Eine Woche Zeichentrick – das ITFS geht zu Ende

von Marius Lang

Wieder einmal ist das Gloria voll besetzt. Wer keinen Sitzplatz mehr bekommen hat, steht auf dem Gang des Kinosaals. Es ist an der Zeit, das ITFS ausklingen zu lassen und die diesjährigen Preisträger zu würdigen. Der Festakt beginnt mit einer Clipshow, bestehend aus den Highlights des diesjährigen Festivals. Und davon gibt es eine ganze Menge. Kein Wunder, waren doch die letzten sechs Tage vollgepackt mit interessanten Veranstaltungen rund um den Animationsfilm. Gezeigt wurden Ausschnitte aus der Vergabe des Animationssprecherpreises (Sieger: Ralf Schmitz), Eindrücke von der Game Zone mit Besuch von Nils Bomhoff (Rocket Beans TV und ehemals MTV GameOne) oder einer Show mit Simpsons-Macher David Silverman und Schwabenkomiker Dominik „Dodokay“ Kuhn („Die Welt auf Schwäbisch“), ein Opern-Flashmob, Bilder vom Open-Air-Kino auf dem Schlossplatz und viele weiter Highlights die in diesem Jahr das ITFS wieder einmal unvergesslich gemacht haben. Ja, jeder einzelne Tag hatte seine besonderen Höhepunkte, kein Wunder, bei etwa 200 einzelnen Veranstaltungen rund um ein einziges Thema: Trickfilme.

Laola für Team und Partner

Dies schlug sich auch in den Besucherzahlen nieder. Rund 80.000 Trickfilmfans pilgerten dieses Jahr nach Stuttgart, trotz widriger Umstände. Den Streik habe man gespürt, meinen die ITFS-Geschäftsführer Dittmar Lumpp und Ulrich Wegenast. Da fragt man sich, wie viele Besucher gekommen wären, hätte die Bahn nicht gestreikt.

„Ich kann schon sagen, dass wir sehr zufrieden sind“ fasst Ulrich Wegenast seine Eindrücke von 6 Tagen ITFS zusammen. „Wir hatten ein tolles Festival, ein intern harmonisches Festival“ setzt Dittmar Lumpp fort. Klar, dass dies nicht ohne die rund 80 Kooperationspartner und das engagierte Festivalteam möglich gewesen wäre. Bei der Abschlussveranstaltung wird das gesamte Team auf die Bühne geholt und sowohl das Team als auch die Partner des ITFS werden vom Publikum mit je einer Laola-Welle verabschiedet.

Preise in Massen

Dann ging es schon an die Vergabe der Preise. Einige davon waren bereits im Vorfeld vergeben worden, darunter der oben erwähnte Animationssprecherpreis oder die bereits am Freitag in einer eigenen großen Veranstaltung vergebenen Animated Com Awards, die Preise für angewandte Animation in den Bereichen Werbung, Technologie und Kommunikation. Der Hauptpreis ging hierbei an „League of Legends: Warriors“ unter der Regie von Arnaud & Jérôme. Doch es gab noch immer mehr als genug Preise, oder Trickstars, wie die Preise des ITFS genannt werden, zu verleihen.

Den Auftakt des Preisregens machte hierbei der Tricks for Kids-Award für den besten animierten Kurzfilm für Kinder. Die Jury für diesen Preis bestand aus einer bunten Truppe Zehnjähriger, die zur Vergabe allesamt auf die Bühne kamen. Der Preis ging an Neige/Snow aus Frankreich. Da die Regisseure des Films nicht anwesend sein konnten, schickten sie ihre Danksagung per Videobotschaft ins Gloria.

Schnell, Schnell

Doch es blieb wenig Zeit zum Verweilen. Der Zeitplan für diese letzte Veranstaltung war eng gestrickt, wie so oft bei solchen Preisverleihungen. Verständlicherweise konnten so auch nicht alle ausgezeichneten Filme in voller Länge gezeigt werden. Doch immerhin werden immer wieder Ausschnitte aus den Filmen gezeigt, vereinzelte Filme schaffen wegen ihrer kurzen Laufzeit sogar den Sprung, in voller Länge gezeigt zu werden.

Dies galt freilich nicht für Resan Till Fjaederkungens Rike/Beyond Beyond, eine schwedisch-dänische Koproduktion und der Gewinner des Preises in der Kategorie Animovie für den besten animierten Langfilm. Auch hier war der Regisseur des Films nicht zugegen, doch seine Produzentin nahm den Preis entgegen.

Wie wir bereits berichtet haben, ging der Preis in der Kategorie Young Animation für den besten Studentenfilm an My Milk Cup Cow aus Japan. Die junge Regisseurin Yantong Zhu von der Tokyo University of the Arts ist bereits ein bekannteres, junges Gesicht beim ITFS. Bereits im Vorjahr war sie zu Gast beim Festival und als Teilnehmerin des 48-Stunden-Jams, bei dem in nur 48 Stunden ein neuer, vollständiger Animationsfilm entstehen soll, dabei. In ihrem Film geht es um ein kleines Mädchen, deren Vater ihr versichert, dass am Grunde ihres Milchbechers eine Kuh lebt. Als Gewinnerin zeigt sie sich überrascht und schüchtern und bedankt sich bei ihrem eigenen Vater.

Wie jedes Jahr vergibt auch das Publikum einen Preis. Der vom SWR gestiftete Publikumspreis ging in diesem Jahr an One of a Kind von Rok Predin aus Großbritannien. Der Film erzählt in netter 3D-Animation die Geschichte des Lebens, des Menschen und des Universums, flott und humorvoll. Der Film hat seine Auszeichnung verdient. Erst zum zweiten Mal wird dagegen der von Tele 5 gestiftete Leider-Geil-Award vergeben. „Dieser Preis soll Filme auszeichnen, die einfach anders sind“, sagt Christoph Wegenast, Stellvertretender Geschäftsführer von Tele 5 und Bruder von ITFS-Geschäftsführer Ulrich Wegenast. Der Gewinner des Preises war in diesem Jahr Light Motif aus Frankreich von Frederic Bonpapa. Der Film ist ein wunderbar animiertes Kunstwerk voller Farben, Musik und einem Äffchen. Ohne Äffchen, aber trotzdem kein bisschen schlechter, der Gewinner des Lotte-Reiniger-Förderpreises für den besten Abschlussfilm: The Bigger Picture von Daisy Jacobs aus Großbritannien. Der Film ist ein wunderbarer Mix aus verschiedensten Animationstechniken und erzählt die tragikomische Geschichte von zwei ungleichen Brüdern und ihrer pflegebedürftigen Mutter.

Ein Blick in die Zukunft

Der letzte Preis des Abends war freilich der Grand Prix für den Besten Animationsfilm des internationalen Wettbewerbs. Überreicht wurde der Preis von Brigitte Lösch, Vizepräsidentin des Baden-Württembergischen Landtags, und von Susanne Eisenmann, Stuttgarter Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport. Die beiden hoben zuvor noch die Bedeutung des ITFS für Stuttgart und das Land hervor. Der große Gewinner des Abends kam dann schließlich aus Frankreich: Le sense du Toucher/The Sense of Touch von Jean-Charles Mbotti Malolo. Der Preisträger kam auch etwas zerstreut daher und gibt zu, dass er völlig vergessen hatte, dass sein Film im internationalen Wettbewerb läuft und auch vergessen hatte, das Formular für seine Einladung auszufüllen. Dennoch, er hat es geschafft zu kommen. Sein Film ist eine schön gezeichnete Liebesgeschichte ohne Worte, dafür mit Zeichensprache und Choreographien.

Zum Abschluss gab es nur noch eines zu tun: Den Festivaltrailer für das 23. ITFS im Jahr 2016 zu sehen. Ein Ereignis bei dem dann auch media-bubble.de wieder zu Gast sein wird.

