Bitte recht hetero! Schulbücher und ihr Weltbild.

von Alexander Karl

Homosexualität in der Gesellschaft bleibt ein Streitthema: Während US-Präsident Obama sich für die Öffnung der Ehe ausspricht, hetzt in Deutschland ein Uni-Professor gegen den Berliner Senat, der homosexuelle Partnerschaften im Unterricht behandeln will. Aber: Wie wird Homosexualität bisher im Unterricht behandelt?

Auch Kinder sollten lernen: „Love is Never Wrong“

Tradition contra Irrglaube

Wie präsent soll Homosexualität in der Gesellschaft und somit auch in den Medien sein? Prozentual zu dem tatsächlichen Anteil, der zwischen 4-10 Prozent liegt? Und wann sollen Schüler mit einer Welt außerhalb des heteronormativen Weltbilds konfrontiert werden? Diese Frage stellt sich nicht nur der Berliner Senat, der in weiterführenden Schulen über Homosexualität diskutieren lassen will, sondern auch der Politikwissenschaftler Jürgen Bellers der Uni Siegen. In einer Facebook-Gruppe der Uni rief er zu einem Treffen der Gruppe „Traditional international“ auf, die als Menschenrechtsorganisation gegründet werden sollte. Es sollte „Mailaktionen an die, die (…) Menschenrechte missachten“, geben, etwa über den Berliner Senat, „der im Unterricht auch homosexuelle Beziehungen als mögliche Partnerschaftsformen lehren will“. Für die Uni Siegen ein mittlerer Skandal, der nicht nur Entschuldigungen nach sich ziehen darf.

In Berlin wird man darüber wohl nur den Kopf schütteln können. Dort gibt es bereits seit 2006 eine Handreichung zum Thema „Lesbische und Schwule Lebensweisen“ in der es heißt: „Sie, liebe Kollegin, lieber Kollege, können dazu beitragen, dass lesbische und schwule junge Menschen ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln und ihnen ihre Mitschülerinnen und -schüler mit Offenheit, Selbstverständlichkeit und Akzeptanz begegnen.“

Das ist auch in den Lehrplänen verankert: Seit dem Schuljahr 2006/2007, werden die Themen „Sexualität und sexuelle Orientierung, sexuelle Identität und gleichgeschlechtliche Lebensweisen“  als Unterrichtsinhalte genannt – etwa in Biologie, Ethik, und Geschichte. Aber auch die Thematisierung in anderen Fächern, etwa Deutsch und Fremdsprachen, aber auch Sport, wird angeregt.

Schulbücher. Oder: Wie viel homo ist erlaubt?

Dies wirkt sich auch auf die Schulbücher aus. Auf Anfrage von media-bubble.de erklärte Dagny Ladé vom Ernst Klett Verlag, dass alle Schulbücher des Verlags „in vollem Maß den Vorgaben des Lehrplans in den Bundesländern [entsprechen], für die sie genehmigt sind. Die Wahl der behandelten Themen, die Ausführlichkeit ihrer Darstellung und die konkreten Unterrichtsaufgaben an den Schüler ergeben sich aus den Vorgaben der jeweiligen Kultusministerien.“ Das heißt, wenn die Kultusministerien in ihren Lehrplänen keinen Wert auf die sexuelle Aufklärung legen, schlägt sich das auch nicht in den Schulbüchern nieder. Doch wie Brigitte Kieser vom Bildungsministerium Baden-Württemberg erklärt, sind Schulbücher kein Allheilmittel. Stattdessen bestünde ein gelungener Unterricht „aus dem Einsatz verschiedener fachdidaktischer Methoden und Unterrichtsmittel.“

Das mag zwar richtig sein, aber nur wenige Lehrer sprechen das sensible Thema Homosexualität fernab des Lehrplans an. Gegenüber media-bubble.de erklärte Brigitte Kieser weiter, dass die neuen Bildungspläne zum Schuljahr 2015/16 „Aspekte wie Heterogenität/Diversität, Empathie, Respekt und Toleranz gerade auch angesichts der weiteren Pluralisierung von Lebensstilen maßgeblichen Stellenwert einnehmen“ werden.

Bis sexuelle Vielfalt also ihren Weg in die baden-württembergischen Schulbücher findet, wird es noch dauern. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich düster aus: Eine Studie des Autonomen Lesben- und Schwulenreferat an der Universität zu Köln (LUSK) aus dem Jahr 2011 ergab, dass von 365 in NRW gängigen Schulbüchern gerade einmal 67 Homosexualität bzw. schwule oder lesbische Lebensweisen thematisieren. In manchen Büchern wird Homosexualität gar in einem Atemzug mit Sodomie und Prostitution genannt. Der Gegenpol dazu sind die Niederlande. Dort sollen in Mathebüchern Aufgaben gestellt werden wie „Zwei Väter kaufen ein Sofa für 1.399 Euro mit 25 Prozent Rabatt. Wie viel müssen sie bezahlen?“. Natürlich laufen auch hiergegen christliche Gruppen Sturm. Zugegeben: Das tun beim Thema Homosexualität die meisten christlichen Gruppen. Aber, liebe christliche Gruppen, warum immer gegen die sexuelle Diversität hetzen? Kümmert euch doch lieber um Männer, die sich rasieren, oder solche, die Schalentiere essen! Das ist auch nicht konform mit der Bibel.

Fernab jeglicher religöser Überzeugungen stellt sich immer wieder die Frage: Welche Rolle sollte Homosexualität in einer aufgeklärten westlichen Gesellschaft spielen? Homosexualität ist keine „Krankheit“ oder „Verwirrtheit“, sondern schlicht menschlich – ein Ausdruck von Diversität. Wenn in Schulbüchern Behinderte, Farbige und andere so genannte „Randgruppen“ ihren Platz finden, muss es eine logische Schlussfolgerung sein, dass auch Homosexuelle dort ihren Platz finden. Denn genauso wenig, wie man durch den Anblick eines dunkelhäutigen Menschen selbst die Hautfarbe wechselt, wird man durch die Lektüre eines homosexuellen Comics schwul oder lesbisch. Stattdessen eröffnet sich den Schülern die Chance, bereits von Kindesbeinen an Homosexualität als eine Facette der menschlichen Gesellschaft anzusehen. Damit es in Zukunft weniger Menschen wie Jürgen Bellers gibt.

Foto: flickr/danny.hammontree (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/leg0fenris (CC BY-NC-ND 2.0)

Dieser Text ist ein Beitrag zur Aktion der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum “Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie”  am 17.5.2012. Auf media-bubble.de gibt es dazu auch eine Aktionsseite.

Facebook als Bewerbungsplus?

von Sandra Fuhrmann

Multitasking ist ihr zweiter Vorname, ihre feste Beziehung ihr Smartphone und ihr Erstwohnsitz ist Facebook. Die Digital Natives – immer erreichbar, ständig online. Eine Generation auf dem Weg mit dem nächstem Stopp Klappsmühle? Oder ist es genau das, was Unternehmen in Zukunft suchen werden? Leute, die allein durch ihre Alltagsgewohnheiten lernen, mit einer bisher nicht vorstellbaren Menge an Informationen umzugehen und deren Technikaffinität eine Effizienz erlaubt, wie sie ohne digitale Medien nie möglich wäre?

