„Der Skandal macht vor niemandem halt!“

von Alexander Karl

Wann wird ein Skandal zum Skandal?

Das fragen sich Hanne Detel und Prof. Bernhard Pörksen in ihrem Buch „Der entfesselte Skandal“. Im Gespräch mit media-bubble.de sprach Hanne Detel, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Pörksen, über Voyeurismus, die Entstehung von Skandalen und eine mögliche Rückkehr von Guttenberg.

Hanne Detel sagt: „Der Skandal macht vor niemandem halt!“

media-bubble.de: Frau Detel, Sie haben mit Prof. Pörksen das Buch „Der entfesselte Skandal“ geschrieben. Welche Skandale findet man im Netz über Sie?

Hanne Detel: Hoffentlich keine (lacht). Im Zeitalter der digitalen Überallmedien – also Handys mit Kamera und Internetverbindung – bin aber auch ich nicht davor gefeit, in ungünstigen Situationen fotografiert oder gefilmt zu werden. Daher bin ich aufmerksamer geworden und versuche darauf zu achten, welche Bilder oder Videos man wo von mir macht.

Vom Dioxin-Skandal bis zum Sex-Skandal von Tiger Woods wird so ziemlich alles als Skandal betitelt. Was versteht man wissenschaftlich darunter?

Jeder Skandal – egal ob Dioxin im Hühnerei oder Tiger Woods Affären – hat drei Merkmale: zum einen die Normverletzung, also ein Verhalten entgegen gesellschaftlicher Konventionen. Zweitens die Enthüllung, sodass Menschen davon erfahren. Und drittens die kollektive Empörung der Masse. Umgangssprachlich wird das Wort Skandal viel öfter genutzt, auch wenn nicht alle drei Merkmale vorliegen.

Gibt es denn einen Unterschied zwischen Lebensmittel- und Promi-Skandalen?

Bei einem Lebensmittelskandal ist theoretisch jedermann betroffen, daher ist die Empörung meist größer. Bei den Promis geht es vielmehr um den Voyeurismus von außen. Niemand von uns ist wirklich betroffen, wenn Tiger Woods seiner Frau fremdgeht.

„Der Skandal macht vor niemandem halt – heute kann er jeden treffen.“

Und was ‚entfesselt‘ einen Skandal?

Jeder kann jetzt durch das Internet an die Öffentlichkeit treten und Skandale provozieren. Längst geht es nicht mehr nur um Prominente, die mit Enthüllungen rechnen müssen. Der Skandal macht vor niemandem halt – heute kann er jeden treffen.

Sie und Herr Pörksen stellen in Ihrem Buch die Frage: „Kann man über den entfesselten Skandal in einer Weise schreiben, die sich nicht von der allgegenwärtig gewordenen Neigung zur Skandalisierung forttragen lässt?“ Ja, kann man das?

Ob uns das gelungen ist, müssen letztlich die Leser entscheiden. Beim Schreiben des Buches haben wir versucht, unbekannte Fälle zu anonymisieren, um die betroffenen Personen zu schützen. Einige heikle Fälle haben wir bewusst ausgespart. Und wir bitten die Leser, die Skandale im Kontext des Buches zu belassen und nicht wieder medial aufzukochen. Denn schnell entsteht dann ein Voyeurismus zweiter Ordnung, also gewissermaßen ein Voyeurismus, der unter dem Deckmantel eines Aufklärungsinteresses einen Skandal aufwärmt.

Nicht mehr nur die Mächtigen und Prominenten werden heutzutage im Web bloßgestellt, sondern auch der Junge von nebenan. Sind klassische Medientheorien – z.B. die Nachrichtenwerttheorie – im digitalen Zeitalter noch korrekt?

Früher hatten allein Journalisten – als sogenannte Gatekeeper – die Möglichkeit, sich an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Heute ist das anders: Jedermann kann publizieren und veröffentlichen. Und so erweitert sich das Themenspektrum der Skandalgeschichten, die enthüllt werden, denn Blogger, Twitterer und Co. schreiben Nachrichten oftmals einen anderen Nachrichtenwert zu als die klassischen Journalisten. Doch damit ein Netzskandal zu einem großen Skandal wird, braucht es nach wie vor die klassischen Medien. Für sie spielen die bekannten Nachrichtenfaktoren noch immer eine zentrale Rolle.

Sind also die Journalisten die Skandal-Gatekeeper?

Nicht unbedingt, die klassischen Journalisten übernehmen eher die Rolle des Analytikers und des Chronisten. Sie recherchieren die Hintergründe und zeigen Entwicklungen auf. Vor allem aber verstärken Zeitungen und Co. die öffentliche Empörung. Das hat der Fall von Ex-Bundespräsident Horst Köhler gezeigt, dessen kritisierte Aussage über die Auslandseinsätze der Bundeswehr ja auch von Bloggern entdeckt wurde, bevor die großen Medien darüber berichteten.

Und die Qualitätsmedien nehmen jeden Skandal dankbar auf.

Nicht immer, allerdings kann man beobachten, dass Journalisten immer öfter Skandale aufgreifen, die im Netz große Aufmerksamkeit erhalten – dazu gehören auch Geschichten, die eher dem Klatsch und Tratsch zuzuordnen sind, denn immerhin lassen sich so effektiv Zuschauer und Leser locken.

Skandal ist Ansichtssache

Aber gibt es nicht auch verschiedene Lesarten eines Skandals? Der Soziologe Roland Hitzler sagt: Skandal ist Ansichtssache.

In der Tat. Während sich früher in den klassischen Medien recht schnell eine einheitliche Sicht auf den Skandal durchsetzte, können heute verschiedene Meinungsstränge nebeneinander existieren. Beispiel Ariane Friedrich: Manche verurteilten den mutmaßlichen Absender der anzüglichen Facebook-Nachricht, andere die Hochspringerin für die Veröffentlichung des Textes mitsamt Namen und Wohnort des Mannes. Streng genommen waren das zwei Skandale in einem.

In Ihrem Buch untersuchen Sie verschiedene skandalöse Einzelfälle, darunter auch den des Politikers Anthony Weiner, der aufgrund seiner Cybersex-Affäre zurücktreten musste. Darf man in Zeiten des Internets überhaupt ein Privat- und Sexualleben haben, ohne Angst zu haben, dass es einmal gegen einen verwendet wird?

Natürlich kann man es haben, aber je berühmter man ist, desto größer ist die Gefahr, dass Berichte über Affären oder uneheliche Kinder enthüllt werden. Denn überall lauern im digitalen Zeitalter indiskrete Technologien wie Smartphone und Digitalkamera, die es leicht machen, Intimes und Privates zu dokumentieren und ins Netz zu stellen. Der Fall Weiner lief etwas anders ab: Hier war er es selbst, der versehentlich ein Bild von sich in Unterhose durch einen falschen Klick bei Twitter für alle Welt öffentlich machte – und damit die Sache ins Rollen brachte.

Im Buch heißt es, dass bei Weiner zunächst ein Ritual der Reuebekundung fehle – nämlich der Rücktritt. Wann reichen Worte nicht mehr und Taten müssen folgen?

Das ist sehr individuell, hängt aber unter anderem von der Fallhöhe des Skandalisierten ab. Wenn man sich wie Horst Seehofer als konservativen Familienvater inszeniert und dann eine Affäre hat, ist das schon grenzwertig. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg war die Fallhöhe noch größer, reklamierte er für seine Politik doch eine besondere Werteorientierung. So musste er in der Plagiatsaffäre Worten Taten folgen lassen und schlussendlich zurücktreten.

Und eine Rückkehr ist dann nicht mehr möglich, quasi ein Gang nach Canossa?

Auch hier gilt: Das ist abhängig vom Vergehen. Beispiele, bei denen es geklappt hat, sind Cem Özdemir oder Wolfgang Schäuble. Aber wenn das Vertrauen einmal angeknackst ist, ist es schwer, es wieder herzustellen. Guttenberg hat zwar auch heute noch viele Befürworter, aber ich glaube nicht, dass er jemals wieder ein so hohes Amt innehaben wird.

Das Buch zum Interview: Hanne Detel und Bernhard Pörksen zeigen in ihrem Buch „Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter“ am Beispiel von zahlreichen Fallgeschichten, dass die Reputation von Einzelnen, aber auch von Unternehmen und Staaten blitzschnell zerstört werden kann. Erschienen im Herbert von Halem Verlag (Köln), 19,80 Euro.

