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Sexismus in der Sportpresse (Teil 2)

Steckt die gleichberechtigte Darstellung von Athletinnen und Athleten immer noch in den Startblöcken?

Von Jonathan Palm

Mit der Entwicklung des Sports ging parallel auch ein zunehmend mediales Interesse einher. Der damit einhergehende Sportjournalismus hat teilweise jedoch bis heute eine sexistische Tendenz inne. Den Sportlerinnen blieb für eine lange Zeit eine angemessene Berichterstattung verwehrt und sie haben bis heute mit einer tendenziellen Ungleichheit zu kämpfen.

Hier geht’s zu Teil 1 der Artikelreihe. 

Trotz attestierter Besserung mit den Jahren, weisen Wissenschaftler, neben der formalen Ebene, auch immer noch auf alte Schemata der Zweigeschlechtlichkeit auf inhaltlicher Ebene hin. Dennoch befindet sich die Sportberichterstattung, wie auch andere soziale Bereiche unserer Gesellschaft, in einem Wandel. Umso auffälliger, dass es neben den Zeitungen mit überwiegen geschlechtsneutraler Berichterstattung auch heute noch Ausnahmen gibt.

Sport ist „Männersache”

Um ein Verständnis dafür zu bekommen, wieso Frauen in der Sportpresse bis heute für ihre absolute Gleichberechtigung kämpfen müssen, lohnt sich ein kleiner Blick auf die Ursache der Ausgrenzung von Frauen im modernen Sport:

Bereits Ende des 19. Jahrhundert standen im Rahmen des Sports die Leistungsfähigkeiten des menschlichen Körpers im Mittelpunkt. Beim Vergleich zwischen Mann und Frau nutzte man überwiegend anatomische Erkenntnisse, um psychologische Eigenschaften des jeweiligen Geschlechts abzuleiten. Anhand dessen wurden Männern zunehmend Charaktereigenschaften zugeordnet, die auf Kraft und Stärke hinweisen. Frauen allerdings bescheinigte man im Gegenzug Charaktereigenschaften, denen Schwäche und Emotionalität zugeordnet wurden. Vor diesem Hintergrund wurden Frauen lange Zeit sogar komplett vom Sport ausgeschlossen. Und das alles aufgrund der Geschlechteranthropologie. So etablierte sich auch im Sport das Geschlecht als „natürliches Ordnungsmuster“, bei dem der Mann über der Frau steht. Das ruft zwei konkrete Probleme hervor:

  1. Die vermeintlich natürliche Ordnung wird als Legitimation für das Aktualisieren sozialer Geschlechtsdifferenzen herangezogen, vor allem in körperzentrierten Handlungssystemen wie dem Sport.
  2. Es liegt im Charakter des sportlichen Systems, dass eine klare Unterscheidung zwischen den Geschlechtern attestiert wird. Dadurch werden die Faktoren der Zweigeschlechtlichkeit immer wieder in den Köpfen der Gesellschaft verstärkt.

Das Problem mit den Medien

Die Sportberichterstattung ist eine alltägliche Produktion der Massenmedien und bietet somit ein breites Spektrum an Möglichkeiten, Geschlecht medial zu inszenieren. Diese Bilder sind wirkmächtig für unser Denken, gesellschaftliche Strukturen, Diskurse und vieles mehr. Was alle Medien gemein haben: Sie strahlen das für die Rezipierenden vermeintlich Reale aus. Man spricht hierbei von Medienrealität.

Medienrealität

Die Medienrealität ist eine von den Medien konstruierte Realität, die sich sogar von Institution zu Institution unterscheidet, auch wenn es sich um denselben Sachverhalt handelt. Sie entsteht durch zwei aufeinanderfolgenden Realitätskonstruktionen:

  1. Medien selektieren, interpretieren und bewerten ihre Themen automatisch. Das geschieht in der Regel im Rahmen der Strukturen, denen Medienhäuser unterliegen.
  2. Vor dem Hintergrund des eigenen Wissens, bestehend aus eigenen Vorstellungen und sozialen Deutungsmustern, interpretieren Betrachter das Rezipierte erneut.