Social sells

Durch Aktivitäten in Social Media werden Unternehmen besser wahrgenommen. Das ergab eine Studie des Social Media-Experten Michael Stelzner. Für den Social Media Marketing Industry Report 2011 wurden 3300 Marketingexperten aus Unternehmen befragt. Laut diesen werden besonders Facebook, Twitter, LinkedIn und Blogs verstärkt genutzt, um Marketing zu betreiben. 90 % der Befragten gaben an, dass soziale Netzwerke schon heute extrem wichtig für Unternehmen sind. Die meisten der Firmen hatten durch ihre Social Network-Aktivitäten mehr Abonnenten, mehr Traffic und bessere Ergebnisse im Suchmaschinenranking. Facebook erfreut sich dabei vor allem bei B2C-Unternehmen (neudeutsch für die Beziehung zwischen Unternehmen und Privatperson) großer Beliebtheit.

Teenager-Sex – damit vergleicht Josh Graff, der Marketing Solution Director bei LinkedIn, die Nutzung sozialer Netzwerke. Übung macht den Meister heißt die Devise. Graff bezieht sich dabei auf eine Studie des Chartered Institute of Marketing. Laut der Studie setzen momentan kleine und mittelständische Unternehmen stärker auf die neuen Kommunikationsplattformen als große Unternehmen. Paradox: Von 1000 Befragten war ein Drittel der Ansicht, Social Media sei überhaupt nicht effektiv.

Ganz anders sieht es da schon in der Medienbranche aus. Jan Duschek, Jugendreferent bei ver.di, ist der Meinung, dass gerade in diesem Bereich Social-Media-Kompetenzen ein Vorteil bei der Bewerbung sind. Vieles befinde sich derzeit noch in der Entwicklung. Wohin sie führt? Wer weiß.  Zu media-bubble.de sagte er: „Sicher ist aber, dass die Entwicklung früher oder später Auswirkungen auf den Bedarf nach Fachkräften für diesen neuen Bereich haben wird.“ Eines der Experimente, das sich derzeit noch in Kinderschuhen bewegt, ist beispielsweise der F-Commerce-Markt, der Handel auf Facebook. Duschek prognostiziert, dass sich Unternehmen in Zukunft verstärkt an den neuen Medien orientieren und ihre Geschäftsmodelle auf diese abstimmen könnten. „Das würde dann noch stärker als bisher Auswirkungen darauf haben, wie wir konsumieren und die Beschäftigungsstruktur des gesamten Groß- und Einzelhandels beeinflussen.“

Orientierung im Dschungel und ein Pudel namens Dudel

Was zur Hölle ist ein Eierfon und wie soll bitteschön ein Dudel aussehen? Die Entwicklung der Neuen Medien ist schnell und nimmt an Geschwindigkeit weiter zu. Wer nicht damit aufwächst, für den kann es genau so schnell schwierig werden, die Übersicht zu behalten. Weiterbildung wird darum immer wichtiger – gerade wenn man die zunehmende Orientierug von Unternehmen an den Medien betrachtet. Im Bereich der beruflichen Fortbildung gibt es schon jetzt Angebote, wie die Aus- oder Weiterbildung zum Social-Media-Manager. In  Kursen soll den Teilnehmern dabei vermittelt werden, wie die Möglichkeiten von Social Media effektiv genutzt und zum Vorteil von Unternehmen eingesetzt werden können.

Allgemein fällt jungen Menschen der Umgang mit neuen Medienformen bekanntlich leichter. „Allerdings sind nicht alle Menschen, die viel Zeit bei Facebook und Co. verbringen gleich Social-Media-Experten“, sagt Duschek. „Die Gefahr besteht, dass die junge Generation verlernt, nach Hintergründen und den manchmal komplexen Zusammenhängen zu fragen.“ Junge Leute nehmen Facebook, Twitter und Co. vielleicht manchmal als zu selbstverständlich hin. Sie sehen sich durch ihr Nutzerverhalten einer ständigen Informationsflut gegenüber. Der Weg, diese zu handhaben, kann oft der sein, einzelne Informationen nur oberflächlich wahrzunehmen. „Hier haben ältere Leute vielleicht sogar Vorteile, weil sie ein anderes Mediennutzungsverhalten haben“, vermutet Duschek.

Besonders in der Medienbranche, dem Marketing und der IT-Branche kann das Wissen um die Neuen Medien Vorteile bedeuten. Dasselbe gilt für Führungspositionen. Duschek warnt jedoch davor, bei der Weiterbildung oder Neuorientierung im Beruf allein auf die Karte Social-Media zu setzen. Im Moment werden Aufgaben in diesem Bereich von den Unternehmen häufig an externe Medienagenturen abgegeben. Ob Social-Media in Zukunft an Relevanz für Unternehmen gewinnt, hänge auch davon ab, wie es Social-Media-Anbietern zukünftig gelingt, die Daten für die Firmen verwertbar zu machen. „Auf der andren Seite kann es sich schon heute kein Unternehmen mehr leisten, nicht auf Facebook zu sein“, so Duschek. „Dafür braucht es Leute, die die Unternehmenscommunitys aufbauen und pflegen. Häufig machen das derzeit noch externe Medienagenturen für die Unternehmen. Es ist aber wichtig, hier am Puls der Zeit zu bleiben.“

Smartphone statt Sex

Lieber eine Woche kein Sex, kein Alkohol und kein Fernsehen, als auf das Smartphone zu verzichten. Dieses Meinungsbild ergab sich bei einer Forsa-Studie, die mit Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren durchgeführt wurde. Die ständige Erreichbarkeit scheint zu einem Must-Have zu werden – vielleicht sogar zu einer Art Krankheit. Mitarbeiter die sich quasi im dauerhaften Bereitschaftsdienst befinden– der Traum aller Arbeitgeber? Nicht unbedingt findet Jan Duschek: „Wir erleben schon jetzt, dass es gerade für junge Beschäftigte immer häufiger zur Selbstverständlichkeit wird, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Die Entwicklungen im Smartphone-Sektor spielen dabei eine wichtige Rolle. Allerdings erkennen auch immer mehr Beschäftigte, wie auch deren Interessensvertreter die Nachteile für ihr Privatleben und ihre Gesundheit. Das prominenteste Beispiel ist wohl Volkswagen. Der Betriebsrat hat dort durchgesetzt, dass die E-Mail-Server ab 17 Uhr abgeschaltet werden.“

Wie groß die Rolle ist, die Social-Media zukünftig in Unternehmen spielen wird, mag momentan noch in den Sternen stehen. Bereits jetzt zeichnen sich allerdings Tendenzen ab, die zeigen, dass Unternehmen immer mehr Vorteile von sozialen Netzwerken erkennen. Das betrifft sowohl das Marketing als auch die Präsentation und Kommunikation nach außen. Vor allem in der Medienbranche sind Kenntnisse im Umgang mit Sozialen Netzwerken und Neuen Medien oft bereits eine Voraussetzung. Davon, einen Doodle mit einer Hunderasse zu verwechsel,n sei hier also tunlichst abgeraten. Sich aufgrund seines Nutzerverhaltens zum Psychopaten oder Zwangsneurotiker machen zu lassen kann allerdings weder im eigenen Interesse, noch in dem des Arbeitgebers liegen.

