Influencer Marketing – Alles nur Schein?
Von Verena Schmid
Produktvorstellungen, Rabattcodes und gesponserte Beiträge sind auf der sozialen Plattform Instagram wohl mittlerweile kaum mehr wegzudenken. Wenn Instagram von Werbung und gesponserten Beiträgen überschwemmt wird, leidet die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Influencer und Werbepartner darunter. Die Stuttgarterin Sara wirbt als Influencerin für verschiedene Produkte in ihrer Story und in Posts. Im ersten Beitrag der Reihe rund um das Thema Online Marketing erzählt Sara uns, wie sie dazu kam und wie sie über den aktuellen Influencer Markt denkt.
Nutzer können auf Instagram selbst zu Gestaltern werden und Geld verdienen. Es gibt keine strenge Abgrenzung mehr, sondern ein aktives Mitgestalten. Dies unterscheidet die sozialen Medien von Massenmedien wie dem Fernsehen oder dem Radio. Die Macht, Denkmuster zu formen wurde durch Social Media demokratisiert, denn jeder kann heute einen solchen Account eröffnen und so eine Stimme erhalten – vor allem Influencer mit hoher Reichweite können ihren Einfluss bewusst nutzen. Auch Sara nutzte Instagram vor ein paar Jahren erst privat. Damals postete sie nicht viel. Doch sie fand immer mehr Gefallen daran, Bilder von sich selbst oder schönen Erlebnissen und Momenten zu teilen. Etwa nach einem Jahr hatte sie an die 10.000 Follower und somit eine gute Reichweite, um für Marketingzwecke eingesetzt zu werden.
„Ich sehe Instagram als Möglichkeit, mich selbst zu erfinden.“
Sara beschäftigt sich auf ihrem Instagram Kanal hauptsächlich mit den Themen Lifestyle und Mode. Die 23-jährige nutzt die Plattform seit fünf Jahren, als nach einem Jahr immer mehr Firmen auf sie zu kamen und sie für Kooperationen anfragten. Sie selbst sieht sich trotz der knapp 30.000 Follower eher nicht als Influencerin. Denn es gebe Leute, die noch viel mehr Einfluss auf ihre Abonnenten haben als sie. Sara postet zwar fast täglich Inhalte in ihre Story, aber bei den Bildbeiträgen kann es auch mal sein, dass sie mehrere Tage oder auch eine Woche nichts teilt. Sie nutze die Plattform eher zum Spaß. „Also ich sehe Instagram persönlich als Möglichkeit, mich neu zu erfinden: Ich lasse mich gerne fotografieren und bearbeite meine Bilder. Für mich ist Instagram eine Art Kunstplattform.“, sagt sie. Sie ist dankbar dafür, dass sie damals so schnell und einfach in das Kooperationsgeschäft einsteigen konnte. Heute sei es ihrer Meinung nach schwieriger, von heute auf morgen erfolgreich zu sein, da der Influencer Markt überschwemmt sei.
„Vor fünf Jahren war es so viel einfacher an Reichweite zu gewinnen. Die Leute haben sich wirklich für die Posts interessiert, weil es noch nicht so überlastet war wie heute. Wenn ich da mal ein gutes Bild gepostet hab, als ich nur 5.000 Follower hatte, haben das trotzdem 3.000 Leute geliked und 2.000 neue Follower sind mir gefolgt. Heutzutage gibt es mehr Blogger oder Möchtegern-Blogger als alles andere.“
Influencer, also Einflussnehmer oder Meinungsmacher, sind Instagrammer, Blogger oder YouTuber, die mit ihren Followern eine gute Reichweite erreicht haben, von der Unternehmen profitieren wollen.
„Ohne diesen „schönen Schein“ kein Begehren, kein Geschäftsmodell. So funktioniert eben Werbung.“ (NDR, 2017)
Die Influencer übernehmen die Rolle eines Markenbotschafters, eines Testimonials. Nicht nur die Followerzahl ist entscheidend für den Erfolg der Zusammenarbeit von Influencer und Firma. Influencer müssen auf die Zielgruppe des Produkts oder der Marke zugeschnitten sein, mit den Anhängern interagieren und authentisch sein, denn viele Fans und Follower sehen Influencer als Experten, als Vorbilder an, die eine bestimmte Reputation besitzen, sodass sie ihre Abonnenten positiv beeinflussen. Auch wenn Instagram ein starker Kanal für Influencer Marketing sei, kämpfen Influencer weltweit aktuell laut einer Studie von InfluencerDB mit sinkenden Interaktionsraten. Viele User seien überfordert und genervt von den vielen werbenden Beiträgen der Influencer. Durch die große Breite von Influencern und ihren „Sponsored Posts“ – Beiträgen, die mittels #Ad als Werbung gekennzeichnet sind, könnte die Influencer-Werbe-Branche durchaus an Authentizität und Glaubwürdigkeit verlieren. Instagram vermittelt häufig eine ideale Scheinwelt, auch wenn Influencer ihre Authentizität betonen. Dargestellt werden nur die positiven Seiten des Lebens, teure Kleidung und perfekte Menschen.