 

Fotos: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart

Jung, kreativ und voller Überraschungen – Die Young Animation 2015

von Maya Morlock

Bunt, schrill, triefgründig, minimalistisch, schwarz-weiß – die Young Animation sprudelte nur so vor Varianz und Ideenreichtum. Kein Film glich dem anderen, thematisch war jedes Werk einzigartig. Auch in diesem Jahr wurden die besten studentischen Kurzfilme im Bereich Animation aus allen Teilen der Welt im Rahmen des Internationalen Trickfilmfestivals vor Publikum vorgeführt. Einer wurde schließlich gekürt und mit 2500 Euro Siegerprämie belohnt.

Animation ist nicht gleich Animation

Erstaunlich waren die vielen unterschiedlichen Techniken, die für die Produktion der Filme genutzt wurden. „Animation“ wurde in vielerlei Hinsicht interpretiert: Einige Produktionen erinnerten stark an die großen Animationsstudios, wie Pixar oder Dreamworks, andere wurden komplett mit dem Bleistift gezeichnet. In einem Film aus Russland wanderten reale Mülltüten durch eine russische Stadt – dort wurden entsprechend nur die Bewegungen animiert.

Der Film „Pineapple Calamari“ von Kasia Nalewajka aus Großbritannien zeigt zum Beispiel einen typischen Puppet Animation Film, der mit Knetpuppen gedreht wurde. Liebevoll gemachte Figuren, mit einem Auge fürs Detail, entwickeln dort eine märchenhafte Szenerie. Das Pferd namens Pineapple Calamari ist ein kleines Rennpferd, dem nur noch sein größter Triumph zur Erfüllung seiner Träume fehlt. Zwei Schwestern, die eine innige Beziehung pflegen, betreuen das Pferd. Als eine Schwester auf tragische Weise ums Leben kommt, ersetzt das Rennpferd die Rolle der toten Schwester, da es die Trauer der anderen nicht ertragen kann. Es wird träge und dick – der Traum vom großen Preis scheint mehr und mehr unerreichbar.

Dagegen erinnert die Szenerie in „Abducked!“ stark an die gezeichneten Bilder des Künstlers Janosch, die unter anderem in seinem bekanntesten Werk, der „Tigerente“, vorkommen. In diesem kurzen Film versucht ein Jäger eine harmlos wirkende Ente mit einem Gewehr zu erschießen. Diese, unbeeindruckt von jeder Kugel, schwimmt einfach seelenruhig weiter. Plötzlich wird der Mann ins Gebüsch gezogen, um sogleich gefesselt und von Enten getragen in das unterirdische Geheimversteck gebracht zu werden. Dieses befindet sich im See unter der Ente – die lediglich als Attrappe diente.

Herausragend war ebenso der bulgarische Film „Traffic“, der mit der Technik „Pixilation“ gedreht wurde. Das ist eine Stop-Motion-Technik und bezeichnet das Filmen von Personen und Gegenständen mit Einzelbildschaltung. Eine Menschenmenge steht an einer roten Ampel. Das Bild zappelt und flimmert kontinuierlich, die Striche eines Gesichts beispielsweise verändern sich ständig. Immer mehr drängen sich an die Straße, gegenüber herrscht auch schon ein tumultartiges Treiben. Als die Ampel nach einer gefühlten Ewigkeit auf Grün umspringt nimmt das Schicksal seinen Lauf und eine Massenpanik bricht auf der Straße aus. Ergebnis: Einige Menschen bleiben totgetrampelt zurück, darunter auch das kleine Mädchen, welches zu Beginn führende Aufmerksamkeit erhielt. Das hektische Flimmern und die schwarz-weißen Bilder, erzeugten von Anfang an eine Unruhe, die sich im weiteren Verlauf des Filmes bestätigt.

Zwischen europäischer Denkweise und asiatischer Ausdruckskraft

Einige Filme stammten aus Asien, darunter ein Großteil von der Tokyo University of Arts – so auch der Siegerfilm. Man merkte bei fast jedem dieser Filme, noch bevor der Regisseur oder die Universität genannt wurde, dass es sich um einen außereuropäischen Beitrag handeln muss. Warum? Bild und Erzählweise waren meist sehr skurril und andersartig und hinterließen oftmals ein großes Fragezeichen. In „A tongue silent like your words“ von Vita Weichen Shu  gehen zwei menschenartige Gebilde eine Art Symbiose ein (Bleistiftzeichnung): Einer gräbt sich durch die Bauchdecke des anderen, mit seinen Fingern reißt er ihm den Rücken auf, tiefe Furchen bleiben zurück. Das Bein des Anderen findet derweil seinen Weg und kommt aus dem Hinterteil heraus – was wohl genau der höhere Sinn sein soll, ist wohl kulturbedingt oder eine Interpretationssache. In „The Pompoms“ von Shih Ying Chen aus Taiwan trotten sonderbare, zweidimensional animierte Gestalten mit langen blauen Haaren durch die Wüste und graben kontinuierlich nach Wasser. Sie erinnern leicht an Meerjungfrauen, haben jedoch Beine. Ab und zu stoßen sie auf Öl, was sie krank und hässlich macht. Einige verenden an der Hitze, ihre Kumpane reißen ihnen unbeirrt die Arme aus, um diese als Grabwerkzeug zu benutzen. Kurz bevor die übrig gebliebenen den Tod finden hören sie einen Wellengang und laufen los. Es ist das tosende Meer in das sie ohne Furcht von einer Klippe aus hineinspringen – ob dies ihre Erlösung, ihre wahre Heimat oder ihr Tod aus Gier ist, wird nicht aufgglöst.

Gewinner der Herzen

Bei dieser Fülle an gelungenen Beiträgen fällt es schwer einen Gewinner zu wählen. Wählt man eher einen Film, der sehr professionell gemacht ist und als Vorfilm eines Pixar-Films im Kino laufen könnte oder eher einen handgezeichneten, surrealistischen Film wie jene aus Asien?
Mein persönlicher Favorit, der aber leider nicht gewonnen hat, ist „Oma“ (Originaltitel „Grandma“) aus Belgien, der von Karolien Reymaerkers stammt. Es geht um ein junges Mädchen, das für ihre unheilbar kranke Oma seine Angst überwinden muss. Die Szenerie zeigt eine ländliche Gegend, hohe Sträucher und Wälder sind zu sehen. Sie sind atemberaubend gemalt und wirken ein bisschen wie die Landschaftsmalereien des Künstlers Claude Monet und haben etwas Fantastisches an sich. Den harten Kontrast dazu bilden die Figuren des Mädchens und ihrer Großmutter, die gänzlich schwarz sind – nur die Konturen und das Gesicht sind zu erkennen. Farben bestimmen hier die Stimmung, der Himmel tönt sich auf einmal blutrot, als die Thematik der todgeweihten alten Frau auftaucht und das Mädchen verängstigt die Flucht antritt.
Als das Mädchen es schafft die Oma loszulassen,  entspannen sich die Farben wieder und das traumhafte Bild ist erneut zu sehen.

Von Lügenmärchen und der Milchkuh

Zu guter Letzt nun der Film, den die Jury bestehend aus Jürgen Hagler (Linz), Marc Riba (Barcelona) und Alison Schulnik (Los Angeles) zum Sieger gekürt hat: „My Milk Up Cow“ (Originaltitel: Cup No Naka No Koushi). Die Regisseurin erzählt hier von ihrer Vater-Tochter-Beziehung und ist im Film als kleines Mädchen zu sehen. Es sind Papierzeichnungen, die nicht auf eine möglichst reale Darstellung aus sind. Ihr Vater erzählt ihr, am Boden ihres Milchbechers befinde sich eine Kuh, damit die kleine Nunu ihre Milch austrinkt. Als diese die Tasse schleunigst leert, entdeckt sie, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Im weiteren Verlauf tischt der Vater ihr immer mehr Lügen auf, weshalb sie allmählich aufhört, ihm Glauben zu schenken. Diese Art der Kommunikation prägt sie bis heute, denn sie beobachtet bei sich selbst, dass sie nun auch anfängt, Notlügen zu benutzen.

