die Akteure werden zu teilnehmenden Subjekten und nicht zu dargestellten Objekten, die vom Film gelenkt werden.  Indem sie in den kreativen Prozess einbezogen werden, versucht Rouch auch die Grenze zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten zu überschreiten und einen Diskurs auf Augenhöhe zu erreichen.

Das Filmteam und die Personen entwickeln so den Film gemeinsam weiter. Die Filmemacher sind dabei am Dialog auch selbst direkt beteiligt. Es geht Rouch dabei darum, eine möglichst natürliche Diskussion zu etablieren, um so sehr persönliche und authentische Eindrücke und Reaktionen der Personen mit der Kamera einzufangen. Im Auftreten der Filmemacher im Film wird außerdem die Transparenz des Mediums zur Realität hervorgehoben. Essentiell ist dabei, dass die dabei vorherrschende „Natürlichkeit“ nicht trotz der Anwesenheit der Kamera, sondern gerade aufgrund der Anwesenheit der Kamera entsteht. Die Subjekte sollen sich vielmehr der offenen Anwesenheit der Kamera bewusst sein und sich an sie gewöhnen. Die Kamera wird so selbst zum Akteur und dient als Katalysator der gefilmten Ereignisse, die ohne die Kamera, ohne den Film, ja so nicht stattfinden würden. Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zum amerikanischen „Direct Cinema“, bei dem die Kamera uninvolvierter Beobachter bleibt.

In diesem Prozess geht es Rouch nicht um „Objektivität“. Vielmehr will er die gezeigten Personen im Verlauf des Films in Situationen der Selbstoffenbarung beobachten. Die Kamera „provoziert“ dabei die Reaktionen maßgeblich mit.

 

Die Reflexion der Reflexion

Dem ohnehin reflexiven Ansatz folgt, dass der Film im letzten Teil den Teilnehmern präsentiert und als Film im Film gezeigt wird. Der Film thematisiert sich somit zum Schluss selbst und verweist dadurch auf die darstellende und vermittelnde Eigenschaft des Mediums. Hierdurch wird die Frage nach der Trennung von Welt und Film und den Grenzen zwischen vorfilmischer Realität und der Realität des Films gestellt , welche Rouch versucht aufzubrechen.

In einer Diskussion reflektieren nun die einzelnen Akteure ihr eigenes Handeln sowie das der anderen. Hier vermischen sich verschiedene Standpunkte zwischen Person und Figur und Kamera. Kontrovers wird debattiert, welche Personen und Szenen authentisch oder gespielt wirken.
Die Frage wo „Wahrheit“ aufhört und Inszenierung anfängt, stellt sich auch der Zuschauer über den ganzen Film hinweg. Auch, weil Rouch absichtlich einige Szenen irritierend montiert und scheinbar narrative Momente einbaut. Ist Wahrheit nur eine Interpretation von Welt?

In der letzten Szene des Films reflektieren die Filmemacher Rouch und Maurin die vorangegangene Debatte und das Ergebnis ihres filmischen Projekts. Eher ernüchternd stellen sie fest, dass sie in der Frage nach der Wahrheit nicht wirklich erreicht haben, was sie sich erhofft hatten.

In „Chronique d’un été“ ist mit Wahrheit letztlich eine „artifizielle Form der Wahrheit[, die] nicht empirisch angelegt ist, sondern […], ganz im Gegenteil, eine nur mit den Mitteln des Films herstellbare Wahrheit“ (Piechota, 2008, S. 82) gemeint. Für Rouch liegt Wahrheit letztlich nicht im Beobachtbaren, sondern dahinter. Und der Film ermöglicht dafür eine neue Perspektive.

 

Piechota, Antje (2008). Jean Rouch. Innovationen im Spannungsfeld von Ethnologie und Kino. Saarbrücken: VDM Verlag.