Foto: flickr/Johan Larsson (CC BY 2.0), obs/congstar GmbH

Ein Lexikon schafft sich ab!

von Nicolai Busch

Es ist das Ende einer Ära: Nach 244 Jahren wird der Druck der Encyclopedia Britannica aufgrund gesunkener Verkaufszahlen innerhalb der letzten Jahre komplett eingestellt. Der Verlag möchte sich in Zukunft ausschließlich auf den eigenen Online-Auftritt, sowie auf die Vermarktung seiner E-Learning Angebote und Apps konzentrieren. Das bisher weltgrößte, analoge Lexikon feiert die Anpassung an das digitale Zeitalter. Die vollständige Digitalisierung der Bestände sei “nur ein weiteres historisches Datum in der Entwicklung des menschlichen Wissens“, lässt man stolz verkünden.

Wissen als Kapital einer Wissensgesellschaft

“Some people will feel sad about it. But we have a better tool now. The Web site is continuously updated, it’s much more expansive and it has multimedia.” – Jorge Cauz, Präsident der Encyclopaedia Britannica Inc.

Keine Zeit für Nostalgie? Nun, sicherlich nicht allzu viel, denn natürlich sind wir eine Wissensdienstleistungsgesellschaft, wir sind Wissensarbeiterinnen und -arbeiter, wir sind Teile von Wissensnetzwerken und wir rufen Wissen aus Wissensdatenbanken ab. Unsere Existenz basiert auf  Informationstechnologie. Das heißt, wir konsumieren, verarbeiten, kombinieren, transformieren, repräsentieren, modellieren, visualisieren, kopieren, speichern und bewerten nicht allein die Information, sondern unbewusst auch die Technologie, das Medium. The medium is the message. Das Medium Internet begeistert uns! Das Medium Buch? Immer weniger.

Mensch + Internet + freie Information = Knowledge Society. So einfach ist das. Dachte sich auch Encyclopedia Britannica, wo bereits Mitte der 70er Jahre mit der Digitalisierung der Wissensbestände begonnen wurde, bevor man 1994 die erste eigene Website schaltete und ab 2011 fleißig mit Apple kooperierte. Vermeintlich seit nun knapp vierzig Jahren im Fokus: Der freie Zugang zu Information und Bildung für Jedermann. Diesem prominenten Slogan des Netzzeitalters darf man als interessierter Leser der Encyclopedia Britannica nur bedingt Glauben schenken. Kosteten die bereits erschienenen 32 Bände in Druckausgabe satte 1400 Euro, so beläuft sich der Jahresbeitrag zur unbegrenzten Nutzung von www.britannica.com doch immerhin noch auf etwa 53 Euro. Viva la Revolution digital! Nicht so vorschnell. Denn obwohl die Internetnutzung weiter zunimmt, nutzen etwa 27% der in Deutschland lebenden Personen kein Internet. Es sind vor allem ältere, bildungsferne und einkommensschwache Bevölkerungsschichten. Für sie ist bereits der Zugang zum Netz nicht frei, sondern teuer. Zu teuer. Und das obwohl gerade diese sozialen Gruppen von Wissensangeboten stark profitieren würden.

Warum uns Wissen kostet

Was trotzdem auffällt: Schwinden die technischen Grenzen des publizierenden Mediums, sinkt erst einmal auch der Wert der Botschaft (bzw. des Wissens) am Markt. Ein beinahe paradoxer Zusammenhang, der darauf schließen lässt, dass sich www.britannica.com aus marktstrategischen Gründen dazu gedrängt sah, Wissen im Gewand exklusiver Multimedialität anzubieten. Denn nur durch die zusätzliche Bereitstellung von Videos und interaktiven Illustrationen, sowie durch die Kooperation mit EBSCO Information Services und anderen Online-Diensten ist es Encyclopedia Britannica im Netz heute noch möglich, lexikalisches Wissen als hochwertiges Immaterialgut vergleichsweise teuer zu verkaufen.

Sinn und Zweck des innovativen Geschäftsmodells von Encyclopedia Britannica erscheinen letztendlich noch fraglicher, wenn man sich der Regeln dieses künstlichen Wissensmarktes vergewissert. Dieser wirbt mit der enormen Vervielfältigung und Erleichterung der Zugriffsmöglichkeiten auf dokumentiertes, menschliches Wissen, fördert aber gleichzeitig die Ungleichverteilung von Wissen in den Gesellschaften weltweit.

Multimediale Gleichgültigkeit

Noch etwas anderes fällt auf: Im Netz ermöglicht uns Schrift, symbolische Welten zu kreieren und zu erkunden, ein digital visualisiertes Gemälde vermittelt ganz sicher irgendeinen Eindruck und auch Musik überliefert Gefühle scheinbar mediumsunabhängig. Was wir aber manchmal vergessen, ist, dass sich in den virtuellen Welten des Internets all diese unbeschreiblichen Abstraktionen und Metapherwelten von Schrift, Bild und Ton bis zur Unkenntlichkeit vereinigen, “was zu einer Universalität von Zwecken, ja, einer Indifferenz gegenüber jedweder Intention führt“, so Prof. Dr. Hans-Dieter Kübler in seinem Werk „Mythos Wissensgesellschaft“. Während wir durch diesen multimedialen Zirkus tanzen und den vermeintlichen Mythos informationeller Selbstbestimmung leben, können wir oftmals gar nicht anders, als unsere Gleichgültigkeit gegenüber der akademischen oder künstlerischen Absicht einer Information zu verdrängen. Wenn uns heute der medientechnische Optimismus eines Marshall McLuhan begeistert, dann doch auch, weil wir, die Bürger “globaler Dörfer“, uns damit abgefunden haben, dass sich die eigentliche Bedeutung von schriftlich vermitteltem Wissen durch die Multimedialität des Internets mehr oder weniger völlig auflöst.

Auch in Zukunft werden sich nur wenige Sammler der goldenen Letter auf dem Kunstoffeinband, sowie des bildungsbürgerlichen Hochgefühls der Sicherheit beim Anblick der 32 gedruckten Bände im Regal erfreuen können. Viele andere wird man auf kunterbunten Websites Lernen und Gedankenarbeit mit medialem Edutainment verwechseln lassen. Es bedarf deshalb Wissensdatenbanken, die aufgrund ihrer Kostenfreiheit weniger multimedial und exklusiv, jedoch aus unverfälscht gemeinnütziger Absicht Wissen vermitteln und den geistigen Austausch fördern. Es bedarf einer größeren Anzahl spenden-finanzierter Enzyklopädien, wie Wikipedia, die den Marktplatz der Ideen vor allem als öffentlichen Raum gestalten, um Wissen kostenfrei wissenswerter zu machen.

Foto: flickr/Mike Licht, NotionsCapital.com (CC BY 2.0) , flickr/Alexander Speckmann (CC BY-NC-SA 2.0)

Fans & Fiktionen – Der Fan, die unbekannte Spezies

von Sanja Döttling

Frage: Wie sieht ein typischer Star Trek Fan aus? Leicht übergewichtig, Brille mit dicken Gläsern und mit Akne im Gesicht? Mit Uniform und vulkanischen Ohren aus Plastik? Ein bisschen so neerdig wie die Clique aus Big Bang Theory, nur nicht so sympathisch? Etwa so, oder? Lustig, denn viele Fans sehen aus wie du und ich. Man sieht es mir nicht an, oder?

Fiktionen über Fans: Wie jede Subkultur und Minderheit muss auch sie mit Stereotypen kämpfen. Empirische Studien beweisen, dass alles ganz anders ist. Bildung, Mittelstand – und im Fanfiction-Bereich vor allem Frauen. Das ist der Otto-Normal-Fan.

