We’re queer, we’re in Cologne!

von Alexander Karl

Köln, 10:50 Uhr Ortszeit: Die Sonne scheint in den Außenbereich des schwulen Badehauses „Babylon“. Babylon wie der Club, in dem die Stars der Serie auf der Tanzfläche – wie auch im Darkroom Spaß haben. Eigentlich sollte die Pressekonferenz gleich mit den Stars der Serie „Queer as Folk“ losgehen. Doch von Michael, Justin und Co. ist noch nichts zu sehen. Peu à peu trudeln sie ein: Peter Paige alias Emmett und Scott Lowell alias Ted warten im Innenbereich der Sauna auf ihre Kollegen. Sie lachen, scherzen, auch mit den Pressevertretern. Dann kommen auch die anderen Schauspieler. Mit etwas Verspätung, aber bei strahlendem Sonnenschein eröffnet Ralf Morgenstern die Pressekonferenz, stellt die Stars und Elke Kriebel vor. Sie ist die Frau, die die Convention nach Köln holte. Sie hatte Scott Lowell vor einem Jahr gefragt, ob die Chance auf eine „Reunion“ bestünde. Zögerliches Verneinen, aber die Kölnerin blieb am Ball und schlussendlich ist es sieben Jahre nach der letzten Klappe der Serie soweit: Eine Reunion (fast) aller Stars der Serie. Mitten in Deutschland, im schwulen Herzen unserer Republik: In Kölns Innenstadt. In Blickweite vom Kölner Dom erzählen die Stars ungezwungen, lassen Erinnerungen aufflammen, plauern aus dem Nähkästchen. Und man stellt fest: Auch sie sind nur Menschen. Sogar sehr nette.

Die Haare kurz rasiert, die Fliege und der Cardigan aufeinander abgestimmt in fast schon dezentem Brombeer: So erscheint Peter Paige zur Pressekonferenz. Der Emmett Honeycutt-Darsteller ist gut gelaunt, lächelt, scherzt. Weiß sogar, wo Stuttgart liegt: „Ich kann ja Karten lesen.“ Wieder dieses Lächeln, dass man aus seiner Rolle aus Queer as Folk kennt. Sein Manager hatte dem offen schwul lebenden Schauspieler von der Rolle der „Queen“-Emmett abgeraten. Aber er verliebte sich in seine Serienrolle – und freute sich, wenn sie sich immer weiter entwickelte. „Man wusste nie, was einen erwartet, wenn man das Script öffnete“. Klar, denn der Charakter des Emmett machte so ziemlich alles mit: Vom Nacktputzer bis zum Pornodarsteller, vom Toyboy bis zur Outinghilfe eines Footballspielers. Jetzt also, sieben Jahre nachdem die Serie abgedreht wurde, ein Revival der Schauspieler in Köln. Ob er den Kölner Dom kenne? „Wunderbar“, sagt er – sogar auf Deutsch!

Auch Hal Sparks ist bester Laune, behält während des Gesprächs aber immer die Sonnenbrille auf. Sparks, der in der Serie den treuen Freund Michael mimt, hat einen ein Jahr alten Sohn. Anders als seine Serienfigur trinkt er nicht und nimmt auch keine Drogen. „Ich stamme von den Ureinwohnern Amerikas ab, deshalb trinke ich nicht.“ Immerhin waren es die Weißen, die die amerikanischen Ureinwohner mit Alkohol bestachen. Aber haben die Ureinwohner kein Problem mit Homosexualität? Sparks verneint, Probleme mit Homosexualität hätten vor allem die großen Religionen und ihre Doktrin. „Tradition ist nicht alles“, sagt er, „die eigene Entscheidung zählt, nicht die der Gesellschaft.“ Wie unterschiedlich die amerikanische Gesellschaft ist, macht auch Sparks deutlich: Eine Greyhound-Busfahrt entfernt kann eine völlig andere Welt kommen, in der Homosexualität noch ein (Tabu-) Thema ist.

Und die anderen? Auch sie erzählen viel. Sharon Gless, die die schrullige, bunte und herzensgute Mutter Debbie spielt, wollte diese Rolle. So sehr dass sie beim Sender Showtime anfragte, ob sie vorsprechen dürfe. „Ich wollte das unbedingt“, sagt die Emmy- und Golden Globe-Gewinnerin fröhlich. Randy Harrison, der den naiven und liebenswerten Justin spielt, war froh, nach der Schule einen Job als Schauspieler zu bekommen, genauso wie Harris Allan, der Hunter spielte. Während Thea Gill die britische Variante bereits vorher gesehen hatte und wusste, wie ihre Rolle als Lesbe Lindsay aussah, hatte Robert Gonzales Gant, dessen Charakter Ben in der zweiten Staffel hinzustößt, die Serie noch nicht gesehen. Michelle Clunie, die Melanie aus „Queer as Folk“ und Partnerin von Lindsay, liebt ihre Serienfigur für ihre Ehrlichkeit, aber auch bei ihr sagte der Agent zunächst Nein. Doch die Schauspielerin mochte die Bipolarität der Serie: Auf der einen Seite den Sex, auf der anderen Seite Alltäglichkeiten wie Zähne putzen.

So alltäglich wie Zähneputzen war auch der Plausch mit den Serien-Stars: So, als würde man mit jemandem reden, den man schon ewig kennt. Sharon Gless könnte sich sogar eine (Kino-)Fortsetzung der Serie vorstellen. Und wer weiß: Vielleicht verschlägt es die schwule Clique ja dann noch einmal nach Köln – und wenn es nur zur Premiere ist.

Foto: Sanja Döttling/ Convention-Logo

Queer as… what?

von Alexander Karl

Queer as Folk, das bedeutet Unterhaltung. Und Sex. Sogar schwulen und lesbischen Sex. Doch die simple Gleichung, dass Queer as Folk eine einzige Parade der Schwulen und Lesben wäre, greift zu kurz: Homophobie, HIV und AIDS werden immer wieder thematisiert. Jetzt feiern bei der Queer as Folk-Convention Fans der Serie sich und die Protagonisten. Aber noch viel mehr.

Wer will das spielen?