Foto: Verlag; Sophie Kröher

Über Pornos und andere Götter

von Nicolai Busch

Selig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen. Unselig sind jene, die sich Pornos reinziehen, denn sie berauben sich der heiligmachenden Gnade. Aber wahrlich, ich sage euch: Es ist dennoch leichter, sich auf religiösen Websites den Rechner zu schrotten als auf den Seiten der nackten Sünder.

Virenschleuder auf religiösen Seiten

Das bunte Treiben auf Kirchen-Webseiten

Diese Erkenntnis wahrlich biblischen Ausmaßes ist in leicht abgeänderter Form zumindest den Ergebnissen des Internet Security Thread Reports 2011 zu entnehmen, welcher jährlich im Namen der US-amerikanischen Computersicherheitsfirma Symantec erscheint. Hier heißt es: Das Risiko, sich auf religiös-ideologischen Websites einen Computervirus einzufangen, ist dreimal größer, als jenes auf Websites mit pornografischem Inhalt. Eine denkbar unerwartete und dennoch empirisch bewiesene These. Schließlich basiert die Studie auf Daten, welche Symantec im Rahmen der Analyse von Hackerangriffen in mehr als 200 Ländern im Vorjahr gesammelt hatte. Der Grund für das weniger hohe Virenrisiko auf den Schmuddelseiten liegt dem Bericht zu Folge in der häufig kommerziellen Absicht ihrer Betreiber. Man wolle es sich mit den lüsternen Konsumenten schließlich nicht verscherzen und würde deshalb einen virus-freien Aufenthalt auf pornografischen Websites häufig gewährleisten.

Religion im Boulevard

„Sicher haben dahingegen kirchliche bzw. religiöse Einrichtungen, die eine Webseite betreiben, das Problem, dass ihre Webseiten von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden. Diese sind in technischen Fragen häufig Laien“; so Bernhard Limberg von der Evangelischen Nachrichtenagentur idea im Gespräch mit media-bubble.de. Dass es in Zukunft Aufgabe kirchlicher Institutionen sein sollte, regelmäßige Sicherheitsupdates durchzuführen und die nötigen Firewalls zu installieren, um die nichtsahnenden User ihrer Website zu schützen, sollte selbstverständlich sein.

So weit so gut. Was das Thema zusätzlich interessant macht, ist die mediale, manipulative Ausschlachtung, die es durch deutsche Nachrichtendienste im Netz erfährt. Mit fast schon süffisantem Tonfall wird dort die Studie zu einem Kondensat zusammengeköchelt, die Religion diskreditiert. “Porno schützt besser vor Viren als Religion“, heißt es da beispielsweise. Der Porno wird – um im Jargon zu bleiben – als Kondom für den Internetverkehr gehypet. Längst ist eine boulevardesk anmutende Reduktion des Sachverhalts in Schlagzeilen Usus im Web.  Mehr noch wird hier aber der moralische Kontrast von Gut und Böse bedient, um leserfreundlich zu polarisieren. Es geht nicht mehr nur um die Ergebnisse eines Berichts über Bedrohungen im Internet, sondern vor allem darum, der Oberflächlichkeit des digitalen Volksmundes endlich ungestraft zu huldigen. Der Leser freut sich über die Steilvorlage, wie die von Administratoren genehmigten Leserkommentare zeigen: “Religion ist ein Virus“, “Guter Sex ist besser als jede Religion“.

Diktatur des digitalen Relativismus

Sex sells – ist nun mal so.

Was sich in der Printausgabe nur ganz gewisse Medien getraut hätten, ist im Netzzeitalter beinah jedem national anerkannten Nachrichtenmagazin zuzutrauen. Der Bruch mit dem Tabu ist dem wohl vielleicht demokratischsten Medium dieser Tage inhärent und nicht länger zu verurteilen. Die kreischende, politisch-unkorrekte Headline gibt den Ton an und versteckt die Inhalte. Der Internetpornografie kommt dieser Umstand zu Gute. Abgesehen von Kinderpornografie gibt es längst keine illegitime Pornokultur mehr, weil sich die Auswirkungen von Pornografie in der Grenzenlosigkeit des Netzes als unabsehbar erwiesen haben.

Die Pornographie ist deshalb netzaffiner als alles andere auf dieser Welt, weil sie gleich ihrem Medium nichts als definitiv anerkennt und als letztes Maß nur das dauergeile Ich und dessen Wünsche gelten lässt. Porno muss sich nicht anpassen an die Diktatur des Relativismus, die das Netz betreibt. Porno ist schon relativ.

Religion ist es noch nicht. Sie widersteht dem Sich-treiben-lassen dieser Zeit. Natürlich unternimmt sie unentwegt den Versuch, sich anzupassen. Wenn möglich, ohne auf den Kern ihrer Botschaft verzichten zu müssen. Doch hin und wieder scheitert diese Anpassung an einer digitalen Erlebnisgesellschaft, die ihr viel zu häufig deutlich macht, wie überholt sie doch im Grunde ist. Auch der klare, christliche Glaube wird dann häufig als Fundamentalismus etikettiert.

Der Missionar als Trojaner

Von diesem Punkt an ist es nicht mehr weit, um, wie Symantec, durch die Verwendung verallgemeinernder Begriffe, wie “religiöse und ideologische Websites“, unabsichtlich für Schlagzeilen zu sorgen, die das Bild des gefährlichen Missionars und Ideologen digital aufbereiten und symbolisch neu besetzen. Es ist das Bild eines Terroristen. Eines Trojaners, der uns die neu gewonnene, digitale Freiheit nicht gönnt.

Da er aber vom Berg herabging, folgten ihm viele Menschen nach. Und siehe, da kam ein Sünder mit seiner verseuchten Festplatte daher und sprach: Kannst du sie wohl reinigen? Und er streckte seine Hand aus, rührte sie an, lachte herzlich und sprach: Now Be Safe Son, Keep On Watching Porn.

Fotos: flickr/knivesout (CC BY-NC-ND 2.0) , flickr/iarahei  (CC BY-NC-SA 2.0)

Fans & Fiktionen – Es war einmal…

von Sanja Döttling

DeviantArt bestreitet einen Teil seines Seiten-Traffics mit Fan Arts, auf archiveofourown.org sammeln sich Fan-Autoren aus der ganzen Welt, und der Blog-Seite Tumblr ist die Fan-Spielweise schlechthin – mit gemalten Bildern, manipulierten Fotos, Freunden und Fanfiction. Heute sind Fan Comunities im Internet zuhause, doch ihre Geschichte beginnt lange vor der virtuellen Realität.

Wo beginnen?

Den Anfang der Media-Fan-Bewegung zu finden, ist nicht ganz einfach. Seit dem Anfang des Geschichten-Erzählens werden Ideen übernommen, geklaut, verändert und in neue Kontexte gestellt – also genau das, was heutige Media-Fans mit ihren geliebten Büchern oder Serien tun. In ihrem Essay „Achontic Literature“ unterscheidet Abigail Derecho, Doktorantin an der Nothwestern University, drei verschiedene Definitionen von Fan Fiction und damit auch drei verschiedene geschichtliche Startpunkte:

1. Fan Fiction gibt es seit der ersten Geschichte und bis heute; Fan Fiction sind dabei sowohl Geschichten von Fans innerhalb der Community als auch von Autoren, die sich eines bekannten Stoffes bedienen. (Wie zum Beispiel Wolfgang Holbeins Roman „Thor“, der sich mit den Geschichten der Edda beschäftigt.)

2. Fan Fiction sind Produkte einer konkreten Fan Culture, die als solche entweder 1920, mit den ersten Sherlock Holmes-Clubs und Jane-Austen-Societies, oder 1960, mit den ersten Star-Trek-Fanzines, also Zeitschriften von Fans für Fans, begannen. Sie enthielten Hintergrundinformationen und Fanfiction.

3. Fan Fiction müssen zwischen der ersten, sehr weiten Variante und der zweiten, zu engen Variante angesiedelt werden. Derecho schlägt deshalb vor, besondere Merkmale von Fanfiction herauszuarbeiten, um sie von Literatur abgrenzen zu können; für sie ist Fan Fiction „Archontic Literature“.

Wie immer liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Im Zusammenhang dieser Serie erscheint es allerdings sinnvoll, die zweite Definition zu bevorzugen, da das Feld der Media-Fans so eng gehalten werden kann.