Bei der Fülle an tollen Filmen konnte an dieser Stelle bedauerlicherweise nicht auf alle eingegangen werden. Die Animationsfilmproduzenten von Morgen sprudeln nur so vor Kreativität und zeigten, dass auch ein geringes Budget den Möglichkeiten eines kreativen Kopfes keine Schranken setzen kann. Wer dieses Ereignis verpasst hat, sollte sich die Young Animation im kommenden Jahr dick im Kalender markieren, denn auch dann wird es heißen: „Film ab für die besten internationalen Studentenfilme!“

 

Foto: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart

„Faust“ – die Geschichte lebt wieder auf

von Andrea Kroner

Schon vor Goethes bekanntem Werk war der „Fauststoff“ eine der größten Mythen der deutschen Geschichte und ein ebenso beliebtes Thema in Literatur, Musik und Kunst. Und auch heute ist die Geschichte des Wissenschaftlers Dr. Faustus noch aktuell und wird vielfach rezipiert und adaptiert – so auch vom russischen Regisseur Alexander Sokurow im Jahr 2011.

 

„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“

Obwohl sich Sokurow an Goethes Drama orientiert, lässt er die Handlung seines „Faust“ im 19. Jahrhundert spielen. Der Film steigt dabei sofort mitten in die Geschichte ein: Der Wissenschaftler Heinrich Faust seziert gerade eine Leiche. Er hofft, dadurch die Seele des Menschen zu finden. Doch durch seine kostspieligen Versuche und Experimente ist er in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aus diesem Grund wendet er sich an den Pfandleiher Mauritius Müller. Dieser entpuppt sich jedoch als eine Art „personifizierter Teufel“ mit übernatürlichen Fähigkeiten und führt Faust zu allerlei skurrilen Orten der Stadt. Auf dem Weg verliebt sich der Gelehrte Faust in die junge Margarethe und glaubt, durch sie endlich die Antworten auf die zahlreichen Fragen des Lebens zu bekommen. Deshalb unterschreibt er auch einen Teufelspakt: Er verkauft seine Seele für eine Nacht mit der jungen Frau. Mauritius kann ihm diesen Wunsch zwar erfüllen, doch auch das Verlangen nach der jungen Frau kann Faust nicht wirklich erfüllen. Und so begibt er sich mit Mauritius auf eine weitere Reise, diesmal in die Weiten der Berge. Doch Faust wird so sehr von Zweifeln und Ängsten heimgesucht, dass er auch die leeren Versprechungen des Pfandleihers nicht mehr ertragen kann, weshalb er diesen steinigt. So endet der Film anders als Goethes Tragödie. Denn diese schließt mit Gretchens Erlösung: Obwohl sie ihr Kind umgebracht hat, vergibt ihr Gott diese Sünde und nimmt sie im Himmel auf. In Sokurows Film ist davon nichts zu spüren. Faust bleibt rast- und ratlos und schlägt sich weiter durch die Wildnis. In der letzten Szene ertönt Gretchens Stimme aus der Ferne und fragt ihn „Wohin gehst du?“. Darauf schreit Faust „Dahin! Weiter! Immer weiter!“. Dadurch wird deutlich, dass es für Faust kein Ende gibt, bis er die Antworten auf seine vielen wissenschaftlichen Fragen gefunden hat.

 

Ein Meister bei der Arbeit

Sokurow gilt als einer der letzten Autorenfilmer der Gegenwart und hat trotz fehlender Sprachkenntnisse den Film komplett auf Deutsch und mit deutschsprachigen Schauspielern gedreht. Der wahre Mittelpunkt seiner Filme sind jedoch nicht die Figuren. „Die wahre Hauptfigur der Filme Alexander Sokurows ist unsichtbar; es ist die Macht“, schreibt Peter Kümmel von der ZEIT. Um diese dem Zuschauer näher zu bringen, zeigt er in seinen Filmen Menschen, die von Macht besessen sind, wie sie mit ihr umgehen und an ihr scheitern. So hat sich Sokurov über zwölf Jahre hinweg mit dieser Thematik beschäftigt und eine „Macht-Tetralogie“ geschaffen. Die ersten drei Filme daraus handeln vom Untergang der machthungrigen Diktatoren Hitler, Lenin und Hirohito. Auf den ersten Blick scheint „Faust“, der Abschluss dieser Reihe, thematisch nicht in diese Reihe zu passen, doch auch sein Scheitern geht darauf zurück, dass er durch seine unersättliche Wissensgier um jeden Preis immer weiter geht, ohne dadurch jedoch etwas zu erreichen.

 

Zeitsprung in die Vergangenheit

Sprache ist die wichtigste Instanz und Macht bei „Faust“ – sowohl im ganzen Film, als auch bei der Figur selbst. Das Thema Sprache wird dabei jedoch sowohl auf technischer, als auch auf inhaltlicher Ebene problematisiert. Denn die Stimmen wurden nachsynchronisiert und an manchen Stellen gedoppelt, um den Unterschied zwischen gedanklicher und gesprochener Rede deutlich zu machen. Auch die Wortwahl ist oftmals schwierig, da viele altertümliche Begriffe, Fachausdrücke und verschachtelte Sätze verwendet werden. Darüber hinaus wird ständig zwischen dem gesprochenen Wort und den Gedanken Fausts gewechselt, was es noch weiter erschwert, der Handlung zu folgen. Andererseits eröffnet diese Sicht in das Innerste des Protagonisten dem Zuschauer eine seltene Möglichkeit, die Gefühle und Beweggründe der Figur besser verstehen und nachvollziehen zu können, was gerade bei dem komplexen Faust ein großer Vorteil ist.

Die Bilder sind dabei drückend und schwer, alles wirkt langsam, oft verschwommen, äußerst dunkel und trüb. Dadurch scheinen die Schauplätze bedrohlich und düster und man fühlt sich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Diese Effekte erzeugt Sokurow durch verzerrende, bewusst verunreinigte Linsen.

Ein besonderes Filmerlebnis

Sokurow hat es in „Faust“ auf eine außergewöhnliche und auch etwas eigenwillige Weise geschafft, einen komplett neuen Zugang zu dem altbekannten „Fauststoff“ zu finden und ihn in eine neue Richtung zu interpretieren. Im Gegensatz zur derzeitigen Tendenz verleiht er seinen Filmen eher etwas urtümliches, als auf viele Spezialeffekte zu setzten. Und verleiht dadurch auch der Sprache eine größere Macht – sowohl in gesprochener Form, als auch in Fausts Gedanken.

Dadurch erzeugt er ein besonderes Filmerlebnis mit ungewöhnlichen Effekten, das zu Recht mit dem „Goldenen Löwen“ in Venedig ausgezeichnet wurde.

 

Foto: www.flickr.com/Matthias Schüssler (CC BY-NC-ND 2.0)

Weitere Artikel aus dieser Reihe:

Teil Eins: Vergessene Filme – verborgene Schätze

Teil Zwei: Der Meister der Stille

Teil Drei: „Faust“ – die Geschichte lebt wieder auf

Teil Vier: „Erleuchtung garantiert“ – wirklich?

Teil Fünf: „5×2“ – Wieso ging es schief?