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Das kann vermehrt dazu führen, dass Vorstellungen über ein Geschlecht immer mehr an mediale Bilder und Texte gebunden sind. Auch stellen sie eine Ordnung von Mann und Frau her, wodurch den Rezipierenden eine vermeintliche Eindeutigkeit der Zweigeschlechtlichkeit präsentiert wird. Infolgedessen prägt dieses Bild auch, worauf der inhaltliche Fokus in der Sportberichterstattung gelegt wird. Bei Medieninhalten gehen Rezipierende grundsätzlich davon aus, dass das Mitgeteilte als relevant und sinnvoll einzustufen ist. Infolgedessen trägt auch der Inhalt zur konstruierten Zweigeschlechtlichkeit bei – ein Teufelskreis.

Geschlechtervielfalt

Nicht nur aufgrund einer tendenziell diskriminierenden Sportberichterstattung über Frauen ist es bedenklich und verwerflich, Zweigeschlechtlichkeit zu vermitteln, sondern vor allem aufgrund der bunten Vielfalt an Geschlechtern, die es in der Realität gibt. 

Die alten Schemata des Prints

Ab 1972 setzte die Sportberichterstattung in den Printmedien auch auf außersportliche Aspekte, was sich dann ab den Achtzigern in einer großen Anzahl an Artikeln niederschlug, die das Aussehen von Sportler*innen beschrieben. Dabei lassen sich eklatante Unterschiede in der Darstellung des Äußeren zwischen Männern und Frauen erkennen. Hinzu kommt eine geringschätzende Darstellung von Sportlerinnen durch trivialisierende und verniedlichende Bezeichnungen bis hin zu Sexualisierung durch Formulierungen wie „hübsche Beine“ oder „knackige Figur“. Durch das vermehrte Bedienen von Vorurteilen der Weiblichkeits- und Männlichkeitsidealen und das Betonen derer, werden diese immer wieder aktualisiert.

Die Zweigeschlechtlichkeit auf sprachlicher Ebene

Wie bei den formalen Aspekten in Teil 1 beschrieben, arbeitet man auch auf inhaltlicher Ebene mit unterschiedlichen Akzentsetzungen bei der Darstellung von Sportler*innen. Dabei konnten in der Forschung bereits interessante Beobachtungen gemacht werden. Sportliche Ereignisse der Frauen werden immer als solche explizit bezeichnet (z.B. „Frauen“-Fußball-WM), während Wettkämpfe der Männer ohne ein sogenanntes „Gender Marking“ auskommen. Diese sprachliche und in den meisten Köpfen verankerte Gewohnheit lässt die Ereignisse der Männer als Norm dastehen und deklassiert die der Frauen. In der Literatur stößt man bei der sprachlichen Inszenierung von Sportlerinnen häufig auf eine Trivialisierung und Verniedlichung, die sich meist in einer Bewertung des Aussehens niederschlägt. Dann fallen zumeist Begrifflichkeiten wie „hübsch“, „schön“ oder „süß“, während bei Männern Attribute der Stärke und Macht überwiegen („Muskelberg“, „mächtiger Oberkörper“), was sich bis heute durch die Berichterstattung zieht. Wenig überraschend wurde überwiegend der Bild-Zeitung angelastet, Sportlerinnen nicht als ernst zu nehmende, starke Persönlichkeiten, sondern als niedliche Mädchen zu inszenieren. Allerdings belegen deutsche Studien, dass in der Berichterstattung heute auch bei Frauen die sportliche Leistung immer mehr zum Tragen kommt. In über 85% der Texte wurde diese gleichermaßen thematisiert, bei einer Untersuchung von Zylka (2015) sogar zu 94,1%. In Pressetexten stößt man mittlerweile nur noch selten auf eine explizit sexualisierende Sprache gegenüber Sportlerinnen. Zudem zeigen neuere Erkenntnisse auch, dass über 60% der Texte überhaupt nicht auf das Äußere anspielen. Bei den restlichen 40% sind es dann allerdings doch Frauen, auf deren Aussehen der Fokus gelegt wird. Außerdem wird heute vor allem den Körperbau unter die Lupe genommen. Die Art und Weise der Darstellungen sind dabei allerdings geschlechtsunabhängig. Sieht ein*e Sportler*in kräftig und stark aus, dann wird diese*r in den meisten Fällen auch genau so beschrieben.

