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Beinahe Unsichtbar

Über die Repräsentation und Darstellung von Asexualität in Serien

Von Lara Wörner

Es gibt nichts, was es nicht gibt! Dieses Motto scheint auf den ersten Blick zu gelten, wenn man die aktuelle Serienwelt betrachtet. Diese setzt sich aus einer Vielzahl von ganz unterschiedlichen Thematiken, Handlungen sowie Charakteren zusammen. Doch bezieht die vermeintliche Vielfalt auch in der Gesellschaft nur wenig wahrgenommene Personen mit ein? Ein Blick auf die Darstellung von Asexualität zeigt, dass noch viel zu tun ist, um eine Serienwelt zu schaffen, die die Diversität unserer Gesellschaft tatsächlich repräsentiert.

Zu Beginn eine einleitende Frage: Welche asexuellen Charaktere aus Filmen und Serien fallen dir ein? Für viele Meschen wäre diese Frage wohl gar nicht so leicht zu beantworten – so vielleicht auch für dich. Einer Großzahl an Personen würde vermutlich erst mal eine weitere Frage in den Sinn kommen: Was ist das überhaupt, Asexualität? Aber auch selbst die Menschen, die über die Thematik informiert sind, würden wohl ihre Schwierigkeiten haben, auf die Schnelle asexuelle Seriencharaktere aufzuzählen. Woran liegt das?

Die heutige Serienwelt greift eine Vielzahl an unterschiedlichen Thematiken und Handlungen auf. Es scheint dabei selbstverständlich zu sein, dass die  Darstellung von intimen Liebesbeziehungen eine zentrale Rolle einnimmt. Von Disney-Klassikern bis hin zu den großen Netflix-Produktionen unserer Zeit: Es ist wohl kaum abzustreiten, dass die romantische Liebe bis hin zur sexuellen Intimität zwischen Menschen im medialen Fokus der Unterhaltungswelt steht.

Mittlerweile scheinen große Serienproduzenten wie Netflix, Amazon und Co. dabei zumindest teilweise erkannt zu haben, dass auch das Porträtieren gesellschaftlicher Diversität  von Bedeutung ist. Dies zeigt sich unter anderem an der wachsenden Anzahl an Produktionen, die vermehrt auch Menschen der LGBTQIA+ Community und ihre Beziehungen zueinander aufgreifen sowie zu zentralen Handlungssträngen machen (beispielsweise in Netflix-Serien wie Young Royals, Elite oder Heartstopper).

Allerdings gibt es noch immer Teile der LGBTQIA+ Community, die kaum bis gar nicht in der Serienwelt anzutreffen sind. Dazu gehören auch asexuelle Personen und Figuren (die Hervorhebung dieser sexuellen Orientierung in diesem Artikel soll keinesfalls aussagen, dass es nicht auch andere Personengruppen wie Trans- oder non-binäre Menschen gibt, die von Unterrepräsentation in der Serienwelt betroffen sind).

Was ist Asexualität überhaupt?

Asexualität ist eine sexuelle Orientierung, bei der Personen wenig bis gar keine sexuelle Anziehung gegenüber anderen Personen verspüren. Es gibt nicht nur eine Form von Asexualität, sondern diese zeichnet sich vielmehr durch ein breites individuelles Spektrum aus. Auch muss eine Unterscheidung zu dem Konzept der A-Romantik getroffen werden, das bedeutet, dass Menschen wenig bis gar keine romantische Bindung zu anderen Personen aufbauen können. Weitergehend muss hier deutlich gesagt werden, dass ganz verschiedene Formen von A-Romantik als romantischer Orientierung existieren und es Personen gibt, die sowohl asexuell als auch aromantisch sind, aber genauso auch Personen existieren, die nur einer der beiden Orientierungen entsprechen. 

Wirft man einen genaueren Blick auf die mediale Darstellung von Asexualität, so fällt auf, dass asexuelle Charaktere in der heutigen Serienwelt kaum anzutreffen – beinahe unsichtbar sind. Dies lässt sich unter anderem auch auf die vermeintlichen Normen unserer Gesellschaft zurückführen. In dieser wird das Führen intimer Liebesbeziehungen als das eine Lebensziel angesehen. Dass es auch Menschen gibt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht nach diesem vermeintlichen Ideal-Prinzip leben, scheint häufig schlichtweg ausgeblendet zu werden.