Teil Sechs: „Moolaadé“ – Bann der Hoffnung

Big Brother is still watching you – Die Dystopie in den Medien

Von Antje Günther

 

Alles begann mit dem großen Bruder, dem allgegenwärtigen und scheinbar grenzenlos mächtigen großen Bruder. Winstons Kampf gegen das System ist eine der bekanntesten Geschichten der Literatur und  der Beginn des Genres der Dystopie. War auch Huxleys Brave New World bereits rund 15 Jahre früher erschienen, so ist es dennoch Orwells 1984, welches als der Inbegriff der Dystopie gilt. Aber auch noch heute erscheinen dystopische Erzählungen. Ein Blick auf die Medienlandschaft der letzten Jahre zeigt einen wahren Boom, sei es der weltweite Hype um The Hunger Games und Divergent oder weniger bekannte Projekte wie Bong Joon-hos Snowpiercer.

 

Von Winston bis Katniss

Seit Orwells Klassiker hat sich die Landschaft des Genres jedoch stark verändert. Auf die heute als klassische Dystopie bezeichnete Phase Orwells, Huxleys & Co.s folgte eine Durststrecke: die utopische Idee gewann wieder die Überhand, Dystopien verschwanden fast vollkommen von der Bildfläche. Erst in den 80er und 90er Jahren kehrte die Dystopie zurück. Nun mit Einflüssen aus dem Cyperpunk ausgestattet, bildete sie eine neue Phase der Genregeschichte: die kritische Dystopie. Und heute sind es vor allem Teenager, die den Kampf gegen das Regime aufnehmen und die Dystopie in das Young Adult Genre einführen. Dieser Wandlung soll in den ersten Artikeln der Reihe nachgegangen werden. Es wird geklärt, was die Dystopie ausmacht und inwiefern sich die Erzählungen der verschiedenen Phasen unterscheiden.

 

Der Reiz der Dystopie

Nach diesem Streifzug durch die Geschichte des Genres sollen dessen Eigenheiten näher untersucht werden. Die Dystopie war schon immer ein politisches Gerne, aufgeladen mit Gesellschaftskritik und Zukunftsvisionen. Sie zeigt eine albtraumhafte Welt, in die wir uns dennoch hineinversetzen können. Es sind meist dunkle und trübe Geschichten, eher von Pessimismus, denn von Optimismus gezeichnet. Und trotzdem werden sie gerne gelesen. Die Dystopie übt eine gewisse Faszination aus, der im zweiten Teil der Reihe nachgegangen werden soll. Es wird beleuchtet, was Leser und Autoren an der Dystopie so fasziniert und mit welchen Mechanismen die Erzählungen arbeiten. Es wird diskutiert, ob die Young Adult Dystopie eigentlich noch gesellschaftskritisch ist oder nur noch eine pubertäre Suche nach Eigenständigkeit und Liebe darstellt. Und abschließend soll auch die Frage erörtert werden, warum sich die Dystopie gerade jetzt wieder so enormer Beliebtheit erfreut. Doch beginnen wir am Anfang, mit der Frage: was ist überhaupt eine Dystopie?

 

Fotos: flickr.com/Kendra Miller (CC BY-ND 2.0), flickr.com/Bill Lile (CC BY-NC-ND 2.0)

ITFS – Willkommen in der Filmfabrik

von Marius Lang

„Hier isch was los, hier boxt dr Papschd“. So fasst Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Lage in Stuttgart zusammen. Recht hat er. Der Kinosaal, in dem er gerade von Moderator Markus Brock interviewt wird, ist brechend voll mit Gästen, Ehrengästen, Journalisten, Filmschaffenden und „normalen“ Kinobesuchern. Ich selbst sehe die beiden nur indirekt per Livestream im zweiten Saal des Kinos Gloria in Stuttgart, der teilweise auch ins Internet übertragen wird. Auch hier im Gloria 2 sind alle Plätze restlos besetzt. Ein Andrang, der einem der weltgrößten Trickfilm-Festival, dem ITFS, nur angemessen erscheint.

Zum 22. Mal jährt sich das ITFS. Um die 1000 Filme werden über die nächsten Tage in den verschiedenen Spielstätten der schwäbischen Metropole gezeigt. Etwa 200 Filme konkurrieren dabei in den unterschiedlichsten Wettbewerben miteinander. Insgesamt winken in den diversen Kategorien ganze 60.000 Euro Preisgeld. Zudem locken das Open-Air-Kino auf dem Schlossplatz, diverse Kultnächte zu kleineren und größeren Nischenthemen und zahlreiche Workshops Trickfilmfans aller Altersgruppen nach Stuttgart. Den ersten Andrang erlebt man bereits bei der Eröffnungsfeier und der damit verbundenen ersten Runde des großen, internationalen Wettbewerbs.

Alles für den Trickfilm

„Es geht uns im Kern darum, den Animationsfilm zu hegen und zu pflegen“, sagt Dittmar Lumpp, neben Ulrich Wegenast Geschäftsführer des Trickfilm-Festivals. Zu dieser Pflege gehören natürlich verschiedene Aspekte. Das ITFS bietet zum Beispiel ein Sprachrohr für Künstler aus Krisengebieten. Im Rahmen der Wettbewerbe werden politische Trickfilme aus Ägypten und Syrien gezeigt, Filme die den Besuchern einen Einblick in die dramatische Situation dieser beiden Länder ermöglichen. Und Staatssekretär Jürgen Walter betont die Bedeutung der Basis für den Internationalen Trickfilm: Einen Standpunkt hat man mit der Filmakademie Ludwigsburg direkt vor der Tür. Diese lokalen Talente müssten gefördert  werden und dafür werde man künftig noch tiefer in die Tasche greifen. Vielleicht ließe sich dann auch irgendwann sein Traum, eine schwäbische Version der amerikanischen Kultserie „The Simpsons“,  im Ländle verwirklichen.

Wettbewerbe über Wettbewerbe

Neben dem Internationalen Wettbewerb gibt es noch eine Reihe weiterer Wettbewerbe und Preise, um die die Filme beim ITFS konkurrieren. Besonders hervorzuheben ist hierbei der Wettbewerb Young Animation, bei dem die besten Filme von Studenten internationaler Hochschulen gegeneinander antreten, und der Wettbewerb Tricks for Kids, ein Wettbewerb für Filme, die speziell für Kinder gemacht sind. Die Jury besteht hierbei ausschließlich aus 10-jährigen Kindern.

Desweiteren wurde bei der Gala noch kräftig die Werbetrommel für die FMX (http://www.fmx.de/), die „Conference on Animation, Effects, Games and Transmedia“ gerührt, die in Partnerschaft mit dem ITFS parallel zum Festival in Stuttgart stattfindet. Im Zusammenhang damit trat auch noch Prof. Thomas Haegele von der Filmakademie Ludwigsburg vor, der vom ITFS mit dem Ehrentrickstar oder auch Ehrenpreis für besondere Verdienste im Bereich Animation und visuelle Effekte ausgezeichnet wurde.

Wer sich für Trickfilme interessiert, sollte sich das ITFS auf keinen Fall entgehen lassen. Es wird auch in diesem Jahr wieder vieles geboten. Und media-bubble ist die ganze Woche da, um ausführlich darüber zu berichten.

 

Weitere Artikel zum ITFS:

Jung, kreativ und voller Überraschungen – Die Young Animation 2015

Eine Woche Zeichentrick – das ITFS geht zu Ende

 

Fotos: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart

Im Juni gibt Claus Kleber sein Debüt

Von Valerie Heck

Bereits im Januar wurde verkündet, dass das Institut für Medienwissenschaft Claus Kleber für eine Zusammenarbeit gewinnen konnte. Der vor allen Dingen durch seine Tätigkeit beim heute journal des ZDF bekannte Nachrichtenjournalist studierte selbst an der Universität Tübingen Jura und wird nun als Honorarprofessor in seine Studienstadt zurückkehren. Am 02. Juni wird Claus Kleber seine öffentliche Antrittsvorlesung an der Universität halten.