Von Science-Fiction zu Star Trek

In ihrem Essay „A Brief History of Media Fandom“ gibt Francesca Coppa eine kurze Übersicht über die Entwicklung der Fan Communities seit 1930 und damit seit dem ersten FanZine. Das hieß „The Comet“ und war eine Zeitschrift, die von und für Leser von Science Fiction-Stories produziert wurde. Bekannte Autoren wie Ray Bradbury veröffentlichten hier ihre ersten Geschichten. Ende der 30er Jahre fanden die ersten Fantreffen – Conventions – statt. In dieser Zeit etablierte sich auch der Fan-Jargon mit ausdrücken wie „fanboy“ oder „con“.

Von den SF-Lesern war es nur ein kleiner Sprung zu den ersten Media-Fans; erst die Serie The Man frum UNCLE und dann, mit ungleich größerem Echo: „Star Trek“. Jetzt waren es auch die Frauen, die anfingen, Fanaktivitäten zu übernehmen. Während Gene Roddenberry, Erfinder der Serie, die Copyrightverletzungen durch Fans ignorierte, begannen sich FanZines zu vermehren. Die ersten Beziehungs-Fanfiction wurden geschrieben. Schnell grenzten sich SF-Fans von den Trekkies, also den Star Trek Fans, ab; die blieben fortan unter sich.

Plötzlich ging es in den Geschichten weniger um den Science-Fiction-Hintergrund; die Beziehungen und Freundschaften der Charaktere rückten immer mehr in den Vordergrund der Fanfiction. Die ersten Mary Sues – weibliche Über-Charaktere, die alles können – tauchten auf und kommandierten die Männer herum. Die nächste große Teilung innerhalb der Autoren betraf den Unterschied zwischen K&S-Geschichten (Kirk und Spock in freundschaftlicher Beziehung) und K/S-Geschichten, auch als Slash bekannt – sie waren romantischer Natur.

Männliche Helden und weibliche Fans = schwul

Neue Fernsehserien wie Starsky and Hutch und The Profesionals zogen Ende der 70er das Augenmerk der Fans auf sich. Diese sogenannten „Buddy Shows“ hatten ganz bestimmte Bausteine, die sie für Fans von den oben genannten Beziehungs-Geschichten attraktiv machten: Die beiden Hauptprotagonisten waren

a) Problem-Löser und Abenteurer

b) standen außerhalb der Mainstream-Gesellschaft

c) und waren voneinander abhängig.

Das machte es den (weiblichen) Zuschauern leicht, homoerotische Untertöne in Beziehungen zu interpretieren. Ein weiterer technischer Fakt verstärkte diese Interpretation. In Coppas Essay zitiert sie Camille Bacon-Smith mit den Worten:

„When actors are shot in sufficient close up for the viewer to read facial expressions clearly, they cannot maneuver appropriate social distances and still look at each other while they are speaking…. so actors portraying friends consistently break into each other’s spheres of intimate space.“

Ein Science-Fiction-Blockbuster belebte das tot geglaubte Genre ebenfalls: Star Wars. Damit begann die Zeit der diversen, sich voneinander abgrenzenden Fandoms.

Damals war alles besser (selbst Film und Fernsehen)

Fortsetzungen und neue Filme, wie Indiana Jones oder Blade Runner, erweiterten in den 80er Jahren den Horizont für Fans.  Der Blick richtete sich nun auch nach England; die BBC ist bis heute offener Geheimtipp unter Fans. Damals wie heute inspirierte die Serie Doctor Who viele Fans. Auch im amerikanischen Fernsehen tat sich etwas: In Serien wie Hill Street Blues wurde eine komplexere Erzählstrategie eingeführt. Die ersten weiblichen Heldinnen eroberten die Leinwand und machten den Weg für fem slash – Fanfiction mit lesbischen Paaren – frei. Die ersten Crossover-Geschichten wurden entwickelt: Sie vereinen verschiedene Charaktere aus unterschiedlichen Serien.

Fans und Internet: Ein Traumpaar

Anfang der 90er Jahre begann der Siegeszug der Fan Communities im Internet. Schon immer bedienten sich Fans den einfachsten und billigsten Verbreitungsmitteln, da ihre Tätigkeit rein ehrenamtlich und unbezahlt war. Nun also zogen die Fans zum Austausch ins sogenannte Usenet, einen Zweig des Internets, der lange vor dem WWW existierte. Es folgt einer Ähnlichen Strukturen wie Web-Foren heutzutage und diente dem weltweiten Austausch von Fans in jeweiligen Gruppen. Bald darauf folgten die ersten Mailing-Listen und Archive. Zum ersten Mal konnten sich Slash-Fans offen austauschen und wurden teil des Fan-Mainstreams, verließen also ihre frühere „Schmuddel-Ecke“.

Neue Serien wie Buffy, X-Files, Highlander und Xena eroberten die Bildschirme. Der Zugang zu Fan-Archiven wurde leichter. Immer mehr Leute konnten sich virtuell austauschen. Zu den reinen Media-Fans gesellten sich Comic-, Musik- und Anime-Fans zur Koexistenz im Internet.

Postmoderne Fan Community

Im neuen Jahrtausend verändert sich die Fan-Landschaft im Internet so rapide, ist so groß und unübersichtlich geworden, dass es kaum möglich ist, sie in ihrer Gänze zu erfassen. Seit 1998 ist fanfiction.net wohl die größte Sammlung internationaler Fan Fiction zu allen Fandoms. Die Zahl der Geschichten geht in den Millionen-Bereich. Fast 600,000 Geschichten gibt es allein zum Fandom Harry Potter. Daneben sind die neuen gewählten Stars: Herr der Ringe, Twilight, Naruto und Inuyasha, Star Wars und Supernatural.

Blog-Seiten wie LiveJournal.com und heute tumblr.com mit seiner Re-Blog-Mentalität sind zu Treffpunkten für Fans geworden. Die Verlegung der Fan-Aktivitäten ins Internet beeinflussen die Verbreitung, Rezeption, Produktion, Interaktion und Demografie des Publikums. Fans werden jünger, weil das Web frei zugänglich ist und kostenlos. Manche Fans lesen Fanfiction, ohne sich in der Community zu beteiligen – sie werden Lurker oder Schwarzleser genannt. Inzwischen wandern die Fanfiction aus dem Internet zurück in die Handtasche: E-Book-Reader lassen den Unterschied zwischen Buch und Fanfiction, zumindest in Erscheinungsbild, verschwimmen.

Quellen:

– Hellekson, K., Busse, K. 2006; Fan Fiction in the Age of the Internet

A (very) brief History of Fanfic, Super Cat.

– Fotos: Sanja Döttling

 

 

 

Online regieren.

von Pascal Thiel

Das digitale Zeitalter hat nun auch die Politik erreicht. Man hat erkannt, dass das Internet nicht nur eine „Modeerscheinung“ ist, sondern zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Da kamen clevere Politiker auf eine geniale Idee: Warum nicht online regieren? Sie entwickelten ein Konzept und nannten es „E-Government“.

Doch was kann man nun darunter verstehen? Wählt man ab sofort per Mausklick statt im Wahllokal? Kommt der Personalausweis per E-Mail? Wird jemanden anzeigen so leicht werden wie Pizza bestellen? Kann ich mit meinen Behörden chatten?

Die Wahl per Mausklick könnte eines Tages tatsächlich Realität werden, jedoch ist das noch Zukunftsmusik. Das E-Government steckt noch in den Kinderschuhen.

E-Government

Doch was ist nun „E-Government“? Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung der Deutsc

hen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer definiert E-Government als einen Überbegriff der „Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“. Das bedeutet vereinfacht: regieren und verwalten im Internet.

E-Government umfasst demnach nicht nur, wie allgemein angenommen, die internetbasierte Kommunalverwaltung („E-Workflow“ oder „E-Administration“), sondern darüberhinaus interaktive Partizipationsmöglichkeiten („E-Democracy“). Während der Begriff der „E-Administration“ Systeme und Anwendungen zur Verwal

tung unter sich vereinigt, umschließt „E-Democracy“ moderne politische Informations-, Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten, beispielweise Systeme für Online-Durchführungen von Wahlen, Volksabstimmungen, etc.

Die Internetseite des Deutschen Bundestages ist ein Musterbeispiel der „E-Democracy“. Hier kann man sich über die Geschäfte des Parlaments informieren, mit den Körperschaften kommunizieren (über eine Adressenliste) und durch den Download von zum Beispiel Petitionsformularen am politischen Geschäft partizipieren. Für diese breite Auswahl wurde die Internetseite 2007 mit dem World Summit Award in der Kategorie „E-Government“ ausgezeichnet.