Literatur der Unterdrückten

Laut Henry Jenkins (in seinem Buch „Textual Poachers“) haben Fans oft einen hohen Bildungsgrad und kommen aus dem Mittelstand – Leute also, „die es besser wissen sollten“ als ihre Zeit mit fiktionalen Geschichten zu verbringen. In ihrem Essay „Archontic Literature“ beschreibt Abigail Derecho Fanfiction als die Literatur einer „untergeordneten Gruppe“. Sie meint damit, dass sich in diesem Bereich die Frauen die Klinke in die Hand geben – sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen.

Der Term der „untergeodneten Gruppe“ bezieht sich dabei nicht auf den Stellenwert der Frau in der Gesellschaft – viel spezifischer geht es in diesem Fall um die Relation von Frauen und  Medienerzeugnissen. In ihnen ist die weibliche Besetzung – fiktional und real –  vergleichsweise klein. (Derecho zitiert an dieser Stelle den „Media Report to Women 2002“ von Gibbons, der besagt, dass nur 37 Prozent aller Charaktere in Fernsehsendungen zur Prime Time weiblich sind. Woran das liegen könnte? Bei Film und Fernsehen arbeiten insgesamt nur 17 Prozent Frauen, die restlichen Jobs werden von Männern besetzt.)

Warum sind so viele Frauen das, was wir als „Media Fan“ bezeichnen wollen? Dazu ist es angebracht, ein wenig auszuholen. In seinem Grundlagenwerk zum Thema Fan Culture schreibt Henry Jenkins:

„The fans‘ response typically involves not simply fascination or adoration but also frustration and antagonism, and it is the combination of the two responses which motivates their active engagement with the media. Because popular narratives often fail to satisfy, fans must struggle with them, to try to articulate to themselves and others unrealized possibilities within the original work.“ (Jenkins, Textual Proachers, S.23)

In der Wirklichkeit der Fan-Kultur bezieht sich das ausloten dieser Möglichkeiten hauptsächlich auf das Verkuppeln von Charakteren, die im Original mehr oder weniger romantisch involviert sind, zu einem Pairing. Cathrine Driscoll (im o.g. Essay-Band) bestätigt diese Ansicht. Die meisten Fanfics sind entweder der Kategorie „het“ (heterosexuellen Beziehungen) oder „Slash“ zuzuordnen. Generelle Geschichten („gen“) ohne Pairing gibt es selten. Frauenliteratur war schon immer romantische Literatur, und so bedingt sich diese weibliche Community gegenseitig und lässt Männer außen vor. In seinem Buch über Gruppenpsychologie (1922) erkennt selbst Sigmund Freud lange vor den Fan Communities im Internet deren Zusammenhalt durch „immature identification by the contagious communication of enthusiasm among girls sharing a romantic ideal“.

Pornos für Frauen

Fanfiction, „das sind diese perversen Geschichten, oder?“, wird oft gefragt. Perversion ist natürlich Geschmackssache, aber es lässt sich nicht abstreiten, dass bei vielen Geschichten Liebe und Sex eine essentielle Rolle spielen. In ihrem Essay „One true Pairing“ (o.g. Sammlung) untersucht Catherine Driscoll das Verhältnis von Fanfiction, erotischen Geschichten und romantischer Literatur.

Fanfiction gleichen romantischen Romanen insofern, dass sie (schreibend und lesend) von Frauen dominiert werden; außerdem folgen viele Fanfictions den klischeehaften Plot-Abläufen kommerzieller Liebesromane. Auf der anderen Seite enthalten viele Fanfics (mehr oder minder) ausführliche Beschreibungen sexueller Handlungen – meistens, aber nicht immer ist diese Eingebettet in Plot und Beschreibungen. Nur so erhalten die Fanfics ihren Anschluss an das Original.

Sind Fanfictions also Pornos für Frauen? Driscoll sagt jein. Sie sieht sicher Verbingen zwischen romantischem Roman, Porno und Fanfic – glaubt aber nicht, das dies gleichzusetzen ist.

Auch innerhalb der einzelnen Communities gibt es Unterschiede: Was die einen Lesen, ist für die anderen unerträglich und umgekehrt. Deshalb ist eine klare Einteilung von den vielschichtigen Roman Fanfics nicht machbar.

Wie gut dass keiner weiß…

Fan des A-Teams? Trekkie? Oder doch lieber My little Pony? Die Kreativität und der Verschiedenheit sind keine Grenzen gesetzt. In den 90er Jahren verlagerten sich die Fan-Aktivitäten ins Internet; nun konnten sich Fans über große Entfernungen hinweg aufgrund ihrer Interessen zusammenfinden. In Karen Hellekson und Kristina Busses Essay-Sammlung erklären die beiden Herausgeberinnen schon in er Einleitung: „For many fans, online fan experience is a way to meet people with similar interests who may become friends and whom one may, or may not, ever meet in RL [Real Life]“ (S.16).

Die einzelnen Fandoms treffen sich entweder auf großen Seiten in jeweiligen Untergruppen wie auf fanfiction.net oder haben ihre eigene Plattform, auf denen sie Geschichten, Blogeinträge, Bilder und andere Inhalte teilen. Das geschieht so gut wie nie unter Angabe des richtigen Namens, sondern im Deckmantel der Anonymität. Viele Fans führen geradezu ein Doppelleben zwischen „Real Life“ und Community. Warum sie das tun?

Noch immer ist es einfach, einen Fan mit einem Fanatiker gleichzusetzen – geschichtlich stammt das Wort sogar daher und hat bis heute seinen negativen Unterton nicht verloren. Laut Jenkins setzten viele Autoren das Fan-Dasein mit einer Art religiösem Glauben gleich. Fans. Jenkins zitiert eine Zeitung, die Fans als „emotionally unstable, socially malajusted, and dangerously out of sync with reality“ beschreibt und damit dem allgemeine, stereotypen Vorurteil folgt. Kein Wunder also, dass Fans unter sich bleiben und ihre Liebe nicht an die große Glocke hängen. 

Krieg der Geschmäcker

Doch woher kommt diese Verachtung?

„The fan, whose cultural preferences and interpretive practices seem so antithetical to dominant aesthetic logic, must be represented as „other“, must be held at a distance so that fannish taste does not pollute sanctioned culture.“ (Jenkins, S. 19)

Vor allem die Gamer, die sichtbaren, männlichen Verwandten der versteckt agierenden „Media Fans“ bekommen in dem Medien regelmäßig die Abwertung des „Mainstream“ zu spüren.

Auch Fans japanischer Comics und die schon oben genannten Star Trek-Fans – genannt Trekkies – sind oft dem Spott der Masse ausgesetzt. Henry Jenkins listet Vorurteile gegen Trekkies auf: sie seien „brainless consumers“, denen man alles verkaufen könnte; sie würden sich „worthless knowledge“ aneignen; sie seien emotional und intellektuell zurückgeblieben und könnten Fantasie und Realität nicht mehr unterscheiden. Ein wenig so, wie der Comic-Book-Guy der Simpsons – der sich auch nicht zu einem akkuraten Bild der Fangemeinde beiträgt. 

Doch auch innerhalb der Fan-Communities hören die Grabenkämpfe mit der Leitfrage „Wer ist noch fanatischer als ich?“ nicht auf.