Prof. Dr. Susanne Marschall lädt zur Antrittsvorlesung ein

Liebe Studierende der Medienwissenschaft,

wir freuen uns sehr, Sie alle ganz herzlich zur öffentlichen Antrittsvorlesung unseres neuen Honorarprofessors, Dr. Claus Kleber, am Dienstag, 02.06.2015, um 18:00 Uhr, in den Festsaal der Neuen Aula, Wilhelmstraße 7, einladen zu können.

Claus Kleber wird zum Thema „Rettet den Journalismus! – Wozu?“ sprechen und zur Diskussion darüber einladen. Im Anschluss daran findet ein kleiner Umtrunk statt.

Bitte merken Sie sich diesen Termin vor, kommunizieren sie ihn in Ihren Kreisen und nehmen Sie zahlreich an dieser Veranstaltung teil! Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Carolin Wiede, carolin.wiede@uni-tuebingen.de, Tel: 29-74271.

Herzliche Grüße
Prof. Dr. Susanne Marschall

Im Wintersemester kommt das erste Blockseminar

Zukünftig wird Claus Kleber in Lehrveranstaltungen direkten Kontakt zu den Tübinger Studierenden haben. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Film- und Fernsehwissenschaft wird der Fernsehmoderator Seminare zu Themen wie Nachrichtenberichterstattung, Dokumentarfilm oder die vielfältigen Anforderungen der gegenwärtigen journalistischen Medienpraxis geben. Das erste Blockseminar ist für das kommende Wintersemester geplant.

 

Sie sind zurück: Teenage Mutant Ninja Turtles

von Jasmin M. Gerst

Da ich die diesjährige Oscar-Wette leider mit 3:1 verloren habe, sollte ich mir einen der schlechtesten Filme des Jahres 2014 ansehen. Ganze fünf Mal wurde der Film „Teenage Mutant Ninja Turtles“ von Regisseur Jonathan Liebesman für die Goldene Himbeere nominiert. In der Kategorie „schlechteste Nebendarstellerin“ erhielt der Film die gefürchtete Auszeichnung für Megan Fox als April O’Neil. Ist er wirklich so „schlecht“? Ich habe mir den Film angesehen, um mir ein eigenes Bild zu machen. Ob ich das Remake gelungen finde oder nicht, könnt ihr im folgenden Artikel lesen.

 

Schon wieder ein Remake!

Marvel und DC stürmen aktuell den Markt mit Filmen ihrer Comic-Helden, auch die Turtles blieben davon nicht verschont. Der Kult-Comic wurde 1987 bis 1996 als die Fernsehserie „Teenage Mutant Hero Turtles“ berühmt. Später eroberten die Turtles auch die Kinoleinwand. Genau dreißig Jahre nach dem Erscheinen des ersten Comics kam 2014 ein Remake des ersten Films in die Kinos. Unter der Regie von Jonathan Liebesman und mit Hilfe von Michael Bay ziehen die Turtles Leonardo, Raphael, Donatello und Michelangelo erneut in den Kampf gegen Ninja-Meister Shredder und den Footclan. Nicht nur mit neuster Technologie im Gepäck, sondern auch mit viel Pizza im Bauch kämpfen die vier gegen das Böse.

 

Pizzamampfende Superhelden

Aber zuerst einmal ein kleiner Einblick in die Handlung des Films: Der Footclan terrorisiert unter Anführer und Ninjameister Shredder (Tohoru Masamune) New York City. Nicht nur die Polizei versucht herauszufinden, wie sie zu stoppen sind, auch die Presse hat sich dies zur Aufgabe gemacht. Darunter Reporterin April O’Neil, die sich unterfordert und gelangweilt von ihrem Job fühlt. Wie es der Zufall so will, wird sie eines Abends Augenzeugin eines Verbrechens des Footclans. Sofort berichtet sie ihrer Chefin (Whoopie Goldberg) und ihrem Kollegen Vern Fewick (Will Arnett) davon, die ihrer Story allerdings keinen Glauben schenken, da sie keine Beweise beibringen kann. O’Neil lässt sich jedoch nicht aufhalten und beginnt mit ihrer Suche nach der mysteriösen Truppe. Dabei gerät sie in die Hände des Footclans, der sie als Geisel nimmt. Zum Glück erscheinen geheimnisvolle Retter, die sich später als die vier Brüder Leonardo (Pete Ploszek), Raphael (Alan Ritchson), Donatello (Jeremy Howard) und Michelangelo (Noel Fisher) herausstellen. Ihre Retter sind mutierte Ninja-Teenager-Schildkröten – also Teenage Mutant Ninja Turtles. Lustigerweise erkennt O’Neil, nachdem sie die Namen der Turtles erfahren hat, dass es sich um die Schildkröten handelt, die sie als Kind besessen hatte. Ihr Vater hatte ihnen damals ein Superserum verabreicht. Splinter (Danny Woodburn), eine Ratte, die ebenfalls dieses Serum verabreicht bekam, hat die vier mutierten Schildkröten schließlich aufgezogen.

Als dieser erfährt, dass die Brüder mit April gesprochen haben, lässt er sie in ihr Versteck bringen. Ab diesem Moment geht so ziemlich alles schief, was nur schief gehen kann. Das Versteck wird vom Footclan überfallen und drei der vier Turtles werden gefangen genommen. Raphael versucht daraufhin seine Brüder zu befreien und so beginnt der große Kampf.

 

Mein Fazit

Ein Remake voller Action-Szenen und Kameraeinstellungen, die beim Zuschauer immer wieder ein leichtes Schwindelgefühl auftreten lassen, da die Kamera ständig zu wackeln scheint. Eine große Veränderung wurde am Aussehen der Turtles vorgenommen. Wer die Turtles von früher kennt, wird sich über die Aufmachung der Turtles 2.0 wundern. Zwar sahen auch die Turtles aus den alten Filmen aus, wie Menschen, die in Kostümen stecken, hatten dafür aber mehr Ähnlichkeit mit der Zeichentrickserie und den Comics. Jetzt wirken sie wie riesige Bodybuilder – man könnte sogar sagen ein bisschen mehr wie „Hulk“ als eine Schildkröte. Mit der neuen Muskelmasse ging leider auch eine ordentliche Prise Witz verloren. Die „pizzaliebenden“, ständig plappernden Teenage Mutant Ninja Turtles sind passé, nun an der Reihe sind die technikbegeisterten Turtels 2.0. Schwierig ist auch die Besetzung: Megan Fox als April O’Neil wirkt emotionslos und kann die Dynamik der Geschichte nicht transportieren. Ihre Mimik ist über große Strecken des Films eingefroren, so dass sie für diese Leistung verdient die Goldene Himbeere erhält. Auch Michael Bays Einfluss ist durchgehend spürbar. Wie bereits seine Transformers-Filme besticht auch dieser Film nicht durch eine ausgereifte Handlung, sondern versucht durch jede Menge Action, grenzwertige Dialoge und viele Spezialeffekte zu glänzen. Schade auch, dass die Pizza, eigentlich das Lebenselixier der Turtles, nur ganz am Rand auftaucht.

Abschließend lässt sich sagen, dass jeder, der die alten Turtles kennt und liebt, von dieser Neuverfilmung höchstwahrscheinlich enttäuscht sein wird. Auf fast allen Ebenen kann das Remake nicht an die Originalfassung, geschweige denn die Comics anknüpfen. Von mir also ein klares Nein zum Kinobesuch – schade!