E-Rules

Die Bundesregierung sieht in der „Informationsgesellschaft große Chancen auch für die öffentliche Verwaltung“. Daher ist die Förderung des E-Governments im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP von 2009 festgeschrieben: „Wir werden […] E- Government weiter fördern und dazu wo und soweit notwendig, rechtliche Regelungen anpassen (E- Government-Gesetz).“ (Seite 102). Anmerkung: Diese Pläne gehen bisher nicht über die „E-Administration“ hinaus.

Seit März 2012 liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht vor, die grundlegenden Voraussetzungen der „E-Administration“, zu schaffen und hält die Kommunen an, „ihre Akten elektronisch auf dauerhaften Datenträgern führen“ und dabei „die Grundsätze ordnungsmäßiger Aktenführung“ zu beachten. (Art. 1, Abschn. 2, § 6, Abs. 1). Dabei soll laut dem Bundesinnenministerium ein „effizientes, nutzerfreundliches und prozessorientiertes E-Government“ entstehen und Hindernisse wie etwa Medienbrüche, also Hindernisse beim Übersetzen von Daten vom einen Medium ins andere (z.B. handschriftliche Formulare in Onlineformulare), verhindert werden. Wann und gegebenenfalls mit welchen Änderungen der Entwurf behandelt und verabschiedet wird, ist allerdings noch unklar.

Die Kanzlerin versuchte sich schon im Rahmen des „Zukunftsdialogs“ am Internet (wir berichteten). Da steckten die Partizipationsmöglichkeiten aber noch in den Kinderschuhen.

E-Benefits

Dabei könnten durch das „E-Government“ und besonders durch die „E-Administration“  enorme Kosten eingespart werden. Bei der E-Government-Initiative „BundOnline 2005“ wurden durch die internetbasierte Verwaltung beispielweise 400 Millionen Euro eingespart – Vorteil für den Steuerzahler. Zudem verbessert die „E-Administration“ den Kontakt zwischen dem Bürger und der Behörde, da rund um die Uhr Informationen erreichbar sind, Eingaben getätigt und automatisch bearbeitet werden können. Damit ist der Bürger nicht von starren – zumeist durchaus ominösen – Öffnungszeiten abhängig.

Auch der Staat verbucht Positives: Er spart nicht nur – wie oben beschrieben – enorme Kosten ein, sondern auch Personal, das aufgrund von automatisierten Prozessen nicht mehr notwendig ist.

Vorteile gibt es zu guter Letzt auch für Unternehmen, da aufgrund der Digitalisierung Behördengänge überflüssig werden, somit der bürokratische und administrative Aufwand stark reduziert wird.

E-Data

Sollte „E-Government“ in das Verwaltungswesen Einzug erhalten, befürchten viele große Probleme mit den neuen, immensen Datenmengen. Daher stellen sich elementare Fragen: Wird die Privatsphäre weiterhin geachtet bleiben? Sind die Daten sicher? Wie können die Daten geschützt werden? Welche neuen Gefahren entstehen?

Gerade in Bezug auf die Privatsphäre gibt es einen lebhaften Diskus. Kritiker befürchten, über die Frage, „E-Government“ führe geradewegs zum Schreckensszenario des „Gläsernen Menschen“. Sie warnen vor virtuellen Datenabbildern der Menschen und einer damit verbundenen Auflösung der Grenzen zwischen Privatem und öffentlich Zugänglichem.

Doch ist eine Digitalisierung der Verwaltung und somit auch der persönlichen Daten nicht überfällig? Wenn die Antwort darauf positiv ausfallen soll, so reiht sich die Frage nach dem Schutz der Daten hintenan. Denn dieser stellt womöglich die größte Herausforderung dar: Die speicherbedürftige Datenmenge würde mit Einführung des „E-Governments“ enorm ansteigen. Doch beim Transport wie auch im verarbeitenden System sind die Daten Hackerangriffen, Trojanern und Viren bei Fehlen einer lückenlosen Sicherheitssoftware schutzlos ausgeliefert. Davor warnen insbesondere die Datenschutzbeauftragten von Bund und Länder: Die Nutzer dürfen sich keine Sorgen über die Sicherheit ihrer Daten machen müssen.

Viele offene Fragen mit Klärungsbedarf: Zweifelsohne wird E-Government eines Tages Realität werden, nur wann ist fraglich. Zwar gibt es bereits einige Angebote und Konzepte, doch umfassende staatliche Problemlösungen sind noch Mangelware. Das heißt für den normalen Bürger bis auf weiteres: Pizza online, Anzeigen im realen Leben.

 

Foto: flickr/Flyinace2000 (CC BY-SA 2.0)

Willkommen in Pornotopia

von Sebastian Seefeldt

Generation Porno: Mythos oder Realität? Pornovideos machen mittlerweile 30 Prozent des Internet-Datentraffics aus, die Sexualisierung schreitet auch in der virtuellen Welt unaufhaltsam fort und verändert – angeblich – eine ganze Generation.

42 Prozent der 11- bis 13-Jährigen haben bereits pornografische Produkte konsumiert. Bei den 14- bis 17-Jährigen sind es 79 Prozent. Es sind Zahlen wie diese, die nur all zu leicht zu Vorurteilen wie der „Generation Porno“ führen. Schlussendlich ist es nur die Feststellung, dass Pornografie konsumiert wird.  Die eigentlichen Fragen sollten aber lauten: „Was machen Pornos mit den Jugendlichen?“ und „Wie gehen die Jugendlichen mit den Pornos um?“.  Eine Hamburger Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Rezeption von Pornografie bei Jugendlichen klar gegendert ist, also Männer und Frauen klare, unterschiedliche Rezeptionsmuster aufweisen.

„What do boys do with Porn?“

Gunter Schmidt und Silja Mattheisen unterscheiden drei typische Settings in denen Pornos gesehen werden. Jedes von ihnen führt zu einem anderen typischen Rezeptionsmuster.  Am Seltensten wird der Porno gemeinsam mit der Freundin gesehen. Nur ein Viertel der Befragten Jungen hat das überhaupt versucht. Deutlich mehr (über 50%) haben Pornos schon in Gruppen konsumiert. Hier steht aber nicht die sexuelle Erregung im Mittelpunkt, sondern die gemeinsame Belustigung an besonders groteskem, bizarrem oder sonstigem „extremem“ Sex. Wird alleine dem Liebesspiel gefrönt, dient es für 91% der Jungen als sexueller Stimulus zur Masturbation – redet man also über Pornos und Jungs, redet man zwangsläufig auch über Masturbation. Für Jungs sind Pornos daher etwas ganz Normales und Selbstverständliches so wie eben auch die Masturbation.

 „What do Girls do with Porn?“

Mädchen begegnen pornografischen Inhalten meist ungewollt: Beim Surfen im Netz oder beim Zappen im Fernsehen – sie suchen pornografische Inhalte sehr selten gezielt auf. Nur 38% der Befragten sahen sich die Filme alleine an, meist aus reiner Neugier, um zu sehen, wie „es“ geht. In Gruppen verhalten sie sich ganz ähnlich wie Jungs – auch bei ihnen steht der Lacherfolg im Vordergrund, auch wenn hierzu kein „Hardcore Material“ herangezogen wird. Gemeinsam mit dem Partner sehen ebenfalls nur wenige die schlüpfrigen Filme, denn meistens ist Sie genervt und Er erregt – keine gute Mischung. Jungs und Mädchen „benutzen“ Pornos also auf unterschiedliche Weise. Wie wirkt sich aber der Konsum auf die Jugendlichen aus? Kann der alltägliche Konsum in einer dermaßen prägenden Zeit wie der Pubertät wirklich ohne Folgen bleiben?

 What does Porn do to Teens?

Um diese Frage zu beantworten, muss beachtet werden, dass Jugendliche durchaus mit einer Erwartungshaltung an das Medium Porno treten: Auf so genannten „Lovemaps“ sind schon lange vor der ersten sexuellen Phantasie unsere individuellen Liebes- und Sexualentwürfe codiert. Diese sexuellen Skripte enthalten die Struktur des individuellen sexuellen Verlangens und bilden sich schon in Kindheit und Vorpubertät. Sie werden vor allem durch unsere Beziehungs-, Geschlechts-, Körper- und Bedürfnisgeschichten geprägt. Diese „Blaupause des Begehrens“ wird mit Einsetzen der Pubertät sexualisiert, so die Forscher Schmidt und Mattheisen. Lovemaps dürfen aber nie als abgeschlossen gesehen werden, sie werden stets um- und weitergeschrieben.

