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So viel bist du im Web wert

von Alexander Karl

Es ist ein Schreckensszenario: Der Wert eines Menschen wird nur noch in Likes, Kommentaren und Retweets gemessen. Das Lebewesen hinter den Posts verschwindet. Doch längst ist das Realität, zumindest dann, wenn man Klout nutzt. Die App misst nämlich die Reputation von Menschen anhand von Facebook und Twitter – und der gläserne Mensch verschwindet hinter Bits und Bytes.

Das Ideal: Justin Bieber

Klout, das ist die Schufa unter den Apps: Sie sagt, was ein Mensch im Netz wert ist. Ob anderen gefällt, was er tut. Ob er beeinflusst. Und ob er vernetzt ist. Berechnet wird das – mal wieder – über einen Algorithmus, der ähnlich wie Google verfährt. Nur werden hier keine Webseiten gerankt, sondern real existierende Menschen. Und das anhand von Twitter-Retweets und Erwähnungen, Facebook-Kommentaren, Likes und Chronik-Posts. Ist man auch bei LinkedIn oder Google+ angemeldet, werden auch dort Kommentare und Co. gemessen. Es geht also um drei Säulen: Die Verstärkung (Retweets und Co.), die Reichweite (wie viele Follower lesen meine Tweets?) und das Netzwerk (Habe ich Kontakt mit „wertvollen“ Personen?) – und fertig ist der eigene Online-Wert! Wer also mit Justin Bieber befreundet ist, viele Follower hat und der eigene Status von Lady Gaga geteilt wird, der kann sich sicher sein, auch bei Klout einen hohen Wert zu erreichen. Außerdem hilfreich: Viel posten und das am besten immer wieder zum gleichen Thema. Der Maximum-Wert bei Klout ist 100 (den hat Justin Bieber), der Durchschnitt liegt bei 20, und bei null – dann existiert man quasi nicht.

Klout-Scores ist auch für Firmen interessant, um Meinungsmacher zu finden. Denn wer beeinflusst, kann für das Unternehmen nützlich sein. Dann bekommt man Geschenke, etwa ein Windows Phone, weil die Firmen um den Einfluss der Privatperson wissen – und sie mit Werbegeschenken dem eigenen Produkt zuneigen wollen. Was sich im ersten Moment als ein nettes Gadget anhört, nimmt gerade auch in den USA erschreckende Züge an. Dort werden Leute mit 15 Jahren Berufserfahrung nicht eingestellt, weil ihr Klout-Score zu niedrig ist, andere mit höheren Scores bekommen den Job.

Wertlosigkeit 2.0

Die Analogie zur Schufa macht durchaus Sinn: Die Reputationswürdigkeit jedes Einzelnen ist nur einen Klick entfernt. Und wer nichts auf der hohen Kante hat, der ist raus. Aber kann man Klout und seinen Bewertungen überhaupt vertrauen? Der Blog netzwertig.com hat da so seine Zweifel:

Auch die Tatsache, dass der US-Jungstar Justin Bieber mit einer Klout Score von 100 nach Erkenntnis des kalifornischen Startups einen größeren Einfluss hat als Barack Obama (Klout Score 93), stellt die Validität der Klout-Algorithmen in Frage – es sei denn, man sieht Klout Scores tatsächlich als reinen Indikator der Onlinereputation, der vollkommen von Image und sozialer Stellung einer Person im “realen Leben” losgelöst ist. Doch eigentlich wollen wir im Jahr 2012 ja genau diese Separation von Online und Offline hinter uns lassen.

Und was den Datenschutz angeht – da muss man erhebliche Bedenken haben. Denn anscheinend wird jeder – egal ob bei Klout registriert oder nicht – im Vorfeld ein Wert zugewiesen, der dann bei der Anmeldung angezeigt wird.

Klout ist vor allem eines: Eine bittere Pille, wenn man ein normales Leben führt. Der Durchschnittsuser, der ein Facebook-Profil hat, wird bei Klout sicherlich keinen Spaß haben. Eher jene, die im Netz viel unterwegs sind und auch selbst posten. Aber in der Ideologie von Klout geht es dabei nicht um die Pflege und Intensität von Freundschaften, sondern von reiner Oberflächlichkeit und Massentauglichkeit: Poste ich etwa einen kritischen Artikel über das (Nach-)Leben im Web, ist das wohl nicht so massenkompatibel, wie wenn ich jeden deutschen Sieg bejubel und dafür Likes von Gleichgesinnten sammele. Aber sollte man deswegen nur noch mit dem Strom schwimmen? Bei jeder Freundschaftsanfrage erst einmal den Klout-Wert checken? Diese Ideologie führt im Endeffekt nur wieder zu einer Blase, in der nicht mehr das Individuum, sondern nur noch die Masse zählt – die Masse an Likes, Freunden und massentauglicher Freunden. Doch das sollte wohl kaum der Sinn des Internet sein. Denn trotzdem sind wir noch mehr als Bits und Bytes.

Übrigens: Mein Klout-Score beträgt derzeit 45. Ich bin also nicht einmal halb so viel Wert wie Justin Bieber. OK, damit kann ich trotzdem irgendwie leben.