 

Foto: www.flickr.com/JD Hancock (CC BY 2.0)

Größer. Härter. Mehr.

von Marius Lang

Erwartungsgemäß ist Marvels neuestes Superhelden-Stelldichein wieder ein echt dicker Brummer. Der Film lohnt sich auf jedem Level: er ist größer, bunter, wilder und düsterer als der Vorgänger. Vielleicht sogar ein bisschen besser.

 

Supermensch gegen Maschine

Das Spektakel beginnt irgendwo in Osteuropa, wo die Avengers unter Führung von Captain America und Iron Man die Festung des Deutschen Baron von Strucker attackieren, um damit endgültig den Nazi-Todeskult HYDRA zu zerschlagen und das Zepter von Loki, dem Bruder von Thor, zu erobern. Bei dieser ersten Mission trifft das Superhelden-Team zum ersten Mal die Maximoff-Zwillinge. Marvel-Fans sind die Zwillinge besser bekannt als Scarlett Witch und Quicksilver. In diesem Film noch über weite Teile Gegenspieler, werden sie in Zukunft ein Teil des Avengers-Team.

Zuvor schon beschließt Tony Stark, durch eine Vision dahingehend beeinflusst, mithilfe von Hulk Alter Ego Bruce Banner, einen zentralen Teil seiner Forschung weiterzutreiben: die Entwicklung des Ultron-AI, ein intelligentes Programm, welches künftig den Avengers die Weltrettung leichter machen soll. Ultron wird schließlich der Bösewicht des Films, ein selbstgebauter noch dazu.

Ein ganz normaler Dienstag im Marvel-Universum also.

 

Ein Gegner zum Fürchten

So gut die Filme des Marvel-Cinematic Universe bislang auch waren, eine Schwachstelle waren stets ihre Bösewichte. Einige wenige Widersacher ausgenommen (Loki, Red Skull, Alexander Pierce) waren diese stets blass und uninteressant. Doch Ultron hält alles, was sein großer Name verspricht. James Spader spielt den Androiden perfekt in allen seinen Facetten. Ultrons Verhalten ist geprägt von Stimmungsschwankungen, zwischen bitterem, schwarzem Humor, dem blendenden Charme des Bösen und blindem Hass.

Ultron vernetzt sich selbst mit dem World Wide Web, lernt in Sekunden und sieht die Zerstörung, die die Avengers auf ihren Heldenaktionen oft anrichten. Für Ultron ist die Sache klar: Die Avengers wollen die Welt beschützen, doch nicht verändern. Und nur wenn die Welt geändert wird, wird Frieden herrschen. Die Welt muss zum Frieden gezwungen werden und die Avengers, die dies trotz all ihrer Macht nicht tun würden, sind damit für Ultron die Wurzel allen Übels. Ultrons Bewusstsein entkommt über das Internet, er zieht die Zwillinge auf seine Seite und macht sich daran, ebendiese Wurzel auszureißen. Und dabei im Notfall die Menschheit mit in die Vernichtung zu reißen.

Spaders Ultron kann absolut ruhige Gespräche über Massenvernichtung führen und Geschäfte mit Waffenhändlern abschließen, nur um im nächsten Augenblick an die Decke zu gehen und eben diesem Waffenhändler beleidigt kurzerhand den Arm abzureißen: Ultron ist nicht nur ein Bösewicht, er ist ein Charakter. Er verführt gekonnt die Maximoffs auf seine Seite, erzählt ihnen von einer Welt in Frieden, ohne die Avengers.

Geplagt von Selbsthass, begründet in seiner künstlichen Herkunft, den er auf die Avengers und die gesamte Menschheit projiziert, verfolgt er seine Ziele akribisch, Punkt für Punkt und wechselt mehr als einmal ohne Probleme seine Vorgehensweise. Einer der herausragenden Momente, ja, sogar einer der besten Momente aller Marvel-Filme ist die Geburt seines Bewusstseins. Die Sequenz verursacht Gänsehaut und setzt den Ton für den Charakter über den Rest des Films: Ultron ist, endlich, ein Gegner zum Fürchten.

 

Uuund…. Action!

Von Anfang an bietet der Film genau das, was man sich von so einem Film mit den Avengers erwartet: Action Pur. Die Action-Szenen sind generell und erwartungsgemäß sehr gut. Ein Höhepunkt ist vermutlich ein direkter Zweikampf zwischen Iron Man und Hulk. Die Sequenz gehört zu den im Vorfeld am meisten antizipierten Teilen des Films und sie hält alles, was sie versprochen hat. Hulk und Iron Man zerlegen im Kampf gegeneinander eine afrikanische Metropole. Völlig übertrieben, und gewaltverherrlichend, aber egal: es fühlt sich fantastisch an.

 

Helden sind auch nur Menschen

Auch wenn die Actionsequenzen durch ihre Choreografie, das Zusammenspiel der Helden und der Technik des Films ein echter Hingucker sind, seine eigentliche Stärke offenbart der Film in seinen ruhigeren, charaktergetriebenen Momenten. Regisseur Joss Whedon versteht es, auch bei einem Übermaß an Hauptcharakteren niemanden zu kurz kommen zu lassen. Zu den Höhepunkten hierbei zählt unter anderem die Party der Helden im Avengers-Tower. Hierbei offenbart sich eine Romanze zwischen Black Widow (Scarlett Johansson) und Bruce Banner (Mark Ruffalo), die natürlich geprägt ist von Banners Angst, die Kontrolle über Hulk zu verlieren.

Doch auch die übrigen Helden haben durch den Film ihre großen und kleinen Momente der Charakterarbeit, besonders hervorzuheben sind dabei die größeren Charaktermomente von Hawkeye (Jeremy Renner), die weiter ausgebaute und in diesem Film auch auf die Probe gestellte Science-Bromance von Bruce Banner und Tony Stark (Robert Downey Junior), die besonders im Mittelpunkt steht, als die beiden mit vereinten Kräften die Grundlage für Ultron schaffen. Auch die ersten größeren Meinungsverschiedenheiten zwischen Captain America und Tony Stark werden in einer Szene klar, in der die beiden sich mit den anderen Avengers in einem sichern Zufluchtsort von einer dramatischen Niederlage gegen Ultron erholen. Tony verteidigt seine Entscheidung, Ultron als Präventivwaffe gegen fremde Mächte zu erschaffen. Eine Argumentation die Cap nicht einleuchten kann. Diese sind die erste Andeutung auf den dritten Teil von Captain America, in dem die beiden Helden auf zwei verschiedenen Seiten einer Debatte stehen werden.

 

Schneller. Schneller.

Ein kleiner Wehrmutstropfen ist dennoch offensichtlich. Zwischen all der kompakten Charakterarbeit und den Actionsequenzen wirkt der Film nie lang. Im Gegenteil. Age of Ultron scheint bisweilen eher gehetzt zu sein. Der Film ist recht episodisch aufgebaut, die Helden rennen von Plotpoint über Charakterentwicklung und hin zur nächsten Actionsequenz. Der Balance zwischen so vielen Helden ist es geschuldet, dass man innerhalb des Films kaum echte Momente der Ruhe hat, in denen sich alles gesehene setzen kann. Doch dies ist durchaus zu verkraften, hinsichtlich der vielen Stärken des Films. Wer jedoch gerne mal im Kino auf die Toilette geht, sei gewarnt, dass es keine unwichtigen Momente im Film gibt und die nächste wirklich große Sequenz jederzeit auftreten kann.

