ASMR – Abends mal Intimität statt Pornos?
Von Priscilla Ackermann und Luna Thalmann
Flüstern, kauen, streicheln – für manche sind die Geräusche dieser Aktivitäten einfach nur Töne, manche werden davon aggressiv. Doch für einen nicht unerheblichen Anteil an Menschen bedeuten diese „Trigger“ Entspannung und Wohltuung – sie werden in sogenannten ASMR-Videos extra für diese Menschen produziert. Hier erfahrt ihr, was es mit dem Phänomen auf sich hat und wieso die Videos inzwischen eine so große Fan-Gemeinde haben.
Der Tag war lang, die Arbeit hart. Da heißt es: Erst mal runterkommen. Ich öffne meinen Browser und klicke mich bis zum Video einer jungen Blondine durch’s Netz. Sie lächelt mir darin liebreizend zu, beugt sich langsam vor, bis ihr Gesicht mehr als den halben Bildschirm füllt. „I missed you so so much“, flüstert sie – und ein wohltuendes Kribbeln durchfährt meinen Körper. Es beginnt am höchsten Punkt meines Kopfes, wandert über meinen Nacken zu meinem Rücken hinab und bringt einen wohltuenden Dämmerzustand mit sich. Wie in Trance kann ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf die Frau, ihre Stimme und ihre weichen Handbewegungen. Meine kreisenden Gedanken finden keinen Halt mehr. Der Schlaf ergreift mich zunehmend.
Es ist nicht, wonach es klingt: Bei der beschriebenen physiologischen Reaktion auf konkrete audiovisuelle Stimuli handelt es sich keineswegs um „Schmuddelkram“, sondern um das Wahrnehmungsphänomen Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR). Manche fühlen es, manche nicht. Es ist eine Art Kopfkribbeln, das sich zumeist entlang der Wirbelsäule über den Hals und den oberen Rücken ausbreitet und nur wenige Sekunden anhält. Es fühlt sich an, als würde man eine Kopfspinne benutzen – aber eben ohne berührt zu werden. Manche nennen dieses Kopfkribbeln aufgrund seiner euphorisierenden und entspannenden Wirkung auch brain- oder eargasm.