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Wie lässt sich Inklusion medial unterstützen?

Von Nico Henkel, Felix Groß

„Menschen ohne Behinderung haben oft doch eine Behinderung, und zwar in die Richtung, dass sie dich meist nicht vorstellen können, was ein Mensch mit Behinderung so alles kann“, so Raúl Krauthausen in einem Blogbeitrag. Was führt einen Aktivisten für Inklusion zu so einer Aussage und welche Rolle spielen die Medien beim Prozess der Inklusion?

Im vorangegangenen Artikel ging es um die Frage, wie inklusive Sportveranstaltungen, wie die Special Olympics World Games im Jahr 2023 den Prozess der Inklusion antreiben können. Eine wichtige Herausstellung dabei war, dass nicht allein die Medienpräsenz, die sich durch solche Sportveranstaltungen ergibt, den Prozess der Inklusion vorantreiben kann, sondern dass es auch auf die Art und Weise ankommt, in der über Menschen mit Behinderung berichtet wird, oder allgemeiner die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung und dem Prozess der Inklusion, die an Leser*innen herangetragen wird. So heißt es auch im Deutschen Pressekodex, dass Niemand wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden darf. Dass es trotzdem zu Berichterstattungen gekommen ist, die Menschen mit Behinderung als Leidende, Opfer oder Helden dargestellt haben, ist Grund dafür, dass es Initiativen wie „Leidmedien“[1] gibt, wobei Journalist*innen für die Berichterstattung mit und über Menschen mit Behinderung sensibilisiert werden sollen.

 

Die richtige mediale Aufmerksamkeit

In diesem Beitrag soll es nun darum gehen, wie sich Inklusion medial umsetzen lässt. Dabei ist es uns wichtig diese Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Zum einen ist es wichtig für die Berichterstattung von Medienschaffenden über Menschen mit Behinderung, dass Sie in ihren Artikeln und Beiträgen eine Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung wiedergeben, die eine Vorstellung davon, was eine Behinderung bedeutet, von Menschen mit Behinderung selbst stammt. Es darf nicht dazu kommen, dass eine Gruppe im gesellschaftlichen Diskurs unsichtbar wird. Medien haben dabei die Möglichkeit, sichtbar zu machen, zu informieren und aufzuklären, zu sensibilisieren und Vorurteile abzubauen. Daher ist es besonders wichtig, dass es Aktivist*innen wie Raul Krauthausen gibt, die ihre Lebenswirklichkeit und Gedanken zu gesellschaftlichen Themen teilen.

Die Relevanz von Aktivist*innen

„In der U-Bahn kann sich niemand aussuchen, neben wem man sitzt. In dem Moment sind alle gleich. Inklusion sollte genau so funktionieren. Nur durch Begegnung machen wir Fortschritte. Solange vor der U-Bahn aussortiert wird, wer mitfahren darf, wird das nichts.“[2] – Twitter- und Instagrambeitrag von Raul Krauthausen vom 27.09.2022.


Dieser postet seine Gedanken und Meinungen zu verschiedenen Themen auf vielen sozialen Medien wie Instagram, YouTube, Twitter oder seiner Webseite Raúl.de[3] und erhält dadurch eine immer größere Zuhörerschaft.

In einem Blogbeitrag mit dem Titel „Wie behinderte Menschen vergessen werden, wenn von ´Diversität´, ´Vielfalt´ und ´Inklusion´ die Rede ist“ kritisiert Raul Krauthausen, dass Menschen mit Behinderung beim Thema Diversität zu kurz kommen oder ganz vergessen werden. Mit der Aussage „Menschen ohne Behinderung haben oft doch eine Behinderung, und zwar in die Richtung, dass sie dich meist nicht vorstellen können, was ein Mensch mit Behinderung so alles kann“[4] wird Raul Krauthausens Standpunkt deutlich. Er fordert, dass Menschen mit Behinderung nicht länger dem Recht verwehrt werden, sich selbst durchzusetzen, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit oder Scheitern und Persönlichkeitsentwicklung zu machen. Inklusion heißt Begegnung.