Die Zweigeschlechtlichkeit auf bildlicher Ebene

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Die Sportberichterstattung lebt von der Visualisierung der Sportler*innen und deren sportlichen Leistungen. Dabei hinterlassen Bilder durch ihre Unmittelbarkeit einen starken ersten Eindruck und prägen das Auftreten der Sportler*innen. Während männliche Sportler häufig in ihrer Sportartausübung oder in kämpferischen Auseinandersetzungen gezeigt werden, hinterlassen Bilder von Sportlerinnen häufiger einen passiven Eindruck, also werden in nicht-sportlichen oder privaten Situationen gezeigt. Diese Art der bildlichen Darstellung scheint allerdings, wie auch bei den formalen Aspekten, nicht für Großereignisse zu gelten. Auch hier scheint der „Olympic-Game-Effects“ zu greifen. Das bereits in Teil 1 vorgestellte Phänomen sorgt dafür, dass unabhängig des Geschlechts, Aktionsfotos am häufigsten für die visuelle Darstellung von Sportler*innen verwendet werden. Dass Bilder, die Frauen vermehrt sexualisieren, Verwendung finden, scheint zunehmend überholt und überwiegend im Stile des Boulevards zu liegen. Dieser bedient sich häufig erotisch anmaßenden Bildern von Sportlerinnen, deren öffentliches Image in starkem Maße auf die Zurschaustellung weiblicher Schönheit reduziert wird.

Die Sportberichterstattung im Printjournalismus befindet sich auf inhaltlicher Ebene auf einem guten Weg zu einer gleichbedeutenden Darstellung von Sportlerinnen – zumindest was die oberflächlichen Inhalte betrifft. Eine besonders positive Entwicklung ist, dass die Leistungen von Sportlerinnen zu einem mittlerweile sehr großen Teil in gleicher Weise gewürdigt werden wie die ihrer männlichen Kollegen und auch, dass auf die Reduktion auf das Aussehen zunehmend verzichtet wird. Wie allerdings bei den formalen Aspekten auch, gibt es in der Sportberichterstattung über Sportler*innen immer noch Optimierungsbedarf. Vor allem im Boulevard werden Sportlerinnen vermehrt sexualisiert und die sportliche Leistung trivialisiert. Dennoch sind die Qualitätsmedien auf einem sehr guten Weg, den Sportlerinnen die Bühne zu geben, die sie auch verdienen.

Quellen:

Hartmann-Tews, I. & Rulofs, B. (2002b). Ungleiche (Re-)Präsentation von Sportlerinnen und Sportlern in den Medien? Internationaler Forschungsstand und aktuelle Befunde. In G. Pfister (Hrsg.), Frauen im Hochleistungssport. Hamburg: Feldhaus Edition Czwalina. 

Klein. M.-L. (1986). Frauensport in der Tagespresse. Eine Untersuchung zur sprachlichen und bildlichen Präsentation von Frauen in der Sportberichterstattung. Bochum: Studienverlag Brockmeyer. 

Rulofs B., Hartmann-Tews I. (2017) Mediale Präsentation von Sportler_innen in der Presse – Ein Überblick zu den Befunden inhaltsanalytischer Studien. In: Sobiech G., Günter S. (eds) Sport & Gender – (inter-)nationale sportsoziologische Geschlechterforschung. Springer VS, Wiesbaden.  

Zylka J., (2017). Aktualität des Doing Gender der Sportberichterstattung im deutschen Printjournalismus (Bachelorarbeit, Sportwissenschaft mit dem Profil Medien und Kommunikation). Tübingen