Nach dem Erfolg der Orginalserie in Großbritannien im Jahr 1999 sollte Queer as Folk 2000 auch beim US-Pay-Sender Showtime anlaufen. Ein großes Problem war: Wer wollte diese Rollen überhaupt spielen? Wurde man nach einem Auftritt in Queer as Folk nicht automatisch nur noch für schwule Rollen einsetzbar? So stand Showtime vor einem großen Problem: „Showtime had a hard time recruiting actors from big agencies, fearful of their clients‘ being typecast as gay. […] Several fashion designers (of all industries!) even refused to have their products placed in the series. The producers eventually cast almost all unknowns.“

Denn die Charaktere in Queer as Folk waren allesamt eines: Extrem. Und das auf ihre individuelle Art und Weise: „Michael is the child-like innocent, Brian the promiscuous prowler, Ted, the serious nerdy type, and Emmett, the flaming queen” (Cramer, 2007, S. 413). Diese Beschreibung entbehrt natürlich nicht einer gewissen Stereotypisierung, die aber nicht gänzlich falsch ist. Aber hinter jedem Charakter verbirgt sich deutlich mehr, als man vielleicht im ersten Moment denken könnte. So ist die „flaming queen“ Emmett zwar tatsächlich ein wenig tuckig, steht aber vollkommen zu sich und seiner Sexualität. In der fünften Folge der ersten Staffel sagt er: „Steh zu dir oder versink in der Hölle“.

Neben den erwähnten Charakteren bekommt die Männerclique bereits in der ersten Folge zuwachs: Der erst 17-Jährige Justin, der zunächst als recht naiv dargestellt wird. Auf Brians Frage, ob Justin Lust auf die Droge Special K habe, antwortet er: „Ich mag eher Frosties.“ Doch schnell wird deutlich, dass Justin sich als Schwuler akzeptiert und das auch gegen Widerstände – etwa seinen Vater – durchsetzt und sich nicht beirren lässt. In der fünften Folge der ersten Staffel sagt er: „Ich mag Schwänze. Ich möchte von Schwänzen gefickt werden. Ich möchte Schwänze lutschen. Ich mag es Schwänze zu lutschen. Das mach ich auch richtig gut.“

Die Themen von Queer as Folk

„Eins müsst ihr wissen. Es dreht sich alles um Sex. Es ist wahr. Es heißt, Männer denken alle 28 Sek an Sex. Jedenfalls Heteros. Schwule Männer alle 9 Sekunden. […] Es dreht sich alles um Sex. Außer wenn du’s gerade tust, dann geht’s nur darum: Wird er bleiben, wird er gehen, wie bin ich, was mach ich hier eigentlich?“

Ja, Sex spielt eine große Rolle in der Serie. Doch sich nur auf Rein-raus-Spielchen zu versteifen, würde Queer as Folk nicht gerecht werden. Viele weitere Probleme der schwulen (und allgemein homosexuellen) Welt werden immer wieder aufgegriffen. So wird bereits zu Beginn der Serie HIV und AIDS thematisiert. Etwa durch Justin, der bei seinem ersten Mal mit Brian ihn dazu auffordert, ein Kondom zu verwenden. Oder durch die Einführung von Vic, Michael Onkel, der an AIDS erkannt ist. In der zweiten Staffel wird mit Ben ein HIV-positiver Charakter als Protagonist der Serie eingeführt, in den sich Michael verliebt. In der vierten Staffel wird der HIV-positiver Stricherjunge Hunter von Michael und Ben adoptiert, wobei mit der Thematik von minderjähriger Prostitution ein weiteres Tabu gebrochen wird. Ebenfalls ein Thema ist die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare: So kommt in der ersten Folge das biologische Kind der lesbischen Lindsay und dem schwulen Brian zur Welt, das später von Lindsays Partnerin Melanie adoptiert wird. Nicht zu vergessen ist auch die Thematisierung von Homophobie und die Beschneidung homosexueller Rechte. Justin wird sowohl in der Schule, als auch von seinem Vater wegen seiner sexuellen Orientierung attakiert, am Ende der ersten Staffel sogar zusammengeschlagen.

Queer as Folk – das sind fünf Staffel Unterhaltung, die weit über das herausgehen, was die Fernsehlandschaft bis dahin gesehen hat. Schwuler und lesbischer Sex, Homophobie in all seinen Schattierungen und ein differenziertes Männerbild – und gerade letzteres ist ein großes Novum in der Fernsehlandschaft.

Mit der Rise’n’Shine-Convention zur Serie in Köln vom 8.-10.6.2012 wird nicht nur die Serie gefeiert, sondern auch ihr Einsatz für homosexuelle Belange. Und das ist wirklich ein Grund zu feiern.

Foto: flickr/saffirahweb (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/saffirahweb (CC BY-NC-ND 2.0)

Jungautor Alexander Karl im Interview mit media-bubble.de

von Sanja Dötting und Pascal Thiel

Alexander Karl sprach mit media-bubble.de über seinen Jugendroman, Authentizität und die große Liebe.

Alexander Karls Buch „Real Me – Die Suche nach dem wahren Ich“ erschien am 06.06.2012 und ist überall im Buchhandel erhältlich.

Die tagesWEBschau im Test

von Pascal Thiel

Die Tagesschau will endlich für junge Menschen attraktiv werden. Richtig gelesen, die Tagesschau, die noch immer in einem nicht-virtuellen Studio gedreht wird, die Tagesschau, bei der die Moderatoren noch mit gelben Nachrichtenzetteln hantieren, die Tagesschau, die seit einem halben Jahrhundert den Abend „eingongt“.

Ja, genau diese Tagesschau versucht wieder einmal, das junge Publikum für sich zu interessieren. Wie? Mit der tagesWEBschau. Das bedarf einer medienkritischen Betrachtung.

tagesWEBschau? Was ist denn das?

Die tagesWEBschau ist eine dreiminütige Nachrichtensendung, die seit dem 4. Juni 2012 täglich auf dem digitalen ARD-Nachrichtensender tagesschau24 (ehemals EinsExtra) ausgestrahlt wird. Im Internet ist sie über den tagesWEBschau-Player zu erreichen. Die Sendung wird nicht – wie das Mutterformat Tagesschau – moderiert, sondern setzt sich aus drei kompakten Beiträgen zusammen. Es besteht eine starke Ähnlichkeit zu einem anderen Angebot der ARD, der „Tagesschau in 100 Sekunden“.