Medienpädagogik als Schlüssel zu funktionierenden inklusiven Schulklassen

Auf der anderen Seite wollen wir aufzeigen, wie eine Arbeit mit Medien den Prozess der Inklusion beitragen kann. So schreiben Thomas Beckermann und Dirk Neumann in einem Beitrag[5] zu einer Durchgeführten Studie, dass nicht alle Schüler*innen einer zweiten Klasse in der Lage sind, sich eine Lektüre lesend zu erarbeiten. Dabei seien gerade in einer heterogenen Schülerschaft gemeinsame Lerninhalte eine besondere Herausforderung. Die genannten Herausforderungen seien gerade in inklusiven Klassen vorhanden. In ihrem Beitrag behandeln die Autoren, wie digitale Medien das gemeinsame Lernen unterstützen können. Die Herausforderungen, die heterogene Klassen, besonders inklusive Klassen haben, tun sich unter anderem darin auf, dass einige Schüler*innen eine reduzierte Lesegeschwindigkeit sowie eine erschwerte Sinnentnahme und Textverständnis haben, was gerade bei längeren Texten zu Überforderung führen könne. Untersucht wurde daher, wie digitale Medien, in diesem Beispiel eine Internetplattform, die textergänzende Sprachaufnahmen verwendet, die Möglichkeiten der Kooperation, Individualisierung und Handlungsorientierung bietet. Die Autoren beschreiben hierbei, dass die Unterrichtsgestaltung gezeigt habe, dass die Erarbeitung von Video- und Tondateien mit der Internetplattform LeraningApps.org effektiver sei als das passive Konsumieren, das Bearbeiten von Arbeitsblättern oder Fragestellungen im Anschluss. Die Internetplattform biete dabei vielfältige Möglichkeiten, die besonders für die Aspekte Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Text sowie Individualisierung und Personalisierung und kooperatives, Kollaborationen Lernen wirken.

Medien können also so genutzt werden, dass sie die Aktionsspielräume behinderter Menschen, z.B. mit Hilfe eines barrierefreien Webdesigns, zu Wegweisern und dadurch der Exklusion entgegenzuwirken. Dafür bedarf es auch einer selbstbestimmten Nutzung von Tablets durch Menschen mit kognitiver Behinderung.

Die Medienpädagogik[6] verfolgt das Ziel, die Vorzüge digitaler Technologien für den Unterricht zu erschließen und somit die Entwicklungsperspektiven für Menschen mit und ohne Behinderung anzubieten. Für Menschen mit Behinderung sind dabei besonders assistive Technologien, wie Screenreader, die den Bildschirminhalt vorlesen, sowie barrierefreie Internetplattformen mit eLearning Angeboten in einfacher Sprache geeignet. Mediale Räume können allerdings auch den Identitätsaufbau unterstützen, indem sie ein Forum bieten und eine Auseinandersetzung gegenüber Menschen mit Behinderung zulassen.

Die Eigenproduktion von Medien stellt also einen elementaren Prozess in Richtung des Erwerbs und der Umsetzung von sozialer und politischer Handlungsfähigkeit mit dem Ziel gesellschaftlicher Teilhabe dar.

Inklusion ist kein Zustand sondern ein Prozess. Diese Erkenntnis ist für die Auseinandersetzung mit der Rolle der Medien entscheidend. Medien können auf der einen Seite den Prozess der Inklusion antreiben, indem sie Plattform für einen Austausch bieten, indem sie eine Plattform für Aktivist*innen bieten, die ihre Lebenswirklichkeit teilen und indem Medienberichterstattungen großer Zeitungen oder Sender mit Menschen mit Behinderung gemeinsam Berichte erstellen und eine Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung verbreiten, die der Lebenswirklichkeit behinderter Menschen gerecht wird. Medien können aber auch genutzt werden, damit inklusive Schulklassen mit einer heterogenen Schülerschaft besser zusammen lernen können.