Geheimnisse der zweiten Dimension
von Sebastian Luther
In Japan Gang und Gäbe, hierzulande noch eine Rarität: QR-Codes. Ursprünglich zur Identifikation von Produktionsteilen in der Autoindustrie entwickelt, haben sie sich in Europa bislang nicht durchsetzen können. Doch wie funktionieren sie? Was kann man damit machen? Und werden sie sich hier noch etablieren?
Vom Barcode zum QR-Code
QR-Codes gehören zu den sogenannten zweidimensionalen Codes und wurde im Jahr 1994 von der japanischen Firma Denso Wave entwickelt, um die Zulieferarbeit mit dem Autohersteller Toyota zu vereinfachen. QR steht für quick response, womit der Abruf, bzw. die schnelle Anzeige von Informationen gemeint ist, die online gespeichert sind. Im Gegensatz zu eindimensionalen Strichcodes werden Daten hier in zwei Dimensionen, also entlang der horizontalen und der vertikalen Achse, codiert, sodass die Speicherkapazität sich wesentlich erhöht. So können in QR-Codes alle möglichen Daten gespeichert sein, von einfachen Texten, über E-Mail Adressen, Links zu Webseiten, bis hin zu dem Befehl, eine MP3 abzuspielen, oder ein Video zu starten. Besonders praktisch an ihnen ist, dass sie jeder herstellen kann: Alles, was man dazu benötigt, ist ein QR Generator, wie es sie im Internet zur kostenfreien Nutzung gibt. Auslesen kann die Codes jedes Mobiltelefon mit Kamera und der entsprechenden Software – die es auch umsonst im Netz gibt. Dass der QR-Code den gewohnten Strichcode auf Verpackungen demnächst ablösen wird, ist nicht zu erwarten, da letzterer seinen Dienst noch anstandslos erfüllt. QR-Code ist aber nicht QR-Code: So gibt es etwa DataMatrix-Codes, die auf Briefmarken eingesetzt werden, und Aztec-Codes, die auf Bahn- und Flugtickets zum Einsatz kommen.
Für welches Problem war QR noch gleich die Lösung? Museen, Marketing und Safer Sex
Seit ihrer Entwicklung in Japan konnten sie sich vor allem dort und in den USA durchsetzen, wo man sie auf Werbeplakaten, Visitenkarten oder Verpackungen findet. Die japanische Einwanderungsbehörde benutzt die zweidimensionalen Codes sogar für Aufenthaltsgenehmigungen und Visa. Auch in Deutschland sieht man sie immer häufiger, der Anklang ist bisher jedoch eher verhalten. Die FH für angewandte Wissenschaften Schmalkalden mag eine steigende Akzeptanz zwischen 2009 und 2010 beobachtet haben, hat jedoch nicht nach regelmäßiger Benutzung gefragt, sondern ob überhaupt schon einmal ein Code gescannt wurde. Bedingt durch die unglückliche Fragestellung konnten die Zahlen nur steigen, zur Nutzung in Deutschland gibt es bislang kaum verlässliche Daten. An Gebieten, wo sie zur Anwendung kommen könnten, mangelt es dabei nicht. Neben den oben genannten Bereichen, gibt es sehr kreative Möglichkeiten, QR-Codes einzusetzen. Der österreichische Blog viermalvier berichtet von Museen in Cleveland, Ohio, in Stuttgart und in Derby, England, wo die Codes zu Werbe- oder Austellungszwecken zum Einsatz kamen. Ein französischer Bauer bedruckte gar seine Kühe mit riesigen Codes, um Werbung für seine Produkte zu machen. In Stockholm wurde 2011 eine clevere Kampagne gestartet, um für Safer Sex zu werben. Es wurden 50,000 Kondome verteilt, auf deren Packungen ein QR-Code gedruckt war. Mittels dieses Codes konnte man sich eine App herunterladen, die, kurz vor dem Sex gestartet, den Bewegungsverlauf, Lautstärke der Geräusche und natürlich die Dauer aufzeichnete. Auf der dazugehörigen Webseite konnte man ein Nutzerprofil erstellen, anonymisiert versteht sich, und so ergaben sich humorvolle Ergebnisse, wie etwa „Romantische Punks sind am lautesten“ oder „Unruhige Brünette werden immer langsamer“.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt
Neben solchen harmlosen, kreativen Möglichkeiten lassen sich QR-Codes aber auf für allerlei Unsinn missbrauchen. Einer der einfachsten Möglichkeiten wäre, dass der gespeicherte Link auf eine Phishing-Webseite führt, um sensible Daten abzugreifen – den man sieht einem QR-Code nicht an, was sich dahinter verbirgt. Zudem lassen sich über die programmierten Befehle auch Manipulationen am Gerät vornehmen, damit Nutzerdaten gesammelt, oder Schadprogramme herunterladen werden können, ohne das Wissen des Benutzers. Die Liste möglicher Sicherheitsrisiken ist lang, wie der Professor für Wirtschaftsinformatik Oliver Brendel auf der schweizerischen Webseite netzwoche.ch beschreibt. Entsprechende Maßnahmen sind mittelfristig notwendig, da QR-Codes zwar vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sind, ein vergleichbares System in Zukunft aber Visitenkarten und Kontaktdaten in gedruckter Form komplett überflüssig machen könnte. Spätestens dann, wenn wir alle im Orwell’schen Sinne erfasst, nummeriert und erkennbar gemacht wurden, sollten wenigstens die Sicherheitslücken gestopft sein.
Foto: flickr/ul_Marga (CC BY-NC-ND 2.0); QR-Code: www.qrcode-generator.de
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