Im Sinne des medienwissenschaftlichen Nutzen- und Belohnungsansatzes liegt also, selbst bei den 12- und 13-Jährigen, eine Erwartungshaltung gegenüber dem Medium vor. Sie sind keine willenlosen Zombies, die durch die Filme der roten Industrie leicht beeinflusst werden können – sie sind willentliche Rezipienten und sehr selektiv. Was nicht der Lovemap entsprich ist meist uninteressant. Ein Freischein kann die Medienwirkungsforschung der Pornografie dennoch nicht ausstellen, denn anscheinend können sie ein konservatives Frauenbild – die Frau als reines Sexualobjekt – fördern. Der Mann darf in solchen Filmen nicht nur der „coole Checker“ und die Frauen nicht nur „haltlose Schlampen“ sein, wie die Stuttgarter Professorin Petra Grimm betont.

 Zwischen Fakt und Fiktion

Teenager sind durchaus in der Lage zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden. Natürlich kann und wird das Liebesspiel mit dem Partner durch Pornografie angeregt, neue Stellungen werden ausprobiert usw. Aber sie sind in der Lage, den virtuellen, medialen Sex von ihrem privaten Sexualleben zu trennen – die beiden Welten koexistieren nebeneinander. Der Sex im Schlafzimmer soll ganz „normal“ sein, der Lovemap entsprechen. Schon als Kind lernen wir klar den Unterschied zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Märchen und Realität. Pornografie wird bewusst als Fiktion wahrgenommen und wirkt auch dementsprechend nur bedingt auf die Rezipienten. Denn Pornos sind, verharmlost gesagt, doch nur Märchen – mit Sex.

Man sollte die Pornografie also nicht zu schnell verurteilen – sie dient zu mehr als nur zur Masturbation. Sie kann aufklärend wirken. Sie kann Inspirieren oder – so scheint es zumindest – auch „lustig“ sein. Ja, die Jugend sieht Pornos, aber nein, sie wird nicht versuchen ihr Pornotopia in der realen Welt umzusetzen.

Fotos: flickr/sewitsforyou (CC BY-NC-ND 2.0) und flickr/Ptqk (CC BY-NC-SA 2.0)

„Stalk me tender“: Interview mit Vincent Schmidlin von Scholz & Friends

Interview: Alexander Karl und Sandra Fuhrmann
Kamera: Sanja Döttling
Schnitt: Pascal Thiel

Fans & Fiktionen – „Kommentare pushen mich“

von Sanja Döttling

Aerith Mon-Kishu ist Fan. Und damit auch Autorin und Malerin. Wie viele Fans beteiligt sie sich in ihren Communities aktiv. Ein Interview über vielschichtige Charaktere, Sex die Leser und Final Fantasy VII.

 

Aerith Mon-Kishu – Wie bist du zu Beginn auf Fan-Communitys gestoßen?

Als ich noch in der Unterstufe war, habe ich Yu-Gi-Oh! geschaut und im Internet nach korrespondierenden Foren gesucht, um dort Hintergrundtheorien zur Serie zu lesen. Damals kamen noch Dragonball Z und X – Die Serie dazu. Das war sozusagen mein Japan-Hype.

Wann hast du aktiv angefangen zu schreiben?

Es gab keine Geschichten zu meinem Pairing – das war damals noch Ishizu und Yami aus dem Yu-Gi-Oh!-Universum.

Wer hat deine Fanfiction gelesen, wenn das Pairing so unbekannt war?

Ich habe welche gefunden, die in meinem Alter waren und nicht so hohe Ansprüche hatten. Ich hatte früher auch noch keinen Beta-, also Korrektur-Leser. Die Fanfictions habe ich auf animexx.de veröffentlicht. Damals kannte ich noch keine englischen Seiten und beherrschte die Sprache nur bedingt.

Wie bekommt man Leser?

Die Fanfiction-Autorin Aerith Mon-Kishu

Als ich mein neues Pairing, Tayuya und Orochimaru (aus Naruto) zu schreiben begann, kamen sie von ganz alleine. Für die Geschichte bekam ich 1.300 Kommentare. Die Kommentare sind oft von den selben Leuten, die gleichzeitig Leser und Freunde sind. Heute habe ich an die 10.000 Einzelleser und 1.000 regelmäßige Leser auf fanfiction.net. Auf Deviantart.com habe ich 150.000 Page Views und meine Facebook-Fanseite liegt bei 163 Likes.

Ich veröffentliche die Geschichte regelmäßig und reagiere auf saisonale Feste: So erschient Tayuyas-Geburtstags-Kapitel an dem Tag ihres Geburtstags usw.

Vertrittst du die These: „Je mehr Kommentare, desto besser“?

Ja. Meistens stimmt das bei bekannten Fandoms. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.

Hast du dich mit den Lesern in Kontakt gesetzt, wenn sie kommentiert haben?

Immer. Sofort. Auch wenn sie nur geschrieben haben „Das ist toll, mach weiter!“ Natürlich freut man sich mehr über ausführliche Kritik, die dann zum Diskutieren einlädt. Leser können mir gerne ihre Wünsche verraten. Ich baue sie mit Freuden ein, wenn sie im Bereich des Machbaren sind.

Du hast inzwischen ja ein neues Pairing, über das du schreibst: Sephiroth und Aerith aus dem Final-Fantasy-Universum. Hast du deine Leser aus anderen Geschichten behalten?

Ja. Aber es kommen immer neue Leser dazu. Von 10 Leuten werden 4 Leute die Geschichte weiterlesen. Es geht nicht so wirklich um das Pairing, sondern darum, dass ich es schreibe. Ich habe mir aber auch ein Paar ausgesucht, dass bekannter ist als die Pairings, die ich davor geschrieben habe. Da ging es wirklich um den Bekanntheitsgrad.

Was liest du?

Man sucht sich dann schon Geschichten aus, die das gleiche Pairing haben, oder deren Stil einem gefällt. Allerdings schaue ich auch über den Tellerrand hinaus, weil ich viel und schnell lese. Ich lese zum Beispiel auch Fanfiction mit Sephiroth und anderen Frauen. Oder diese Frauen mit anderen Charakteren. Immer ein Schritt nach dem anderen.

Was schreibst du gerade?

Gerade habe ich zwei Geschichten; eine ist bisher 200 Word-Seiten lang – wobei die Hälfte davon Notizen und noch lange nicht fertig sind – die andere ist etwas kürzer. Das sind „The Promised Land“ und „Forbidden Fruit tastes The Sweetest“. Erstere ist eine schöne Liebesgeschichte, die auch tragische Momente hat. In letzterer gibt es auch „bösere“ Stellen – die Welt der Fernsehserie Tudors mit ihren Intrigen und Machtspielchen hat mich beeinflusst. Es ist also eine Alternative-Universe-Geschichte.

Wie erklärst du dir die Faszination für Final Fantasy?

Final Fantasy VII habe ich mir gewollt ausgesucht; ich habe den Film gesehen und wollte dann alles darüber herausfinden. Die Faszination geht auch ganz stark von den Charakteren aus. Jeder bekommt seine eigenen Geschichte. Man braucht vielschichte Charakter, um eine Fancommunitiy zu bilden. Final Fantasy VII ist auch ein sehr storylastiges Spiel – die Geschichte lässt auch noch Leerstellen, wie die Vorgeschichten, die man ausfüllen kann.

Der Charakter Sephiroth ist seit erscheinen des Spiels 1997 sozusagen der „Godfather of Fanfiction“. Eigentlich ist er der perfekte Stereotyp eines Bösewichts; und trotzdem lässt sich viel aus ihm machen; irgendwie wünscht man ihm ein perfektes Leben, eine liebende Familie…. alles, was er niemals gehabt hat. Aber – dann wäre er niemals so, wie er jetzt ist. Dieser Zwiespalt macht die Faszination aus.

Der Zwiespalt zwischen Canon und Fanon?

Ja. Es ist das Verlangen, den Charakteren das zu geben, dass sie unserer Meinung nach verdient haben, auch wenn es nichts mehr mit ihrem zumeist tragischen Schicksal in der Originalstory zu tun hat.

Wo veröffentlichst du?

Ich veröffentliche auf animexx.de, fanfiktion.de, myfanfiction.de, fanfiction.net – für die englischen Übersetzungen meiner Geschichten – und die Bilder auf deviantart.com. Außerdem habe ich eine Fanpage auf facebook.com. Allerdings werde ich auf der deutschen Seite fanfiktion.de angefeindet. Die Leute dort mögen mein Pairing nicht: „Warum sollte Aerith ihren Mörder, also Sephiroth, heiraten?“ sagen sie…. Ich habe dafür eben meine eigene Erklärung!

