Not in my backyard – Nicht auf meinem Rasen
von Sebastian Seefeldt
Die Homophobie und der deutsche Profifußball – definitiv kein Sommermärchen. Wenn Christoph Daum, damals noch Trainer des 1. FC Köln öffentlich homosexuelle beleidigt, wenn Tausende Kehlen im Singgesang den VFB als „Schwabenschwuchteln“ bezeichnen, spätestens dann fühlt sich der aufgeklärte Mensch des 21. Jahrhunderts in ein mittelalterliches Zeitalter zurückversetzt. Dabei dominieren immer wieder die gleichen Vorurteile.
Der DFB ist homophob
Dem DFB wird seit Anbeginn der Zeit eine homophobe Haltung vorgeworfen – völlig zu Unrecht. Viele Menschen begehen den Fehler, den Fankosmos mit seinem eingeschränkten, starren Horizont und die Einstellung des DFBs gleichzustellen. Der DFB arbeitete unter Präsident Theo Zwanziger jahrelang mit Verbänden wie dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), Queer Football Fanclubs (QFF) und der European Gay & Lesbian Sport Federation (EGLSF) zusammen. Fraglich bleibt allerdings, wie erfolgreich diese Zusammenarbeit ist: In jedem Bundesligaspiel begegnet man einem Stadion, in dem Sprechchöre wie „schwule Sau“ noch harmlos sind, einem Stadion, in dem Homosexualität zur Stigmatisierung dient, kann und darf nicht als aufgeklärtes Stadion angesehen werden. In einem Stadion gelten andere Regeln: Es ist primitiv und von den positiven Entwicklungen der letzten Jahre unangetastet. In Zeiten von öffentlich schwulen Bürgermeistern, Comedians und Vizekanzlern scheint der Fußball als „letztes Reservat der Männlichkeit“ zu dienen.
Am 2. März hat Wolfgang Niersbach das „Erbe“ von Theo Zwanziger angetreten – fraglich bleibt, ob er es schaffen wird, die „Primitiven“ zu kultivieren. Denn selbst Zwanzigers Aufruf zum Outing, mit einer einhergehenden umfangreichen Unterstützung, blieben unerhört – feuerten die Debatte dennoch weiter an: Während Mario Gomez zum Outing rät, „wir haben einen schwulen Vizekanzler, der Berliner Bürgermeister ist schwul. Also sollten sich auch Fußballprofis zu ihrer Neigung bekennen“, steht Philipp Lahm der Thematik mehr als kritisch gegenüber „Der Spieler, der sich jetzt outen würde, der geht jedes Wochenende vor zigtausend Zuschauern seinem Job nach. Ein Guido Westerwelle spielt nicht jedes Wochenende vor 60.000 Zuschauern Fußball“. Wie sich ein Outing auf die Problematik auswirken würde, kann im Vorhinein wohl nicht prognostiziert werden – feststeht allerdings: Die Debatte ruht auf einem zentralen Klischee.
Es gibt keine Schwulen im Fußball
Analytisch betrachtet ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar gibt es keine eindeutigen Daten, wie viele homosexuelle Männer in Deutschland leben, denn „schwul“ ist immer eine Definitionssache und nicht jeder ist dazu bereit sich in einer Umfrage als homosexuell zu outen. 2001 kam eine repräsentative Umfrage von EUROGAY auf 4,1%. Aus genannten Gründen kann diese Zahl als absolute Untergrenze angesehen werden. Ein Rechenspiel: 18 Vereine spielen in der 1. Bundesliga, somit gibt es 198 Spieler in den jeweiligen Startaufstellungen. Geht man nun von einer Quote von 4,1% aus, kommt man auf mindestens 8 schwule Spieler in der Profiliga – allein in den Startformationen. Dass sie sich unter dem aktuellen Diktat der Männlichkeit nicht outen wollen, ist nur logisch – wie der Kommentar von Lahm erahnen lässt, ist sich der Sport längst seiner Homophobie bewusst. Der, einem Outing zwangläufig folgende, mediale Spießrutenlauf kann – im wahrsten Sinne des Wortes – tödlich sein, wie das Schicksal von Justin Fashanu tragisch bewusst macht.
„Justin Fashanu wurde von zwei Polizisten abgeführt. Er hatte sich geweigert, den Trainingsplatz zu verlassen. Brian Clough, Trainer von Nottingham Forrest, hatte den Stürmer 1982 rausgeschmissen. Er hatte erfahren, dass sich Fashanu in der Schwulenszene bewegte. Clough wollte die „verdammte Schwuchtel“, wie er es formulierte, nicht mehr in seiner Mannschaft haben. Das große Talent Fashanu, das bei Norwich City Ende der 70er-Jahre überzeugend aufgespielt hatte, wagte 1990 ein öffentliches Coming Out. Das Boulevard-Blatt „The Sun“ bezahlte ihm dafür 80.000 Pfund. Der öffentliche Druck sollte Fashanu zerbrechen, am 2. Mai 1998 erhängte sich Fashanu in einer Garage in London, er wurde 37 Jahre alt“ (dfb.de).
Das Outing von Fashanu mag zwar einige Zeit zurückliegen, aber es wirft immer noch seinen Schatten über die Profiliga.
Alle Fußballerinnen sind Lesben
Im Frauenfußball scheint der Begriff Homophobie nicht mehr gerechtfertigt – Hass und Diskriminierung wären die besseren Ausdrücke. „Lesben raus!“ titelte die Taz als die nigerianische Trainerin bekannt gab, sie würde die „dreckige Lebensweise“ nicht tolerieren. Vorfälle wie diese sind ein Grund dafür, wieso Frauen sich nach und nach aus dem Fußball zurückziehen. Wie manifestiert das Lesben-Stereotyp mittlerweile ist, lässt der Kommentar der Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf erkennen:
„Ich habe einmal eine Vertreterin eines Sponsors gefragt, was denken Sie, warum wir so wenig Fußballerinnen in der Werbung sehen? Wir als Medienwissenschaftler erwarten dann so was wie: Der Bekanntheitsgrad ist nicht so hoch, wir brauchen jemanden, der sehr bekannt ist. Aber die Person antwortete: Das ist doch total klar, warum die keine Werbepartner haben. Das sind doch alles Lesben und wer will schon Lesben in der Werbung sehen. Ich habe dann gedacht, ist das jetzt die persönliche Meinung? Wird erst auf die sexuelle Orientierung geschaut und dann ein Vertrag verhandelt? Aber sie meinte dann: Nein, nein, meine persönliche Meinung ist das nicht, ich habe überhaupt kein Problem damit. Aber Ähnliches haben auch andere Sponsoren gesagt, dass sie selber kein Problem damit haben, aber von anderen Kollegen wissen, dass es ein Problem für die Konsumenten ist.“
„Ich habe überhaupt kein Problem damit“ – das könnte die zentrale Aussage der Problematik sein. Anscheinend hat niemand – oder nur wenige – ein Problem mit homosexuellen Sportlern, doch sobald nicht mehr die eigene Meinung gefragt ist, sondern die der Masse, herrscht im Fußball eine homophobe Stimmung. Homosexualität schön und gut – aber bitte nicht auf unserem Rasen.
Foto: Peter Ankerstål/flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Dieser Text ist ein Beitrag zur Aktion der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum “Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie” am 17.5.2012. Auf media-bubble.de gibt es dazu auch eine Aktionsseite.
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