Foto: flickr.com/ Festival de Cine Africano :Jean Rouch (CC BY-SA 2.0)

USA: Midterm-Wahlkampf

von Philipp Humpert

Midterms in Michigan – Klausuren und Wahlkampf

Die Hälfte Obamas zweiter Amtszeit ist vorüber. Am vergangenen Dienstag waren 310 Millionen US-Amerikaner aufgerufen, in den Midterm-Wahlen Teile des US-Senats und weitere Ämter neu zu bestimmen. Währenddessen musste ich, ein Austauschstudent in Ann Arbor, Michigan, mich auf Midterms ganz anderer Art vorbereiten: zur Hälfte des Semesters stehen traditionell Klausuren an. Während die Antworten an der Uni eindeutig sein sollten, fiel es vielen Amerikanern schwer, sich klar zu positionieren.

 

Sie haben die Wahl: Esel oder Elefant?

Am späten Dienstagabend stehen die Sieger fest: Die „Grand Old Party“ der Republikaner konnte eine Mehrheit im Senat erringen. Die „Republican Wave“ rollt durch das Land und der Präsident ist in vielen politischen Fragen ab sofort auf ihre Zustimmung angewiesen.

Doch trotz des klaren Ergebnisses bleibt die Wahl ambivalent: Zweifellos, die Demokraten waren am Ende unterlegen (Washington Post, 05.11.14), dennoch: Während auf nationaler Ebene viele Stimmen zu den Konservativen wanderten, entschieden die Wähler über Angelegenheiten innerhalb der einzelnen Staaten deutlich liberaler: Themen wie die Legalisierung von Marihuana, gleichgeschlechtliche Ehen, höhere Mindestlöhne und Waffenkontrolle erfuhren bei der Neubesetzung lokaler Ämter viel progressiven Zulauf (VoxNews, 05.11.14).

Der übergreifende Tenor der Medien ist, dass die Republikaner weniger aufgrund ihrer Inhalte gewannen, sondern dass die Wähler vielmehr eine Nachricht in Richtung der Obama-Regierung senden wollen: „Washington doesn’t listen, Washington doesn’t lead and Washington doesn’t deliver.“ (NYtimes, 06.11.14). Zwar  wird die regierende Partei während der Midterms traditionell ohnehin abgestraft, diesmal jedoch ist der Wählerärger besonders groß: Der von Obama angekündigte Wandel ist in Zeiten innenpolitischer Unsicherheit und internationaler Instabilität (nicht ohne Zutun der Republikaner) nicht eingetreten (NBC News, 07.11.14). Deren Erstarken ist daher weniger ihr eigener Verdienst, sondern vielmehr dem allgemeinen politischen Stillstand geschuldet.

Obama reagierte entsprechend: „I hear you“, sagte er zu den Wählern am Tag nach der Wahl (Video der Ansprache). Dennoch werden sich die Demokraten in Zukunft bei Reizthemen wie Obamacare, Auslandseinsätzen des Militärs, Immigration und sozialer Sicherung vom politischen Gegner weiterhin kaum Unterstützung erhoffen können.

 

„Zwei Wahlzettel, bitte“

Neben der Wahl zum Senat und dem Haus der Repräsentanten hatten die Bürger in einigen Staaten auch die Möglichkeit, über das Amt des Gouverneurs neu zu entscheiden, so auch in Michigan. Die Ergebnisse in den einzelnen Staaten verstärken den ambivalenten Ausgang der Wahlen. Während Michigans republikanischer Gouverneur Rick Snyder sein Amt verteidigen konnte, kam es bei der Wahl des Senators überraschenderweise zu einem Sieg des demokratischen Kandidaten Gary Peters (Michigan Daily, 05.11.14).

Als ich mich mit Kommilitonen über die Wahl unterhalten habe, sagten viele, dass sie mit dem Zwei-Parteien System grundsätzlich unzufrieden sind. Da die Wahlfreiheit praktisch auf ein Ja oder ein Nein zu einer Regierung beschränkt ist, fokussierten viele sich stärker auf Kandidaten und Themen als auf eine Partei. Das Ergebnis ist ein sogenannter „two-ticket turnout“: Viele Menschen wählen sowohl Republikaner als auch Demokraten in unterschiedliche Ämter, je nachdem, um welche Inhalte es sich handelt.