Aber: „Warum sollte Sephiroth mit seinem Klon ins Bett steigen, wobei dieser ihn auf den Tod nicht leiden kann?“ könnte man bei anderen Fanfiction auch fragen. Jeder hat seine eigene Auffassung und unterschiedliche Obsessionen. Ansonsten wäre doch alles der gleiche Brei und langweilig.

Allerdings orientiere ich mich immer mehr in der englischen Community. Ich schreibe und lese auf Englisch. Da ist die Auswahl an Geschichten größer und es gibt bessere Autoren.

Was hältst du von Slash – oder yaoi, wie es in der japanischen Szene heißt?

Ich bin dessen überdrüssig geworden. Slash nimmt den größten Teil der Fanfiction-Szene ein. Viele sind grottenschlecht…. Da werden dann oft Klischees aufgewärmt und immer das gleiche geschrieben. Die älteren Autoren finden sich dann auf anderen Seiten. Aber ich kann es ihnen nicht verübeln. Ich war mit 15 auch nicht anders. Doch zum Glück wächst man irgendwann heraus oder verbessert seinen Stil soweit, dass die Yaoi Geschichten wohltuend für die Augen werden.

Also nicht alles Hochliteratur?

Nicht unbedingt. Viele Geschichten sind nicht gut. Einige wollen einfach schnell zu Sexszenen kommen. Viele schreiben sich auch selbst in die Geschichte und machen sich zur Über-Heldin, also zu Mary Sue, wie es unter Fans heißt. Das liest man einfach nicht gerne.

Aber auch in deinen Fanfictions geht es ja zur Sache. Warum?

Sex sells – so einfach. Außerdem gibt es solche Bücher kaum im Handel. Die Leser – und bei den romantischen FFs haben wir fast ausschließlich Weibliche – können sich gut in den weiblichen Hauptcharakter hinein versetzen – also eine gut getarnte Mary Sue, sozusagen.

Warum schreibst du keine Geschichten mit eigenen Charakteren?

Ich habe daran schnell die Lust verloren. Ein Original muss fertig geschrieben sein, um es zu verlegen. FFs kann ich kapitelweise schreiben und hochladen. Somit habe ich immer eine Lesergemeinschaft im Rücken. Ich brauche auch die Kommentare; die pushen mich zum Weiterschreiben.

Was machst du noch außer zu schreiben?

Ich zeichne Fan Arts, eigene Mangas und cosplaye. Ich gehe auch auf Buchmessen oder Cosplay-Conventions mit den Kostümen. Man kann sich dann in den Charakter reinversetzen; und seine Charakterzüge sozusagen adaptieren. Und dann mit Zitaten um sich werfen!

Was macht man dann auf solchen Conventions?

Fotoshootings, Schaukämpfe…. Man fühlt sich ein bisschen wie ein Popstar, wenn alle Bilder mit dir machen wollen, weil ihnen dein Cosplay gefällt. Da ich meine Kostüme selbst nähe, trage ich sie auch mit Stolz. Inzwischen werde ich sogar auf der Strasse erkannt.

Findet man in der Community auch Freunde?

Manche Fans sind fies – ein paar haben meine Geschichte ohne Erlaubnis als ihre hochgeladen und als ihre verkauft. Deswegen bin ich nun auch auf so vielen Seiten vertreten, damit mir das nicht noch einmal passiert. Aber die meisten Fans sind schnell gute Freunde. Man kann eben mit wenigen Menschen über diese Themen reden und sucht sich welche, die das Gleiche mögen. Manche Gleichgesinnte trifft man dann auch im „Real Life“, skypet mit Video, telefoniert und verabredet sich. Meistens lernt man sich auf Conventions kennen. Fans haben untereinander einen sehr offenen Umgang; vielleicht, weil sie alle die gleiche Faszination für einen Gegenstand teilen und ganz in einem Thema aufgehen.

 

Aerith Mon-Kishu – übrigens nicht ihr echter, sondern ihr Pen-Name – ist auf facebook.com auf ihrer Fanpage zu finden;  dort sind auch die Links zu ihren anderen Seiten angegeben. Media-bubble.de dankt für das Interview!

Bitte recht hetero! Schulbücher und ihr Weltbild.

von Alexander Karl

Homosexualität in der Gesellschaft bleibt ein Streitthema: Während US-Präsident Obama sich für die Öffnung der Ehe ausspricht, hetzt in Deutschland ein Uni-Professor gegen den Berliner Senat, der homosexuelle Partnerschaften im Unterricht behandeln will. Aber: Wie wird Homosexualität bisher im Unterricht behandelt?

Auch Kinder sollten lernen: „Love is Never Wrong“

Tradition contra Irrglaube

Wie präsent soll Homosexualität in der Gesellschaft und somit auch in den Medien sein? Prozentual zu dem tatsächlichen Anteil, der zwischen 4-10 Prozent liegt? Und wann sollen Schüler mit einer Welt außerhalb des heteronormativen Weltbilds konfrontiert werden? Diese Frage stellt sich nicht nur der Berliner Senat, der in weiterführenden Schulen über Homosexualität diskutieren lassen will, sondern auch der Politikwissenschaftler Jürgen Bellers der Uni Siegen. In einer Facebook-Gruppe der Uni rief er zu einem Treffen der Gruppe „Traditional international“ auf, die als Menschenrechtsorganisation gegründet werden sollte. Es sollte „Mailaktionen an die, die (…) Menschenrechte missachten“, geben, etwa über den Berliner Senat, „der im Unterricht auch homosexuelle Beziehungen als mögliche Partnerschaftsformen lehren will“. Für die Uni Siegen ein mittlerer Skandal, der nicht nur Entschuldigungen nach sich ziehen darf.

In Berlin wird man darüber wohl nur den Kopf schütteln können. Dort gibt es bereits seit 2006 eine Handreichung zum Thema „Lesbische und Schwule Lebensweisen“ in der es heißt: „Sie, liebe Kollegin, lieber Kollege, können dazu beitragen, dass lesbische und schwule junge Menschen ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln und ihnen ihre Mitschülerinnen und -schüler mit Offenheit, Selbstverständlichkeit und Akzeptanz begegnen.“

Das ist auch in den Lehrplänen verankert: Seit dem Schuljahr 2006/2007, werden die Themen „Sexualität und sexuelle Orientierung, sexuelle Identität und gleichgeschlechtliche Lebensweisen“  als Unterrichtsinhalte genannt – etwa in Biologie, Ethik, und Geschichte. Aber auch die Thematisierung in anderen Fächern, etwa Deutsch und Fremdsprachen, aber auch Sport, wird angeregt.

Schulbücher. Oder: Wie viel homo ist erlaubt?

Dies wirkt sich auch auf die Schulbücher aus. Auf Anfrage von media-bubble.de erklärte Dagny Ladé vom Ernst Klett Verlag, dass alle Schulbücher des Verlags „in vollem Maß den Vorgaben des Lehrplans in den Bundesländern [entsprechen], für die sie genehmigt sind. Die Wahl der behandelten Themen, die Ausführlichkeit ihrer Darstellung und die konkreten Unterrichtsaufgaben an den Schüler ergeben sich aus den Vorgaben der jeweiligen Kultusministerien.“ Das heißt, wenn die Kultusministerien in ihren Lehrplänen keinen Wert auf die sexuelle Aufklärung legen, schlägt sich das auch nicht in den Schulbüchern nieder. Doch wie Brigitte Kieser vom Bildungsministerium Baden-Württemberg erklärt, sind Schulbücher kein Allheilmittel. Stattdessen bestünde ein gelungener Unterricht „aus dem Einsatz verschiedener fachdidaktischer Methoden und Unterrichtsmittel.“

Das mag zwar richtig sein, aber nur wenige Lehrer sprechen das sensible Thema Homosexualität fernab des Lehrplans an. Gegenüber media-bubble.de erklärte Brigitte Kieser weiter, dass die neuen Bildungspläne zum Schuljahr 2015/16 „Aspekte wie Heterogenität/Diversität, Empathie, Respekt und Toleranz gerade auch angesichts der weiteren Pluralisierung von Lebensstilen maßgeblichen Stellenwert einnehmen“ werden.