Der Verein AktivistA, der sich für die Sichtbarmachung des asexuellen Spektrums einsetzt, weist auf die bisher nur sehr geringe Zahl an existierenden asexuellen Serien-Charakteren hin. Auf der Website des Vereins wird eine Liste mit als asexuell zu verstehenden Charakteren geführt [1]. Doch nicht nur die überschaubare Anzahl fällt dabei auf. Betrachtet man einige dieser Charaktere genauer, so zeigen sich auch in bereits existierenden Darstellungen von Asexualität durchaus Problematiken auf. Genannt werden auf der Liste von AktivistA unter anderem Spongebob aus der Serie Spongebob Schwammkopf und die Rolle der Florence in der Netflix-Produktion Sex Education. Beide Charaktere repräsentieren einzeln, jeweils sehr anschaulich, Problematiken in der Darstellung asexueller Charaktere und sollen daher im Folgenden genauer betrachtet werden.

Interpretation statt Repräsentation

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Am Beispiel der Serie Spongebob Schwammkopf zeigt sich ein häufiger und typischer Umgang mit vermeintlich asexuellen Serien-Charakteren. Dabei werden diese durch Serienmacher*innen und Darsteller*innen als asexuell gelabelt, was allerdings nur im Nachhinein oder im Laufe der Ausstrahlung einer Serienproduktion passiert (zum Beispiel in Interviews oder auf Pressekonferenzen). Die Serie Spongebob Schwammkopf war im Laufe der Jahre immer wieder von Spekulationen rund um die Sexualität ihres Hauptcharakters betroffen. Im Jahr 2005 erklärte der Schöpfer des Charakters, Stephen Hillenburg, schließlich gegenüber der Presse, dass Spongebob asexuell sei [2]. Konkret in der Serie angesprochen wird dessen Asexualität aber nicht, was auch die vielen Spekulationen erklärt. Ebenso wird auch die angebliche Asexualität in der Serie weder konkret benannt noch genauer erklärt. Der Begriff asexuell scheint häufig viel eher außerhalb des eigentlichen Seriengeschehens in den Raum geworfen zu werden, um Spekulationen voranzutreiben und somit auch indirekt die Aktivität von Fangruppen und Communities zu steigern. Im Internet finden sich zahlreiche Beiträge die Spongebobs Sexualität diskutieren. Anstatt mit dem Thema offen umzugehen, werden Theorien befeuert. Ob dies im Sinne betreffender Personen stattfindet, ist fragwürdig.

Am Beispiel der Serie Spongebob Schwammkopf wird aber auch ein weiteres Problem sichtbar: die teils problematische konkrete Darstellung von asexuellen Charakteren (oder zumindest die durch Interpretation oder Erklärungen ihrer Macher*innen mit Asexualität in Verbindung gebrachten Charaktere). Spongebob ist kein Mensch, sondern ein Schwamm und dazu noch eine Zeichentrickfigur. Er ist dementsprechend wohl kaum ein Charakter, der ausreichend Identifikations-Potential für Zuschauer*innen besitzt. Das zeigt sich auch daran, dass seine Asexualität außerhalb des eigentlichen Seriengeschehens immer wieder auf die realen, nicht-sexuellen Fortpflanzungsformen von Schwämmen bezogen wurde, anstatt sie wie eine tatsächlich existierende sexuelle Orientierung zu behandeln.

Dabei ist eine ausgeprägte Identifikationsfunktion von asexuellen Charakteren ebenso wichtig wie eine verstärkte quantitative Repräsentation. Gerade aufgrund der geringen Aufklärung in der Gesellschaft, ist es von großer Bedeutung, Charaktere auf den Bildschirm zu bringen, die Menschen ansprechen, indem sie Asexualität auf eine realistische und nachvollziehbare Weise darstellen. Serien-Produktionen eignen sich für dieses Vorhaben besonders gut. Sie ermöglichen Zuschauer*innen, die Charaktere ausführlich und über einen längeren Zeitraum hinweg kennenzulernen, während beispielsweise in vielen Filmen häufig vergleichsweise wenig Zeit dafür bleibt.