 

Fazit

Avengers – Age of Ultron setzt den erfolgreichen Lauf, den Marvel in den letzten Jahren hatte, fort. Es ist alles da, was die früheren Filme so gut machte, nur in noch größerem Ausmaß. Die Action ist je nach Bedarf mal sauber, mal dreckig und stets ein neuer Höhepunkt des Films. Die Charaktere sind vielschichtig, jeder bekommt seine glänzenden Momente und jeder bleibt liebenswert. Und für die Nerds unter den Zuschauern gibt es natürlich wie immer allerlei Easter Eggs und Anspielungen, die hoffentlich in späteren Filmen noch ihre Relevanz offenbaren. Alles in allem großes Actionkino mit guter Story und Charakteren voller Herzblut.

 

Foto: Marvel’s Avengers: Age Of Ultron, ©Marvel 2015

Böhmermann und der Stinkefinger

von Philipp Humpert 

Fake, Fake-Fake, Meta-Fake? Am 15. März konfrontiert Günther Jauch in seiner Polit-Talk-Sendung den griechischen Finanzminister Varoufakis mit einem Video von einer Konferenz aus dem Jahr 2013, in dem der Minister Deutschland den Mittelfinger zu zeigen scheint. Am darauf folgenden Mittwoch veröffentlicht Jan Böhmermann ein Video, dass ihn und die Redaktion des Neo Magazin Royale dabei zeigen, wie sie angeblich den Finger digital in die Originalaufnahmen gezaubert haben.

Der Skandal ist perfekt: Der Talkmaster Jauch ist auf den Trick eines Spaßvogels vom Programmrand hereingefallen. Bald darauf veranlasst das ZDF Böhmermann dazu, wiederum ein Dementi seines Videos zu veröffentlichen, was den angeblichen Fake zu einem „Fake-Fake“ werden lässt. Spätestens jetzt scheint sich niemand mehr sicher zu sein, was Wirklichkeit ist und was Fälschung.

Ungeachtet dessen, ob das Video letztendlich manipuliert wurde oder nicht, hat die Debatte darum jedoch deutlich gemacht: traditionelle Medien wie das Fernsehen verlassen sich vermehrt auf Quellen aus dem Internet, deren Authentizität nur schwer festzustellen ist. Und manche nutzen diese Quellen, um ihre Sicht der Dinge „objektiv“ untermauern zu können.

Manchmal verwechseln wir Meinung mit Fakten

In einem Format wie Jauchs Polit-Talkshow steht natürlich zunächst die Meinung der Gäste im Vordergrund. Sie interpretieren das politische Geschehen in unterschiedlicher Weise, und im Idealfall kann sich der Zuschauer so ein besseres Bild zu den verschiedenen Ansichten machen. Dabei sollte jedoch besonders der Moderator darauf achten, dass Fakten und Meinungen klar voneinander getrennt bleiben. Dass Jauch das Video in Zusammenhang mit der aktuellen Debatte bringen wollte ist daher mehr als eine journalistische Ungenauigkeit.

Es ist der Versuch, eine Debatte zu provozieren, die in dieser Form keine Berechtigung hat, da sie ohne Kontext geführt wird. „Der Stinkefinger für Deutschland, Herr Minister. Die Deutschen zahlen am meisten und werden dafür mit Abstand am stärksten kritisiert. Wie passt das zusammen?“ (ZeitOnline). Diesen Punkt wollte Böhmermann wohl auch mit seiner Aktion verdeutlichen wollte: Letztendlich präsentiert uns Jauch nur eine Interpretation der Fakten, nicht die Wirklichkeit selbst. Er verwendet dabei Bildmaterial, welches authentisch erscheint und im Einklang mit seiner Meinung steht. Dass das Material – wenn auch nicht absichtlich – gefälscht sein könnte, kommt dem Zuschauer besonders bei Videos meist nicht in den Sinn. Wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass die Aufnahmen selbst aus dem Jahr 2013 stammen, als Varoufakis noch als privater Wirtschaftsexperte auftrat, und somit nur seine eigene Meinung und nicht die der griechischen Regierung vertrat. Zudem lässt auch der Name „Subversive-Festival“, auf dem die Aufnahmen entstanden, auf eine nicht ausschließlich von Political Correctness geprägte Atmosphäre schließen, in der provokanten Gesten eher zur Untermauerung eines Arguments genutzt werden können als zur gezielten Provokation. All dies hat Jauch in seiner Sendung weitgehend außen vor gelassen. Es sollte vielmehr der Eindruck entstehen, die Aussagen stünden im Zusammenhang Varoufakis aktuellem Posten als griechischer Finanzminister. Das ist eine Form von Meinungsmache, mit der sich Böhmermann und seine Redaktion wohl nicht abfinden wollten. Ob das Video tatsächlich gefälscht wurde oder nicht, spielt dabei zunächst keine Rolle. Viel wichtiger ist, dass deutlich gezeigt wurde, dass nicht alle Bilder, die über unsere Bildschirme flimmern, tatsächlich die Wirklichkeit widerspiegeln.

Die Sache mit der medialen Wirklichkeit

Was haben wir also gelernt aus der Causa „#Varoufake“? Authentizität von Quellen kann in Zeiten des Internets nicht immer garantiert werden. Es ist verführerisch, bei dem tagtäglich mit hunderten von Informationen dem dokumentarischen Charakter von Bildern und Videos mehr Glauben zu schenken als der Rede eines Politikers oder dem Artikel eines Journalisten, oder eben der Meinung von Talkshowgästen. Doch Bilder sind ebenso manipulierbar wie Texte, und vor allem die Interpretation und der Kontext, in dem sie gezeigt werden.
Wollten wir die Debatte um die Griechenlandkrise vollständig verstehen, müssten wir uns mindestens sämtliche Bundestagsdebatten auf Phoenix dazu verfolgen, alle Zeitungsartikel lesen und am besten noch Radiointerviews mit Politikern unterschiedlicher Lager anhören. Das kann niemand leisten. Wir müssen uns mit einem Ausschnitt, einer Zusammenfassung der Wirklichkeit, zufrieden geben. Wir können und sollten nicht stets alles für die Unwahrheit halten, was in den Medien berichtet wird, wie es beispielsweise die Pegida-Bewegung bekanntermaßen tut (Stichwort „Lügenpresse“). Es ist jedoch keine Schande, seinen gesunden Menschenverstand zu gebrauchen und verschiedene Meinungen kritisch zu beurteilen.

Foto: flickr.com/Chefzwerg (CC BY-SA 2.0)

Gekaufte Journalisten – Eine Buchkritik

von Sanja Döttling

Haben wir es nicht irgendwie schon immer gewusst? Dass wir belogen werden, von den Reichen und den Mächtigen, von den Medien und Meinungsmachern? Der ehemalige Journalist und Autor Udo Ulfkotte hat sich dieses Misstrauen von der Seele geschrieben. Leider ist seine Argumentation im besten Falle schwammig und seine Ansichten manchmal verwirrend und oft rechtspopulistisch.

 

Gegen die Medien? Ach, gegen alle!

Untertitel seines Buches: „Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“. Genau das versucht Ex-Journalist Ulfkotte in diesem Buch zu beweisen. Sein Hauptangriffsziel sind dabei vor allem seine ehemaligen Kollegen bei großen Zeitungen, vor allem bei der FAZ. Doch ist das Buch als allgemeiner Rundumschlag zu verstehen, denn es sind nicht nur die Medien, die kritisiert werden: transatlantische Organisationen werden ebenso angeklagt die Massenmedien zu beeinflussen wie Politiker und Geheimdienste. Irgendwie, so scheint es, ist Ulfkotte einfach gegen alle.

 

Gegen Amerika!