Wenngleich sich diese Entwicklung auch eine Möglichkeit ist, dem Wähler eine mächtigere Stimme im eindimensionalen US-Wahlsystems zu verleihen, kann sie praktisch  der Blockierung der beiden Parteien nicht entgegenwirken. Prof. Mike Traugott vom Political Science Department der University of Michigan sagt: „We’re in for two years of severe gridlock in Washington. If we thought the current congress was unproductive, it will be nothing compared to the next one.” (Michigan Daily, 05.11.14).

 

A Road to Change?

Die politische Landschaft der USA ist weiterhin von rot-blauen Gegensätzen geprägt. Die Wahlbeteiligung erreichte kaum 40%, die Frustration der Wähler steigt. Auch auf dem Campus der University of Michigan sind viele Studenten unzufrieden. „Es ist unmöglich, einen echten Wandel herbeizuführen, solange die Parteien nur aufeinander rumhacken, anstatt die Probleme anzugehen, die dieses Land hat“, sagt mir eine Kommilitonin. Die USA stehen weiter vor großen Herausforderungen, und die Präsidentschaftswahlen 2016 dämmern schon am politischen Horizont.

 

Foto: wikimedia.org/ Jnn13 (CC BY-SA 3.o)

Bücher werden immer digitaler

von Andrea Kroner

Wie jedes Jahr gibt es in den Hallen der Buchmesse sehr viel zu sehen. An den meisten Ständen sieht man Unmengen von Büchern ausliegen. Es gibt sogar ein Antiquariat und eine richtige Druckerpresse wie aus Gutenbergs Zeiten wurde aufgebaut. Doch an manchen Ständen fehlen gedruckte Bücher ganz. Dort erkennt man den Trend vom gebundenen Buch hin zum E-Book besonders deutlich.

 

Der erste Preis für E-Books

Entscheidend ist nicht mehr das Buch als Medium – vielmehr kommt es auf den Inhalt an. Dabei werden immer mehr neue Konzepte entwickelt, das Buch neu zu erfinden. Das digitale E-Book gibt es zwar schon länger, jedoch hat es sich neben dem gebundenen Buch noch nicht wirklich durchgesetzt. Zwar lässt sich in den letzten Jahren eine steigende Tendenz entdecken, doch liegt der Marktanteil derzeit bei lediglich knapp 6 Prozent.

Deshalb werden immer wieder neue Ideen entwickelt, um den Markt auszuweiten. Eine Möglichkeit ist der auf der Frankfurter Buchmesse erstmals verliehene deutsche E-Book Award. Dabei spielten besonders multimediale und interaktive Aspekte eine wichtige Rolle. Es sollte sich nicht um ein gedrucktes Buch handeln, das einfach nur digitalisiert wird, sondern die digitalen Vorteile und Unterschiede gezielt nutzen. Der diesjährige Gewinner ist ein 17-jähriger Schüler der mit „Physik 7“ ein interaktives Schulbuch geschaffen hat, um anderen Schülern das Lernen schmackhafter zu machen. Mithilfe von zahlreichen, teilweise bewegten Grafiken und interaktiven Elementen wie Schaubildern oder Versuchen, schafft es der Autor, die  für Schüler oft unverständlichen Inhalte anschaulich und interessant zu übermitteln.

Aus diesem Grund wurde auch das „Klassenzimmer der Zukunft“ in die Messe integriert. Hier werden nicht nur Bücher, sondern auch neue Unterrichtskonzepte und Lehrmedien vorgestellt. Dabei stehen vor allem Interaktivität und zunehmende Digitalisierung im Vordergrund. Gerade im Bereich 3D hat sich vieles getan. Dadurch sollen sich die Schüler mehr einbringen können. Auch sollte der Unterricht  weniger frontal ablaufen. Im Rahmen der Buchmesse konnten viele Schüler daher ein eigenes Hörbuch entwickeln oder mithilfe von Aquarien, Mikroskopen und vielen anderen Anschauungsobjekten mehr über die Ozeane erfahren. Lesen ist Mitmachen, Erfahren, selbst Erleben geworden.

