Lulu: Sexismus andersrum

von Anne-Sophie Krier

Die neue Art zu daten

Die App „Lulu“ wurde von Alexandra Chong entwickelt und mit 2,5 Millionen Dollar Startkapital ausgestattet. In den USA können Frauen ihre männlichen Facebook-Freunde anonym bewerten. Der Betroffene bekommt nicht mitgeteilt, dass Bilder sowie weitere private Informationen weitergegeben werden. Als „Yelp für Jungs“ soll die App Frauen helfen das perfekte Date online zu finden. Und dass, ohne erst mühsam die Kennenlernphase durchlaufen zu müssen und letztendlich doch enttäuscht zu sein. Die einen sehen das System positiv, die anderen jedoch erkennen eine sexistische, rufmordende und zudem überflüssige Lester-App. Doch schon wenige Wochen nach dem Erscheinen von „Lulu“ auf dem US-Markt gibt es 4 Millionen User Sessions, 5,2 Millionen Reviews wurden gelesen und 10 Millionen Suchanfragen gestartet – Tendenz steigend.

 

„Ich habe Lulu gegründet, weil meine Freundinnen und ich es brauchen“

Die Idee zur App bekam Alexandra Chong bei einem Treffen mit ihren Freundinne beim Valentinstag. Dort berichtete sie von einem Treffen mit einem Mann, der für sie nicht der richtige gewesen sei – jedoch für eine andere. Grundsätzlich ginge es ihr nicht darum, Männer bloßzustellen, sondern einzig positive als auch negative Eigenschaften aufzuzeigen und den Frauen somit die Suche nach dem passenden Partner zu erleichtern. Männer könnten ihre Bewertungen mit Hilfe einer Erweiterungs-App einsehen und somit an sich arbeiten.

„Lulu“ funktioniert folgendermaßen: Die Userin verbindet ihren Account mit ihrem Facebook-Profil, um sicherzustellen, dass sie weiblich ist. Ihre bekannten Freunde kann sie daraufhin anonym nach einem vorgegebenen Kategoriensystem bezüglich Aussehen, Verhalten und anderer „Qualitäten“ bewerten. Punkte können beispielsweise in den Kategorien Erscheinung, erster Kuss, Treue und Humor gegeben werden. Angegeben wird auch in welcher Beziehung sie zum Betroffenen steht: Zum Beispiel (Ex)-Freundin, Kollegin, oder One-Night-Stand. Gewürzt wird das Profil noch mit Hashtags wie #SmartIsSexy, #RespectsWomen, aber auch #Boring, #CheaperThanABigMac, #WearsEdHardy und einem Bild, welches frei von der Userin gewählt wird. Schließlich werden maximal 10 Punkte vergeben.

Um das andere Geschlecht doch ein wenig einzubinden, wird ihm „Lulu Dude“ zur Seite gestellt. Denn je stärker „Lulu“ genutzt wird, desto größer wird auch das Interesse der Männerwelt, sich in möglichst gutem Licht darzustellen. Männer können durch „Lulu Dude“ einen Teil der Hauptapp sehen und Grundinformationen, wie den Beziehungsstatus, aktualisieren. Zusätzlich werden sie aufgefordert ihre Freundinnen und Bekannten zu bitten, sich „Lulu“ anzulegen und positive Bewertungen auf dem eigenen Profil zu hinterlassen. So bindet die App sowohl weibliche als auch männliche Nutzer an sich und bietet Werbekunden optimale Plattformen. Ein Hoffnungsschimmer: Die Männer können ihr Profil auch löschen.

 

Was soll man davon halten?

Dass Männer von  dieser Klassifizierung wenig begeistert, sind ist logisch. Aber auch viele Frauen stehen der App kritisch gegenüber. Hauptsächlich wird die diskriminierende Haltung der App angeprangert. Frauen sind zudem irritiert, wenn plötzlich das Profil des eigenen Onkels, Vaters oder gar Ehemanns/Freundes auftaucht. Ein weiterer Kritikpunkt: Rufmord. Es können sowohl absichtlich als auch unabsichtlich Falschaussagen über jemanden verbreitet werden. Ein Mann der in „Lulu“ mit der Punktzahl Eins bewertet wird, könnte er schwerer haben, ein Date zu finden. Außerdem können sich Menschen im Laufe ihres Lebens ändern, Eigenschaften erlernen oder ablegen. Im Endeffekt liegt die Bewertung zudem immer im Auge der Betrachterin, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Kritisch betrachtet wird auch wer und warum bewertet wird. Ein Mädchen, das positive Erfahrungen mit einem Jungen gesammelt, vielleicht sogar eine glückliche Beziehung geführt hat, wird diesen wohl kaum anderen Mädchen „zur Verfügung stellen“ und auf „Lulu“ anpreisen. Häufig beurteilt man gerade bei einem Bewertungsportal, wenn man unzufrieden war und sich beschweren möchte. Des Weiteren wäre es für einen Mann wohl leicht, seinen eigenen Punktestand durch einen weiblichen Fakeaccount bei Facebook zu manipulieren. Wie repräsentativ und Aussagekräftig die Profile auf „Lulu“ sind, ist daher anzuzweifeln.

 

Brauchen wir Lulu?

Mit den Auswirkungen sozialer Netzwerke auf unseren Lebensstil und unsere Konventionen befassen sich unter anderem Forschungsbereiche der Ethnologie, Sozialpsychologie und Kommunikationswissenschaft. Hierbei sind sowohl positive als auch negative Folgen zu beobachten. Inwieweit hat sich unser Verhalten nun bezüglich der Suche nach einem Partner geändert? Dating- und Partnervermittlungs-Plattformen gibt es schon lange, doch hier ist der Nutzer selbst Herr über sein Profil. Lulu geht einen Schritt weiter. Fraglich ist auch die Umsetzung von Gleichberechtigung. Wäre der Aufschrei bei einer App, die umgekehrt für Männer vermarktet wird, nicht viel größer? Gleichberechtigung muss ja dem Namen her auch in beide Richtungen gleich funktionieren, doch Feministinnen hätten im anderen Fall wohl längst protestiert.

Unser Umgang mit Kommunikation hat sich durch Smartphones und soziale Netzwerke grundlegend verändert.  Reicht dieser neue Umgang mit Kommunikation aus, um potenzielle Partner per App „abchecken“ zu müssen? Kennenlernen per App, ohne Nervenkitzel und Geheimnisse? Vielleicht kann die App vor unangenehmen Typen warnen, doch einen Weg Mister Right zu finden ist sie wohl eher nicht. 

 

Foto: flickr.com/ See-ming Lee (CC BY-NC 2.0)

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