Fotos: Screenshot klout.com (19.06.2012)

Facebook als Bewerbungsplus?

von Sandra Fuhrmann

Multitasking ist ihr zweiter Vorname, ihre feste Beziehung ihr Smartphone und ihr Erstwohnsitz ist Facebook. Die Digital Natives – immer erreichbar, ständig online. Eine Generation auf dem Weg mit dem nächstem Stopp Klappsmühle? Oder ist es genau das, was Unternehmen in Zukunft suchen werden? Leute, die allein durch ihre Alltagsgewohnheiten lernen, mit einer bisher nicht vorstellbaren Menge an Informationen umzugehen und deren Technikaffinität eine Effizienz erlaubt, wie sie ohne digitale Medien nie möglich wäre?

Social sells

Durch Aktivitäten in Social Media werden Unternehmen besser wahrgenommen. Das ergab eine Studie des Social Media-Experten Michael Stelzner. Für den Social Media Marketing Industry Report 2011 wurden 3300 Marketingexperten aus Unternehmen befragt. Laut diesen werden besonders Facebook, Twitter, LinkedIn und Blogs verstärkt genutzt, um Marketing zu betreiben. 90 % der Befragten gaben an, dass soziale Netzwerke schon heute extrem wichtig für Unternehmen sind. Die meisten der Firmen hatten durch ihre Social Network-Aktivitäten mehr Abonnenten, mehr Traffic und bessere Ergebnisse im Suchmaschinenranking. Facebook erfreut sich dabei vor allem bei B2C-Unternehmen (neudeutsch für die Beziehung zwischen Unternehmen und Privatperson) großer Beliebtheit.

Teenager-Sex – damit vergleicht Josh Graff, der Marketing Solution Director bei LinkedIn, die Nutzung sozialer Netzwerke. Übung macht den Meister heißt die Devise. Graff bezieht sich dabei auf eine Studie des Chartered Institute of Marketing. Laut der Studie setzen momentan kleine und mittelständische Unternehmen stärker auf die neuen Kommunikationsplattformen als große Unternehmen. Paradox: Von 1000 Befragten war ein Drittel der Ansicht, Social Media sei überhaupt nicht effektiv.

Ganz anders sieht es da schon in der Medienbranche aus. Jan Duschek, Jugendreferent bei ver.di, ist der Meinung, dass gerade in diesem Bereich Social-Media-Kompetenzen ein Vorteil bei der Bewerbung sind. Vieles befinde sich derzeit noch in der Entwicklung. Wohin sie führt? Wer weiß.  Zu media-bubble.de sagte er: „Sicher ist aber, dass die Entwicklung früher oder später Auswirkungen auf den Bedarf nach Fachkräften für diesen neuen Bereich haben wird.“ Eines der Experimente, das sich derzeit noch in Kinderschuhen bewegt, ist beispielsweise der F-Commerce-Markt, der Handel auf Facebook. Duschek prognostiziert, dass sich Unternehmen in Zukunft verstärkt an den neuen Medien orientieren und ihre Geschäftsmodelle auf diese abstimmen könnten. „Das würde dann noch stärker als bisher Auswirkungen darauf haben, wie wir konsumieren und die Beschäftigungsstruktur des gesamten Groß- und Einzelhandels beeinflussen.“

Orientierung im Dschungel und ein Pudel namens Dudel

Was zur Hölle ist ein Eierfon und wie soll bitteschön ein Dudel aussehen? Die Entwicklung der Neuen Medien ist schnell und nimmt an Geschwindigkeit weiter zu. Wer nicht damit aufwächst, für den kann es genau so schnell schwierig werden, die Übersicht zu behalten. Weiterbildung wird darum immer wichtiger – gerade wenn man die zunehmende Orientierug von Unternehmen an den Medien betrachtet. Im Bereich der beruflichen Fortbildung gibt es schon jetzt Angebote, wie die Aus- oder Weiterbildung zum Social-Media-Manager. In  Kursen soll den Teilnehmern dabei vermittelt werden, wie die Möglichkeiten von Social Media effektiv genutzt und zum Vorteil von Unternehmen eingesetzt werden können.

Allgemein fällt jungen Menschen der Umgang mit neuen Medienformen bekanntlich leichter. „Allerdings sind nicht alle Menschen, die viel Zeit bei Facebook und Co. verbringen gleich Social-Media-Experten“, sagt Duschek. „Die Gefahr besteht, dass die junge Generation verlernt, nach Hintergründen und den manchmal komplexen Zusammenhängen zu fragen.“ Junge Leute nehmen Facebook, Twitter und Co. vielleicht manchmal als zu selbstverständlich hin. Sie sehen sich durch ihr Nutzerverhalten einer ständigen Informationsflut gegenüber. Der Weg, diese zu handhaben, kann oft der sein, einzelne Informationen nur oberflächlich wahrzunehmen. „Hier haben ältere Leute vielleicht sogar Vorteile, weil sie ein anderes Mediennutzungsverhalten haben“, vermutet Duschek.