 

Die Macht der gebundenen Bücher

Buchliebhaber müssen sich aber trotzdem keine Sorgen machen, dass gebundene Bücher bald von digitalen Alternativen verdrängt werden. Diese Ansicht vertritt auch einer von Deutschlands bekanntesten Fantasy-Autoren, Kai Meyer. In der Lesung seines neuesten Buches „Die Seiten der Welt“ bekennt er sich zum gebundenen Buch und schreibt deshalb über die Macht und den Zauber von Büchern. Die Grundidee dahinter: Bücher haben geheime Seiten, die nur von bestimmten Menschen gelesen werden können, die damit auch zaubern können. Doch das ist noch lange nicht alles, was die sogenannten „Bibliomanten“ mithilfe von Büchern bewerkstelligen: Sie können durch einen Büchersprung an andere Orte gelangen und haben individuelle Fähigkeiten wie beispielsweise im Schlaf zu lesen oder Sirup aus Liebesbüchern zu destillieren.

Damit gibt er Büchern eine besondere Bedeutung und auch ein gewisses Eigenleben. Er selbst bezeichnet es als eine Liebeserklärung an das gebundene Buch. Dabei geht er auch ausführlich auf die Frage ein, was gebundene Bücher heutzutage noch wert sind: Durch Taschenbücher und E-Books wurden günstige Alternativen geschaffen, durch die sich jeder Bücher leisten kann. Trotzdem konnte das gebundene Buch nicht verdrängt werden, da es für viele doch nicht nur der Inhalt ist, der zählt.

 

Das Buch wird bleiben – wenn auch vielleicht in anderer Form

Das Buch als Medium hat sich schon viele Jahrhunderte gehalten. Dabei hat sich dieses Medium schon seit seiner Entstehung vom handgeschriebenen über das gedruckte hin zum digitalen Buch immer weiter entwickelt. Zumindest auf der Buchmesse leben Antiquariat und E-Book-Reader noch in Eintracht und Harmonie. Mal sehen, wie lange das noch so bleibt.

 

Fotos: Frankfurter Buchmesse; flickr.com/Michael Derr (CC BY 2.0); Frankfurter Buchmesse/Michael von Hassel

Krisenjournalismus trifft auf Fiktion

von Andrea Kroner

Das Thema Israel ist in den Medien schon seit Jahren präsent. Doch dabei bleibt man stets in der Rolle des Außenstehenden. Frank Schätzing gelingt es in seinem Roman, durch die Perspektiven vieler Personen eine weitaus größere Nähe zu schaffen: Ein Krisenreporter, ein Siedler, ein Rabbi und eine Jugendliche sind nur einige Charaktere, welche die Hintergründe verständlicher machen und für unerwartete Wendungen sorgen.

 

Eine Jagd durch die Geschichte Israels

2008. Der erfolgreiche Krisenreporter Tom Hagen ist viel im Nahen Osten unterwegs und liebt den Nervenkitzel. Doch bei einer Geiselbefreiung müssen durch sein Verschulden sowohl die Geiseln als auch seine Assistentin sterben. Das bedeutet das komplette Aus für ihn.

1929. In einem kleinen Dorf im damaligen Palästina beginnt die Lebensgeschichte des späteren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Dieser Teil der Handlung wird zu einer Familiengeschichte über die Besiedlung Palästinas ausgeweitet.

