CINELATINO – Wo, wenn nicht im Schwabenland?

Von Valerie Heck

Foto: Alexander Gonschior

Bei der Eröffnung des CINELATINO 2016 am 13. April begrüßten nicht nur die Festivalleitung, bestehend aus Paulo de Carvalho, Kathrin Frenz und Pola Hahn, die zahlreichen Besucher, sondern auch der mexikanische Konsul Dr. Horacio Aarón Saavedra Archundia. Er erzählte, dass er vom Präsidenten Enrique Peña Nieto bei dessen Staatsbesuch in Hamburg den Auftrag bekommen habe, einen Ort zu finden, wo die mexikanisch-deutsche Beziehung gestärkt werden konnte. Wo, wenn nicht im Schwabenland war die Antwort von Dr. Saavedra Archundia und so besuchte er das nun schon zum 23. Mal als CineLatino und zum 13. Mal als CineEspañol stattfindende Festival in Tübingen.

Mexiko zu Gast in Tübingen

Alex Gonschior 2Und tatsächlich stellte sich das Festival, das neben Tübingen auch in Stuttgart, Freiburg und Rottenburg zahlreiche Besucher anlockte, als sehr guter Ort für die Entwicklung einer Freundschaft zwischen der deutschen und der mexikanischen Kultur heraus, denn in diesem Jahr bildete Mexiko den Länderschwerpunkt. Nachdem bereits das dritte Mal in Folge der mexikanische Regisseur Alejandro G. Iñarritu einen Oscar gewann, wurde es Zeit, dass in Deutschland auch andere mexikanische Filmtalente in den Fokus rückten. Einer von ihnen ist der Regisseur Fernando Eimbcke, der mit seinem Film „Club sándwich“ das Festival besuchte und die Sources of Inspiration Lecture im Rahmen des Sources 2 Script Development Workshops hielt. Auch Cutter Omar Guzmán Castro alias Julia Pastrana kam extra aus Mexiko zu Besuch, um den Film „Navajazo“ vorzustellen. Dieser handelt von Prostituierten, Drogendealern und einem Pornofilmregisseur, die an der Grenze zu den USA ums Überleben kämpfen. Das Besondere an dem Film: Er zeigt das echte Leben von Menschen in Tijuana zwischen Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit und Sexualität – schonungslos und brutal. Ein weiterer mexikanischer Film füllte nicht zuletzt wegen der Anwesenheit der Regisseurin Tatiana Huezo den Tübinger Kinosaal am Dienstagabend, den 19.04. In „Tempestad“ wird in beeindruckenden Bildern das Schicksal der „Pagadores“, die unschuldig des Menschenhandels beschuldigt wurden, beleuchtet.

Von Spanien bis Ecuador

Das diesjährige Festival zeichnete sich neben einem herausragendem Rahmenprogramm mit Open Festival Space in der Tübinger Innenstadt, einer Hommage an Frida Kahlo im Club Voltaire und der Vernissage zur Ausstellung „Streetart Colombia“ im Blauen Salon vor allen Dingen durch seine zahlreichen Gäste aus. Neben den bereits erwähnten mexikanischen Filmemachern waren zehn weitere Regisseure, Cutter, Produzenten und Experten aus dem spanischsprachigen Raum von Madrid bis Ecuador zu Besuch und bereicherten das Festival mit interessanten Publikumsgesprächen und guter Stimmung

Foto: Alexander Gonschior

Aus Spanien war unter anderem Regisseur Zoe Berriatúa mit dem Film „Los heróes del mal“ zu Gast. Beim Publikumsgespräch im Anschluss an die Filmvorführung ließ es sich der Spanier nicht nehmen, die spanische Filmförderung, die mit Bestechungen Zensur betreibe, zu kritisieren. Laut Berriatúa werden dort nur Filme unterstützt, die positiv ausgehen – eine Vorgabe, die er mit seinen Filmen nicht einhalten mag. Doch mit Álex de la Iglesia als Produzenten am Bord konnte er, nachdem er zehn Jahre am Drehbuch saß und kein Geld bekam, den Film doch noch verwirklichen. Ergebnis ist ein Film, der zum Nachdenken über den Ursprung von Gewalt anregt. Vom Sohn des Oscarpreisträgers Fernando Trueba wurde der Film „Los exiliados románticos“ gezeigt. Fast ohne Drehbuch gedreht, zeigt er besonders authentisch und realitätsnah, wie sich drei Freunde mit einem Bulli von Madrid auf den Weg nach Paris machen und dabei die ein oder andere romantische Begegnung haben. Der Festivalgast Ángel Santos stellte sein Werk „Las altas presiones“ vor – ein Film über verpasste Chancen und die lähmende Angst, vermeintlich falsche Schritte zu tun.

Beendet wurde das Festival am Mittwochabend, 20.04., mit dem spanischen Film „El apóstata“ von Federico Veiroj. Hauptdarsteller und Drehbuchautor Álvaro Ogalla war anwesend, um von den Dreharbeiten des Films, der sich um den Atheisten Gonzalo dreht, der mit Mitte dreißig noch keine großen Erfolge in seinem Leben verbuchen kann und beschließt mit dem Austritt aus der katholischen Kirche etwas zu ändern, zu berichten. Ein angemessener Abschluss für eine solch erfolgreiche und aufschlussreiche Festivalwoche.

Fotos: Alexander Gonschior