Besonders in der Medienbranche, dem Marketing und der IT-Branche kann das Wissen um die Neuen Medien Vorteile bedeuten. Dasselbe gilt für Führungspositionen. Duschek warnt jedoch davor, bei der Weiterbildung oder Neuorientierung im Beruf allein auf die Karte Social-Media zu setzen. Im Moment werden Aufgaben in diesem Bereich von den Unternehmen häufig an externe Medienagenturen abgegeben. Ob Social-Media in Zukunft an Relevanz für Unternehmen gewinnt, hänge auch davon ab, wie es Social-Media-Anbietern zukünftig gelingt, die Daten für die Firmen verwertbar zu machen. „Auf der andren Seite kann es sich schon heute kein Unternehmen mehr leisten, nicht auf Facebook zu sein“, so Duschek. „Dafür braucht es Leute, die die Unternehmenscommunitys aufbauen und pflegen. Häufig machen das derzeit noch externe Medienagenturen für die Unternehmen. Es ist aber wichtig, hier am Puls der Zeit zu bleiben.“

Smartphone statt Sex

Lieber eine Woche kein Sex, kein Alkohol und kein Fernsehen, als auf das Smartphone zu verzichten. Dieses Meinungsbild ergab sich bei einer Forsa-Studie, die mit Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren durchgeführt wurde. Die ständige Erreichbarkeit scheint zu einem Must-Have zu werden – vielleicht sogar zu einer Art Krankheit. Mitarbeiter die sich quasi im dauerhaften Bereitschaftsdienst befinden– der Traum aller Arbeitgeber? Nicht unbedingt findet Jan Duschek: „Wir erleben schon jetzt, dass es gerade für junge Beschäftigte immer häufiger zur Selbstverständlichkeit wird, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Die Entwicklungen im Smartphone-Sektor spielen dabei eine wichtige Rolle. Allerdings erkennen auch immer mehr Beschäftigte, wie auch deren Interessensvertreter die Nachteile für ihr Privatleben und ihre Gesundheit. Das prominenteste Beispiel ist wohl Volkswagen. Der Betriebsrat hat dort durchgesetzt, dass die E-Mail-Server ab 17 Uhr abgeschaltet werden.“

Wie groß die Rolle ist, die Social-Media zukünftig in Unternehmen spielen wird, mag momentan noch in den Sternen stehen. Bereits jetzt zeichnen sich allerdings Tendenzen ab, die zeigen, dass Unternehmen immer mehr Vorteile von sozialen Netzwerken erkennen. Das betrifft sowohl das Marketing als auch die Präsentation und Kommunikation nach außen. Vor allem in der Medienbranche sind Kenntnisse im Umgang mit Sozialen Netzwerken und Neuen Medien oft bereits eine Voraussetzung. Davon, einen Doodle mit einer Hunderasse zu verwechsel,n sei hier also tunlichst abgeraten. Sich aufgrund seines Nutzerverhaltens zum Psychopaten oder Zwangsneurotiker machen zu lassen kann allerdings weder im eigenen Interesse, noch in dem des Arbeitgebers liegen.

Foto: flickr/Johan Larsson (CC BY 2.0), obs/congstar GmbH

Was Facebook weiß.

von Sebastian Luther

Wenn Maximilian Schrems sich bei Facebook einloggt, dann entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Schrems dürfte wohl für den Social Network Giganten einer der unbeliebtesten User sein. Er hat es geschafft, Facebook zu Dingen zu zwingen, die Zuckerbergs Unternehmen aus Eigeninitiative nie getan hätten. Schrems hat den Spieß umgedreht. Er weiß nun, was Facebook über ihn weiß – und was es über uns alle weiß, stellt es sogar online.

Schrems vs. Facebook

Der Jurastudent Maximilian Schrems aus Wien hat im Juni letzten Jahres von seinem Recht Gebrauch gemacht, das alle User dank der europäischen Datenschutzgesetze haben. Er fordert Facebook auf, ihm eine Kopie aller Daten zu schicken, die das Unternehmen über ihn erhoben hat. Zunächst weigert es sich, versucht ihn abzuwimmeln und ihn mit einem Bruchteil dessen, was er fordert, seinen Login-Daten, abzuspeißen. Doch Schrems will es wirklich wissen, legt mehrfach Beschwerde bei der irischen Datenschutzkommission ein, die für Facebook zuständig ist, da es seinen europäischen Firmensitz auf der grünen Insel hat. Mehrere Wochen und einige Pannen später, bekommt er zum ersten Mal eine CD zugeschickt, 1.222 PDF Seiten, die sein Facebook-Leben protokollieren. Was sich nach viel anhört, ist in Wahrheit noch lange nicht alles, was über ihn gespeichert wurde. So fehlen beispielsweise immer noch Informationen über seine geklickten „Like“ Buttons auf Facebook- und Firmenseiten und andere Nutzungsstatistiken. Über seine Internetseite ruft Schrems zur Aktion gegen das soziale Netzwerk auf, um es in seine Schranken zu verweisen und Datenschutzregen zu etablieren, die tatsächlich beachtet werden. Für den Server seiner Homepage fallen gleichzeitig die einzigen Kosten für ihn an – 9,90 € im Monat. Wenn er gewinnt, drohen dem Datenstaubsauger Verluste in Millionenhöhe, da wahlloses Sammeln, Speichern und Verkaufen nicht mehr möglich wäre. 44.000 User haben bereits ihre Daten beantragt, was Facebook jetzt schon dazu veranlasst hat, Konsequenzen zu ziehen und ein Downloadtool zu installieren, dass den Zugang zu den Daten erleichtern soll. Schon bei flüchtiger Betrachtung entpuppt sich die vermeintliche Geste von Facebook als eine virtuelle Nebelkerze, da wieder nur wenig Daten zugänglich gemacht werden und der gesamte Prozess verschleppt werden soll. Abgesehen davon hat Schrems bereits jetzt schon der Nutzergemeinde einen ungeheuren Dienst erwiesen, indem er der ominösen Drohnung „Facebook weiß alles“ ein tatsächliches Konterfei verliehen hat und sich allmählich Einblicke in die Unternehmenspraktiken auftun.