Am besten sind hinsichtlich der Interaktion mit Abonnenten wahrscheinlich Micro Influencer aufgestellt, Influencer zwischen circa 1.000 und 10.000 Follower. Sie wirken authentischer, da sie eine engere Bindung zu ihrer Community haben, sich mehr Mühe bei ihren Inhalten geben und oft auch „special interests“ ansprechen.
„Wenn Influencer mit einer Vielzahl an Unternehmen zusammenarbeiten, ist es jedoch kaum mehr möglich, fließende Übergänge zwischen Werbung und nichtkommerziellen Inhalten des Videos zu schaffen. Häufig folgt ein harter Schnitt und der Youtuber geht zu einer Art Dauerwerbesendung über ein bestimmtes Produkt über. Es folgen genervte Reaktionen, die auch auf die Marke des beworbenen Produkts abfärben.“ (Springer Professional, 2017)
Authentizität vs. Ästhetik
Sara möchte ehrlich zu ihren Followern sein und sagt ihnen auch mal, wenn etwas nicht so gut ist an einem Produkt, das sie bewirbt. Anfangs nahm sie die meisten Kooperationen, die sie angeboten bekam, an, auch wenn sie nicht ganz von dem Produkt überzeugt war. Einfach, weil es etwas Besonderes war, dass sich mal eine Firma gemeldet hat, und man ein bisschen aufsteigen konnte, sagt sie. Mittlerweile überlegt sie es sich gut und lehnt auch einige Anfragen ab. Sie nimmt nur noch Kooperationen an, bei denen sie auch dahintersteht und sie Lust hat, dafür auf Instagram zu werben.
Ab einer gewissen Größe kommen Unternehmen auf den Influencer zu. Im Netz findet man jedoch auch etliche Plattformen, bei denen man sich als Unternehmen und als Influencer anmelden kann, um Kooperationen umzusetzen und von Unternehmen gebucht zu werden. Ab einer bestimmten Mindestanzahl, häufig ab 10.000 Anhängern, kann das Geschäft auf den „Influencer Marktplätzen“ beginnen. Die amerikanische Influencer-Marketing Agentur Mediakix testete bei einem Experiment, wie leicht es ist, als Fake Influencer mit Stock Fotos, gekauften Followern und Likes an richtige Werbedeals mit Unternehmen zu kommen. Das Ergebnis: sehr leicht – und vor allem billig. Schon nach kurzem wurden den zwei imaginären Influencerinnen Kooperationen angeboten, bevor das Experiment dann aufgelöst wurde.
Bei verschiedenen Tools im Internet kann man sich für wenige Euro 100, 1.000 oder 50.000 Instagram Follower und Likes kaufen, um als Influencer durchzustarten – Ein Experiment von VICE zeigte ebenfalls, dass es kinderleicht geht, einen Fake Account mit gekauften Followern und Likes aufzubauen. Henri, der Bürohund wurde rasant zum Fake-Influencer: ein echter Hund mit falschen Fans. Zwar können anfangs gekaufte Follower erst einmal die Followerzahl erhöhen, doch dies hat eher negative Effekte auf die Engagement Rate, also die Interaktion mit den Anhängern, denn diese sind nicht am Content der Person interessiert, entweder weil es Fake-Accounts oder maschinelle Bots sind.
Für Unternehmen ist es komplett nutzlos bei Fake-Followern für ihre Marke zu werben. Das Unternehmen müsse laut futurebiz.de jedoch für jeden Abonnenten zahlen, egal wie wertvoll oder wertlos dieser sei, denn der Preis für Kooperationen mit Influencern basiere auf Tausender-Kontakt-Preisen. Das Blöde daran: Unternehmen können ohne die Anwendung eines Analysetools, etwa InfluencerDB, nur über gekaufte Follower und Bots mutmaßen.
Influencer – ein Beruf wie jeder andere?