Es ist also sinnvoll, sich im Bezug auf Fanfiction und andere Fan-Aktivitäten an einen Grundsatz zu halten, der in der Fan-Community aufgrund der vielen unterschiedlichen Meinungen verbreitet hat, zu halten: „Don’t like, don’t read!“

 

Fotos: flickr/Nathan Rupert  (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/ Elliot Trinidad (CC BY-NC 2.0)

 

Was Facebook weiß.

von Sebastian Luther

Wenn Maximilian Schrems sich bei Facebook einloggt, dann entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Schrems dürfte wohl für den Social Network Giganten einer der unbeliebtesten User sein. Er hat es geschafft, Facebook zu Dingen zu zwingen, die Zuckerbergs Unternehmen aus Eigeninitiative nie getan hätten. Schrems hat den Spieß umgedreht. Er weiß nun, was Facebook über ihn weiß – und was es über uns alle weiß, stellt es sogar online.

Schrems vs. Facebook

Der Jurastudent Maximilian Schrems aus Wien hat im Juni letzten Jahres von seinem Recht Gebrauch gemacht, das alle User dank der europäischen Datenschutzgesetze haben. Er fordert Facebook auf, ihm eine Kopie aller Daten zu schicken, die das Unternehmen über ihn erhoben hat. Zunächst weigert es sich, versucht ihn abzuwimmeln und ihn mit einem Bruchteil dessen, was er fordert, seinen Login-Daten, abzuspeißen. Doch Schrems will es wirklich wissen, legt mehrfach Beschwerde bei der irischen Datenschutzkommission ein, die für Facebook zuständig ist, da es seinen europäischen Firmensitz auf der grünen Insel hat. Mehrere Wochen und einige Pannen später, bekommt er zum ersten Mal eine CD zugeschickt, 1.222 PDF Seiten, die sein Facebook-Leben protokollieren. Was sich nach viel anhört, ist in Wahrheit noch lange nicht alles, was über ihn gespeichert wurde. So fehlen beispielsweise immer noch Informationen über seine geklickten „Like“ Buttons auf Facebook- und Firmenseiten und andere Nutzungsstatistiken. Über seine Internetseite ruft Schrems zur Aktion gegen das soziale Netzwerk auf, um es in seine Schranken zu verweisen und Datenschutzregen zu etablieren, die tatsächlich beachtet werden. Für den Server seiner Homepage fallen gleichzeitig die einzigen Kosten für ihn an – 9,90 € im Monat. Wenn er gewinnt, drohen dem Datenstaubsauger Verluste in Millionenhöhe, da wahlloses Sammeln, Speichern und Verkaufen nicht mehr möglich wäre. 44.000 User haben bereits ihre Daten beantragt, was Facebook jetzt schon dazu veranlasst hat, Konsequenzen zu ziehen und ein Downloadtool zu installieren, dass den Zugang zu den Daten erleichtern soll. Schon bei flüchtiger Betrachtung entpuppt sich die vermeintliche Geste von Facebook als eine virtuelle Nebelkerze, da wieder nur wenig Daten zugänglich gemacht werden und der gesamte Prozess verschleppt werden soll. Abgesehen davon hat Schrems bereits jetzt schon der Nutzergemeinde einen ungeheuren Dienst erwiesen, indem er der ominösen Drohnung „Facebook weiß alles“ ein tatsächliches Konterfei verliehen hat und sich allmählich Einblicke in die Unternehmenspraktiken auftun.

Facebook weiß, wann wir gerne posten.

An diesem Punkt stellt sich offensichtlich die Frage, was Facebook mit den Daten über seine 845 Millionen Nutzer überhaupt anstellt. Neben dem immensen Werbepotential, dass die Nutzer generieren, nutzt Facebook seine Daten nämlich auch zur Forschung über Vernetzung, Kommunikation und Informationsaustausch. Die Ergebnisse, die Facebook auf der Seite seines Forschungsteams zugänglich macht, verraten erstaunlich viel über unsere Gewohnheiten und Verhaltensweisen, sogar über die Welt an sich.

So kann man auf dieser Karte die Umrisse von Ländern und Kontinenten erkennen, alleine auf Basis von Facebook Freundschaften. Auch darüber, wie Nutzer via Facebook an Informationen gelangen, haben die Forscher interessante Ergebnisse zu Tage gefördert, und ein Phänomen skizziert, das der US-amerikanische Soziologe Mark Granovetter „The Strength of Weak Ties“ nannte. So interagieren Facebook-Nutzer zwar, wenig überraschend, nur mit einem kleinen Teil ihres gesamten Freundeskreises regelmäßig, bekommen neue Informationen aber wesentlich häufiger von „weak ties“, also denjenigen, mit denen sie nur selten Kontakt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese neue Information später auch vom engen Freundeskreis geteilt wird, ist relativ gering, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nutzer selber die Information teilt, 10-fach größer ist. Bei engen Freunden ist es hingegen unwahrscheinlicher, dass ich deren Inhalte teile: Hier gilt nur die sechsfach erhöhter Wahrscheinlichkeit. Via Facebook ist die Netzgemeinde zudem auch näher zusammen gerückt. 1929 äußerte der ungarische Autor Frigyes Karinthy die Idee, dass zwei Menschen, die einander völlig unbekannt sind, sich über höchstens sechs „Ecken“ kennen, was Stanley Milgam 1960 bestätigte. Mittlerweile ist diese durchschnittliche Distanz innerhalb Facebooks auf 4,74 Ecken bzw. Sprünge von Freund zu Freund gesunken. Der durchschnittliche Facebooknutzer unter 25 ändert sonntags am ehesten seines Beziehungsstatus, hat ca. 190 Freunde und postet zwischen elf Uhr abends und vier Uhr morgens die meisten negativen Kommentare, was insgesamt nur die Spitze des Datenberges darstellt, den Facebook durchforstet.

Für die Forschung geeignet?

Was Facebook da veröffentlicht, ist jedoch mit großer Skepsis zu genießen, meint der Tübinger Professor für Medienwissenschaft, Guido Zurstiege: „Bei einem Unternehmen, das Forschungen und Untersuchungen über sich selbst beziehungsweise seine eigenen Kunden anstellt, muss man die Unabhängigkeit der Ergebnisse immer hinterfragen“. Zudem besteht die Motivation Facebooks für diese Forschung letztlich nicht darin, einfach nur Informationen zu generieren, sondern Geld zu verdienen, indem Werbe- und somit Gewinnpotential maximiert wird. Auch den Nutzen für die kommunikationswissenschaftliche Forschung betrachtet er mit Vorsicht, da es fraglich ist, wie mit Problematiken, wie etwa Fake-Accounts, umgegangen wurde und die Ergebnisse in Punkto Reliabilität somit zweifelhaft sind. Eine Zusammenarbeit mit Facebook kann er sich nicht vorstellen: „Die fände niemals auf  Augenhöhe statt“, da die externen Forscher jederzeit vom Gusto des Unternehmens abhängig wären – so Zurstiege. Denn spätestens seit Maximilian Schrems wissen wir wie schwer es ist, mit dem blauen Riesen auf Augenhöhe zu verhandeln.

Foto: flickr/ pshab (CC BY-NC 2.0)

Verbotenes Hitler-Buch bald wieder im Handel?

 von Pascal Thiel

Es ist das schriftliche Zeugnis der dunkelsten Epoche der neuen deutschen Geschichte. Es wurde geliebt und bewundert, avancierte vom unbeachteten Werk eines einfachen Putschisten zur dogmatisch-unantastbaren „Bibel des Nationalsozialismus“. Und es wurde verachtet, ja gehasst und als Werk eines paranoiden Wahnsinnigen in die Tresore des Bayrischen Freistaats verbannt: „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden – kommt es wieder in den Buchhandel?

Was ist denn schon wieder mit Hitler?