Facebook weiß, wann wir gerne posten.

An diesem Punkt stellt sich offensichtlich die Frage, was Facebook mit den Daten über seine 845 Millionen Nutzer überhaupt anstellt. Neben dem immensen Werbepotential, dass die Nutzer generieren, nutzt Facebook seine Daten nämlich auch zur Forschung über Vernetzung, Kommunikation und Informationsaustausch. Die Ergebnisse, die Facebook auf der Seite seines Forschungsteams zugänglich macht, verraten erstaunlich viel über unsere Gewohnheiten und Verhaltensweisen, sogar über die Welt an sich.

So kann man auf dieser Karte die Umrisse von Ländern und Kontinenten erkennen, alleine auf Basis von Facebook Freundschaften. Auch darüber, wie Nutzer via Facebook an Informationen gelangen, haben die Forscher interessante Ergebnisse zu Tage gefördert, und ein Phänomen skizziert, das der US-amerikanische Soziologe Mark Granovetter „The Strength of Weak Ties“ nannte. So interagieren Facebook-Nutzer zwar, wenig überraschend, nur mit einem kleinen Teil ihres gesamten Freundeskreises regelmäßig, bekommen neue Informationen aber wesentlich häufiger von „weak ties“, also denjenigen, mit denen sie nur selten Kontakt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese neue Information später auch vom engen Freundeskreis geteilt wird, ist relativ gering, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nutzer selber die Information teilt, 10-fach größer ist. Bei engen Freunden ist es hingegen unwahrscheinlicher, dass ich deren Inhalte teile: Hier gilt nur die sechsfach erhöhter Wahrscheinlichkeit. Via Facebook ist die Netzgemeinde zudem auch näher zusammen gerückt. 1929 äußerte der ungarische Autor Frigyes Karinthy die Idee, dass zwei Menschen, die einander völlig unbekannt sind, sich über höchstens sechs „Ecken“ kennen, was Stanley Milgam 1960 bestätigte. Mittlerweile ist diese durchschnittliche Distanz innerhalb Facebooks auf 4,74 Ecken bzw. Sprünge von Freund zu Freund gesunken. Der durchschnittliche Facebooknutzer unter 25 ändert sonntags am ehesten seines Beziehungsstatus, hat ca. 190 Freunde und postet zwischen elf Uhr abends und vier Uhr morgens die meisten negativen Kommentare, was insgesamt nur die Spitze des Datenberges darstellt, den Facebook durchforstet.

Für die Forschung geeignet?

Was Facebook da veröffentlicht, ist jedoch mit großer Skepsis zu genießen, meint der Tübinger Professor für Medienwissenschaft, Guido Zurstiege: „Bei einem Unternehmen, das Forschungen und Untersuchungen über sich selbst beziehungsweise seine eigenen Kunden anstellt, muss man die Unabhängigkeit der Ergebnisse immer hinterfragen“. Zudem besteht die Motivation Facebooks für diese Forschung letztlich nicht darin, einfach nur Informationen zu generieren, sondern Geld zu verdienen, indem Werbe- und somit Gewinnpotential maximiert wird. Auch den Nutzen für die kommunikationswissenschaftliche Forschung betrachtet er mit Vorsicht, da es fraglich ist, wie mit Problematiken, wie etwa Fake-Accounts, umgegangen wurde und die Ergebnisse in Punkto Reliabilität somit zweifelhaft sind. Eine Zusammenarbeit mit Facebook kann er sich nicht vorstellen: „Die fände niemals auf  Augenhöhe statt“, da die externen Forscher jederzeit vom Gusto des Unternehmens abhängig wären – so Zurstiege. Denn spätestens seit Maximilian Schrems wissen wir wie schwer es ist, mit dem blauen Riesen auf Augenhöhe zu verhandeln.

Foto: flickr/ pshab (CC BY-NC 2.0)

Angriff der sexy Sirenen auf Facebook

von Sandra Fuhrmann

Zu 97 % weiblich, zu über 60 % bisexuell und gewöhnlich zu 100 % sexy: Das sind die Sirenen, die in den Tiefen des Cyberspace lauern. Auf Facebook werben sie um unsere Freundschaft – wollen uns aber nicht an die Wäsche, sondern an unser Konto. Sie strecken ihre Klauen nicht nur nach unserem Geld, sondern auch nach den Daten unsrer Freundeslisten aus.

Außen hui und innen pfui

Warum addet man überhaupt Menschen, die man nicht aus dem echten Leben kennt? Ein Grund: Sex sells! Erotik ist laut einer Studie der IT-Sicherheitsfirma Barracuda Networks die Masche, mit der Fake-Profile in Facebook versuchen Nutzer in ihre Fänge zu locken.

Facebook besitzt etwa 845 Millionen Nutzer. In einem Pflichtbericht, den das Unternehmen der US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) überreichte, schätzt Facebook selbst den Anteil der gefakten Profile auf fünf bis sechs Prozent, was in etwa 42 bis 50 Millionen der Konten entspricht. Bis zu 50 Millionen falsche Freunde mit noch falscheren Bildern – und oft auch bösen Absichten.

