Über Pornos und andere Götter

von Nicolai Busch

Selig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. Unselig sind jene, die sich Pornos reinziehen, denn sie berauben sich der heiligmachenden Gnade. Aber wahrlich, ich sage euch: Es ist dennoch leichter, sich auf religiösen Websites den Rechner zu schrotten als auf den Seiten der nackten Sünder.

Virenschleuder auf religiösen Seiten

Das bunte Treiben auf Kirchen-Webseiten

Diese Erkenntnis wahrlich biblischen Ausmaßes ist in leicht abgeänderter Form zumindest den Ergebnissen des Internet Security Thread Reports 2011 zu entnehmen, welcher jährlich im Namen der US-amerikanischen Computersicherheitsfirma Symantec erscheint. Hier heißt es: Das Risiko, sich auf religiös-ideologischen Websites einen Computervirus einzufangen, ist dreimal größer, als jenes auf Websites mit pornografischem Inhalt. Eine denkbar unerwartete und dennoch empirisch bewiesene These. Schließlich basiert die Studie auf Daten, welche Symantec im Rahmen der Analyse von Hackerangriffen in mehr als 200 Ländern im Vorjahr gesammelt hatte. Der Grund für das weniger hohe Virenrisiko auf den Schmuddelseiten liegt dem Bericht zu Folge in der häufig kommerziellen Absicht ihrer Betreiber. Man wolle es sich mit den lüsternen Konsumenten schließlich nicht verscherzen und würde deshalb einen virus-freien Aufenthalt auf pornografischen Websites häufig gewährleisten.

Religion im Boulevard

„Sicher haben dahingegen kirchliche bzw. religiöse Einrichtungen, die eine Webseite betreiben, das Problem, dass ihre Webseiten von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden. Diese sind in technischen Fragen häufig Laien“; so Bernhard Limberg von der Evangelischen Nachrichtenagentur idea im Gespräch mit media-bubble.de. Dass es in Zukunft Aufgabe kirchlicher Institutionen sein sollte, regelmäßige Sicherheitsupdates durchzuführen und die nötigen Firewalls zu installieren, um die nichtsahnenden User ihrer Website zu schützen, sollte selbstverständlich sein.

So weit so gut. Was das Thema zusätzlich interessant macht, ist die mediale, manipulative Ausschlachtung, die es durch deutsche Nachrichtendienste im Netz erfährt. Mit fast schon süffisantem Tonfall wird dort die Studie zu einem Kondensat zusammengeköchelt, die Religion diskreditiert. “Porno schützt besser vor Viren als Religion“, heißt es da beispielsweise. Der Porno wird – um im Jargon zu bleiben – als Kondom für den Internetverkehr gehypet. Längst ist eine boulevardesk anmutende Reduktion des Sachverhalts in Schlagzeilen Usus im Web.  Mehr noch wird hier aber der moralische Kontrast von Gut und Böse bedient, um leserfreundlich zu polarisieren. Es geht nicht mehr nur um die Ergebnisse eines Berichts über Bedrohungen im Internet, sondern vor allem darum, der Oberflächlichkeit des digitalen Volksmundes endlich ungestraft zu huldigen. Der Leser freut sich über die Steilvorlage, wie die von Administratoren genehmigten Leserkommentare zeigen: “Religion ist ein Virus“, “Guter Sex ist besser als jede Religion“.

Diktatur des digitalen Relativismus

Sex sells – ist nun mal so.

Was sich in der Printausgabe nur ganz gewisse Medien getraut hätten, ist im Netzzeitalter beinah jedem national anerkannten Nachrichtenmagazin zuzutrauen. Der Bruch mit dem Tabu ist dem wohl vielleicht demokratischsten Medium dieser Tage inhärent und nicht länger zu verurteilen. Die kreischende, politisch-unkorrekte Headline gibt den Ton an und versteckt die Inhalte. Der Internetpornografie kommt dieser Umstand zu Gute. Abgesehen von Kinderpornografie gibt es längst keine illegitime Pornokultur mehr, weil sich die Auswirkungen von Pornografie in der Grenzenlosigkeit des Netzes als unabsehbar erwiesen haben.

Die Pornographie ist deshalb netzaffiner als alles andere auf dieser Welt, weil sie gleich ihrem Medium nichts als definitiv anerkennt und als letztes Maß nur das dauergeile Ich und dessen Wünsche gelten lässt. Porno muss sich nicht anpassen an die Diktatur des Relativismus, die das Netz betreibt. Porno ist schon relativ.

Religion ist es noch nicht. Sie widersteht dem Sich-treiben-lassen dieser Zeit. Natürlich unternimmt sie unentwegt den Versuch, sich anzupassen. Wenn möglich, ohne auf den Kern ihrer Botschaft verzichten zu müssen. Doch hin und wieder scheitert diese Anpassung an einer digitalen Erlebnisgesellschaft, die ihr viel zu häufig deutlich macht, wie überholt sie doch im Grunde ist. Auch der klare, christliche Glaube wird dann häufig als Fundamentalismus etikettiert.

Der Missionar als Trojaner

Von diesem Punkt an ist es nicht mehr weit, um, wie Symantec, durch die Verwendung verallgemeinernder Begriffe, wie “religiöse und ideologische Websites“, unabsichtlich für Schlagzeilen zu sorgen, die das Bild des gefährlichen Missionars und Ideologen digital aufbereiten und symbolisch neu besetzen. Es ist das Bild eines Terroristen. Eines Trojaners, der uns die neu gewonnene, digitale Freiheit nicht gönnt.

Da er aber vom Berg herabging, folgten ihm viele Menschen nach. Und siehe, da kam ein Sünder mit seiner verseuchten Festplatte daher und sprach: Kannst du sie wohl reinigen? Und er streckte seine Hand aus, rührte sie an, lachte herzlich und sprach: Now Be Safe Son, Keep On Watching Porn.

Fotos: flickr/knivesout (CC BY-NC-ND 2.0) , flickr/iarahei  (CC BY-NC-SA 2.0)

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