Die schwarzen Schafe der Bewertungsportale

von Fadwa Al Homsi

Seitdem wir vom Web 2.0 sprechen, hat sich vieles verändert. Auch wenn einige Stimmen behaupten, wir werden dank Suchmaschinen immer gemütlicher, so kann dies in einem Punkt widerlegt werden: Nämlich dann, wenn es darum geht, seinen eigenen Senf zu etwas beizutragen. Zum Beispiel zum letzten Hotel, das man gebucht hat und über das man aufgrund der sehr positiven Erinnerung daran, die Erfahrung gerne mit der Welt teilt, unter anderem auf Bewertungsportalen. Doch wie vertraulich ist Lob und Kritik auf solchen Seiten?

Bewertungsportal vs. Buchungsportal

Grafik 1Immer mehr Menschen werden auf Bewertungsportalen aktiv und geben fundiertes Wissen weiter. Und von diesem Wissen machen immer mehr Menschen Gebrauch. Mittlerweile besuchen 53 Prozent der Urlaubsbucher solche Portale, um sicher zu stellen, dass bestimmte Hotels auch wirklich das sind, was sie versprechen. Nutzerbewertungen für Hotels gibt es auf speziellen Hotelbewertungsportalen, beispielsweise holidaycheck.de. Aber auch direkte Buchungsseiten ermöglichen ein Feedback zu den jeweiligen Hotels. Hier ist zu beachten, dass beide Plattformen einen wesentlichen Unterschied aufweisen: Auf Hotelbewertungsportalen kann jeder seine Erfahrungen mitteilen. Der Nutzer gibt meist nur eine E-Mail-Adresse an und braucht eine kurze Registrierung. Bei Buchungsportalen hingegen darf nur derjenige ein Hotel bewerten, der auch auf derselben Seite zuvor gebucht hat.

Schwarzes Schaf vs. Weißes Schaf

Grafik 2Auf dem Schaubild wird deutlich, dass die Liste von Bewertungsplattformen groß ist. Zu den besten Bewertungsportalen gehören laut einer Studie für die Zeitschrift „Reise und Preise“, (Ausgabe 1/2014) holidaycheck.de, Testsieger bei den Buchungsportalen wurde HRS mit einer Gesamtnote von 2,2. Vorteile haben solche Portale allemal: Man schmökert durch Bilder und Beschreibungen und bekommt so eine detaillierte Vorstellung von der Unterkunft. Es sollten also keine bösen Überraschungen mit Schimmel und Co. auf einen warten.

Doch Vorsicht ist geboten: Viele Unternehmen haben das Einflusspotential von Bewertungen erkannt und versuchen, auf den Portalen mitzumischen. Demnach kursieren auch zahlreiche Fake-Bewertungen im Internet. Es werden sogar Profis engagiert, um möglichst gut bei Rankings abzuschneiden. Der Vorteil liegt daher bei den Bewertungsportalen, wo vorerst die Buchung inklusive Check out eines Hotels vorgenommen werden muss. Meistens werden die Bewertungen vor der Freigabe nach Glaubwürdigkeit überprüft. Dies macht eine Software, die auch rechtswidrige Äußerungen und Beleidigungen filtert. Andere Bewertungsportale veröffentlichen ohne Vorabcheck die Meinung des Urlaubers.

Grafik 3Stiftung Warentest musste in einer Untersuchung von 2010 feststellen, dass die Bewertungsportale sich überwiegend von Pseudo-Urlauber täuschen lassen. Nur hotelkritiken.de ließ keine Fake-Bewertung durchkommen. Der Ruf dieser Online Portale ist mangelhaft, so postulierte die Welt im letzten Jahr einen Artikel mit der Überschrift „Das hinterhältige Spiel auf den Bewertungsportalen“ und weist damit auf die schwarzen Schafe der Unternehmer hin. Unter den Urlaubsbuchern sind holidaycheck.de und Co. trotz vieler Kritik kaum noch wegzudenken. 82 Prozent schätzen die Bewertungen als glaubwürdig ein.

Das Böse erkennen

Um Bewertungen von Fälschern zu erkennen, gibt es verschiedene Hinweise. Tobias Arns, Social-Media-Experte beim IT-Verband Bitkom, gibt Nutzern Tipps.

Wer bei der Urlaubsplanung ungern auf Bewertungsportale verzichten möchte, solle am besten bei verschiedenen Quellen recherchieren und Urteilen nicht blind vertrauen. Ein Hinweis auf echte Bewertungen können angehängte Fotos sein. Auch für professionelle Fälscher sei das Bebildern von jedem einzelnen Eintrag zu aufwendig. Lobeshymnen und zu geschliffene Formulierungen sollten Skepsis erwecken. Nicht falsch sei es, neben den Bewertungsportalen auch die Webseiten der Hotels zu checken.