Mit Speck fängt man Mäuse und mit dem richtigen Profil Freunde in Facebook. Fake-Accounts sind außen hui und innen pfui. Nicht nur, dass sich dahinter keine realen Personen verbergen – ihre Absicht ist es Spam in Umlauf zu bringen, Nutzer zu überreden, Programmen beizutreten, oder auf die privaten Daten der User zuzugreifen. Doch nicht nur das – lässt man die falschen Profile erst einmal auf sein eigenes zugreifen, mutiert man selbst zur Virenschleuder indem man den falschen Freunden Zugang zu den Kontaktdaten seiner richtigen Facebook-Freunde verschafft. Generiert werden die falschen Konten meist automatisch. Ihre Ziele bei der Verbreitung sind häufig Schulen und große Städte.

Schlaraffenland für Betrüger

Für die Betrüger die dahinter stehen, bedeutet jeder Nutzer, der ihnen in die Klauen fällt, Geld im wirklichen Leben. Das funktioniert beispielsweise über Programme, die für den Nutzer ganz schnell zur Kostenfalle werden. Facebook stellt hier in mancher Hinsicht geradezu ein Schlaraffenland dar. Früher wurden Briefmarken gesammelt, heute geht manch einer auf die Jagd nach Freunden. Kein Wunder: Viele Freunde in Facebook machen attraktiv – zu viele aber auch. Laut einer Studie der Michigan State Universität aus dem Jahr 2008, liegt die höchste Attraktivität eines Profils bei einer Freundeszahl von etwas über dreihundert. Bei Zahlen darüber und darunter sinkt sie wieder ab. Besonders im asiatischem Raum jedoch scheint es beim Sammeln von Freunden oft zu regelrechten Wettstreits zu kommen. In diesem Fall ein gefährliches Spiel.

Wie auch im wirklichen Leben heißt es also Kopf einschalten. Was glänzt, muss noch lange kein Gold sein.

Aber woran erkennt man eigentlich ein Fake-Profil? Na ja – lediglich sechs von hundert Frauen geben in der Realität an, bisexuell zu sein. Nur etwa 40 % der richtigen Profile bei Facebook gehören tatsächlich Frauen. 700 Freunde sind bei realen Personen, handelt es sich nicht gerade um Prominente, eher unwahrscheinlich. Bei Fake-Profilen entspricht diese Zahl dem Durchschnitt. Ein weiteres Indiz sind nicht aktualisierte Statusmeldungen. Nur 15 % der realen Facebook-User aktualisieren ihren Status nicht, während es bei falschen Konten 43 % sind.

Istanbul

Istanbul? Komischer Nachname! Das dachte sich zumindest Facebook. Ein weiteres Indiz, dass es sich um ein Fake-Profil handelt, sind oft außergewöhnliche Nutzernamen. Da es auch nicht im Interesse des Unternehmens liegt, dass Betrüger auf seinen Seiten ihr Unwesen treiben, lässt Facebook Fake-Profile sperren, nachdem sie identifiziert wurden. In diesem Fall zum Missfallen der Nutzerin Alica Istanbul, bei der es sich dummerweise um eine reale Person handelte. Die US-Amerikanerin mit türkischen Wurzeln konnte eines Tages nicht mehr auf ihr eigenes Profil zugreifen. In so einem Fall ist es sinnvoll, sich persönlich an den Betreiber zu wenden. Da jedoch Facebook weltweit nur 850 Mitarbeiter zählt,  kann es dauern, bis Anfragen bearbeitet werden.

Die Lehre die man daraus ziehen sollte? Falsche Freunde gibt es nicht nur im wahren Leben. Manchmal ist weniger in diesem Fall mehr. Und die Zahl bisexueller Frauen ist weit kleiner, als manch einer vielleicht bisher dachte.

Foto:flickr/cambiodefractal (CC BY-NC-ND 2.0), flickr/Daniel Rocal (CC BY-NC-ND 2.0)

Ein neues ACTA droht!

von Sebastian Seefeldt

SOPA, PIPA, ACTA – wer dachte, die Welle der Akronyme hätte ein Ende gefunden, hat sich getäuscht. Der Cyber Intelligence Sharing and Protection Act (CISPA) stammt aus den USA und stellt den Nachfolger von SOPA und PIPA da, welche zu ihrer Zeit dem Aktivismus der Netzgemeinde nicht standhalten konnten. Und diesmal sind die Einschnitte in die Privatsspähre der User noch größer.

CISPA – SOPA/PIPA 2.0?

Der Grundgedanke von CISPA hat nicht viel mit den alten Gesetzentwürfen zu tun: Der aktuelle Entwurf zu CISPA sieht vor, privaten und staatlichen Einrichtungen den freien Informationsaustausch von Daten zu erlauben, insofern diese Daten die Cyber-Sicherheit bedrohen. Der Austausch erfolgt auf freiwilliger Basis mit dem Ziel, gemeinsam Cyber-Bedrohungen zu bekämpfen. Ein ehrenwerter Gedanke – so könnte schnell und effektiv gehandelt werden und gemeinsam gegen die Bedrohungen im Netz vorgegangen werden. Das neue Konzept, dass am 30. November 2011 von Michael Rogers eingebracht wurde, scheint auch im Repräsentantenhaus Anklang zu finden: 100 Unterstützer konnten bereits gewonnen werden, auch aus einer unerwarteten Richtung erhält der Entwurf Rückenwind.

Opportunisten?