Dass hinter den schönen Postings und Storys der Influencer auch eine Menge Arbeit steckt und Instagram zu einem erfolgreichen Geschäft geworden ist, bestätigt Sara. Man ist auf einen Fotografen angewiesen, wenn man das Model ist und bei schlechtem Wetter muss man das Zimmer für das perfekte Bild umstellen, damit es „Influencer Like“ aussieht. „Also es ist viel anstrengender als es aussieht, heutzutage ist Instagram schon ein Beruf.“, so Sara. Besonders vor Weihnachten oder der Cyber Week ist die Zusammenarbeit mit Firmen zu Werbezwecken hoch. Sara hatte in dieser Zeit acht Kooperationen parallel, die jeweils unterschiedliche Anforderungen hatten. Für Sara, die das nur nebenher macht, war das ziemlich zeitaufwändig und anstrengend.
„Die eine Kooperation sollte morgens vor elf Uhr sein mit bestimmten Hashtags und acht Story Sequenzen, in der man sprechen soll, der andere Kooperationspartner hatte wieder andere Wünsche und der nächste auch. Man hat oft Vorgaben, wie die Postings ablaufen sollen und man ist nicht mehr frei. Das was ich eigentlich so an Instagram gefeiert hab, dieses Kreative und dass jeder sein kann, wer er sein möchte, gibt’s nicht mehr. Es wird alles in eine Schublade gesteckt und jeder soll sich so verhalten, wie es die Firma möchte. Wenn man die Anforderungen dann nicht erfüllt, bekommt man Stress.“
Sara berichtet von einer Kooperation, bei der die Firma absolut kein Verständnis hatte, als sie im Krankenhaus war und nichts posten konnte. Daraufhin beendete sie sofort die Zusammenarbeit. Sara möchte authentisch und glaubwürdig bleiben und sich in nächster Zeit etwas aus dem Geschäft des Influencer Marketings zurückziehen. Instagram will sie weiterhin nutzen, jedoch ohne großen Zwang und Stress durch Kooperationen mit den Firmen. Sie ist der Meinung, dass die Arbeit im Influencer Bereich zu einem Wettbewerb geworden sei, obwohl der Hintergedanke von Instagram ein anderer war. Sie befürworte deshalb die Ausblendung von Likes, um eine Spaltung zu verhindern.
„Ich habe mir vorgenommen, 2020 nicht mehr so viele Kooperationen anzunehmen, sondern wirklich nur das zu machen, worauf ich wirklich Lust habe. Ich habe die Reichweite, die ich vor allem für mein Business nutzen möchte, das ich mir im Beauty Bereich aufbauen möchte. Social Media ist zu überlastet.“
Influencer auf Dauerwerbesendung
Instagram bietet Menschen die Möglichkeit, Werte und Ideologien zu teilen und mit der Verbreitung von Markenbotschaften eine lukrative Einnahmequelle zu schaffen. Durch einen weiterwachsenden Markt an Influencern und ihren gesponserten Beiträgen, wird es aber immer unüberschaubarer. Die Plattform wächst zu einer reinen Werbeplattform heran, wo Kreativität und Freiheit Fehlanzeige sind. Es schadet ihrer Glaubwürdigkeit – und den Werbepartnern, wenn Influencer zu profitorientiert vorgehen. Abonnenten nehmen dem Influencer überdurchschnittlich häufige gesponserte Beiträge oder undeutlich gekennzeichnete Product-Placements übel und überspringen die Werbepanels. Nicht alle sind der Werbung grundsätzlich abgeneigt, denn viele gehen den Kaufempfehlungen ihres Lieblings-Influencers weiterhin nach. Aber im Gegensatz zu klassischer Werbung im vorgegebenem Zeitrahmen wollen Follower nicht ständig Werbung sehen, sondern den ursprünglichen vertrauten Content des Influencers.
Oft hat die voranschreitende Kommerzialisierung in den sozialen Medien nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Hintergrund von Instagram zu tun: Menschen zeigen einander was sie tun, lieben, denken. Es ist Zeit für ein Umdenken. Weg von der Massenproduktion, zurück zu mehr Glaubwürdigkeit und Authentizität. Der nächste Artikel der Beitrags-Reihe handelt von personalisierter Werbung und Datenschutz im Internet.
Quellen:
- https://www.futurebiz.de/artikel/instagram-statistiken-nutzerzahlen/
- https://www.wuv.de/tech/influencer_kaempfen_mit_sinkender_engagement_rate
- https://www.vice.com/de/article/zmmnn8/so-einfach-ist-es-als-fake-influencer-geld-auf-instagram-zu-verdienen
- https://www.vice.com/de/article/wjwvwz/applausfabrik-follower-kaufen-instagram-influencer-werden
- https://www.futurebiz.de/artikel/warum-gekaufte-follower-influencer-marketing-kampagne-ruinieren/