Einen Anhaltspunkt gibt die Anzahl der Bewertungen. Je mehr Bewertungen zu einem Hotel existieren, desto weniger fallen die extremen Fake-Bewertungen auf. Die Zahlen und  Sternchen selbst dürfen jedoch nicht die entscheidende Rolle spielen. Denn jeder Urlauber hat individuelle Erwartungen und Kriterien, die er an eine Unterkunft stellt.  Deshalb ist es sinnvoll, sich die Inhalte genau durchzulesen.

 

Foto: Pixabay.com

 

Quellen:

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/372646/umfrage/umfrage-zur-glaubwuerdigkeit-von-hotelbewertungen-in-deutschland/

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/reise/hotel-bewertungsportale-skepsis-ist-angebracht/11568072.html

https://www.test.de/Hotelbewertung-Die-besten-Portale-im-Netz-1841156-0/

Ein Comic über Comics

von Marius Lang

Illustrationen von Henrike Ledig

Was sind Comics? Als Kind war diese Frage für Scott McCloud einfach zu beantworten: Comics sind grelle, bunte Heftchen, gefüllt mit schlechten Zeichnungen, dummen Geschichten und Typen in Strumpfhosen. Doch als ein Freund ihm seine Comicsammlung zu lesen gab, änderte sich Scotts Einstellung und sogar sein Leben drastisch. Der junge McCloud war von da an gefesselt und setzte es sich in den Kopf, einmal selbst Comickünstler zu werden und anderen die wunderbare Welt des Mediums zu eröffnen.

Einige Jahre später hatte er es dann geschafft und sein Hobby zum Beruf gemacht. Sein wohl wichtigstes Werk ist zu Anfang das fröhliche Superhelden-Comic Zot!, veröffentlicht zwischen 1984 und 1990. Nach dem Ende der Reihe fiel McCloud erneut auf, dass Comics in der öffentlichen Diskussion noch immer ein fragwürdiger Ruf anhaftete. Um seinen Beitrag zum Diskurs zu leisten und ihn möglicherweise sogar komplett neu aufzurollen, entschied sich McCloud dazu, ein theoretisches Werk über Comics zu schreiben. Dabei war sein Ziel, das Medium und das Verständnis von Comics von Grund auf neu zu definieren. 1993 erschien schließlich Understanding Comics – The Invisible Art. Ein leidenschaftliches Werk, dass sich mit dem grundsätzlichen Konzept des Mediums auseinander setzt: seiner Definition, Geschichte und allen Eigenheiten, die Comics zu dem machen, was sie sind. Oder eben zu dem, als das sie verstanden werden sollen. Verfasst in der Form, die dem Comickünstler und -fan McCloud natürlich am ehesten lag und die den Charme des Werkes ausmacht: Als Comic über Comics.

Auf Will Eisners Fußspuren

In seiner Einführung erklärt Scott McCloud, dass das Werk nicht einfach nur ein historischer Blick auf das Medium ist, sondern, dass es sich viel eher um eine Untersuchung der gesamten Kunstform handelt. Er gibt einen Ausblick, mit was genau er sich beschäftigen will. Wie definieren wir Comics, welche Elemente machen das Medium im Kern aus und wie lesen und verstehen wir die Geschichten. Hier treffen wir auch erstmals Scott McClouds gezeichnetes Ich. Die Eigenheit des Mediums, die bewusste Entscheidung, das Buch als Comic zu erschaffen, gibt McCloud die Möglichkeit, selbst in Erscheinung zu treten und den Leser als stilisierter Fremdenführer durch das Buch zu begleiten. Die Reise durch das Medium beginnt dann auch bei der simpelsten Frage, die dabei jedoch nicht einfach zu beantworten ist: Was genau ist denn nun eigentlich ein Comic?

McCloud beruft sich auf den großen Comickünstler Will Eisner, der 1985 selbst ein theoretisches Werk veröffentlichte, das sich mit ähnlichen Fragen über Comics beschäftigte. In diesem Werk, Comics and Sequential Art, definiert Eisner Comics als „sequentielle Kunst“. Das heißt, dass Bilder für sich genommen keine Comics machen, erst in einer, mehr oder weniger geordneten, Reihe, also einer Sequenz werden sie zu dem, was man als Comic bezeichnen kann. McCloud schlägt davon ausgehend vor, die Definition zu verfeinern und kommt bald zu seiner eigenen Definition: Comics sind „juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence“ (Understanding Comics, S. 9), grob in Deutsche übersetzt also aneinandergereihte, gemalte oder andere Bilder in einer bewussten Abfolge. McClouds Ansicht nach gibt diese verfeinerte Definition die Möglichkeit, das Medium in all seinen Inkarnationen durch tausende von Jahren an Geschichte näher zu untersuchen.