Ruft man sich Geschehnisse im Rahmen von SOPA/PIPA noch einmal ins Gedächtnis, gab es ein bestimmtes Ereignis, dass weltweit mediales und somit auch bürgerliches Interesse geweckt hat: der Blackout Day. Damals zogen große Internetfirmen wie Facebook und Microsoft gemeinsam mit den Netzaktivisten in den Kampf für ein freies Internet. Heute scheint sich der Wind aus einer anderen Richtung zu wehen: Die Netzgemeinde steht allein auf dem Schlachtfeld, denn die Namen von Facebook und Microsoft befinden sich dieses Mal auf der Liste der aktuell 28 öffentlichen Befürworter. Facebook wehrt sich allerdings gegen den Vorwurf des Opportunismus:

A number of bills being considered by Congress, including the Cyber Intelligence Sharing and Protection Act (HR 3523), would make it easier for Facebook and other companies to receive critical threat data from the U.S. government. Importantly, HR 3523 would impose no new obligations on us to share data with anyone –- and ensures that if we do share data about specific cyber threats, we are able to continue to safeguard our users’ private information, just as we do today.

Bisher war es ohne Weiteres nachvollziehbar, wieso CISPA als ein positiver Entwurf gehandelt werden kann – allerdings verschweigen Statements von Facebook und Co. die „Kleinigkeiten“, die eine kritische Überprüfung benötigen.

Staatliche Spionage im Privatbereich

Gerade das zunächst positiv wirkende Wort „freiwillig“ ist sehr kritisch zu betrachten, denn hier verbirgt sich die Gefahr, dass sich ein Status des quid pro quo etablieren könnte. Wieso sollte Facebook beispielsweise Daten weitergeben, ohne dafür auch Informationen als Gegenleistung zu erhalten?

Auch die Definition, was eine „Cyberbedrohung“ ist, ist mehr als wage formuliert:

Defines „cyber threat intelligence“ as information in the possession of an element of the intelligence community directly pertaining to a vulnerability of, or threat to, a system or network of a government or private entity, including information pertaining to the protection of a system or network from:

(1) efforts to degrade, disrupt, or destroy such system or network; or

(2) theft or misappropriation of private or government information, intellectual property, or personally identifiable information.

Während man bis zu Abschnitt 1 der Beschreibung noch zustimmen kann, liest sich der 2. Abschnitt wie ein Zusatz, der explizit auf das Filesharing abzielt, denn unter den Punkt „intellectual property“ fällt alles, von einer Photoshop-Datei bis hin zum aktuellen Blockbuster-Film. Auch die Formulierung „the protection of a system or network from“ ist mehr als wage, denn hier könnte der Spielraum eingeräumt werden ohne konkreten Beweis, unter dem Vorwand das System/Netzwerk zu schützen, private Daten weiterzugeben – ohne das Mitwissen des Betreffenden. SOPA-Kritiker werden an dieser Stelle wohl den Vorwurf, CISPA sei SOPA in grün, als gerechtfertigt ansehen, dabei sind die Folgen noch viel weitreichender.

Gelangen beispielsweise Regierungsinstitutionen wie das United States Department of Homeland Security und die National Security Agency an User-Daten (E-Mails, Chatverläufe usw.) fehlt eine Regulierung, die es ihnen verbietet auch nach Dingen zu suchen, die mit dem Thema „Cyberbedrohung“ nichts zu tun haben – reguliert ist allein, dass die Informationen unter diesem Vorwand erhalten worden mussten. Wer also nicht möchte, dass Uncle Sam in den eigenen Mails liest, sollte sich wohl näher mit dem Thema beschäftigen – auch derjenige, der nicht Bürger der USA ist, denn da die großen Dienste wie Facebook und Google in den USA ansässig sind und somit dem US-Recht unterworfen sind, können auch private Informationen aus anderen Ländern in die Hände des US-Staats fallen.

Wieso unterstützen die großen Firmen wie Facebook und Mircrosoft nun diesen Gesetzesvorschlag? Ganz einfach: Da die Firmen mit CISPA nicht für ihre User verantwortlich sind, wie es noch bei SOPA der Fall war und somit nicht für sie zur Rechenschaft gezogen werden können, wird ihr Job um einiges einfacher. Dass der Gesetzestext die Grundlage für das Eindringen des Staates in die privatesten Bereiche des Lebens schafft, scheint unwichtig zu sein.

Foto: flickr/Dioboss (CC BY-NC-SA 2.0);  flickr/ pshab (CC BY-NC 2.0)

 

1, 2 oder 3? Braucht Facebook ein drittes Geschlecht?

Ein revolutionärer Vorstoß eines Abgeordneten aus Nepal: Sunil Babu Pant setzt sich für ein drittes Geschlecht auf Facebook ein. Das trifft den Zeitgeist, denn unlängst forderte der deutsche Ethikrat genau das für die BRD. Doch wie reagiert Facebook?

Homo-Hass im Web

von Alexander Karl

Das Internet bietet viele Möglichkeiten, seine Meinung kund zu tun. Kritisch wird es dann, wenn (Rand-)Gruppen diskriminiert werden. Gerade Homosexualität gilt noch immer als Tabu und sorgt im Internet für Wirbel. Wie weit darf die freie Meinungsäußerung gehen?

Homo-Hass online

„It gets better“ soll LGBT Mut machen.