Thematisch soll die Sendung vor allem internetaffine Junge ansprechen, so Radio-Bremen-Intendant Jan Metzger:

Die tagesWEBschau ist eine kleine Schwester der Tagesschau. Wir werden die Themen des Tages aufgreifen, aber durch den Blickwinkel des Netzes erzählen […]. Darüber hinaus werden wir Inhalte berücksichtigen, die im Netz aktuell sind und die Gemeinde bewegen, aber für die große Tagesschau und das Publikum um 20 Uhr eher weniger wichtig sind. Das alles mixen wir zu einem Format, das die Informations-Qualität der Tagesschau mit der Lebenswelt der Jungen und der Netzaffinen verbindet.

Dabei soll die Komponente der sozialen Interaktion nicht zu kurz kommen. Der tagesWEBschau-Player ist mit drei sozialen Netzwerken verbunden: Facebook, Google und Twitter.

Premiere im Fernsehen ist täglich um 17 Uhr auf tagesschau24, danach kann man die tagesWEBschau abends auf EinsPlus und Einsfestival sehen. Die Sendung befindet sich aktuell in einer sechsmonatigen Testphase. media-bubble.de hat die tagesWEBschau getestet.

Der Praxis-Test.

Viele euphorische Worte, doch hält die neuste Innovation der ARD auch das, was sie verspricht?

Der tagesWEBschau-Player ist schnell gefunden: Auf tagesschau.de weißt ein gut erkennbarer Kasten auf die neue Sendung hin, der mit sofort zum Ziel leitet. Es öffnet sich eine moderne, übersichtlich gestaltete Seite mit einem großen „Play“-Button in der Mitte.

Erstes Urteil: Interface: top!

Der Button ist gedrückt, die Sendung läuft. Drei Themen kurz, prägnant und verständlich dargestellt. Auf den ersten Blick eine solide Berichterstattung im Internet. Doch hieß es nicht, man wolle die Themen „durch den Blickwinkel des Netzes erzählen“?

Sollte damit das Arrangement einfacher Fernsehbilder zusammengeschnitten mit Screenshots, einigen animierten Grafiken und Skype-Interviews gepaart mit stylischen Google-Earth-Zooms gemeint sein, hat die ARD noch viel Arbeit vor sich. Denn was als bahnbrechende Innovation für Digital Natives verkauft wird, ist doch lediglich eine verkürzte, aufgepimpte Version der 20-Uhr-Tagesschau.

Ebenso „offline“ ist das überschaubare interaktive Angebot. Es ist zwar möglich, sich zu aktuellen Clips vertiefend zu informieren, doch landet man zumeist auf schon bestehenden Seiten des ARD-Netzwerks. Externe Links führen vorhersagbar entweder zu YouTube- oder ARD-Angeboten, neue Informationspfade wird der tagesWEBschau-User wohl kaum beschreiten.

Was die Möglichkeiten der Sozialen Netzwerke betrifft – der Plural sollte da nicht überbetont werden. Der tagesWEBschau-Player gibt dem User lediglich die Möglichkeit, Nachrichten auf Facebook, Google oder Twitter – sogar per Mail – zu teilen. Von neuen, innovativ-sozialen Interaktionsfunktionen keine Spur. Für die Internetgeneration doch ein bisschen mager.

Zweites Urteil: Format: Flop!

Stichwort Themen. Über was wird eigentlich berichtet? Beispiel erster Tag: Facebook-Abstimmung, Gaming-Messe und Occupy musikalisch: Die ARD hat tatsächlich Themen gefunden, die Junge interessieren könnten. Doch lediglich Ersteres hat mit dem Internet zu tun. Ob das wirklich dem Interesse der „Netzgemeinde“, der eigentlichen Zielgruppe, entspricht? Die wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit weiter anderweitig informieren.

Drittes Urteil: Themen: Interessant! Aber: Nur ein Internet-Thema.

Laut RadioBremen sitzt hinter der tagesWEBschau eine Redaktion, die täglich alle sozialen Netzwerke nach interessanten und relevanten Themen durchforstet. Hinzukommen die „Internetaspekte“ der „normalen“ Nachrichten. Aus diesem Pott werden dann drei Themen herausgegriffen. Bedeutet dies, dass das ursprüngliche Tagesschau-Nachrichtenspektrum frei nach dem Motto „Ist das Internet drin? Her damit!“ durchkämmt wird? Andere „nerdigere“ Themen, also Nachrichten direkt aus den Weiten des Netzes, werden dann vernachlässigt. Und so rennt die ARD völlig am eigentlichen Ziel vorbei – der Information über Spezialthemen aus der Welt des Internets.

Viel interessanter und vor allem interaktiver wäre es, die Zuschauer selbst online über Mail, Facebook, Twitter, Skype, Google und co. über die Themenagenda entscheiden zu lassen. Der Bayrischen Rundfunk macht’s vor: Die Rundshow feierte ein Debüt, das für Aufsehen sorgte (media-bubble.de berichtete). Doch dies ist nach jetzigem Stand der Dinge nicht geplant.

Viertes Urteil: Themenfindung: Outdated!

Das Fazit:

Die tagesWEBschau ist ein schönes neues Spielzeug im Spektrum der Nachrichtenangebote der ARD, jedoch nicht wirklich mehr als das. Nach dem Tatort via Twitter und  Gottschalk mit Facebook am Vorabend stolpert die ARD wohl auch beim dritten Anlauf zum jungen Publikum. Es wird sich zeigen, ob sich eine Sendung wie die Tagesschau mit diesem neuen Angebot dauerhaft bei den Jungen etablieren kann.

 

Foto: Screenshot.

Fans & Fiktionen – Ein Treffen unter Fans

von Sanja Döttling

Das Internet bietet mit seinen zahlreichen Vernetzungsmöglichkeiten alles, was das Fan-Herz begehrt. Moment mal – wirklich alles? Denn hin und wieder brechen auch noch die Digital Natives zu realen Treffen mit gleichgesinnten Fans auf. media-bubble.de ist live dabei – Auf der „Queer as Folk“-Convention in Köln!


