Willkommen in Pornotopia

von Sebastian Seefeldt

Generation Porno: Mythos oder Realität? Pornovideos machen mittlerweile 30 Prozent des Internet-Datentraffics aus, die Sexualisierung schreitet auch in der virtuellen Welt unaufhaltsam fort und verändert – angeblich – eine ganze Generation.

42 Prozent der 11- bis 13-Jährigen haben bereits pornografische Produkte konsumiert. Bei den 14- bis 17-Jährigen sind es 79 Prozent. Es sind Zahlen wie diese, die nur all zu leicht zu Vorurteilen wie der „Generation Porno“ führen. Schlussendlich ist es nur die Feststellung, dass Pornografie konsumiert wird.  Die eigentlichen Fragen sollten aber lauten: „Was machen Pornos mit den Jugendlichen?“ und „Wie gehen die Jugendlichen mit den Pornos um?“.  Eine Hamburger Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Rezeption von Pornografie bei Jugendlichen klar gegendert ist, also Männer und Frauen klare, unterschiedliche Rezeptionsmuster aufweisen.

„What do boys do with Porn?“

Gunter Schmidt und Silja Mattheisen unterscheiden drei typische Settings in denen Pornos gesehen werden. Jedes von ihnen führt zu einem anderen typischen Rezeptionsmuster.  Am Seltensten wird der Porno gemeinsam mit der Freundin gesehen. Nur ein Viertel der Befragten Jungen hat das überhaupt versucht. Deutlich mehr (über 50%) haben Pornos schon in Gruppen konsumiert. Hier steht aber nicht die sexuelle Erregung im Mittelpunkt, sondern die gemeinsame Belustigung an besonders groteskem, bizarrem oder sonstigem „extremem“ Sex. Wird alleine dem Liebesspiel gefrönt, dient es für 91% der Jungen als sexueller Stimulus zur Masturbation – redet man also über Pornos und Jungs, redet man zwangsläufig auch über Masturbation. Für Jungs sind Pornos daher etwas ganz Normales und Selbstverständliches so wie eben auch die Masturbation.

 „What do Girls do with Porn?“

Mädchen begegnen pornografischen Inhalten meist ungewollt: Beim Surfen im Netz oder beim Zappen im Fernsehen – sie suchen pornografische Inhalte sehr selten gezielt auf. Nur 38% der Befragten sahen sich die Filme alleine an, meist aus reiner Neugier, um zu sehen, wie „es“ geht. In Gruppen verhalten sie sich ganz ähnlich wie Jungs – auch bei ihnen steht der Lacherfolg im Vordergrund, auch wenn hierzu kein „Hardcore Material“ herangezogen wird. Gemeinsam mit dem Partner sehen ebenfalls nur wenige die schlüpfrigen Filme, denn meistens ist Sie genervt und Er erregt – keine gute Mischung. Jungs und Mädchen „benutzen“ Pornos also auf unterschiedliche Weise. Wie wirkt sich aber der Konsum auf die Jugendlichen aus? Kann der alltägliche Konsum in einer dermaßen prägenden Zeit wie der Pubertät wirklich ohne Folgen bleiben?

 What does Porn do to Teens?

Um diese Frage zu beantworten, muss beachtet werden, dass Jugendliche durchaus mit einer Erwartungshaltung an das Medium Porno treten: Auf so genannten „Lovemaps“ sind schon lange vor der ersten sexuellen Phantasie unsere individuellen Liebes- und Sexualentwürfe codiert. Diese sexuellen Skripte enthalten die Struktur des individuellen sexuellen Verlangens und bilden sich schon in Kindheit und Vorpubertät. Sie werden vor allem durch unsere Beziehungs-, Geschlechts-, Körper- und Bedürfnisgeschichten geprägt. Diese „Blaupause des Begehrens“ wird mit Einsetzen der Pubertät sexualisiert, so die Forscher Schmidt und Mattheisen. Lovemaps dürfen aber nie als abgeschlossen gesehen werden, sie werden stets um- und weitergeschrieben.

Im Sinne des medienwissenschaftlichen Nutzen- und Belohnungsansatzes liegt also, selbst bei den 12- und 13-Jährigen, eine Erwartungshaltung gegenüber dem Medium vor. Sie sind keine willenlosen Zombies, die durch die Filme der roten Industrie leicht beeinflusst werden können – sie sind willentliche Rezipienten und sehr selektiv. Was nicht der Lovemap entsprich ist meist uninteressant. Ein Freischein kann die Medienwirkungsforschung der Pornografie dennoch nicht ausstellen, denn anscheinend können sie ein konservatives Frauenbild – die Frau als reines Sexualobjekt – fördern. Der Mann darf in solchen Filmen nicht nur der „coole Checker“ und die Frauen nicht nur „haltlose Schlampen“ sein, wie die Stuttgarter Professorin Petra Grimm betont.

 Zwischen Fakt und Fiktion

Teenager sind durchaus in der Lage zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden. Natürlich kann und wird das Liebesspiel mit dem Partner durch Pornografie angeregt, neue Stellungen werden ausprobiert usw. Aber sie sind in der Lage, den virtuellen, medialen Sex von ihrem privaten Sexualleben zu trennen – die beiden Welten koexistieren nebeneinander. Der Sex im Schlafzimmer soll ganz „normal“ sein, der Lovemap entsprechen. Schon als Kind lernen wir klar den Unterschied zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Märchen und Realität. Pornografie wird bewusst als Fiktion wahrgenommen und wirkt auch dementsprechend nur bedingt auf die Rezipienten. Denn Pornos sind, verharmlost gesagt, doch nur Märchen – mit Sex.

Man sollte die Pornografie also nicht zu schnell verurteilen – sie dient zu mehr als nur zur Masturbation. Sie kann aufklärend wirken. Sie kann Inspirieren oder – so scheint es zumindest – auch „lustig“ sein. Ja, die Jugend sieht Pornos, aber nein, sie wird nicht versuchen ihr Pornotopia in der realen Welt umzusetzen.

Fotos: flickr/sewitsforyou (CC BY-NC-ND 2.0) und flickr/Ptqk (CC BY-NC-SA 2.0)

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