Unter dem Motto „NEVER confuse HATE speech with free speech – HATE SPEECH KILLS !“ macht Wipeout homophobia on Facebook (WHOF) auf ein grundlegendes Problem des Internets – und gerade Facebook – aufmerksam: Dort, wo die freie Meinung erlaubt ist, wird ihr oftmals keine Grenze gesetzt. Dies geht bis hin zur Diskriminierung. Kevin ‚Kel‘ O’Neil, Gründer von WHOF, suchte 2010 nach schwulen Gruppen bei Facebook und stieß auf zwei Hater-Gruppen. „I decided to“report“ both pages. Hate speech is illegal in most of the free world and is also against Facebook’s own terms of use“, so O’Neil. Daraufhin wurde die WHOF-Seite auf Facebook gegründet. Regelmäßig wird sich für die Rechte von Homosexuellen in den USA eingesetzt oder über neue Projekte berichtet. Mittlerweile hat die Fan-Seite von WHOF bei Facebook rund 340.000 Mitglieder.

Doch nicht nur werden immer wieder homophobe Seiten und Gruppen gegründet, auch in Kommentaren werden (vermeintliche) Schwule diskreditiert. Facebook ist da längst kein Einzelfall. Ebenso wird bei YouTube Schwulenhass zur Schau gestellt und immer wieder werden die Betreiber der Seiten kritisiert, weil die Löschung zu lange dauert.

Dass dieses Problem kein rein US-amerikanischen ist, zeigt das Beispiel Viva: Der Musiksender postete auf seiner Facebook-Seite ein Bild von Bill Kaulitz‘ (Tokio Hotel) neuer Frisur. Die Reaktion der User schockierte die Redaktion: „Die darauffolgende Stunde waren unsere Redakteure damit beschäftigt, hunderte schwulenfeindliche und diskriminierende Kommentare unter dem Beitrag zu löschen.“ In einem Blogbeitrag der Redaktion erteilte Viva Homophobie eine Absage:

Wir fragen uns: Was ist da los? In der heutigen Zeit, in unserer Generation, bei all dem kulturellen und politischen Fortschritt wundern wir uns darüber, dass es immer noch so viele Jugendliche gibt, die über das Thema Homosexualität nicht hinreichend aufgeklärt sind und deswegen so engstirnig und herablassend damit umgehen.

[…]

Unser Fazit: “Schwul“ ist keine Beleidigung und sollte als solche auch nicht verwendet werden!
Um dem Thema noch mehr Ausdruck zu verleihen, haben wir hier einige Gay Pride Bilder und Musikvideos für Euch gesammelt und erklären Euch mehr zu „Gay Pride“ und „LGBT“:

Aufklärung und Hilfe 2.0

Vivas Antwort auf die Kommentare kann nur vorbildlich genannt werden. Denn die offene Auseinandersetzung mit Homosexualität kann nämlich auch durch das Netz vorangetrieben werden. So gibt es etwa das Projekt „It gets better„, in dem vom Promi bis hin zum Jungen von nebenan jeder der Online-Welt Mut machen kann, sich zu outen. Auch Mitarbeiter von Facebook zeigten Flagge:

In Deutschland gibt es ein ähnliches Portal: „Du bist nicht allein„. Dort soll gerade jungen Schwulen ermöglicht werden, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und einen Weg zu finden, mit seiner Sexualität umzugehen. Gleichzeitig verbreiten sich homophobe Aussagen im Web wie ein Lauffeuer – das musste in letzten Jahr auch der Ex-Formel-1-Fahrer Niki Lauda merken, als seine homophoben Aussagen einen Proteststurm hervorriefen. Und auch Facebook will nun gemeinsam mit der US-Organisation GLAAD dafür sorgen, dass im Netz weniger diskriminiert wird.

 

Foto: flickr/nettsu (CC BY-NC-ND 2.0)

Der ewige Bundespräsident – zumindest bei Facebook

von Alexander Karl

Eigentlich müsste das Thema Wulff langsam einmal langweilig werden. Denn nach dem Zapfenstreich, der auch wieder für Wirbel sorgte, könnte es eigentlich ruhig um den Ex-Bundespräsidenten werden.

Aber eine Frage bleibt: Warum ist Wulff bei Facebook noch immer Bundespräsident (Stand: 10.März 2012, 17.33 Uhr)?

Der letzte Post auf der Fanpage von Wulff – die übrigens www.facebook.com/Christian.Wulff.Bundespraesident ist – ist zwar vom 14. Februar. Doch seitdem scheint niemand in den Sinn gekommen zu sein, Wulffs Info-Seite zu aktualisieren. Sprich: Ihn zum Bundespräsidenten a.D. zu küren, der er nun einmal mittlerweile ist. Auf der offiziellen Homepage des Bundespräsidenten heißt er übrigens bereits „Bundespräsident a.D. Christian Wulff“.

Rückblick: Wulffs Facebook-Seite wurde in der Vergangenheit von Usern/Bürgern genutzt, um ihn zum Rücktritt aufzufordern.

 

Foto: Screenshot Facebook.de (10.03.2012)

Der Facebook-Code

von Alexander Karl

Die wunderbare Facebook-Welt scheint offen für alle und alles. Doch nicht immer ist das tatsächlich so. Denn wie jetzt bekannt wurde, gibt es bestimmte Themen, die der Social-Media-Riese aus dem Netz tilgt: Ganz vorne dabei ist Sex – aber auch stillende Mütter.