Sieben Jahre ist es her, seit die letzte Folge der amerikanisch-kanadischen Serie „Queer as Folk“ ausgestrahlt wurde. Die Serie drehte sich um das Leben und Lieben einer homosexuellen Clique in Pittsburgh. Das Remake der englischen Serie war schnell erfolgreicher als das Original und wurde fünf Jahre lang ausgestrahlt. Die Serie bekam gemischte Kritik: Auf der einen Seite lobten viele die Serie als die erste mit schwul-lesbischen Lebensgefühl, andere sehen die klischeehafte Darstellung der schwulen Feier-Mentalität und die Übertragung von heterosexuellen Männer- und Frauenrollen auf homosexuelle Beziehungen kritisch.

Trotz allem ist „Queer as Folk“ ein Meilenstein der Fernsehgeschichte. Es ist die erste Serie, die fast den gesamten Hauptcast aus homosexuellen Charakteren aufstellt. Sie beschäftigt sich auch mit sozial relevanten Themen wie Homophobie, HIV und AIDS, Coming-Out, und Regenbogenfamilien.

 

Doch die fünf Staffeln der Serie sind den Fans nicht genug: Nächstes Wochenende startet in Köln die „Rise’n Shine“-Convention zur Serie. Es werden sich aber nicht nur Fans aus Deutschland  im Maritim-Hotel treffen, auch die Schauspieler werden kommen. Dabei hält sich die Veranstaltung auch an den zweigeteilten Grundton der Serie. Zum einen wird gefeiert, es gibt Autogramme, Fotogelegenheiten und Q&As (Fragerunden) mit den Stars. Auf der anderen Seite wird „Rise’n Shine“ auch einen ernsteren Unterton haben. Wie in der Serie werden Themen wie Mobbing, der Umgang mit Vorurteilen und Homophobie aufgegriffen.

Unter Gleichgesinnten

Zu den Teilnehmern der Convention gehört auch Faina. Sie geht in Lingen zur Schule und hat von der Convention über die Social Network-Plattform vk.com erfahren. Sie ist seit über einem Jahr Fan der Serie Queer as Folk. „Es ist einfach so mitreißend, man ist da irgendwie mittendrin vom Anfang an.“ Es ist die erste Serie, die sie sich durchgängig anschaute. „Hier sind die Story und die Charaktere ein Meisterwerk an sich. Außerdem ist die Serie doch recht ungewöhnlich und sehr spannend“, sagt sie.

Auf der Convention hat man die einzigartige Möglichkeit, die Schauspieler und Idole einmal hautnah zu erleben. Das hat natürlich auch seinen Preis: 200 Euro kostet eine der billigsten Varianten für zwei Tage, mit einem Schauspielerfoto. Wer zusätzlich noch Autogramme von den Schauspielern oder eine Partynacht mitbuchen will, zahlt extra.  Für 850 Euro gibt’s die Luxusvariante mit allen erdenklichen Vorteilen.

Viel Geld, auch für die Schülerin Faina. „Tja,und die Frage mit dem Preis ist schon etwas ’schmerzhaft'“, sagt sie, „aber dafür ist es einmalig und Köln ist ja so nah. Ich meine, die hätten die Convention auch gut in Los Angeles veranstalten können. Und da sie hier ist, möchte ich schon dabei sein.“

Auf welchen Teil der Veranstaltung sie sich am meisten freut? „Ich glaube, das Orga-Team hat seine Arbeit so gut geleistet, dass man sich auf die Con als Ganzes freuen kann. Und ein Stück weit lassen wir uns ja auch gern überraschen!“ sagt sie.

Zusammen Fan sein

Conventions haben seit jeher einen sozialen Faktor. Sie bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Fans auszutauschen und Ansichten zu teilen. Seit der ersten „World Science-Fiction Convention“ 1939 sind solche Treffen fester Bestandteil der Fan-Communities. In den 60er Jahren kamen die ersten Star Trek Conventions hinzu, heute gibt des die Treffen zu allen Filmen und Serien, wie zum Beispiel My little Pony und Doctor Who.

Auch für Faina wird nächstes Wochenende das Treffen mit Gleichgesinnten eine Rolle spielen. „Man lernt ja auch neue Leute kennen durch so was, das ist ja auch nicht gerade unwichtig“, sagt sie. Faina wird alleine zur Convention gehen – es dort aber nicht lange bleiben. Sie sagt: „Wir haben vor, uns als russische Gruppe irgendwo zu treffen und dann gemeinsam unterwegs zu sein, aber ich weiß nicht so genau inwieweit das bei der Menge an Leuten umsetzbar sein wird.“

Was sonst noch auf der Rise’n Shine-Convention in Köln passieren wird, erfahrt ihr live ab Donnerstag hier auf media-bubble.de!

Neuer Blickwinkel mit Megafon

von Sandra Fuhrmann

Im Grunde sind wir alle Beobachter. Ich selbst beobachte Tübingen, seit ich vor einem Dreivierteljahr in die Stadt gezogen bin – und die Stadt hat sicher ihre Eigenheiten. Heute bin ich weniger gekommen um zu beobachten, als um zuzuhören. Auf der kleinen Terrasse des Tübinger Landestheaters (LTT) warte ich auf Maria Viktoria Linke, die leitenden Dramaturgin des LTT, und die Autorin Sandra Hoffmann. Sie haben mich eingeladen, um mir von „Megafon“, ihrem gemeinsamen Projekt, zu erzählen. Während ich dort so sitze, fällt mir auf, dass ich die einzige Studentin im Restaurant zu sein scheine. Ein in Tübingen eher seltenes Erlebnis. Ich bin gespannt, welche Perspektive auf die Stadt meine beiden Gesprächspartnerinnen bei ihren Beobachtungen gewonnen haben.