2011. Die Handlung springt zurück zu Tom Hagen, der mittlerweile für ein drittklassiges Online-Magazin im Nahen Osten arbeitet. Durch einen ehemaligen Kollegen erfährt er von CDs mit geheimen Daten über den israelischen Geheimdienst. Darin sieht er seine große Chance für ein Comeback. Doch die gekauften Informationen stellen sich als wertlos heraus, weshalb Hagen ein Attentat auf den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon erfindet. Der Anschlag fand jedoch wirklich statt, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß. Der dadurch aufgeschreckte Geheimdienst und die Attentäter werden durch seine „erfundene“ Geschichte auf ihn aufmerksam und jagen ihn durch ganz Israel. Mit ihm flieht die Mitattentäterin Yael Kahn, die von den Anschlagplanern als Hagens Informantin angesehen wird, da sie ihre Tat bereut. Nach einer langen Odyssee gelingt ihnen die gemeinsame Flucht nach Jordanien.

 

Zwischen der Geschichte Israels und einem erfundenen Attentat

Der Autor hat sich sehr intensiv mit den Themen Israel und Nah-Ost-Konflikt auseinander gesetzt. Er hat ausgiebig recherchiert, um sich in die Materie einzuarbeiten. Dazu hat er auch bei vielen Gebieten Experten zu Rate gezogen, um beispielsweise Geiselnahmen oder das Flugverhalten von Kampfdrohnen authentischer beschreiben zu können. Darüber hinaus ist er drei Wochen lang quer durch Israel gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass keineswegs „überall nur Hass vorherrscht. Es gibt Hass, keine Frage – die Hamas im Gazastreifen, die radikalen Siedler sind von Hass getrieben. Aber in breiten Kreisen der Bevölkerung findet man überraschend viele Freundschaften zwischen Palästinensern und Israelis, kleine Kooperativen, Partnerschaften. Selbst zwischen Siedlern und ihren arabischen Nachbarn.“

Durch diese intensive Beschäftigung mit der Thematik schafft er es, viele Details zu beschreiben und alles ausführlich zu erklären, wodurch der Leser das Gefühl bekommt, sehr gut über das Thema informiert zu werden. Doch manchmal werden  fast zu viele Komponenten eingearbeitet: Der Versuch einer umfassenden Darstellung führt dann zu weit und behandelt Themen, die für die eigentliche Geschichte nicht mehr relevant sind.

Doch bei „Breaking News“ fließen nicht nur Fakten, sondern auch wesentliche fiktionale Elemente mit ein: Der komplette Handlungsstrang über Tom Hagen und das Attentat entspringen einzig den Gedanken des Autors. Auch sind fast alle Charaktere frei erfunden oder nur an reale Personen angelehnt. Doch gerade bei Ariel Scharon sind viele Äußerungen Originalzitate und Situationen oft dem eigentlichen Leben nachempfunden. Er verflechtet seine eigenen Erfahrungen aus Israel mit Erzählungen, Geschichte und Fantasie. Dadurch gelingt dem Autor sehr gut, Fakt und Fiktion so miteinander zu verknüpfen, dass es für den Leser schwierig wird, dazwischen zu unterscheiden. Es ist dabei nur etwas schade, dass nicht klar erkennbar wird, welchen Teile der Geschichte Recherche zugrunde liegt und welche frei erfunden sind. Dadurch geht etwas verloren, worauf der Autor hinaus möchte. Doch genau das scheint es zu sein, was Schätzing erreichen möchte.

 

Zwischen Anschaulichkeit und Verwirrung

Das Buch besteht aus mehreren Handlungssträngen, die von verschiedenen Figuren zu unterschiedlichen Zeiten handeln. Diese brechen oft abrupt ab und werden erst später wieder aufgegriffen. Auch scheinen sie gerade am Anfang nicht miteinander in Beziehung zu stehen, was den Leser verwirren kann, da kein klarer Zusammenhang erkennbar ist.

Erst gegen Ende der Geschichte zeigen sich die Beziehungen der Handlungsstränge zueinander und führen zu einem gelungenen Schluss. Letztendlich stellt man fest, dass die Geschichte sehr ausgefeilt ist und Frank Schätzing ein gut durchdachtes, aber schwer zu lesendes Buch geschaffen hat.