Bis sexuelle Vielfalt also ihren Weg in die baden-württembergischen Schulbücher findet, wird es noch dauern. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich düster aus: Eine Studie des Autonomen Lesben- und Schwulenreferat an der Universität zu Köln (LUSK) aus dem Jahr 2011 ergab, dass von 365 in NRW gängigen Schulbüchern gerade einmal 67 Homosexualität bzw. schwule oder lesbische Lebensweisen thematisieren. In manchen Büchern wird Homosexualität gar in einem Atemzug mit Sodomie und Prostitution genannt. Der Gegenpol dazu sind die Niederlande. Dort sollen in Mathebüchern Aufgaben gestellt werden wie „Zwei Väter kaufen ein Sofa für 1.399 Euro mit 25 Prozent Rabatt. Wie viel müssen sie bezahlen?“. Natürlich laufen auch hiergegen christliche Gruppen Sturm. Zugegeben: Das tun beim Thema Homosexualität die meisten christlichen Gruppen. Aber, liebe christliche Gruppen, warum immer gegen die sexuelle Diversität hetzen? Kümmert euch doch lieber um Männer, die sich rasieren, oder solche, die Schalentiere essen! Das ist auch nicht konform mit der Bibel.

Fernab jeglicher religöser Überzeugungen stellt sich immer wieder die Frage: Welche Rolle sollte Homosexualität in einer aufgeklärten westlichen Gesellschaft spielen? Homosexualität ist keine „Krankheit“ oder „Verwirrtheit“, sondern schlicht menschlich – ein Ausdruck von Diversität. Wenn in Schulbüchern Behinderte, Farbige und andere so genannte „Randgruppen“ ihren Platz finden, muss es eine logische Schlussfolgerung sein, dass auch Homosexuelle dort ihren Platz finden. Denn genauso wenig, wie man durch den Anblick eines dunkelhäutigen Menschen selbst die Hautfarbe wechselt, wird man durch die Lektüre eines homosexuellen Comics schwul oder lesbisch. Stattdessen eröffnet sich den Schülern die Chance, bereits von Kindesbeinen an Homosexualität als eine Facette der menschlichen Gesellschaft anzusehen. Damit es in Zukunft weniger Menschen wie Jürgen Bellers gibt.

Foto: flickr/danny.hammontree (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/leg0fenris (CC BY-NC-ND 2.0)

Dieser Text ist ein Beitrag zur Aktion der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zum “Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie”  am 17.5.2012. Auf media-bubble.de gibt es dazu auch eine Aktionsseite.

Facebook als Bewerbungsplus?

von Sandra Fuhrmann

Multitasking ist ihr zweiter Vorname, ihre feste Beziehung ihr Smartphone und ihr Erstwohnsitz ist Facebook. Die Digital Natives – immer erreichbar, ständig online. Eine Generation auf dem Weg mit dem nächstem Stopp Klappsmühle? Oder ist es genau das, was Unternehmen in Zukunft suchen werden? Leute, die allein durch ihre Alltagsgewohnheiten lernen, mit einer bisher nicht vorstellbaren Menge an Informationen umzugehen und deren Technikaffinität eine Effizienz erlaubt, wie sie ohne digitale Medien nie möglich wäre?

Social sells

Durch Aktivitäten in Social Media werden Unternehmen besser wahrgenommen. Das ergab eine Studie des Social Media-Experten Michael Stelzner. Für den Social Media Marketing Industry Report 2011 wurden 3300 Marketingexperten aus Unternehmen befragt. Laut diesen werden besonders Facebook, Twitter, LinkedIn und Blogs verstärkt genutzt, um Marketing zu betreiben. 90 % der Befragten gaben an, dass soziale Netzwerke schon heute extrem wichtig für Unternehmen sind. Die meisten der Firmen hatten durch ihre Social Network-Aktivitäten mehr Abonnenten, mehr Traffic und bessere Ergebnisse im Suchmaschinenranking. Facebook erfreut sich dabei vor allem bei B2C-Unternehmen (neudeutsch für die Beziehung zwischen Unternehmen und Privatperson) großer Beliebtheit.

Teenager-Sex – damit vergleicht Josh Graff, der Marketing Solution Director bei LinkedIn, die Nutzung sozialer Netzwerke. Übung macht den Meister heißt die Devise. Graff bezieht sich dabei auf eine Studie des Chartered Institute of Marketing. Laut der Studie setzen momentan kleine und mittelständische Unternehmen stärker auf die neuen Kommunikationsplattformen als große Unternehmen. Paradox: Von 1000 Befragten war ein Drittel der Ansicht, Social Media sei überhaupt nicht effektiv.

Ganz anders sieht es da schon in der Medienbranche aus. Jan Duschek, Jugendreferent bei ver.di, ist der Meinung, dass gerade in diesem Bereich Social-Media-Kompetenzen ein Vorteil bei der Bewerbung sind. Vieles befinde sich derzeit noch in der Entwicklung. Wohin sie führt? Wer weiß.  Zu media-bubble.de sagte er: „Sicher ist aber, dass die Entwicklung früher oder später Auswirkungen auf den Bedarf nach Fachkräften für diesen neuen Bereich haben wird.“ Eines der Experimente, das sich derzeit noch in Kinderschuhen bewegt, ist beispielsweise der F-Commerce-Markt, der Handel auf Facebook. Duschek prognostiziert, dass sich Unternehmen in Zukunft verstärkt an den neuen Medien orientieren und ihre Geschäftsmodelle auf diese abstimmen könnten. „Das würde dann noch stärker als bisher Auswirkungen darauf haben, wie wir konsumieren und die Beschäftigungsstruktur des gesamten Groß- und Einzelhandels beeinflussen.“

Orientierung im Dschungel und ein Pudel namens Dudel

Was zur Hölle ist ein Eierfon und wie soll bitteschön ein Dudel aussehen? Die Entwicklung der Neuen Medien ist schnell und nimmt an Geschwindigkeit weiter zu. Wer nicht damit aufwächst, für den kann es genau so schnell schwierig werden, die Übersicht zu behalten. Weiterbildung wird darum immer wichtiger – gerade wenn man die zunehmende Orientierug von Unternehmen an den Medien betrachtet. Im Bereich der beruflichen Fortbildung gibt es schon jetzt Angebote, wie die Aus- oder Weiterbildung zum Social-Media-Manager. In  Kursen soll den Teilnehmern dabei vermittelt werden, wie die Möglichkeiten von Social Media effektiv genutzt und zum Vorteil von Unternehmen eingesetzt werden können.

Allgemein fällt jungen Menschen der Umgang mit neuen Medienformen bekanntlich leichter. „Allerdings sind nicht alle Menschen, die viel Zeit bei Facebook und Co. verbringen gleich Social-Media-Experten“, sagt Duschek. „Die Gefahr besteht, dass die junge Generation verlernt, nach Hintergründen und den manchmal komplexen Zusammenhängen zu fragen.“ Junge Leute nehmen Facebook, Twitter und Co. vielleicht manchmal als zu selbstverständlich hin. Sie sehen sich durch ihr Nutzerverhalten einer ständigen Informationsflut gegenüber. Der Weg, diese zu handhaben, kann oft der sein, einzelne Informationen nur oberflächlich wahrzunehmen. „Hier haben ältere Leute vielleicht sogar Vorteile, weil sie ein anderes Mediennutzungsverhalten haben“, vermutet Duschek.

Besonders in der Medienbranche, dem Marketing und der IT-Branche kann das Wissen um die Neuen Medien Vorteile bedeuten. Dasselbe gilt für Führungspositionen. Duschek warnt jedoch davor, bei der Weiterbildung oder Neuorientierung im Beruf allein auf die Karte Social-Media zu setzen. Im Moment werden Aufgaben in diesem Bereich von den Unternehmen häufig an externe Medienagenturen abgegeben. Ob Social-Media in Zukunft an Relevanz für Unternehmen gewinnt, hänge auch davon ab, wie es Social-Media-Anbietern zukünftig gelingt, die Daten für die Firmen verwertbar zu machen. „Auf der andren Seite kann es sich schon heute kein Unternehmen mehr leisten, nicht auf Facebook zu sein“, so Duschek. „Dafür braucht es Leute, die die Unternehmenscommunitys aufbauen und pflegen. Häufig machen das derzeit noch externe Medienagenturen für die Unternehmen. Es ist aber wichtig, hier am Puls der Zeit zu bleiben.“