„Megafon – Tübingen hallt und schallt“, so das Motto des Projekts. Seit September des vergangenen Jahres haben Maria Viktoria Linke und Sandra Hoffmann Stimmen gesammelt oder diese aus der Stadt „herausgelockt„. Sie haben sich in Tübingen umgeschaut und vor allem umgehört. Dann haben sie das, was sie zusammengetragen haben, „umgewälzt“ und  dabei ganz unterschiedliche Perspektiven entdeckt.

 Auf der anderen Seite des Neckars

An diesem Tag nehme ich selbst einmal eine andere Perspektive ein. Ich bin auf der anderen Seite des Neckars. „Hierhin verirren sich die Studenten eher selten“, sagen die beiden Organisatorinnen und bestätigen damit meine eigenen Beobachtungen. Während ich mir einen Kaffee bestelle, reden wir über das Megafon-Projekt. Und während die beiden erzählen, spüre ich, wie viel sie sich in den vergangenen Monaten durch das Projekt mit der Stadt und ihren Bewohnern auseinandergesetzt haben.

Zum Programm: Megafon – was ist das eigentlich? „Ein offenes Sprachrohr“, könnte man antworten. Beim Projekt „Megafon“ wird ganz Tübingen zu einem Sprachrohr. Hoffmann hatte die Idee, die Leserbriefe des Tübinger Tagblatts als eine Art „Seismograf“ für das zu verwenden „was Tübingen ist“. Teilweise sei es ein richtiggehender Kampf, der in diesen Briefen ausgefochten werde und das zeige spannende Seiten der Stadt. „Die Stadt hat interessant reagiert“, berichtet die Autorin, „es gab viele Fragen und enormen Einspruch und Zorn. Zorn darüber, dass wir die Stadt beobachten, dass wir diese Leserbriefe lesen und dass wir sie möglicherweise theatral verwenden.“ Linke vermutet: „Es war die große Angst vor Verarschung.“

Die Ohren gespitzt

Maria Viktoria Linke und Sandra Hoffmann haben ein Dreivierteljahr lang „Tübingen gehört“. Das Gesammelte soll am 22. Und 23. Juni in ein großes Theaterspektakel münden. Die Abende werden je aus zwei Teilen bestehen. Im ersten Teil wird es einen Gang durchs Theater geben, bei dem in Form theatraler Einlagen und verschiedener Lesungen dokumentarisches zu sehen und zu hören sein wird.  Das, was aus dem Gesammelten entstanden ist, wird im zweiten Teil des Abends als eine „Groteske“ oder „Materialkollage“ zu sehen sein. Dabei soll es nicht um eine dokumentarische Darstellung der Stadt gehen. „Theaterstück“ sei auch der falsche Name dafür – zum Beispiel bestehe das Stück nämlich nicht aus einzelnen Akten, so Hoffmann.

Die Straße hinter der Straße

Zum einen geht es bei Megafon darum, eine Stimmenvielfalt der Stadt sichtbar zu machen. Zum anderen hoffen die Organisatorinnen vielleicht etwas „Tübingen-Spezifisches“ zu finden, „das hier ist anders als anderswo“, heißt es auf der Internetseite des Projekts.

Was ist hier denn anders als anderswo? frage ich. „Erzählen Sie doch mal, was anders ist. Das würde uns gleich interessieren.“ lacht Maria Viktoria Linke. Als ich nach Tübingen kam, erinnere ich mich, da kam mir erst einmal vieles „anders“ vor als in anderen Städten. Vielleicht erschien mir dieses „anders“ zu Anfang ein wenig fremd – und bekanntermaßen neigen wir Menschen dazu, Fremdes mit großem Misstrauen zu beäugen. Aber was ist Tübingen denn eigentlich? Schaut man auf das Ortsschild, ist es zuerst einmal eine Universitätsstadt. Es sind die Studenten, die Tübingen zur Stadt mit dem niedrigsten Altersdurchschnitt in ganz Deutschland machen. Tübingen hat keine Universität – Tübingen ist eine Universität.

Hinter Tübingens Kulissen

Und weil ich in meinem Medienwissenschafts-Studiengang stecke, schaue ich auf die vielen verschiedenen Wege, die die Organisatoren in den letzten Monaten gegangen sind, um hinter die Kulissen der Stadt zu blicken. Es wurden Briefe gelesen, Interviews geführt, Radiobeiträge erstellt und eine Website mit einer Hotline extra für das Projekt eingerichtet. Die letzten beiden „knackigen“ Wochen im Juni sollen von einem Blog zum Projekt begleitet werden. Ich frage, welche Rolle diese Multimedialität im Projekt spielt. „Sie ist ein Teil davon, aber nicht unser Hauptaugenmerk“, sagt Linke. „Ich habe auch schon Projekte gemacht, die eindeutig medienbasiert waren. Bei Megafon sind wir eher ein bisschen retro. Vor allem ging es uns um eine große Offenheit.“

Vielleicht könnte in dieser Hinsicht, so haben die beiden gelernt, Tübingen ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit und ein bisschen mehr Ironietolleranz nicht schaden. Die Sorge von manch einem „verarscht“ zu werden, sei völlig unbegründet. „Wenn man Leute nicht ernst nimmt, dann beschäftigt man sich auch nicht mit ihnen“, findet Linke. Und mit der Stadt beschäftigt haben die beiden sich in den vergangenen Monaten zur Genüge. 

Tübingen und ich

Während ich den Artikel schreibe, wird mir bewusst, dass tatsächlich viel Wahrheit hinter den Worten der Dramaturgin steckt. Ich glaube, dass Beobachten etwas ist, das man lernen kann. Aber nur, wenn man lernt, bewusst zu beobachten. Vielleicht habe ich während des Schreibens gelernt, „mein Tübingen“ hinter „dem Tübingen“ zu sehen und die Stadt auch ein wenig ernster zu nehmen.

Aber halt! Es ist noch nicht Schluss mit Beobachten. Denn Sandra Hoffmann und Maria Viktoria Linke werden noch ein wenig weiter sammeln – beziehungsweise sammeln lassen. Vom 11. bis zum 16. Juni werden etwa zwöft Tübinger Autoren ihre stillen Kämmerlein verlassen und sich an den sogenannten „Tübinger Schreibtischen“ in der Stadt verteilen, um einfach nur zu sehen und das Gesehene aufzuschreiben. Ich werde losziehen und die eigentlich stummen Beobachter ein wenig zum Quatschen bringen. Vielleicht sind wir am Ende überrascht, auf was sie so stoßen. Das Ergebnis wird wieder auf media-bubble.de zu finden sein.

