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Medienpädagogin – ein Beruf mit Sinn

Alumni-Portrait über Mira Wunderlich

Von Annkatrin Voos

Sprüche wie „Medienpädagogik? Was ist das?“ oder „Medien – das lernt man doch auch so!“ hat jede*r schon einmal gehört. Aber Mira sieht das anders und hat sich entschieden, Medienpädagogik als Beruf auszuüben. Und was es tatsächlich heißt, Medienpädagogin zu sein, erfahrt ihr in diesem Portrait.

Bild: Mira Wunderlich

Das Studium im Tübingen hat Mira sehr genossen, vor allem das „Frei sein“-Gefühl, das Kennenlernen toller Menschen und das Studienleben an sich. Ein paar Dinge in Tübingen sind ein absolutes Muss, wenn es nach ihr geht: Eine Stocherkahnfahrt, eine Nacht durchmachen, um rechtzeitig eine Abgabe fertig zu haben, vom WHO mal nach Hause gelaufen sein, im Willi einen Kaffee trinken und Cupcakes essen sowie einmal WG-Party-Hopping gegangen zu sein. Ihre Studienentscheidung bezeichnet sie als „Kurzschlussreaktion“. Zwar war sie schon immer journalistisch interessiert – sie hat zum Beispiel in ihrer Schulzeit als freie Redakteurin bei einer kleinen Zeitung in ihrer Heimatstadt gearbeitet, allerdings war ein Studium der Medienwissenschaft nicht immer das Ziel gewesen. Was sie schließlich überzeugt hat, war ein Flyer, den sie auf dem Studieninfotag bekommen hatte, als sie eine Freundin dorthin begleitete. Während des Studiums plagten sie, wie so viele Studierende vor und nach dem Abschluss, Fragen wie: “Was habe ich gelernt? Was bringt mir das eigentlich?” Von diesen Unsicherheiten über die eigenen Kompetenzen ließ sie sich jedoch nicht aufhalten und mit etwas Abstand stellt sie rückblickend fest: “Man lernt während des Bachelorstudiums zwar noch kein konkretes Handwerkszeug für den späteren Beruf, aber auch Fähigkeiten wie selbstständiges Arbeiten, effiziente Informationsgewinnung, Problemlösungskompetenzen und ähnliches sind für die Zukunft sehr hilfreich und müssen erst einmal erlernt werden.“

…als Medienschaffende

Ursprünglich wollte Mira Journalistin werden. Ein Praktikum in der Kulturwerkstatt in Reutlingen im Bereich Medienpädagogik, in der sie auch über das Praktikum hinaus noch weitergearbeitet hat und viele praktische Erfahrungen sammeln konnte, hat sie aber dann doch umgestimmt. Sie empfand Medienpädagogik als unergründetes Thema und die neue Perspektive hat ihr Spaß gemacht. In Kooperation mit der Kulturwerkstatt schrieb sie ihre Bachelorarbeit und wurde nach dem Studium dort fest angestellt. Die aktive Medienarbeit, im Detail zusammen mit Kindern kreativ etwas zu schaffen, war ihre Aufgabe. Außerdem gab sie Hörspiel-Workshops, Programmierkurse oder drehte Stop-Motion-Filme.

Aus privaten Gründen zog es Mira dann weiter nach München, wo sie durch eine Kollegin von einer offenen Stelle an der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) erfuhr. Zwar rechnete sie sich als Berufseinsteigerin dort keine großen Chancen aus, trotzdem war ihre Bewerbung erfolgreich. Am BLM lernte Mira die konzeptionelle Seite der Medienpädagogik kennen. Vor allem das Thema Jugendmedienschutz hat sie in den Bann gezogen. In München hat es sie allerdings nicht lange gehalten und sie machte sich wieder auf in die Heimat. Auch hier hat ihr eine alte Kollegin ausgeholfen und informierte sie über eine offene Stelle am Landesmedienzentrum in Baden-Württemberg (LMZ), wo ein*e Medienpädagog*in für die medienpädagogische Beratungsstelle gesucht wurde. Sie zweifelte wieder, ob ihr Studium und ihre Fähigkeiten der Stellenausschreibung entsprechen würden, doch sie hatte den Mut sich zu bewerben – mit Erfolg.

Dazu sagt sie: „Man muss sich schrittweise reinprobieren und sich gut verkaufen; man muss dahinterstehen und sagen: Ich kann das! – Hauptsache, man hat Interesse.“ Jeder Tag ist anders am LMZ, erklärt sie. Vor allem die medienpädagogische Beratungsstelle ist eine „Überraschungskiste“ und auch Herausforderung. Per Telefon und E-Mail kann sich jede*r am LMZ Ersthilfe zu medienpädagogischen Themen suchen – gerade bei emotionalen Themen wie Cybermobbing kann einem die Beratung sehr nahe gehen, meint Mira. Außerdem betreut sie das Präventionsprojekt am LMZ. Dort organisiert und konzipiert sie zusammen mit Referent*innen auf Anfrage Workshops zu verschiedenen medienpädagogischen Themen. Auch das Projekt „Gesund altern“ gehört zu ihrem Aufgabenbereich, bei dem sie Senior*innen die digitalen Medien nahebringen möchte und ihnen erklärt, wie sie diese, gerade während der Corona-Pandemie, sinnvoll nutzen und davon profitieren können. Mira ist beim LMZ, einer Behörde, in Vollzeit angestellt und widmet sich dort zu einem großen Teil der konzeptionellen Seite der Medienpädagogik. Als ausschließlich praktische Medienpädagogin sei es schwer, eine Festanstellung zu bekommen, denn es gebe wenig Einrichtungen, die ausschließlich praktische Tätigkeiten anbieten, erklärt Mira. Viele praktische Medienpädagog*innen sind Freiberufler*innen oder haben eine 50%-Stelle bei der Stadtverwaltung oder der Universität, machen dort Medienarbeit und verfolgen mit den anderen 50% freiberufliche Tätigkeiten. Auf die Nachfrage, ob sie noch einen Master anschließen möchte, zeigt sich Mira unentschlossen. Sie könne sich zwar gut vorstellen, in ein paar Jahren aus Interesse noch ein Masterstudium zu machen, gerade habe sie aber das Glück, „nur“ mit einem Bachelor-Abschluss einen guten Job bekommen zu haben, bei dem auch gehaltlich kein Unterschied zwischen den Abschlüssen gemacht werde. Den Master brauche sie aktuell nicht.