Offiziell: Vieles ist erlaubt

Die Facebook-Gemeinschaft wächst täglich, doch was die User nur selten wissen, ist was in der Welt hinter dem blauen Logo passiert. Amine Derkaoui, ein 21-jähriger Marokkaner, weiß, wie es hinter den Kulissen aussieht: Er arbeitete für eine Firma, die die Facebook-Richtlinien überwacht. Bezahlung: Ein Dollar in der Stunde! Nun öffnete er dem US-Blog Gawker die Türen zu bisher geheimen Facebook-Richtlinien, die weit mehr Informationen darüber geben, was bei Facebook geht oder nicht, als die Selbstdarstellung dies bisher tat.

Offiziell heißt es unter den „Standards der Facebook-Gemeinschaft„:

Als zuverlässige Gemeinschaft von Freunden, Familienmitgliedern, Arbeitskollegen und Klassenkameraden reguliert sich Facebook weitgehend selbst. Menschen, die Facebook nutzen, können Inhalte melden, die sie fraglich oder anstößig finden, und tun dies auch. Um die Bedürfnisse und Interessen einer globalen Gemeinschaft zu berücksichtigen, bitten wir alle Nutzer darum die folgenden Standards für Inhalte zu respektieren: Drohungen, Darstellung von Selbstverletzung, Schikane & Belästigung, Hassreden, Grafische Gewalt, Sex & Nacktheit, […]

Inoffiziell etwas wundersam

Was „weitgehend“ heißt, zeigt das Dokument von oDesk, der Firma, wo Amine Derkaoui angestellt war: Dort ist detailliert aufgelistet, was geht und was nicht:

1. Any OBVIOUS sexual activity, even if naked parts are hidden from view by hands, clothes or other objects. Cartoons/art included. Foreplay allowed (kissing, groping, etc.) even for same-sex individuals. […]

6. Breastfeeding photos showing other nudity, or nipple clearly exposed. […]

9. People “using the bathroom”. […]

Während der neunte Punkt fast noch amüsant wirkt, brachten die anderen beiden Punkte Facebook zuletzt in die Schlagzeilen: Das Foto eines küssenden schwulen Paars wurde ebenso zensiert wie auch ihre Kinder stillende Mütter. Die laufen Sturm gegen die Regelung. Den „Regeln“ von Facebook zufolge würde das linke Bild der stillenden Mutter verboten werden, das rechte wäre ok. Paradox, dass das, gerade in den USA zumeist so prüde behandelte, Thema Sexualität hier mit Argusaugen beobachtet wird.

Übrigens: Cannabis ist bei Facebook ok (solange man es nicht verkauft), andere Drogen dürfen allerdings nicht erwähnt werden.

Fernab von Bildern gibt es auch klare Regeln, was geschrieben werden darf oder nicht. Zwei Bespiele mit sexuellem Inhalt, die einmal verboten, einmal erlaubt sind:

[Unconfirmed] Yeah I’d like to poke that bitch in the pussy. [poke in the pussy = sex. No details given]

[Confirmed] Ladies and girls, I need some pussy. Call me on 555 143 5746 [sexual solicitation]

Außerdem: Der Holocaust darf nicht geleugnet werden, Kinderpornographie ist natürlich auch verboten und Staatsoberhäupter dürfen nicht bedroht werden. Ein wenig verwundert ein besonderes Foto-Verbot: „Burning the Turkish flag [other flags are ok to be shown burning]“. Warum dürfen alle anderen Flaggen brennend gezeigt werden?

Ebenfalls verwunderlich ist der Umgang der Darstellung von toten Tieren: „Poaching of animals should be confirmed. Poaching of endangered animals should be escalated“. Und Blut ist an und für sich auch kein Grund, ein Bild zu löschen: „Deep flesh wounds are ok to show; excessive blood is ok to show. Crushed heads, limbs, etc. are ok aslong as no insides are showing“.

Psychische Schäden der Mitarbeiter

Generell ist der Richtlinienkatalog natürlich positiv zu bewerten – und auch, wenn es Menschen gibt, die sich Facebook noch einmal genauer ansehen. Doch diese haben mit hohen psychischen Belastungen zu kämpfen. Gegenüber dem Blog Gawker sagten Mitarbeiter einer Firma, die sich mit den Abgründen der Facebook-Welt beschäftigt:

„Think like that there is a sewer channel,“ one moderator explained during a recent Skype chat, „and all of the mess/dirt/ waste/shit of the world flow towards you and you have to clean it.“

Each moderator seemed to find a different genre of offensive content especially jarring. One was shaken by videos of animal abuse. („A couple a day,“ he said.) For another, it was the racism: „You had KKK cropping up everywhere.“ Another complained of violent videos of „bad fights, a man beating another.“

One moderator only lasted three weeks before he had to quit.

„Pedophelia, Necrophelia, Beheadings, Suicides, etc,“ he recalled. „I left [because] I value my mental sanity.“

Übrigens: Bei manchen Sachen bedarf es keiner Mitarbeiter – manchmal zensiert Facebook automatisch. Zum Beispiel werden Links zu Porno-Seiten über den Chat erst gar nicht verschickt.

 

Foto: flickr/ pshab (CC BY-NC 2.0), flickr/ gweggyphoto (CC BY-NC-ND 2.0)

Minderwertigkeitskomplexe dank Facebook

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