Die beigefügten Bilder wurden von Jan Andreas Münster speziell für das Megafon-Projekt aufgenommen.

… bis die Blase platzt!

„… bis die Blase platzt!“ ist das Motto von media-bubble.de. Wir haben unseren Slogan beim Wort genommen und drei Videos gedreht, die äußerst sehenswert sind. Viel Spaß!

Geheimnisse der zweiten Dimension

von Sebastian Luther

In Japan Gang und Gäbe, hierzulande noch eine Rarität: QR-Codes. Ursprünglich zur Identifikation von Produktionsteilen in der Autoindustrie entwickelt, haben sie sich in Europa bislang nicht durchsetzen können. Doch wie funktionieren sie? Was kann man damit machen? Und werden sie sich hier noch etablieren?

Wo euch dieser QR-Code wohl hinführt? Einfach einmal einscannen.

Vom Barcode zum QR-Code

QR-Codes gehören zu den sogenannten zweidimensionalen Codes und wurde im Jahr 1994 von der japanischen Firma Denso Wave entwickelt, um die Zulieferarbeit mit dem Autohersteller Toyota zu vereinfachen. QR steht für quick response, womit der Abruf, bzw. die schnelle Anzeige von Informationen gemeint ist, die online gespeichert sind. Im Gegensatz zu eindimensionalen Strichcodes werden Daten hier in zwei Dimensionen, also entlang der horizontalen und der vertikalen Achse, codiert, sodass die Speicherkapazität sich wesentlich erhöht. So können in QR-Codes alle möglichen Daten gespeichert sein, von einfachen Texten, über E-Mail Adressen, Links zu Webseiten, bis hin zu dem Befehl, eine MP3 abzuspielen, oder ein Video zu starten. Besonders praktisch an ihnen ist, dass sie jeder herstellen kann: Alles, was man dazu benötigt, ist ein QR Generator, wie es sie im Internet zur kostenfreien Nutzung gibt. Auslesen kann die Codes jedes Mobiltelefon mit Kamera und der entsprechenden Software – die es auch umsonst im Netz gibt. Dass der QR-Code den gewohnten Strichcode auf Verpackungen demnächst ablösen wird, ist nicht zu erwarten, da letzterer seinen Dienst noch anstandslos erfüllt. QR-Code ist aber nicht QR-Code: So gibt es etwa DataMatrix-Codes, die auf Briefmarken eingesetzt werden, und Aztec-Codes, die auf Bahn- und Flugtickets zum Einsatz kommen.

Für welches Problem war QR noch gleich die Lösung? Museen, Marketing und Safer Sex

Sind QR-Codes die Visitenkarten der Zukunft?

Seit ihrer Entwicklung in Japan konnten sie sich vor allem dort und in den USA durchsetzen, wo man sie auf Werbeplakaten, Visitenkarten oder Verpackungen findet. Die japanische Einwanderungsbehörde benutzt die zweidimensionalen Codes sogar für Aufenthaltsgenehmigungen und Visa. Auch in Deutschland sieht man sie immer häufiger, der Anklang ist bisher jedoch eher verhalten. Die FH für angewandte Wissenschaften Schmalkalden mag eine steigende Akzeptanz zwischen 2009 und 2010 beobachtet haben, hat jedoch nicht nach regelmäßiger Benutzung gefragt, sondern ob überhaupt schon einmal ein Code gescannt wurde. Bedingt durch die unglückliche Fragestellung konnten die Zahlen nur steigen, zur Nutzung in Deutschland gibt es bislang kaum verlässliche Daten. An Gebieten, wo sie zur Anwendung kommen könnten, mangelt es dabei nicht. Neben den oben genannten Bereichen, gibt es sehr kreative Möglichkeiten, QR-Codes einzusetzen. Der österreichische Blog viermalvier berichtet von Museen in Cleveland, Ohio, in Stuttgart und in Derby, England, wo die Codes zu Werbe- oder Austellungszwecken zum Einsatz kamen. Ein französischer Bauer bedruckte gar seine Kühe mit riesigen Codes, um Werbung für seine Produkte zu machen. In Stockholm wurde 2011 eine clevere Kampagne gestartet, um für Safer Sex zu werben. Es wurden 50,000 Kondome verteilt, auf deren Packungen ein QR-Code gedruckt war. Mittels dieses Codes konnte man sich eine App herunterladen, die, kurz vor dem Sex gestartet, den Bewegungsverlauf, Lautstärke der Geräusche und natürlich die Dauer aufzeichnete. Auf der dazugehörigen Webseite konnte man ein Nutzerprofil erstellen, anonymisiert versteht sich, und so ergaben sich humorvolle Ergebnisse, wie etwa „Romantische Punks sind am lautesten“ oder „Unruhige Brünette werden immer langsamer“.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Neben solchen harmlosen, kreativen Möglichkeiten lassen sich QR-Codes aber auf für allerlei Unsinn missbrauchen. Einer der einfachsten Möglichkeiten wäre, dass der gespeicherte Link auf eine Phishing-Webseite führt, um sensible Daten abzugreifen – den man sieht einem QR-Code nicht an, was sich dahinter verbirgt. Zudem lassen sich über die programmierten Befehle auch Manipulationen am Gerät vornehmen, damit Nutzerdaten gesammelt, oder Schadprogramme herunterladen werden können, ohne das Wissen des Benutzers. Die Liste möglicher Sicherheitsrisiken ist lang, wie der Professor für Wirtschaftsinformatik Oliver Brendel auf der schweizerischen Webseite netzwoche.ch beschreibt. Entsprechende Maßnahmen sind mittelfristig notwendig, da QR-Codes zwar vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sind, ein vergleichbares System in Zukunft aber Visitenkarten und Kontaktdaten in gedruckter Form komplett überflüssig machen könnte. Spätestens dann, wenn wir alle im Orwell’schen Sinne erfasst, nummeriert und erkennbar gemacht wurden, sollten wenigstens die Sicherheitslücken gestopft sein.