70 Jahre nach dem Tod seines Autors im Jahr 1945 könnte das Buch wieder öffentlich verkauft werden – am 1.1.2016 würden nach dem Urhebergesetz die Nutzungsrechte des Freistaats Bayern auslaufen. 70 Jahre nachdem Deutschland vom Wahn seines „Führers“ befreit wurde, sollen dessen Gedanken wieder Einzug in die hiesige Bücherwelt erhalten, die aber konträrer zu dessen „Geburtswelt“ der 1920er Jahre nicht sein könnte: Der europäische Nationalismus ist dem Supranationalismus gewichen, Deutschland hat seinen Weg zur Demokratie gefunden, die politische Bildung steht ganz oben auf der nationalen Agenda und die wirtschaftliche Lage ist entspannt. So sind Sorgen eines Wiederauflebens der nationalsozialistischen Ideologie unbegründet. Oder etwa nicht?

In diesem Punkt scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite stehen die Gegner der Wiederveröffentlichung, vehement warnend, mit einem kommerziellen Vertrieb des Buches die Opfer des Nationalsozialismus zu verleumden und ein erneutes Aufflammen von nationalsozialistischem Gedankengut besonders in jugendlich-naiven Köpfen zu riskieren. Auf der anderen Seite argumentieren die Befürworter mit dem Vergleich zu anderen „Tyrannen der Geschichte“: Lenins „Staat und Revolution“ oder etwa die „Mao-Bibel“ sind früher wie heute leicht zu erwerben. Es müsse demnach als historisches Zeugnis der deutschen Geschichte auch „Mein Kampf“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Was nun?

An einem Kompromiss feilt nun mit finanzieller Unterstützung des bayrischen Wissenschafts- und Finanzministeriums eine Forschergruppe des Münchener Instituts für Zeitgeschichte. Unter der Leitung von Dr. Edith Raim wird eine wissenschaftlich kommentierte Version unter Einbezug der Situation der 1920er Jahre erarbeitet. Fraglich ist, ob diese Version die Aufmerksamkeit der geballten Öffentlichkeit erfahren kann oder in wissenschaftlichen Bibliotheken verstaubt.

Letzteres muss unbedingt verhindert werden. Denn bereits jetzt kursieren innerhalb und außerhalb des Internets Textversionen. Das Interesse an der Thematik wird spätestens zum 70. „Jubiläum“ von Hitlers Todestag und dem Kriegsende wieder aufflammen, zumal dann auch zeitnah „Mein Kampf“ seinen 90. Geburtstag feiert. Dieses Interesse muss gestillt werden – aber nur mit einer überarbeiteten Version. Mit Blick auf die Gesundheit der deutschen Demokratie kann die Priorität einer kommentierten, nicht instrumentalisierbaren Version nicht hoch genug gesetzt werden.

Doch ein Versuch, diesem nachzugehen, wurde bereits 2009 durch den Freistaat Bayern selbst im Keim erstickt: In der sogenannten Serie „Zeitungszeugen“ von dem englischen Verleger Peter McGee, sollte in einem Heft auch eine kommentierte Version von „Mein Kampf“ erscheinen. Doch München stellte sich quer und beharrte auf seinen Nutzungsrechten. Paradox: Dieses Heft mit dem Namen „Das unlesbare Buch“ ist nun zur Hälfte tatsächlich unlesbar, weil geschwärzt – nur die Kommentare sind lesbar, der eigentliche Text Hitlers nicht.

Auch wenn sich nun die Befürchtung aufdrängt, die Politik verbaue sich mit ihren rechtsstaatlichen Mechanismen die schnelle Lösung des Problems, sieht Dr. Edith Raim keinen Grund, sich über eine Renaissance Hitlers Gedanken zu sorgen:

Bonn war schon nicht Weimar und Berlin ist es erst recht nicht. Wir haben eine erfolgreiche Nachkriegs- und Demokratiegeschichte hinter uns. Seit Jahrzehnten fließt viel Geld in die politische Bildung. Wir sind heute in einer völlig anderen Situation.

Doch ungeachtet dieser „völlig anderen Situation“, bleibt die Frage, wer Hitlers Texte überhaupt noch braucht. Ist es angemessen, in unserer heutigen Zeit ein Buch mit derart hasserfüllten und weltverklärenden Textpassagen wie der folgenden zu veröffentlichen? 

„[…] Ein kleiner, aber mächtiger Teil der Erdbevölkerung wählte den Weg der Parasiten. Er sucht sich durch intelligente und heuchlerische Einfühlung und Überlistung in bodenständigen Volkstümern einzunisten, diese mit händlerischer Schlauheit um den Ertrag ihrer Arbeit zu bringen und durch raffinierte geistige Zersetzung der Selbstführung zu berauben. Die bekannteste und gefährlichste Rasse dieser Art ist das Judentum. […]“  

Die Antwort ist: Ja und nein. Ja, weil in der Geschichtswissenschaft ein großes Forschungsinteresse an Hitlers Texten besteht. Ja, um einer von Wissenschaftlern kommentierten Version die Chance zu geben, die ursprünglichen Texte zu relativieren. Und nein, da eine Instrumentalisierung des Buchs von rechtsradikalen Kreisen und somit die Entstehung bzw. das Wiederaufleben eines neuen Hitler-Kults droht.

Die Diskussion, wie genau mit „Mein Kampf“ verfahren werden soll, steckt noch in den Kinderschuhen. Klar ist, dass eine kommentierte Version in den Handel kommen wird, doch alle andere ist ungewiss.

Foto: flickr/Gilderic Photography, flickr/Michael Dawes

Fans & Fiktionen – Wir machen’s uns selbst!

von Sanja Döttling

Was, wenn Harry Potter ins Haus Slytherin gekommen wäre? Was, wenn Captain Kirk und Co. ihre „Fünf Jahres Mission“ im Weltraum weiter verfolgt hätten? Was, wenn Aragorn nicht König geworden wäre? Was, wenn Ted Mosby tatsächlich mal die Mutter seiner Kinder träfe? Was machen Mulder und Scully eigentlich in ihrer Freizeit? Und wie zum Teufel hat Sherlock Holmes den Sprung vom Hochaus überlebt?

Was nicht passt, wird passend gemacht

media-bubble.de Autorin Sanja Döttling mit der TARDIS aus „Dr. Who“

All diese Erzählungen beginnen nicht mehr mit „Es war einmal“. Sie beginnen mit „Was wäre, wenn?“. Man nennt sie Fanfictions – die Fiktionen der Fans. Es sind Geschichten die die Lieblingsfiguren der Fans zu Hauptrollen in eigenen Geschichten machen. Mit der Möglichkeit, im Internet über Grenzen hinweg Inhalte zu teilen, finden sich Liebhaber von Büchern, Filmen, Serien, Spielen (und und und) zusammen, um über ihre Passion zu diskutieren und sich kreativ zu betätigen. Sie alle himmeln ein bestimmtes Medienprodukt an. Um sie von anderen Fans (einer bestimmten Musik-Richtung oder eines Fußballclubs) abzugrenzen, führte Kommunikationswissenschaftler Henry Jenkins den Begriff „media fan“ ein. Von diesen wird im folgenden die Rede sein.

In Fanfictions werden alternative Enden erfunden, Lücken in der Original-Storyline gefüllt und ganz eigene Abenteuer generiert, die Harry Potter, Kirk und Edward Cullen durchleben müssen. Kurz: Was den Fans an dem Original-Erzeugnis (auf fannisch: Canon), nicht passt, wird in ihren eigenen Erzählungen passend gemacht (und damit zum Teil des „fanon„).