Historisches und Technisches

Mit dem Ziel, das Medium unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten, holt McCloud weit aus. Sehr weit. Bis zu narrativen Wandmalereien des antiken Ägyptens verfolgt er die Geschichte des Mediums zurück. Nach McClouds Ansicht ist es seine detailliertere, präzisere Definition, die es möglich macht, die Anfänge des Comics bereits im Altertum aufzufinden und zu erforschen. Auch vertritt er die Meinung, das selbst in der Gegenwart Comicschaffende sich durchaus von der Vergangenheit inspirieren lassen und möglicherweise sogar davon lernen können. McClouds Ansatz, so weit in die Vergangenheit vorzudringen, ist möglicherweise nicht neu, aber auch nicht populär. Bis zu diesem Zeitpunkt sahen die meisten Werke über Comics die Anfänge des Mediums kurz vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts. In Understanding Comics dagegen haben schon Holzschnitte, frühe Druckwerke und Wandmalereien Comiccharakter, wenn sie sich prinzipiell mit McClouds Definition umschreiben lassen.

Doch der Autor und sein Comic-Ich beschäftigen sich, wie in der Einleitung des Buches schon erwähnt, nicht nur mit der Geschichte des Mediums. Auch die technischen und künstlerischen Facetten des Comics werden genau untersucht und beispielhaft erklärt. Da gibt es unter anderem ein Kapitel, welches zentrale Begriffe des Mediums erklärt. Ein anderes untersucht genauer, was in der Lücke zwischen den Panels eines Comics passiert oder passieren kann. Wieder ein anderes Kapitel befasst sich mit der Frage, wie Zeit in einem Comic verläuft und wie das Fortschreiten der Zeit von Comics dargestellt werden kann. Zuletzt befasst sich McCloud aber auch mit dem Schaffensprozess selbst, untersucht und erklärt, wie ein Comic aus dem Kopf des Künstlers auf das Papier gelangt.

Ein Buch mit Humor

Eine weitere Besonderheit des Buches ist McClouds Sinn für Humor und seine Erfahrung mit dem Medium selbst. Understanding Comics ist gespickt mit viel Witz rund um Comics, dazu kommen diverse medienspezifische Spielereien, die einerseits das Buch einfach und kurzweilig lesbar machen, dabei aber auch Beispiele spezifischer darstellen. Ein Beispiel hierfür ist das Kapitel über Farbe. In dem gesamten Buch ist dieses das einzige Kapitel, in dem mit Farbe gearbeitet wird, was diesen Teil des Buches vom Rest abhebt. Auch die Idee, sich selbst als Experten in das Buch einzufügen hilft beim problemlosen Verständnis des Buches, ist aber auch Grundlage eines großen Teils des Humors des Werkes. McClouds stilisiertes Ich kann sowohl mit dem Inhalt der Panels des gesamten Buches agieren, aber auch gleichermaßen durchgehend, die vierte Wand durchbrechend, mit dem Leser kommunizieren. Seine Figur ist zudem stets im selben Zeichenstil gehalten, durchstreift und erforscht aber auch andere Stile, weniger cartoonhafte, realistischere Zeichnungen etwa. Der Kontrast des Erzählers mit dem Untersuchungsobjekt ist dabei nie störend und hilft stattdessen beim Verständnis, als Konstante in einem alles andere als konsistentem Medium.

Der Autor als Fan

Natürlich muss erwähnt werden, dass es sich bei Understanding Comics nicht im klassischen Sinne um ein wissenschaftliches Werk handelt. McCloud gibt zwar stets Quellen seiner Bildbeispiele und Fußnoten zu einzelnen Theorien an, beschäftigt sich jedoch nur am Rande mit anderer theoretischer Literatur, vor allem natürlich mit dem Werk von Will Eisner. Es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Buch vor allem um die Arbeit eines Comicfans handelt, sowie eines Künstlers, der nicht aus einem wissenschaftlichen Hintergrund kommt. Allerdings macht dies das Werk nicht weniger informativ. McCloud hat sich seine Gedanken über ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt gemacht und will dem Leser helfen, sein Bild von Comics zu überdenken und zu formen. An keiner Stelle aber ist McCloud absolut in seinem Standpunkt, sieht ihn eher als einen Ansatz an die Theorie des Mediums.

Im Zentrum aber steht für ihn immer noch die Liebe für das Comic und mit Understanding Comics lieferte Scott McCloud ein umfangreiches, interessantes und kurzweiliges Werk für Fans, Künstler und all jene, die sich es sich vorstellen können, Fans oder Künstler zu werden.