Bisherige Lebensstationen

2012-2017 | B.A. Medienwissenschat und Medienpraxis Tübingen

2013-2017 | Kulturwerkstatt e.V. Reutlingen

2018-2019 | Bayrische Landeszentrale für neue Medien (BLM)

Seit 2019 | Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (LMZ)

…als Medienpädagogin

Mira sieht in ihrem Beruf eine Aufgabe mit Sinn. Sie ist der Meinung, dass die Technik schneller war, als wir als Gesellschaft hinterherkommen konnten. Gerade das präventive Arbeiten, das Aufklären, das Sensibilisieren und Angst nehmen (bei allen Altersgruppen), ist für sie eine bedeutsame Aufgabe und sie empfindet es als schön, der Gesellschaft so einen Dienst leisten zu können. „Ich verstehe das, was ich mache, als wichtig und sinnvoll. Das ist befriedigend.“ Die Corona-Pandemie habe dem LMZ dabei in die Karten gespielt, denn viele Menschen realisieren erst jetzt, wie wichtig und einschneidend Medien für das gesellschaftliche Zusammensein geworden sind und habe das kollektive Nachdenken über Fake News, Datenschutz, Big Data, Algorithmen und ähnliches beschleunigt.

Die erste Assoziation mit Medienpädagogik ist die aktive Medienarbeit („Filmchen drehen und so weiter“ – meint Mira etwas sarkastisch), aber die Medienpädagogik ist viel mehr als das, erklärt sie. Es gehe darum, einen gesunden, reflektierten Umgang mit Medien zu schaffen und Medienkompetenzen zu erlernen. Am LMZ stehen sie den Medien nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gegenüber, sondern wollen die Chancen der Medien hervorheben und diese als etwas Positives und Bereicherndes etablieren. Dafür brauche es Wissen und ein Verständnis dafür, wie manche Abläufe vonstattengehen, um als reflektierte*r Mediennutzer*in agieren zu können, so Mira. Die Leitfrage dabei ist: „Die Medien sind da – wie können wir gut damit umgehen?“ Medienpädagogik als Schulfach könnte Mira sich gut vorstellen. Vor allem Themen wir Informationskompetenz und die kreative Medienarbeit, wie zum Beispiel Programmieren oder ähnliches, seien sinnvoll.

Bisher ist die Medienpädagogik eher fächerübergreifend in der Schule integriert, sagt sie. Diese Entwicklung wird höchstwahrscheinlich nicht in den nächsten Jahren aufkommen, trotzdem hält Mira ein Schulfach für Medienkompetenz für sinnvoll und zeitgemäß: „Wir sind im Digitalisierungszeitalter und das [Medienpädagogik] nimmt in den Schulen bisher noch zu wenig Raum ein.“ Es muss aufgeholt werden, fordert sie. Wenn die technische Basis, wie jetzt durch die Corona-Pandemie, weiter ausgebaut wird, folgen daraufhin auch Fragen nach dem richtigen Umgang mit Medien unweigerlich. Das LMZ sei so gefragt wie nie, meint Mira.

… als Mensch

Über die Medienpädagogik als Beruf sagt Mira, dass es zwar ein Job sei, aber dafür ein Guter. Die Medienpädagogik ist ein schöner und vielfältiger Beruf, mit dem sie zufrieden ist, der sie erfüllt und der in Zukunft immer größer und wichtiger wird, davon ist Mira überzeugt. Sie sieht in der Vielfältigkeit der Medienpädagogik keine Schwäche, sondern eine Stärke. Dadurch kann man sich ausprobieren und man hat Freiheiten. Die Schwerpunkte werden dabei in der Praxis gesetzt und durch „Learning by doing“ können auch Medienwissenschaftler*innen mit Interesse und Motivation Medienpädagog*innen werden. Für die Zukunft wünscht sie sich, nicht nur konzeptionell, sondern künftig auch wieder mehr medienpraktisch arbeiten zu können, durch Workshops zum Beispiel. Und das letzte Wort hat Mira selbst:

 

„Habt Vertrauen in eure eigenen Fähigkeiten. Man muss nicht im Studium schon sicher sein, was für einen Beruf man in Zukunft ausüben möchte. Der Weg ebnet sich und manchmal stolpert man auch irgendwo rein, was man vorher noch nicht absehen konnte. Ich möchte euch ermutigen, darauf zu vertrauen.“

 

 

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