Was Fans tun

Doch nicht nur das geschriebene Wort, die Fanfiction, ist Ausdruck der Fan-Gemeinschaft, die such inzwischen im Netz als eigene Subkultur verankert hat. Unter dem Begriff „Fan Culture“ versammelt sich alles, was Fans kreatives mit dem Stoff ihres Vorbilds tun: Es gibt die Fan Arts, selbstgezeichnete Bilder, es gibt Icons und Manips, manipuierte Bilder, es gibt Vidding, das Zusammenfügen von YouTube-Clips aus Serien und Filmen, es gibt Cosplay, Verkleidungen im Stile des Vorbilds und vieles mehr.

Aus dem passiven Rezipienten, dem Zuschauer und Leser, der den präsentierten Inhalt ausgeliefert ist, ist – teilweise – ein aktiver, kreativer und aufmerksamer Fan geworden.

Sub-Sub-Sub-Kulturen der Fans

Was in kleinen Zirkeln in den 60er Jahren mit selbstgemachten Fan-Zeitschriften begann, ist heute eine unübersichtliche, vielschichtige und kaum zu fassende Kultur, die schreibt, zeichnet, cuttet, kritisiert und hinterfragt.

Was die Subkultur der Fans zu schwer fassbar macht, ist ihre differenzierte Unterteilung. Man unterscheided sogenannte „Fandoms“, die jeweils die Liebe zu einer Serie, einem Buch, einem Film beschreiben: Der eine schaut Doctor Who, der nächste Herr der Ringe und/oder Harry Potter. Und ein dritter ist passionierter Anime-Fan. Sie alle können sich in ihrer jeweiligen Community bewegen, ohne jemals einen Fan einer anderen Serie, eines anderen Buches zu treffen. Und sie alle haben ihre eigenen Codes, ihre eigenen Geschichten und Geheimnisse.

Innerhalb dieses Fandoms gibt es noch weitere Untergruppen. Da die meisten Fanfiction davon handeln, die einen oder anderen Charaktere zu verkuppeln, bilden sich vor allem Subgruppen nach verschiedenen „Pairings“ aus: Der eine will Dr. House mit Chefin Cuddy auf einem Date sehen, der nächste will den misanthrop veranlagten Arzt lieber in den Armen seines Kollegen Wilson liegen sehen. Denn über alle Fandoms hinweg stehen schwule Liebesgeschichten (kurz: Slash) und den – meist weiblichen – Fans hoch im Kurs.

Fans und Fiktionen -Die Serie auf media-bubble.de

Media-bubble.de will sich der Fan Culture in einer zehnteiligen Artikelreihe annehmen und verschiedene Aspekte dieser Subkultur beleuchten. Wir wollen versuchen, gemeinsam Fragen rund um Fanfics, Slash und Lemon zu beantworten und dabei immer den medienwissenschaftlichen Blickwinkel behalten. Warum sind (fast) alle Fans weiblich? Warum lesen sie so gerne schwule Liebesgeschichten? Welche Rolle spielen Plattformen wie fanpop.com, tumlr.com und fanfiktion.de in den Communities und wer organisiert sie? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es? Was ist die erste Fanfiction, die jemals geschrieben wurde? Wir wollen versuchen, wissenschaftliche Antworten zu geben.

Wie dieser einleitende Artikel hervorhebt, ist die Fan-Community ein großes, unübersichtliches Feld, das kaum in all seinen Facetten dargestellt werden kann. Wir hoffen auf, ganz im Sinne der Review-Politik der Fanfictions eure Mitarbeit, Anmerkungen und Kommentare, unter den einzelnen Artikel oder per Mail an uns.

Fans & Fiktionen – Wir machen’s uns selbst!

Eine Serie auf media-bubble.de  | Immer montags.

„Modern Family“ – Äußerst komisch!

von Alexander Karl

Man nehme eine Patchwork-Familie und tue so, als würde man sie auf Schritt und Tritt begleiten, garniert das mit viel Humor und fertig ist eine äußerst komische Comedy-Sendung. Und die Erfolge sprechen für sich: 2012 gab es den Golden Globe als beste Comedy-Serie.

Patchwork. Oder: Wie geht Familie?

In der ersten Episode der ersten Staffel ist man – sollte man ohne Hintergrundwissen die Serie schauen – vielleicht etwas verwirrt: Warum haben sich die Schreiberlinge genau diese drei Familien einfallen lassen, die auf den ersten Blick so unterschiedlich sind?

Oberhaupt von Familie Delgado-Pritchett ist der reiche und in die Jahre gekommene Jay (gespielt von „Eine schrecklich nette Familie“-Darsteller Ed O’Neill). Er ist seit kurzem mit einer attraktiven Kolumbianerin Gloria verheiratet, die ihren Sohn Manny mit ihn die Ehe bringt.

Familie Dunphy hat drei Kinder, die alle kurz vor oder direkt in der Pubertät stecken, einen Dad, der sich für den coolsten und hippsten Vater auf Erden hält, und eine fürsorgliche Mutter.

Und schlussendlich Familie Pritchett-Tucker, bestehend aus zwei Schwulen, die eine Tochter aus Vietnam adoptiert haben.

Was diese Familien verbindet? Jay ist der Vater der fürsorglichen Mutter Claire und dem schwulen Mitchell (den Stammbaum gibt’s auch bei Wikipedia).

Eine klassische Patchwork-Familie also, die sich fernab von sämtlichen gesellschaftlichen Schranken formiert hat. Und darum geht es in „Modern Family“: Das moderne Familienleben mit schwulem Sohn und einer Stiefgroßmutter, die jünger (und attraktiver) als die eigene Mutter ist.

Wie ist sie also, die „moderne Familie“? The Atlantic fasst es so zusammen:

In the case of Modern Family, however, it must be acknowledged that the trick, or bag of tricks, works. It works spectacularly. The American family circa 2011 is, after all, an acutely self-conscious and self-interrogating unit: How does one “parent”? Who does what, which “role”? Is Dad sufficiently dad-like and Mom enough of a mom? And what if there are two dads, or two moms, or half- or step-siblings?

Dabei wird natürlich auch mit Klischees gespielt: Der coole Übervater Phil will ein Nacktbild auf dem PC seinem zehnjährigen Sohn Luke anhängen. Wenige Folgen später beschließen er und seine Frau Claire, den Valentinstag mit einem Rollenspiel zu begehen. Blöd nur, dass sich der Mantelgürtel in einer Rolltreppe verfängt – und Claire nichts drunter trägt. Ein böses Ende gibt es aber nicht: Vater Jay kommt mit der neuen Frau Gloria vorbei, die Rat weiß. Typisch Sitcom, also: Jede Episode wird abgeschlossen und endet positiv, obwohl sich die Charaktere natürlich immer weiterentwickeln.

Wie mit Klischees gespielt wird, zeigt auch das Paar Mitchell und Cameron: Der schwule Cameron präsentiert die frisch adoptierte Tocher dem Rest der Familie zur Titelmusik aus „König der Löwen“, der unglaublich authentisch vom heterosexuellen Eric Stonestreet gespielt wird. Zu recht bekam er für seine Rolle 2010 einen Emmy. Trotz oder gerade wegen dieser vordergründig offenen Thematisierung von Homosexualität wurde der Show von den Fans angelastet, keine körperliche Zuneigung des Paares zu zeigen. Erst in der zweiten Staffel wird ein Kuss des Paares gezeigt.

