Facebook Komplexe

Minderwertigkeitskomplexe dank Facebook

von Alexander Karl

Innerhalb von zwei Jahren stieg die Anzahl der Facebook-Nutzer allein in Deutschland von 5,8 Millionen auf 21,1 Millionen – Tendenz steigend. Fernab der Diskussionen über Datenschutz und Co. bringt Facebook aber auch Gefahren für die Psyche. Aktuelle Studien belegen, wie Facebook die Seele krank machen kann.

Facebook und der Selbstwert

Partybilder

Partybilder auf Facebook – lustig oder nervig? Foto: flickr/jemsweb (CC BY-SA 2.0)

Eine Freundin scheint gar nicht mehr zu studieren, sondern von Dubai bis Spanien nur auf Reisen zu sein. Andere posten ständig neue Bilder von lustigen (und feuchtfröhlichen) Partys, während man selbst über seinen Fachbüchern hängt. Und kommt es einem nur so vor oder ist gerade wirklich jeder in einer Beziehung, während man selbst Single ist?

Facebook wirkt auf uns – die Frage ist nur wie. Derzeit werden vermehrt Untersuchungen dazu durchgeführt. Nina Haferkamp und Nicole C. Krämer etwa untersuchten in ihrer 2011 veröffentlichten Studie „Social Comparison 2.0: Examining the Effects of Online Profiles on Social-Networking Sites„, welche Wirkung die Selbstdarstellung bei Facebook hat. Zu ihren Erkenntnissen gehört:

The experiment shows that people who look at attractive users have less positive emotions afterwards and are also more dissatisfied with their own body image than people who look at unattractive users.

[…]

Within the group of males, the analysis showed that those who looked at the successful vitae revealed a higher real– ideal discrepancy than those who looked at the less successful ones.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Facebook unzufrieden machen kann – wenn man sich mit anderen vergleicht und den Kürzeren zieht. Doch das experimentelle Studiendesign bringt die Frage mit sich, ob dies in der Realität tatsächlich genauso ist. „Damit ist noch nicht klar, in wie weit in der Realität herausragende Profile tatsächlich aufgesucht werden. Es könnte z.B. sein, dass man bei Minderwertigkeitsgefühlen gezielt weniger herausragende Profile aufsucht, um sich anschließend besser zu fühlen“, sagte Dr. Katrin Wodzicki vom Institut für Wissensmedien (IWM) aus Tübingen media-bubble.

Die Facebook-Depression

Minderwertigkeitskomplexe

Foto: flickr/kevin dooley (CC BY 2.0)

Aber auch die Amerikanische Akademie der Kinderärzte (AAP) warnt vor den Gefahren bei Facebook. So heißt es in deren Report: „Because of their limited capacity for self-regulation and susceptibility to peer pressure, children and adolescents are at some risk as they navigate and experiment with social media.“

Eine Gefahr, vor der die AAP warnt, ist etwa das Online-Mobbing: „[…] cyberbullying is quite common, can occur to any young person online, and can cause profound psychosocial outcomes including depression, anxiety, severe isolation, and, tragically, suicide.“ Eine weitere Gefahr ist die sogenannte Facebook-Depression, die den Depressionen in der ’normalen‘ Welt gleichen:

As with offline depression, preadolescents and adolescents who suffer from Facebook depression are at risk for social isolation and sometimes turn to risky Internet sites and blogs for “help” that may promote substance abuse, unsafe sexual practices, or aggressive or selfdestructive behaviors.

Jüngst berichtete auch die New York Times, dass ‚dark postings‘ bei Facebook nicht einfach ignoriert werden sollten – sie können ein Anzeichen einer ernsthaften Depression sein. Eine Studie der University of Washington und der University of Wisconsin-Madison fand etwa heraus, dass etwa 30 Prozent der untersuchten Posts die Kennzeichen von Depressionen erfüllen. In dem NYT-Artikel werden Beispiele von Psychologen oder Dozenten genannt, die ihre Klienten oder Studenten bei Facebook adden – und so die Möglichkeit haben, ihnen bei kritischen Updates Unterstützung anzubieten.

Wie wichtig es sein kann, einen kritischen Blick auf Facebook-Updates zu werfen, zeigt der Fall Amanda Cummings. Kurz vor ihrem Selbstmord ließ sie ihren traurigen Gedanken auf Facebook freien Lauf.

Die Grenzen zwischen einem schlechten Tag und ernsthaften Depressionen anhand eines Facebook-Status zu erkennen, ist aber sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Klar ist aber: Facebook zeigt uns nicht die Realität, sondern das, was andere von ihrer Realität preisgeben wollen oder wie sie sich selbst darstellen wollen. Und wer macht auch schon Bilder von sich beim Lernen oder Schlafen?