 

Kriegsreporter – kein Job für Jedermann

Die Berichterstattung aus riskanten Gebieten ist die gefährlichste Art des Journalismus, sowohl auf  psychischer als auch auf physischer Ebene. Deshalb machen die meisten dies nur auf Zeit oder nutzen es als Karrieresprung. Doch leider werden viele schlecht darauf vorbereitet und wissen gar nicht, was sie wirklich erwartet und wie sie damit umgehen sollen. Sie sind nicht auf das Elend der Menschen, die Spannungen und Einschränkungen der Gebiete vorbereitet und viele zerbrechen daran. Darüber hinaus tragen Reporter aus Prinzip keine Waffen und sind deutlich als solche gekennzeichnet, was sie jedoch nicht vor Attentaten und Geiselnahmen schützt. Allein im Irak wurden bis 2011 151 Reporter getötet.

Doch es gibt auch eine andere Seite: Viele erfahrene Krisenreporter haben Gefallen an der ständigen Gefahr und an der aufregenden Seite dieses Berufs gefunden. Dazu zählt auch Tom Hagen aus „Breaking News“. Er hat sich auf diesen Berufszweig spezialisiert und ist schon lange im Geschäft. Dadurch kennt er viele regionale Kontaktpersonen, weiß wie er sich gegenüber den Einheimischen und  sogar Geiselnehmern sowie unter Beschuss verhalten muss und würde fast alles für eine gute Story geben. Dadurch hat er sich bei seiner renommierten Zeitung auch einen guten Ruf erarbeitet. Doch er geht bei der Jagd für eine gute Geschichte einen Schritt  zu weit und gefährdet dafür sogar eine Militäraktion. Er ist so besessen von seinem Job, dass er dabei alles andere außen vor lässt.

Natürlich zeichnet Frank Schätzing in seinem Roman einen extremen Charakter, doch sollte man sich immer im Klaren darüber sein, dass alle Krisenreporter ihr Leben aufs Spiel setzen, um eine gute Geschichte zu bekommen und ihr Land mit den neuesten Informationen versorgen.

 

Durchhaltevermögen gefragt

„Breaking News“ reiht sich nahtlos hinter Frank Schätzings bisherigen Werken ein. Es behandelt eine spezielle Thematik und ist kompliziert zu lesen. Doch wer die Ausdauer besitzt, dieses Buch zu beenden, wird mit vielen interessanten Hintergrundinformationen über den Nah-Ost-Konflikt und einer spannenden, gut erzählten Geschichte belohnt.

Das vergessene Profil

von Jasmin Gerst

Bereits seit einigen Jahren gibt es die Wahl zwischen zwei Profilen in der Medienwissenschaft: Zum einen gibt es ein praxisbezogenes erstes Profil in Kooperation mit der Medieninformatik, zum anderen ein zweites, das sich mit Medienkonvergenz und –empirie beschäftigt, also rein medienwissenschaftliche Aspekte behandelt.

Über das Angebot des ersten Profils fehlen nicht nur die nötigen Informationen, sondern auch die Initiative diese Kluft zu schließen. Seit 2012 haben sich nur 13 (!) Studenten für dieses Profil entschieden, obwohl Kenntnisse in Bereichen wie Adobe Photoshop und HTML in vielen Berufen der Medienlandschaft heutzutage vorausgesetzt wird.

 

Panik vor’m Programmieren oder doch nur fehlende Informationen?

„Es ist schade, dass wir nur so wenige in unserem Profil sind“, so eine Studentin aus dem viertem Semester. Die Informationen dafür habe sie sich selbst aus dem Modulhandbuch zusammengesucht, denn sie wollte eine neue Herausforderung in ihrem Studium. Bisher ist sie sehr zufrieden mit ihrer Wahl und sogar bei Bewerbungsgesprächen für ein Praktikum sind die Informatik-Kenntnisse von Vorteil gewesen. Andere haben lediglich durch Mund-zu-Mund-Propaganda davon erfahren und sich einfach ins kalte Wasser gestürzt.