Smartphone statt Sex

Lieber eine Woche kein Sex, kein Alkohol und kein Fernsehen, als auf das Smartphone zu verzichten. Dieses Meinungsbild ergab sich bei einer Forsa-Studie, die mit Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren durchgeführt wurde. Die ständige Erreichbarkeit scheint zu einem Must-Have zu werden – vielleicht sogar zu einer Art Krankheit. Mitarbeiter die sich quasi im dauerhaften Bereitschaftsdienst befinden– der Traum aller Arbeitgeber? Nicht unbedingt findet Jan Duschek: „Wir erleben schon jetzt, dass es gerade für junge Beschäftigte immer häufiger zur Selbstverständlichkeit wird, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Die Entwicklungen im Smartphone-Sektor spielen dabei eine wichtige Rolle. Allerdings erkennen auch immer mehr Beschäftigte, wie auch deren Interessensvertreter die Nachteile für ihr Privatleben und ihre Gesundheit. Das prominenteste Beispiel ist wohl Volkswagen. Der Betriebsrat hat dort durchgesetzt, dass die E-Mail-Server ab 17 Uhr abgeschaltet werden.“

Wie groß die Rolle ist, die Social-Media zukünftig in Unternehmen spielen wird, mag momentan noch in den Sternen stehen. Bereits jetzt zeichnen sich allerdings Tendenzen ab, die zeigen, dass Unternehmen immer mehr Vorteile von sozialen Netzwerken erkennen. Das betrifft sowohl das Marketing als auch die Präsentation und Kommunikation nach außen. Vor allem in der Medienbranche sind Kenntnisse im Umgang mit Sozialen Netzwerken und Neuen Medien oft bereits eine Voraussetzung. Davon, einen Doodle mit einer Hunderasse zu verwechsel,n sei hier also tunlichst abgeraten. Sich aufgrund seines Nutzerverhaltens zum Psychopaten oder Zwangsneurotiker machen zu lassen kann allerdings weder im eigenen Interesse, noch in dem des Arbeitgebers liegen.

Foto: flickr/Johan Larsson (CC BY 2.0), obs/congstar GmbH

Ein Lexikon schafft sich ab!

von Nicolai Busch

Es ist das Ende einer Ära: Nach 244 Jahren wird der Druck der Encyclopedia Britannica aufgrund gesunkener Verkaufszahlen innerhalb der letzten Jahre komplett eingestellt. Der Verlag möchte sich in Zukunft ausschließlich auf den eigenen Online-Auftritt, sowie auf die Vermarktung seiner E-Learning Angebote und Apps konzentrieren. Das bisher weltgrößte, analoge Lexikon feiert die Anpassung an das digitale Zeitalter. Die vollständige Digitalisierung der Bestände sei “nur ein weiteres historisches Datum in der Entwicklung des menschlichen Wissens“, lässt man stolz verkünden.

Wissen als Kapital einer Wissensgesellschaft

“Some people will feel sad about it. But we have a better tool now. The Web site is continuously updated, it’s much more expansive and it has multimedia.” – Jorge Cauz, Präsident der Encyclopaedia Britannica Inc.

Keine Zeit für Nostalgie? Nun, sicherlich nicht allzu viel, denn natürlich sind wir eine Wissensdienstleistungsgesellschaft, wir sind Wissensarbeiterinnen und -arbeiter, wir sind Teile von Wissensnetzwerken und wir rufen Wissen aus Wissensdatenbanken ab. Unsere Existenz basiert auf  Informationstechnologie. Das heißt, wir konsumieren, verarbeiten, kombinieren, transformieren, repräsentieren, modellieren, visualisieren, kopieren, speichern und bewerten nicht allein die Information, sondern unbewusst auch die Technologie, das Medium. The medium is the message. Das Medium Internet begeistert uns! Das Medium Buch? Immer weniger.

Mensch + Internet + freie Information = Knowledge Society. So einfach ist das. Dachte sich auch Encyclopedia Britannica, wo bereits Mitte der 70er Jahre mit der Digitalisierung der Wissensbestände begonnen wurde, bevor man 1994 die erste eigene Website schaltete und ab 2011 fleißig mit Apple kooperierte. Vermeintlich seit nun knapp vierzig Jahren im Fokus: Der freie Zugang zu Information und Bildung für Jedermann. Diesem prominenten Slogan des Netzzeitalters darf man als interessierter Leser der Encyclopedia Britannica nur bedingt Glauben schenken. Kosteten die bereits erschienenen 32 Bände in Druckausgabe satte 1400 Euro, so beläuft sich der Jahresbeitrag zur unbegrenzten Nutzung von www.britannica.com doch immerhin noch auf etwa 53 Euro. Viva la Revolution digital! Nicht so vorschnell. Denn obwohl die Internetnutzung weiter zunimmt, nutzen etwa 27% der in Deutschland lebenden Personen kein Internet. Es sind vor allem ältere, bildungsferne und einkommensschwache Bevölkerungsschichten. Für sie ist bereits der Zugang zum Netz nicht frei, sondern teuer. Zu teuer. Und das obwohl gerade diese sozialen Gruppen von Wissensangeboten stark profitieren würden.

Warum uns Wissen kostet

Was trotzdem auffällt: Schwinden die technischen Grenzen des publizierenden Mediums, sinkt erst einmal auch der Wert der Botschaft (bzw. des Wissens) am Markt. Ein beinahe paradoxer Zusammenhang, der darauf schließen lässt, dass sich www.britannica.com aus marktstrategischen Gründen dazu gedrängt sah, Wissen im Gewand exklusiver Multimedialität anzubieten. Denn nur durch die zusätzliche Bereitstellung von Videos und interaktiven Illustrationen, sowie durch die Kooperation mit EBSCO Information Services und anderen Online-Diensten ist es Encyclopedia Britannica im Netz heute noch möglich, lexikalisches Wissen als hochwertiges Immaterialgut vergleichsweise teuer zu verkaufen.

Sinn und Zweck des innovativen Geschäftsmodells von Encyclopedia Britannica erscheinen letztendlich noch fraglicher, wenn man sich der Regeln dieses künstlichen Wissensmarktes vergewissert. Dieser wirbt mit der enormen Vervielfältigung und Erleichterung der Zugriffsmöglichkeiten auf dokumentiertes, menschliches Wissen, fördert aber gleichzeitig die Ungleichverteilung von Wissen in den Gesellschaften weltweit.

Multimediale Gleichgültigkeit

Noch etwas anderes fällt auf: Im Netz ermöglicht uns Schrift, symbolische Welten zu kreieren und zu erkunden, ein digital visualisiertes Gemälde vermittelt ganz sicher irgendeinen Eindruck und auch Musik überliefert Gefühle scheinbar mediumsunabhängig. Was wir aber manchmal vergessen, ist, dass sich in den virtuellen Welten des Internets all diese unbeschreiblichen Abstraktionen und Metapherwelten von Schrift, Bild und Ton bis zur Unkenntlichkeit vereinigen, “was zu einer Universalität von Zwecken, ja, einer Indifferenz gegenüber jedweder Intention führt“, so Prof. Dr. Hans-Dieter Kübler in seinem Werk „Mythos Wissensgesellschaft“. Während wir durch diesen multimedialen Zirkus tanzen und den vermeintlichen Mythos informationeller Selbstbestimmung leben, können wir oftmals gar nicht anders, als unsere Gleichgültigkeit gegenüber der akademischen oder künstlerischen Absicht einer Information zu verdrängen. Wenn uns heute der medientechnische Optimismus eines Marshall McLuhan begeistert, dann doch auch, weil wir, die Bürger “globaler Dörfer“, uns damit abgefunden haben, dass sich die eigentliche Bedeutung von schriftlich vermitteltem Wissen durch die Multimedialität des Internets mehr oder weniger völlig auflöst.

Auch in Zukunft werden sich nur wenige Sammler der goldenen Letter auf dem Kunstoffeinband, sowie des bildungsbürgerlichen Hochgefühls der Sicherheit beim Anblick der 32 gedruckten Bände im Regal erfreuen können. Viele andere wird man auf kunterbunten Websites Lernen und Gedankenarbeit mit medialem Edutainment verwechseln lassen. Es bedarf deshalb Wissensdatenbanken, die aufgrund ihrer Kostenfreiheit weniger multimedial und exklusiv, jedoch aus unverfälscht gemeinnütziger Absicht Wissen vermitteln und den geistigen Austausch fördern. Es bedarf einer größeren Anzahl spenden-finanzierter Enzyklopädien, wie Wikipedia, die den Marktplatz der Ideen vor allem als öffentlichen Raum gestalten, um Wissen kostenfrei wissenswerter zu machen.

Foto: flickr/Mike Licht, NotionsCapital.com (CC BY 2.0) , flickr/Alexander Speckmann (CC BY-NC-SA 2.0)