Seine Kritik richtet sich aber hauptsächlich gegen die amerikanische Beeinflussung der deutschen Medien und Politik. Diese sieht er nicht nur von den Geheimdiensten ausgeübt, sondern vor allem auch von den sogenannten „Thinktanks“, zu denen er neben der „Atlantik-Brücke“, dem „German Marshall Fund“ auch andere „Organisationen Westlicher Machtelite“ (S. 182) zählt, wie die Bilderberger und die Trilaterale Kommission. Ulfkotte argumentiert, dass diese „Eliteorganisationen“, in denen viele Journalisten Mitglied seien, die Meinung der Journalisten vorprägen und pro-amerikanisch beeinflussen. Da der Leser von diesen Mitgliedschaften aber nichts wisse, geschehe die Beeinflussung hinter seinem Rücken.

Im Deckmantel seiner Medienkritik wird also vor allem Amerika-Kritik betrieben – die als solche aber auch nicht ausdrücklich gekennzeichnet ist. Außerdem liefert Ulfkotte nur ein halbes Bild: gibt es denn auch solche transnationalen Beziehungen und Organisationen, von anderen Ländern aus? Oder ist es nur die USA, die so Beeinflussung ausübt? Man weiß es nicht. Seine Erkenntnisse sind dabei auch nicht neu, sondern beziehen sich auch auf eine Arbeit des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger, wie die Nachdenkseiten schreiben.

Politische Tendenzen

Der Kopp-Verlag, in dem sein Buch erschien, verlegt wohl ganz gerne „reißerische Angstmacher“. Der Spiegel schreibt:

Mit seiner Mischung aus Rechtspopulismus, Kapitalismuskritik und Tabubrecher-Attitüde ist der Kopp-Verlag so etwas wie der Pionier des aktuellen Gegenzeitgeists – eines Geists, der sich gegen eine vermeintliche Political Correctness der etablierten Medienlandschaft richtet, weil diese angeblich ständig irgendeine Wahrheit unterdrückt.

Mit Udo Ulfkotte scheint der Verlag eine passende Erweiterung seines Autorenstamms gefunden zu haben. Ulfkotte selbst macht Werbung für die AfD , veröffentlichte auf Kopp Online die Artikel „16 Argumente, um für PEGIDA auf die Straße zu gehen“, „Deutschland: Türken blockieren größtes NRW-Bauprojekt“ oder „Multikulti in den Tod: Deutsche Opfer – fremde Täter“. Er selbst ist dabei alles andere als unabhängig und transparent was seine politische Ausrichtung angeht – damit macht er genau das, was er an den anderen kritisiert: das Verstecken politischer Tendenzen, das Verschweigen von wahren Handlungsgründen, das Auslassen wichtiger Hintergrundinformationen.

Lasche Argumentation

Ulfkottes Quellenarbeit ist dabei wohl auch nichts ganz so genau, wie Ulfkotte selbst sagt. Die Krautreporter sind einigen seiner Fehler nachgegangen: Wild interpretierte Zahlen, die er teilweise genauso wenig hinterfragt wie seine angeschwärzten Kollegen. Doch es ist nicht nur die teilweise schwierige Quellenlage. Ulfkotte zitiert und stellt fest – und überspringt dabei oft den Zwischenschritt einer Arugumentation. Am Ende steht dann keine Analyse, sondern eine Meinung auf dem Papier. Ein Beispiel:

Ulfkotte bezeichnet Thilo Sarrazin als „Volksheld“ (S. 105), weil 70 Prozent der Deutschen dessen Aussagen teilweise oder ganz zustimmen. Wählen, das vergisst er zu erwähnen, würden ihn aber nur 16 Prozent. Er sagt weiter, dass Sarrazin von den Massenmedien „vorgeführt“ wird, weil er als „Demagoge“ und „Rechtpopulist“ bezeichnet wurde. Sein Fazit: „Der dahinterstehende bösartige Dämon der Manipulation sitzt heute in fast jeder Redaktion“ (S. 105).

Diese Masche ist nicht neu: Halbwahrheiten und Vermutungen mit einem kleinen wahren Kern werden aufgebauscht, bis sie ins unkenntliche verzerrt sind. Dabei verstrickt sich Ulfkotte hin und wieder auch selbst in Widersprüche. Wie ist zum Beispiel seine Kritik an transatlantischen Organisationen zu verstehen, wenn er sich selbst im Klappentext als „Fellow des Marshall Memorial Trust“ (eine ebensolche Organisation) bezeichnet? Warum zieht er Ziate von Massenmedien zur Argumentation heran, die er als Lügner bezeichnet? Was soll man von einem ehemaligen Journalisten halten, der selbst sagt, dass alle Journalisten lügen? Ist Ulfkotte der Lügner, der die Wahrheit sagt? Und was ist seine Wahrheit?

Persönlicher Feldzug

Das Buch spiegelt nicht nur eine politische Meinung wieder, sondern auch eine sehr viel persönlichere Enttäuschung. Ulfkotte hat für die FAZ gearbeitet, behauptet, er habe aus Kriegsgebieten und Diktaturen berichtet. Stefan Niggemeier zitiert scheinen Kollegen Jan Fleischhauer aus einem Artikel für den Spiegel so:

 Jedoch kann sich keiner seiner [Ulfkottes] ehemaligen Kollegen erinnern, dass er jemals einen Auslandsposten bekleidet hätte. Wer Ulfkottes Artikel durchgeht, findet als Ortsmarke am häufigsten Frankfurt, was darauf hinweist, dass er der Heimatredaktion treuer war, als er heute meint. Tatsächlich hatte er mit einem Hausbau im Taunus, der ihn auch während der Arbeitszeit über Gebühr in Anspruch nahm, alle Hände voll zu tun.

Seine Argumentation kippt in dem Buch immer wieder ins Persönliche. Er erzählt von Aufenthalten in 5-Sterne-Hotels in Entwicklungsländern, anscheinend bezahlt von großen Konzernen. Das Elend missachtend, haben er und seine Kollegen dann wohlwollende Artikel zur Lage geschrieben.  Er gesteht sich diese Schuld nicht nur selbst ein, sondern sucht sie auch bei anderen: seinen Vorgesetzten, die diese Reisen unterstützt hätten, die aber auch seine Verletzungen aus Kriegsgebieten ungemeldet ließen. Solche Geschichten machen betroffen, doch warum sind sie Teil eines eigentlich analytischen Buches? Klaus-Dieter Frankenberger, einer der Hauptbeschuldigten, weist die gemachten Vorwürfe zurück.

 

Wegschweigen

Niggemeier hat in einem Vortrag in Tübingen ebenfalls Stellung zu Ulfkottes Buch „gekaufte Journalisten“ bezogen: Er nennt es eine „gruselige Mischung aus völligem Unsinn und total berechtigter Kritik“. Bedenklich findet er dabei, dass die Massenmedien sich eher am Rande mit dem Buch auseinandergesetzt haben. Ulfkottes Kritik – wie auch immer geartet – wurde oft mit Schweigen begegnet, obwohl es immer noch auf Platz 4 der Spiegel-Bestseller (Sachbuch) steht.

Was bleibt also von dem Werk „Gekaufte Journalisten“, geschrieben von einem bekennenden (und bereuenden?) Ex-Journalisten, der sich nun in rechtes Gedankengut hüllt? Insgesamt wirkt das Buch „Gekaufte Journalisten“ wie ein wildes Sammelsurium von Anklagepunkten, gegen die Journalisten, gegen Amerika, gegen den Euro, gegen Geheimdienste. Ankommen tut vor allem eine ganz allgemeine Aggression, die nicht ganz zielgerichtet wirkt. Das schlägt sich in einer sprunghaften, manchmal falschen und manchmal sehr individuell interpretierten Argumentation nieder, in einer Vermischung von privatem und politischen Standpunkten, und einem etwas konfusen Still allgemein. Lesenswert? Für die, die gerne dagegenhalten, und nicht gleich alles glauben, was gedruckt ist.

 

Gekaufte Journalisten. von Ude Ulfkotte. Erschienen im Kopp-Verlag. 22,95 Euro.