Zauberwürfel 2.0

von Sanja Döttling

Vorlesungszeit. Alle hören aktiv zu, nur meine Nebensitzerin hackt mit unglaublicher Ausdauer auf ihren iPhone-Bildschirm ein. Als ich schon fragen will, ob das Ding abgestürzt ist, erklärt sie mir ihr spechtartiges Zwangsverhalten. Der Grund ist „Curiosity – what’s inside the cube?“, eine neue kostenlose Spiele-App von 22Cans. Das Ziel ist die gemeinsame Zerstörung eines Pixelwürfels mit über 100 Millionen Teilchen.

Virtueller Bergbau im Viereck

Am Dienstagvormittag erschien die Spiele-App „Curiosity“ für iOS-Produkte. Schon im Voraus gab es viel Gemunkel über den Coup des Erfinders Peter Molyneux, der schon für Titel wie Fable und Black&White verantwortlich war. Mit der neuen Firma 22 Cans will er 22 Spiele entwickeln, die gleichzeitig soziale Experimente sind. Und sein Erstlingsschlag ist gleichzeitig ein großer Hit. Schon jetzt ist Curiosity auf Platz Acht der deutschen Gratis-App-Chartliste. Diese App ist anders als andere Spiele. Das Spielprinzip ist denkbar einfach: Der Würfel ist aufgebaut aus vielen Schichten, die wiederum aus kleinen, pixelähnlichen Blättchen bestehen. Die Spieler, zurzeit knapp eine halbe Million, sehen auf ihrem Bildschirm alle den gleichen Würfel und alle zusammen arbeiten daran, die kleinen Blättchen abzutragen. Das geht durch gute Fingerarbeit und schnelles Tippen – mit In-Game Geld, erworben durch das Entfernen der Blättchen, kann man sich auch Werkzeuge kaufen, um schneller voranzukommen. Molyneux erklärt, was der Tool-Shop darüber hinaus bietet:

„One problem we had is that some people would think ‚this is interesting. I’ll download it, watch everyone else do the hard work and I’ll just come in at the end and have an equal chance.‘ So we layered in a simple mechanic, a simple motivation – if you keep tapping, you get times two, times three and so on and your chain never ends. That earns you coins, which you can spend in the shop.“

Pixeliges Überraschungsei

So weit, so einfach. Doch der Titel gibt schon den Hinweis, warum dieses Spiel so erfolgreich ist: „what’s inside the cube?“ fragt er und das fragen sich auch die eifrigen Hacker. Entwickler Molyneux sagt natürlich nicht, was nur derjenige erhält, der das letzte Blättchen entfernt. Er sagt:

„Inside the cube really is an incredible, amazing, life-changing thing, and it’s taken me years and years and years to get the centre of the cube right. The power of our experiment lies in me not giving any clues at all about what it might be.“

Der Gewinner dieses ominösen Preises kann dann entscheiden, ob er den Gewinn für sich behält – oder ob er der (Internet-)Welt mitteilt, was er da bekommen hat. Ein Faktum, das den Preis noch viel begehrenswerter zu machen scheint. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. 100 Millionen Blättchen müssen wohl pro Schicht abgetragen werden. Und die Anzahl der Schichten ist unbekannt – zurzeit arbeiten die Spieler an der zweiten, grünen Schicht.

Außerdem zeichnet sich „Curiosity“, genauso wie Bubble Explode,  Doodle Jump oder Angry Birds, durch ein einfaches Spieleprinzip aus. Doch „Curiosity – what’s inside the cube?“ sprengt jede Vorstellung von Einfachheit, und weltweit werden nun die Touchscreens attackiert. Molyneux sagt:

„I’d been playing with this idea in my mind of boiling things down to the simplest element, and seeing what happens when you put something mysterious out into the world. It seems to me that a lot of the games on mobile devices are insanely simple – they’re rather like games from the early days of gaming. And I wondered if we could give people a simple and pure way of interacting with something, while also giving us here something to get our teeth into.“

Gemeinsames Gekloppe

Molyneux bezeichnet die App als soziales Experiment – wenn auch nicht im wissenschaftlichen Wortsinn. Zum einen ist es das Gemeinschaftsgefühl, das sich beim weltweiten Blättchen-hacken einstellt. Schon schnell nach der Veröffentlichung wurde klar, dass „Curiosity“ auch die Kreativität der Nutzer fördert: So war die Oberfläche übersät von Inschriften und Bildern. Eine forderte beispielsweise dazu auf, zur Präsidentschaftswahl zu gehen. Und dann das Geheimnis, das sich um das Innere des Cubes rankt. Gepaart mit einem denkbar einfachen Spieleprinzip, und schon hat man ein Spiel, zu dem alle etwas zu sagen haben. Doch ist es auch genug, um die Spieler für eine längere Zeit an das Spiel zu binden? 

 Fotos: Copyright facebook.com/22Cans; facebook.com/22Cans

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