Mockumentary und Technik für den Humor

Mockumentary ist eine Wortschöpfung aus „(to) mock“ und „documentary“, also ein verspotten des Dokumentarfilms. In Deutschland ist dies vor allem aus der Serie „Stromberg“ bekannt, in der die Charaktere zum einen in die Kamera schauen dürfen (oder müssen), die Bilder manchmal ein wenig wackeln und zum anderen die Figuren (fiktive) Interviews vor der Kamera führen.

Gleichzeitig aber spielt die neue Technologie und das digitale Leben in der Serie eine große Rolle: Da wird gesimst und mit dem Handy telefoniert, aber gleichzeitig auch mit den Problem kokettiert. So passiert es Claire, dass sie halbnackt in das Zimmer ihrer Tochter geht, während dort die Webcam läuft und deren Freund seine Schwiegermutter in spe so in Unterwäsche sieht. Dieser Einbau von moderner Kommunikation ist geschickt, das wissen auch die Serienmacher:

“We used to talk about how cellphones killed the sitcom because no one ever goes to anyone’s house anymore,” said Abraham Higginbotham, a writer on the show. “You don’t have to walk into Rachel and Ross’s house, because you can call and say, ‘Hey, what’s up?’ We embrace technology so it’s part of the story.”

Gleichzeitig erhebt modern Familie aber nicht den Anspruch, die Realität abzubilden – das wird alleine durch die mockumentary-Kameraführung deutlich. Vielmehr führt uns die Serie Rollen und Muster vor, die wir aus unserem eigenen Leben kennen. Und unterhält zudem. Nicht schlecht für 20 Minuten Sitcom.

Nur schade, dass in Deutschland „Modern Family“ nur über Satellit auf RTL Nitro (montags, 20.15 Uhr) zu empfangen ist. Auf RTL Now sind die Folgen bis 7 Tage nach Ausstrahlung kostenlos zu sehen.

Angriff der sexy Sirenen auf Facebook

von Sandra Fuhrmann

Zu 97 % weiblich, zu über 60 % bisexuell und gewöhnlich zu 100 % sexy: Das sind die Sirenen, die in den Tiefen des Cyberspace lauern. Auf Facebook werben sie um unsere Freundschaft – wollen uns aber nicht an die Wäsche, sondern an unser Konto. Sie strecken ihre Klauen nicht nur nach unserem Geld, sondern auch nach den Daten unsrer Freundeslisten aus.

Außen hui und innen pfui

Warum addet man überhaupt Menschen, die man nicht aus dem echten Leben kennt? Ein Grund: Sex sells! Erotik ist laut einer Studie der IT-Sicherheitsfirma Barracuda Networks die Masche, mit der Fake-Profile in Facebook versuchen Nutzer in ihre Fänge zu locken.

Facebook besitzt etwa 845 Millionen Nutzer. In einem Pflichtbericht, den das Unternehmen der US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) überreichte, schätzt Facebook selbst den Anteil der gefakten Profile auf fünf bis sechs Prozent, was in etwa 42 bis 50 Millionen der Konten entspricht. Bis zu 50 Millionen falsche Freunde mit noch falscheren Bildern – und oft auch bösen Absichten.

Mit Speck fängt man Mäuse und mit dem richtigen Profil Freunde in Facebook. Fake-Accounts sind außen hui und innen pfui. Nicht nur, dass sich dahinter keine realen Personen verbergen – ihre Absicht ist es Spam in Umlauf zu bringen, Nutzer zu überreden, Programmen beizutreten, oder auf die privaten Daten der User zuzugreifen. Doch nicht nur das – lässt man die falschen Profile erst einmal auf sein eigenes zugreifen, mutiert man selbst zur Virenschleuder indem man den falschen Freunden Zugang zu den Kontaktdaten seiner richtigen Facebook-Freunde verschafft. Generiert werden die falschen Konten meist automatisch. Ihre Ziele bei der Verbreitung sind häufig Schulen und große Städte.

Schlaraffenland für Betrüger

Für die Betrüger die dahinter stehen, bedeutet jeder Nutzer, der ihnen in die Klauen fällt, Geld im wirklichen Leben. Das funktioniert beispielsweise über Programme, die für den Nutzer ganz schnell zur Kostenfalle werden. Facebook stellt hier in mancher Hinsicht geradezu ein Schlaraffenland dar. Früher wurden Briefmarken gesammelt, heute geht manch einer auf die Jagd nach Freunden. Kein Wunder: Viele Freunde in Facebook machen attraktiv – zu viele aber auch. Laut einer Studie der Michigan State Universität aus dem Jahr 2008, liegt die höchste Attraktivität eines Profils bei einer Freundeszahl von etwas über dreihundert. Bei Zahlen darüber und darunter sinkt sie wieder ab. Besonders im asiatischem Raum jedoch scheint es beim Sammeln von Freunden oft zu regelrechten Wettstreits zu kommen. In diesem Fall ein gefährliches Spiel.

Wie auch im wirklichen Leben heißt es also Kopf einschalten. Was glänzt, muss noch lange kein Gold sein.

Aber woran erkennt man eigentlich ein Fake-Profil? Na ja – lediglich sechs von hundert Frauen geben in der Realität an, bisexuell zu sein. Nur etwa 40 % der richtigen Profile bei Facebook gehören tatsächlich Frauen. 700 Freunde sind bei realen Personen, handelt es sich nicht gerade um Prominente, eher unwahrscheinlich. Bei Fake-Profilen entspricht diese Zahl dem Durchschnitt. Ein weiteres Indiz sind nicht aktualisierte Statusmeldungen. Nur 15 % der realen Facebook-User aktualisieren ihren Status nicht, während es bei falschen Konten 43 % sind.

Istanbul

Istanbul? Komischer Nachname! Das dachte sich zumindest Facebook. Ein weiteres Indiz, dass es sich um ein Fake-Profil handelt, sind oft außergewöhnliche Nutzernamen. Da es auch nicht im Interesse des Unternehmens liegt, dass Betrüger auf seinen Seiten ihr Unwesen treiben, lässt Facebook Fake-Profile sperren, nachdem sie identifiziert wurden. In diesem Fall zum Missfallen der Nutzerin Alica Istanbul, bei der es sich dummerweise um eine reale Person handelte. Die US-Amerikanerin mit türkischen Wurzeln konnte eines Tages nicht mehr auf ihr eigenes Profil zugreifen. In so einem Fall ist es sinnvoll, sich persönlich an den Betreiber zu wenden. Da jedoch Facebook weltweit nur 850 Mitarbeiter zählt,  kann es dauern, bis Anfragen bearbeitet werden.

Die Lehre die man daraus ziehen sollte? Falsche Freunde gibt es nicht nur im wahren Leben. Manchmal ist weniger in diesem Fall mehr. Und die Zahl bisexueller Frauen ist weit kleiner, als manch einer vielleicht bisher dachte.

Foto:flickr/cambiodefractal (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/Daniel Rocal (CC BY-NC-ND 2.0)

Blackout – Ein Buch über den absoluten Stillstand

Es ist ein Schreckensszenario: Durch einen Hackerangriff wird in ganz Europa das Stromnetz lahmgelegt. Bisher alles nur Fiktion des Bestsellers „Blackout – Morgen ist es zu spät“. media-bubble sprach mit Autor Marc Elsberg über sein Buch, die Medien und Trittbrettfahrer.