Kneipengespräche

von Klara

Ich sitze in der Kneipe und trinke Bier, schweigend. Es ist Mittwoch, also eigentlich schon Wochenende, bei Studenten weiß man das ja nie so genau. Neben mir sitzt Lisa und trinkt ebenfalls. Zumindest manchmal: Die meiste Zeit verbringt sie damit, auf ihr Handy einzutippen. Ihr Freund Lars hat Liebeskummer. Und weil niemand mit ihm redet, hat auch Tom jetzt sein Handy raugeholt. Scheinbar ist das Gespräch nicht lustig genug ist und er versucht jetzt seinen Spaß auf 9gag zu finden. Ich öffne meine Kontakte und suche im Telefonbuch nach Menschen, die nicht auf ihr Handy starren, wenn sie mit Freunden trinken gehen. Ich finde keine.

Das Kneipengespräch wird aussterben. Eine Entwicklung, die schon lange zu beobachten ist: Seit Jahren wird sukzessive die Musik lauter gedreht, bis ein Gespräch zu einer Übung im Lippenlesen verkommt. Aus ist es mit dem Geplauder über sexuelle Vorlieben, Kindheitstraumata und Therapeuten oder anderem Smalltalk. Und nun auch noch die Handys, gepaart mit freiem Wifi. Da kann man schonmal seine Mails checken. Und facebook. Und Whatsapp. Und tumblr. Und so.

Ist das denn alles so schlimm? Mal ehrlich: Wie banal und langweilig waren die Gespräche, die wir geführt haben, bevor jeder anfing, auf sein Handy zu starren? Schon ziemlich. Vielleicht ist das der Grund, warum alle überhaupt begonnen haben, nach anderen Menschen zu suchen, die sie besser unterhalten können. Whatsapp macht’s möglich: Die sofortige Verbindung zu jedem, den man im Telefonbuch hat. Alle sind nur noch ein Klick entfernt.

Die metaphysische Distanz eines Gesprächspartners ist nichts, was man in Metern ausdrücken kann. In der Kneipe, da muss man eng zusammenrücken: Man sitzt sich halb auf dem Schoß und schwitzt gemeinsam in das abgenutzte Leder der Sofas. Textnachrichten, auf der anderen Seite, sind schnell heruntegetippte Nachrichten, während man noch drei andere Gespräche simultan führt. Menschen verkommen zu einem kleinen Icon auf dem Bildschirm. Ironie oder gar ein Witz sind ausgeschlossen. Hat jemand eigentlich schon daran gedacht, dass sein Gesprächpartner, dem er gerade von seinem Liebeskummer erzählt, vielleicht in einem Shot-Wetttrinken gefangen ist? Oder mit dem One-Night-Stand rumknutscht, während er hinter ihrem Rücken seine SMS beantwortet? Wir verlangen volle Aufmerksamkeit von allen und geben ihnen selbst nur noch einen Bruchteil davon.

Egal, was solls, denke ich mir. Ich schreibe eine Freundin an, die ich schon ewig nicht mehr kontaktiert habe. Vielleicht hat sie ja was spannendes zu erzählen. Wahrscheinlich aber nicht, genau wie bei  unserem letzten Treffen. Sie antwortet sofort. Lisa, Tom und ich hacken auf unsere Handys ein, führen nebenher ein halbes Gespräch.

„Morgen fällt die Vorlesung in MeWi aus“, sage ich, ohne aufzuschauen. Das steht in der Mail, die ich gerade bekommen habe.

„Welche Vorlesung?“ fragt Lisa.

„In MeWi“, wiederhole ich.

Tom fragt: „Was ist in MeWi?“

„Die Vorlesung morgen“, antwortet Lisa. Und Tom schaut auf und sagt: „Ich habe gerade eine Mail bekommen. Die Vorlesung morgen fällt aus.“

„Aha“, sage ich, und frage Lisa, wie es dem Liebeskummer von Lars geht. Sie liest mir ihren substanzlosen Chat vor, ich nicke. Ich kenne Lars nicht.

Wir verabreden uns morgen Abend wieder in der Kneipe. Die Vorlesung fällt ja aus. Dann kann man zusammen auf die Handys starren. Bis irgendwann nachts die Akkus leer sind und man ganz allein unter Freunden ist. Das kann man dann mit Alkohol kompensieren.

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