Foto: flickr/ul_Marga (CC BY-NC-ND 2.0); QR-Code: www.qrcode-generator.de

GEMA vs. Youtube

von Sebastian Seefeldt

Nicht ganz so geil fand es wohl die Band Deickind, als statt ihrem Musikvideo zu ihrer eigenen Single „Leider Geil“ ein trauriger, roter Quadratschädel auf YouTube zu sehen war. Genervte Youtube-Benutzer verschreien die GEMA schon als getarnte Zensurbehörde – woher kommen nun diese ominösen YouTube-Sperren?

Die Kontrahenten

Dass die GEMA die alleinige Schuld an den gesperrten Videos auf YouTube trägt, ist ein urbaner Mythos. Zunächst sperrt nicht die GEMA die Videos, sondern YouTube selbst. Der Grund für den Streit zwischen Google-Tochter und Verwertungsgesellschaft sind 12 Videos, die die GEMA aus dem Netz getilgt sehen möchte, unter anderem „Rivers of Babylon“. Da sich GEMA und Google nicht auf ein Vergütungsmodell einigen konnten, klagte die GEMA zu Beginn des Jahres gegen die Videoplattform. Der Kernpunkt des Streits scheint die Frage zu sein, ob es sich bei der Plattform um einen Content Provider, also einem Service, der auf Abruf multimediale Inhalte zur Nutzung bereitstellt, handelt oder nicht – denn an diese Frage ist die Vergütungsform geknüpft. Interessanterweise wird hier keine Urheberrechtsdebatte im Sinne von ACTA und Co. geführt, letztendlich scheint sich alles um das Geld zu drehen.

Die Streitfrage

Die GEMA sieht die Google-Tochter als klassischen Content Provider und fordert daher eine Vergütung pro abgespielten Clip. YouTube hingegen schlägt ein Modell vor, dass die Künstler prozentual an den Werbeeinnahmen beteiligen würde – ähnlich wie im Rundfunk.

Paradoxerweise hat sich YouTube mit anderen, GEMA ähnlichen Institutionen, wie der PRS in Großbritannien, auf das Vergütungsmodell pro Click geeinigt – also ganz so, wie die GEMA es fordert. Somit gibt Google indirekt selbst die Antwort auf die Frage nach dem Bezahlmodell.

Vergleicht man jedoch die Summen, die die Verwertungsgesellschaft in Großbritannien erhält und den Betrag, den die GEMA – gerüchteweise – fordert, wird auch klar, wieso Google versucht sich als „Rundfunkanstalt“ zu staffieren. Die PRS erhält pro 1 Millionen Klicks im Schnitt 118,50 Euro. Die GEMA fordert, angeblich, das 20-fache. Sie argumentiert dabei mit ihrem rechtlichen Auftrag, den Künstler für die Nutzung ihrer Werke angemessen zu entlohnen. Laut Google sind die Forderungen allerdings übertrieben. Auszahlungen in diesem Ausmaß würden das Geschäftsmodell zerstören – aber ist ein Geschäftsmodell gerechtfertigt, dass zu Lasten der Künstler geht? Laut Gerichtsurteil: nein. YouTube ist daher seit Beginn des Jahres dazu verpflichtet, seine Useruploads zu überwachen  und im Falle, dass der Künstler einen Vertrag mit der GEMA eingegangen ist, das Video für Deutschland zu sperren – auch wenn der Upload von der Band selbst stammt. Doch nicht nur Musikvideos sind im Visier der GEMA, letztendlich soll jeder Clip gesperrt werden, der Inhalt eines „GEMA-Musikers“ enthält.

Die Vergessenen

„Sooo, ‚Leider geil‘ ist jetzt auch gesperrt. Ob Plattenfirma, YouTube oder GEMA, egal wer dafür verantwortlich ist. Wir wollen, dass unsere Videos zu sehen sind. Regelt euren Scheiß jetzt endlich mal und macht eure Hausaufgaben. Ihr seid Evolutionsbremsen und nervt uns alle gewaltig.“

Wenn ein Rechtstreit damit endet, dass den Künstlern die Möglichkeit zur Selbstinszenierung genommen wird, muss eine Lösung her. Schließlich ist die eigene Musik doch die beste Werbung – vor allem für Bands wie Deichkind, die den Großteil ihrer Einnahmen durch Liveauftritte erhalten.

Die Netzgemeinde hat mittlerweile ihren ganz eigenen Weg gefunden, mit dem Debakel umzugehen: Browser Plug-ins wie ProxTube erlauben es, geblockte Videos zu entsperren. Hierzu wird die eigene IP über einen Proxyserver umgeleitet. So wird YouTube glaubhaft gemacht, dass der eigene Rechner in Amerika, also einem „GEMAfreien“ Land, stehen würde.

Die Konsequenz

Das Ergebnis des Zusammentreffens von Verwertungsgesellschaft und Google-Tochter ist ernüchternd: Geld bekommt keiner – nicht einmal 118,50 Euro für 1 Millionen Klicks. Die User sehen sich die Videos trotzdem an und für Künstler wird der Kontakt mit dem Konsumenten unnötig kompliziert. So können wir nur über Umwege ihr Produkt – ihre Kunst – betrachten, die uns eine Kaufentscheidung deutlich erleichtern könnte. YouTube und GEMA streben mittlerweile eine Klärung in letzter gerichtlicher Instanz an, laut Experten werden sich die Verhandlungen über sechs bis zwölf Monate ziehen – sechs bis zwölf Monate in denen die Künstler keinen Cent von YouTube bekommen werden.

Fotos: flickr/muskelberg (CC BY-NC-SA 2.0)

„Ich hätte Nemo in einer Popcorntüte versteckt.“

von Sandra Fuhrmann und Sebastian Seefeldt

Werbung – das ist Verführung, Persuasion und Belästigung. Zumindest für einen ist sie jedoch noch etwas anderes – nämlich Faszination.