Die geringe Anzahl der Studenten bei diesem Profil ist allen Professoren bewusst, die Kooperation zwischen Medienwissenschaft und Medieninformatik ist definitiv noch nicht perfekt ausgereift. Eine Veranstaltung, bei der die beiden Profile vorgestellt würden, wäre nicht nur hilfreich, um mehr Studenten zu gewinnen, sondern auch um diese für das Profil zu begeistern. Allerdings glaubt Alexandra Kirsch, Junior-Professorin der Medieninformatik, dass die fehlenden Informationen nicht der einzige Grund für die ausbleibenden Studenten sei. Ihre Vermutung ist, dass bei den Studierenden der Geisteswissenschaften eine „gewisse Scheu gegenüber technischen Inhalten besteht“. Diese Scheu sei unbegründet, denn es werden keine Informatik-Kenntnisse vorausgesetzt, man lerne alles von Anfang an. Auch wurden spezielle Übungsgruppen für die Medienwissenschaftler eingerichtet, damit deren Bedürfnisse optimal befriedigt werden können.

 

Angebote für die Informatik-Newbies

Bei steigender Nachfrage würde die Medieninformatik auch gerne noch mehr solcher Hilfsangebote anbieten, damit sich die Medienwissenschaftler wohler fühlen.

Bei den Noten-Endergebnissen verzeichnet Kirsch in ihren Veranstaltungen zudem keinen Unterschied zwischen Teilnehmern aus Informatik- und Nicht-Informatik-Studiengängen. Deshalb ist ihr Rat: „Traut euch! Informatik und Programmcode sehen vielleicht auf den ersten Blick abschreckend aus, aber die Techniken sind auch nur Handwerkszeug, die jeder lernen kann.“

Nicht zu vergessen sei die technische Umsetzung von Multimedia für Medienwissenschaftler, nicht zuletzt da dieses Wissen ein breiteres Spektrum an Berufsmöglichkeiten mit sich bringt.

Außerdem ist sie sich sicher: „Die Kombination Medienwissenschaft und Informatik, egal ob der Schwerpunkt auf dem einen oder dem anderen Fach liegt, ist heutzutage sehr wichtig, insbesondere für meinen Bereich Mensch-Computer-Interaktion. Reines Technik-Wissen genügt dafür nicht, aber auch der Blick allein aus der medienanalytischen Perspektive ist zu beschränkt.“

Die praxisorientierten Teile bieten also eine sehr schöne Ergänzung zu den Theorien der Medienwissenschaften. Hinzu kommen noch gestalterischen Inhalte wie der Umgang mit Angeboten der Adobe Creative Suite, wie Photoshop und InDesign. Dadurch, dass in einzelnen, speziell informatisch orientierten Kursen, die Prüfungen speziell auf die Bedürfnisse der Medienwissenschaftler angepasst werden, fühlen sich diese nicht nur einbezogen sondern auch respektiert, obwohl sie keine Informatik-Cracks sind.

 

Also Schluss mit wissenschaftlichen Texten – und her mit der Praxis!

Das ominöse „Profil 1“  bietet kaum Theorie, dafür umso mehr praktische Aufgaben wie das Entwerfen von druckfertigen Flyern mit Photoshop oder das Erstellen und Pflegen einer eigenen Webseite.

Wer also neuen Wind in sein Studium bringen möchte, ist bei diesem Profil sehr gut aufgehoben. Zu guter Letzt noch ein kleiner Tipp von Alexandra Kirsch: „Auch wenn der Einstieg schwer aussieht, sieht man relativ schnell Ergebnisse, z.B. wenn man sich durch sein erstes Web-Formular klicken kann oder ein selbst programmiertes Spiel spielt!“

 

Foto: Dennis Skley / flickr.com (CC BY-ND 2.0)