GEMA vs. Youtube

von Sebastian Seefeldt

Nicht ganz so geil fand es wohl die Band Deickind, als statt ihrem Musikvideo zu ihrer eigenen Single „Leider Geil“ ein trauriger, roter Quadratschädel auf YouTube zu sehen war. Genervte Youtube-Benutzer verschreien die GEMA schon als getarnte Zensurbehörde – woher kommen nun diese ominösen YouTube-Sperren?

Die Kontrahenten

Dass die GEMA die alleinige Schuld an den gesperrten Videos auf YouTube trägt, ist ein urbaner Mythos. Zunächst sperrt nicht die GEMA die Videos, sondern YouTube selbst. Der Grund für den Streit zwischen Google-Tochter und Verwertungsgesellschaft sind 12 Videos, die die GEMA aus dem Netz getilgt sehen möchte, unter anderem „Rivers of Babylon“. Da sich GEMA und Google nicht auf ein Vergütungsmodell einigen konnten, klagte die GEMA zu Beginn des Jahres gegen die Videoplattform. Der Kernpunkt des Streits scheint die Frage zu sein, ob es sich bei der Plattform um einen Content Provider, also einem Service, der auf Abruf multimediale Inhalte zur Nutzung bereitstellt, handelt oder nicht – denn an diese Frage ist die Vergütungsform geknüpft. Interessanterweise wird hier keine Urheberrechtsdebatte im Sinne von ACTA und Co. geführt, letztendlich scheint sich alles um das Geld zu drehen.

Die Streitfrage

Die GEMA sieht die Google-Tochter als klassischen Content Provider und fordert daher eine Vergütung pro abgespielten Clip. YouTube hingegen schlägt ein Modell vor, dass die Künstler prozentual an den Werbeeinnahmen beteiligen würde – ähnlich wie im Rundfunk.

Paradoxerweise hat sich YouTube mit anderen, GEMA ähnlichen Institutionen, wie der PRS in Großbritannien, auf das Vergütungsmodell pro Click geeinigt – also ganz so, wie die GEMA es fordert. Somit gibt Google indirekt selbst die Antwort auf die Frage nach dem Bezahlmodell.

Vergleicht man jedoch die Summen, die die Verwertungsgesellschaft in Großbritannien erhält und den Betrag, den die GEMA – gerüchteweise – fordert, wird auch klar, wieso Google versucht sich als „Rundfunkanstalt“ zu staffieren. Die PRS erhält pro 1 Millionen Klicks im Schnitt 118,50 Euro. Die GEMA fordert, angeblich, das 20-fache. Sie argumentiert dabei mit ihrem rechtlichen Auftrag, den Künstler für die Nutzung ihrer Werke angemessen zu entlohnen. Laut Google sind die Forderungen allerdings übertrieben. Auszahlungen in diesem Ausmaß würden das Geschäftsmodell zerstören – aber ist ein Geschäftsmodell gerechtfertigt, dass zu Lasten der Künstler geht? Laut Gerichtsurteil: nein. YouTube ist daher seit Beginn des Jahres dazu verpflichtet, seine Useruploads zu überwachen  und im Falle, dass der Künstler einen Vertrag mit der GEMA eingegangen ist, das Video für Deutschland zu sperren – auch wenn der Upload von der Band selbst stammt. Doch nicht nur Musikvideos sind im Visier der GEMA, letztendlich soll jeder Clip gesperrt werden, der Inhalt eines „GEMA-Musikers“ enthält.

Die Vergessenen

„Sooo, ‚Leider geil‘ ist jetzt auch gesperrt. Ob Plattenfirma, YouTube oder GEMA, egal wer dafür verantwortlich ist. Wir wollen, dass unsere Videos zu sehen sind. Regelt euren Scheiß jetzt endlich mal und macht eure Hausaufgaben. Ihr seid Evolutionsbremsen und nervt uns alle gewaltig.“

Wenn ein Rechtstreit damit endet, dass den Künstlern die Möglichkeit zur Selbstinszenierung genommen wird, muss eine Lösung her. Schließlich ist die eigene Musik doch die beste Werbung – vor allem für Bands wie Deichkind, die den Großteil ihrer Einnahmen durch Liveauftritte erhalten.

Die Netzgemeinde hat mittlerweile ihren ganz eigenen Weg gefunden, mit dem Debakel umzugehen: Browser Plug-ins wie ProxTube erlauben es, geblockte Videos zu entsperren. Hierzu wird die eigene IP über einen Proxyserver umgeleitet. So wird YouTube glaubhaft gemacht, dass der eigene Rechner in Amerika, also einem „GEMAfreien“ Land, stehen würde.

Die Konsequenz

Das Ergebnis des Zusammentreffens von Verwertungsgesellschaft und Google-Tochter ist ernüchternd: Geld bekommt keiner – nicht einmal 118,50 Euro für 1 Millionen Klicks. Die User sehen sich die Videos trotzdem an und für Künstler wird der Kontakt mit dem Konsumenten unnötig kompliziert. So können wir nur über Umwege ihr Produkt – ihre Kunst – betrachten, die uns eine Kaufentscheidung deutlich erleichtern könnte. YouTube und GEMA streben mittlerweile eine Klärung in letzter gerichtlicher Instanz an, laut Experten werden sich die Verhandlungen über sechs bis zwölf Monate ziehen – sechs bis zwölf Monate in denen die Künstler keinen Cent von YouTube bekommen werden.

Fotos: flickr/muskelberg (CC BY-NC-SA 2.0)

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