Prof. Guido Zurstiege sagt: „Werbung ist und bleibt Beihilfe zur Selbsttäuschung.“

Guido Zurstiege (Jahrgang 1968) ist Professor am Tübinger Institut für Medienwissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt empirische Medienforschung. Mit media-bubble.de sprach er über neue Dimensionen der Verführung und darüber, was Nemo in einer Popcorntüte zu suchen hat.

Herr Zurstiege, Sie erforschen Werbung wissenschaftlich. Beißt sich die Werbeindustrie an Ihnen die Zähne aus?

Nein. Ich bin vor Werbung nicht gefeit.

Die von Ihnen organisierte Ringvorlesung in diesem Semester hat aber das Thema „neue Werbung“. Was ist das neue an der neuen Werbung?

„Neue Werbung“ ist zunächst einmal das alte und immer wiederkehrende Versprechen der Werbung sich täglich neu zu erfinden. Darüber hinaus haben sich aber natürlich in den vergangenen Jahren auch Dinge grundsätzlich geändert , die es rechtfertigen, von neuer Werbung zu sprechen. Neue Werbung begegnet uns in Neuen Medien, sie produziert neue Daten und hat es mit neuen Rezipienten zu tun.

Stichwort Personalisierung: Der Onlineaktivist Eli Pariser zeichnet in seinem Buch „The Filter Bubble“ eine Zukunft, in der Menschen durch Gesichtserkennung auf sie zugeschnittene Werbung präsentiert bekommen. Leben wir schon in dieser Zukunft?

Technisch ist das absolut möglich – juristisch nicht in dem uneingeschränkten Maße, wie es uns die Feuilletons nahelegen. Im Hinblick auf den gläsernen Konsumenten bewegen wir uns aber auf ein ähnliches Szenario zu. Man muss ja gar nicht erst sein Gesicht scannen lassen, um „durchleuchtet“ zu werden. Josef Turow beschreibt in seinen Buch „The Daily You“ das Vorgehen der professionellen Datensammlungsindustrie: Daten, die Sie auf Facebook hinterlassen oder Daten, die Sie mit Ihrer persönlichen Signatur versehen, werden gesammelt und verknüpft – überall hier werden wir durchleuchtet und gescannt, wenn Sie so wollen.

Fühlen sie sich selbst als gläserner Konsument?

Mehr jedenfalls, als mir lieb ist.

Besonders im Internet spielt Personalisierung eine große Rolle – sehen sie eine Verknüpfung zwischen neuer Werbung und Personalisierung?

Die Werbekommunikation strebt seit dem 19. Jahrhundert Personalisierung  als Leitwert ihrer Kommunikation an – heute hat sie aber viel mehr Mittel als früher, dieses Ziel zu erreichen.

Neben der Personalisierung, die uns ja nahezu verfolgt, gibt es aber auch neue Werbeformen, die von uns ganz gezielt gesucht werden …

Die Angst vor dem digitalen Videorekorder, der Werbung herausfiltern sollte hat die Werbeindustrie geradezu angestachelt, nach neuen Werbewegen zu suchen  – Werbung, die sich nicht aufdrängt, sondern gesucht wird. Anfang der 2000er erzeugte besonders eine Kampagne Aufmerksamkeit: „The Hire“ von BMW. Hier wurden in Kooperation mit renommierten Regisseuren und Stars Kurzfilme gedreht und online gestellt. Denken Sie aber auch an dem Spot „The  Force“ von Volkswagen. Der wurde rund 53. Mio mal gesehen – auf YouTube!

Hier hätten wir eine Form von Branded Entertainment – aber in letzter Zeit kursieren immer mehr Videos im Internet die die Sensationslust der Menschen ansprechen indem sie beispielsweise unterhaltsame Geschichten erzählen. Diese Kampagnen haben oft extreme Klickzahlen – das Zauberwort lautet Virales Marketing.

Virale Kampagnen sind radikaler, krasser, lauter, als alles, was wir aus anderen Medienumgebungen kennen. Fernsehwerbung musste lustig sein, damit die Leute hingeschaut haben, ok. Virale Kampagnen aber müssen weitergeschickt werden, um ihre Wirkung zu entfalten und damit das geschieht müssen sie viel, viel „lauter“ sein als herkömmliche Spots oder Anzeigen.

Radikal, krass und aufsehenerregend geht aber auch mit günstigeren Mitteln. Wir haben dazu ein Beispiel mitgebracht. Was fällt Ihnen spontan zu dieser Form von Werbung ein (siehe Foto)?

Ich mag Sushi sehr gerne, aber das würde ich niemals essen.

Schlechte Werbung für den Sushi-Koch also. Aber wie sieht es für die Kinos oder die Filmproduzenten aus? Es soll ja in erster Linie eine Werbung für „Findet Nemo 2“ sein.

Ich hätte Nemo in einer Popkorntüte versteckt – nanu, da ist ja ein Fisch drin!

„Werbung ist und bleibt Beihilfe zur Selbsttäuschung.“

Diese neuen Formen sind dadurch, dass wir sie selbst suchen, eine besonders heimtückische Art von Werbung. Die Wahrscheinlichkeit, dass man vergisst, dass man als Rezipient manipuliert werden soll, ist hier sehr hoch.

Werbung ist und bleibt Beihilfe zur Selbsttäuschung. Wer manipuliert hier eigentlich wen?

Dieses Wissen um die Selbsttäuschung haben wir als Erwachsene. Aber wie gehen Sie als Vater mit dem Problem um? Lassen Sie ihre Kinder jede Art von Werbung ansehen oder selektieren Sie und überwachen das Rezeptionsverhalten Ihrer Kinder?

 Meine Kinder sind noch jung – viereinhalb und anderthalb Jahre. Aber ich sehe schon jetzt, welche enorme Faszinationskraft Medien für sie haben. Ich versuche natürlich, meine Kinder von den Medien der Erwachsenen so weit wie möglich fernzuhalten – dazu gehört für mich auch Werbung. Obwohl ich mir große Mühe gebe, sehe ich aber, wie mein Sohn, wann immer er einen Playmobilkatalog zu fassen bekommt, ihn wie einen Schatz zu sich nimmt und richtig ließt.

 

 


Foto: Uni Tübingen