Außerdem sprechen viele Serien-Produktionen auf Netflix und Co. besonders ein junges Publikum an, welches sich in einer Phase der Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität befindet. Genaue Zahlen in Bezug auf die Häufigkeit von Asexualität sind nur schwer auffindbar. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Dalia Research aus dem Jahr 2016 bezeichneten sich im europäischen Durschnitt 1,4 Prozent der Befragten als asexuell [3]. Zwar scheint dies auf den ersten Blick eine recht geringe Menge an Personen zu sein. Die Dunkelziffer könnte allerdings weit höher liegen, wenn man beachtet, dass vielen Personen das Wort asexuell vermutlich noch nie untergekommen ist. Es ist gut möglich, dass weit mehr Menschen tatsächlich keine sexuelle Anziehung gegenüber anderen Personen empfinden, dies aber aufgrund fehlender Aufklärung und der vermeintlich gesellschaftlichen Normen nicht realisieren, versuchen zu unterdrücken oder zu überwinden. Die Einbindung von asexuellen Charakteren in Serien ermöglicht es, diesem Umstand entgegenzuwirken und besonders junge Menschen zu erreichen, die sich über ihre sexuelle Orientierung noch unklar sind.

Gelungener Ansatz mit Luft nach oben

Tatsächlich existieren aber auch bereits durchaus gelungene Darstellungen von asexuellen Charakteren in Serien. Anzuführen ist an dieser Stelle zum Beispiel die Netflix-Serie Sex Education, welche in einer Folge der zweiten Staffel eine asexuelle Figur einführt. In einer berührenden Szene erklärt die Mutter des Hauptcharakters Otis, welche als Sextherapeutin arbeitet, der Figur Florence, dass ihr fehlendes sexuelles Verlangen keineswegs abnormal sei. Sie greift damit eine mögliche Angst von asexuellen Personen auf, nicht „normal“ im Sinne der gesellschaftlichen Erwartungen zu sein und fasst dies in einem Satz zusammen: „Sex macht uns nicht ganz, wie könntest du also je kaputt sein?“ Damit versucht die Serie, gezielt auf den Bruch mit gesellschaftlichen Erwartungen sowie auf das Erlangen von Selbst-Akzeptanz einzugehen. So wird ein gelungener Einblick in mögliche reale Herausforderungen von asexuellen Personen ermöglicht.

Trotzdem gibt es auch in Sex Education durchaus kritisch zu betrachtende Punkte im Umgang mit Asexualität. So kommt ein Problem zum Vorschein, welches nicht selten bei der Darstellung von explizit als asexuell vorgestellten und eingeführten Charakteren in Serien existiert. Die Figur Florence stellt nämlich eine wirklich kleine Nebenrolle dar, welche im Verlauf der Serie nicht wieder gezeigt oder erwähnt wird. Gerade solche Darstellungsweisen sind ebenfalls durchaus problematisch. So wird unterschwellig vermittelt, dass die Figur zwar zur Erklärung und Aufklärung, bezogen auf ihre Sexualität, einen Platz in der Serie verdient hat. Allerdings scheint Florence im Anschluss daran nicht mehr interessant genug zu sein, um weiter ausgeführt und in die Handlung eingebunden zu werden. Es bleibt festzuhalten: In Sex Education steht, wie eben in so vielen anderen Unterhaltungsserien auch, die sexuell-romantische Zusammenfindung von Charakteren im Vordergrund. Dies scheint die Figur für den weiteren Serienverlauf im Sinne der bereits erwähnten Normen von Serien-Produktionen vermutlich wenig interessant zu machen.

Was konkret zu tun ist

Die Einführung asexueller Charaktere in Serien wie Sex Education ist ein wichtiger Schritt, um die Aufklärung in der Gesellschaft voranzutreiben. Das reicht aber nicht aus. Wir leben in einer immer diverser aufgestellten Gesellschaft, die bei weitem nicht nur Menschen repräsentieren sollte, die in sexuell aktiven und romantischen Partnerschaften leben. Es ist an der Zeit, dass auch in Serien asexuelle Charaktere mehr als nur einen kleine Nebenrolle einnehmen und generell häufiger gezeigt werden. Zugleich ist festzuhalten, dass es wichtig ist, Geschichten zu erzählen und auf den Bildschirm zu bringen, in denen der Weg hin zur Erkenntnis und Auslebung der eigenen Sexualität im Vordergrund steht. Ein vielleicht noch etwas weit entfernt erscheinender Traum wäre abschließend, eine Serienwelt zu erschaffen, in der asexuelle Menschen im Rampenlicht stehen, ohne dabei rein auf ihre Asexualität reduziert oder mit einem starken Fokus darauf portraitiert zu werden – eine Serienwelt, in der es mehr als nur die eine Form von romantischer und sexueller Liebe gibt und die zugleich die breite Vielfalt an Menschen abbildet, die tatsächlich in unserer Gesellschaft leben. Inwiefern eine Annäherung an diese Vorstellungen in den kommenden Jahren erfolgen wird, bleibt abzuwarten.