Einfach draufhalten

von Sanja Döttling

Paul Ripke hat mit 19 seine eigene GmbH gegründet, „um anzugeben“, sich mit 20 in den Staaten kurzerhand eine Fotografen-Akkreditierung besorgt, um auf Hip-Hop-Konzerte gehen zu können, und mit 27 Jahren seinen Presseausweis abgeben müssen. Er kommt aber ohne den sehr gut klar.

Ripke ist Fotograf und Filmer mit einem Portfolio, das genauso vielseitig ist wie die Person hinter der Kamera. Ripke fotografiert für den Aldi-Katalog, in dem er auch schon einmal selbst in der Plus-Size-Abteilung gemodelt hat. „Das war eigentlich als Gag gedacht, aber ich habe tatsächlich gut in das Hemd gepasst“, sagt er. Während er Aufträge dieser Art als sein Brotgeschäft bezeichnet, widmet er sich außerdem den Dingen, die ihm wirklich am Herzen liegen.

 

Mit Marteria um die Welt

Das ist zum einen die Musik. Paul Ripke liebt den Hip-Hop, und hat zu ihm eine ganz persönliche Verbindung durch den Rapper Marteria, seinen besten Freund. Er war es auch, mit dem Ripke erst durch Spanien reiste, dann für das Album „Zum Glück die Zukunft II“ um die ganze Welt. „Ein Lebenstraum“, sagt Ripke. Fast vier Wochen sind die beiden unterwegs gewesen, in Chile, Mexiko, Thailand und dem Himalaja. „Das war natürlich alles sehr durchgetaktet“, gibt Ripke zu, doch seine eigene Professionalität erwähnt der Fotograf, der von jedem einzelnen Foto genau weiß, wo er es gemacht hat, wie immer, nur am Rande. Er schwenkt auch gleich wieder um: „Das war megageil, keine Ahnung, warum wir das machen durften!“

Tatsächlich wirkt die Reise in seiner Erzählung wie ein Ausflug unter Kumpels, nicht etwa ein teures Shooting für ein Album. Herausgekommen sind trotzdem tolle Bilder, und ein Video zu dem Song „Welt der Wunder“. Das Hemd das Marteria trägt, ist übrigens „selbst gebügelt“, wie Ripke bestätigt. Die beiden hatten nämlich auf der ganzen Reise nur eines davon. Sparsam waren sie auch an anderen Ecken, denn die beiden sind nur zu zweit gereist. „Wir gehen in eine Bar, schwätzen dort Leute an“, sagt Ripke, wenn sie Hilfe brauchen für die Shootings.

„Es war das wichtigste Projekt meines Lebens“, sagt Ripke, und schwärmt von der Zusammenarbeit mit Marteria, dessen Namen er auf seinem Rücken tätowiert hat. „Ich erzähle immer, dass das ein cooles Elektrofestival in Spanien ist“, sagt er, wenn ihn Leute auf das Tattoo ansprechen. „und er, er hat da Paul Ripke stehen.“

 

Vom Erfolg

Irgendwie, so scheint es, hat Ripke immer die besten Karten auf der Hand. Moderator Max muss Shots kippen, weil Ripke ihn immer wieder zum Ching-Chang-Chong-Duell auffordert, welches Max ständig verliert.

„Du machst ständig Stein zuerst“, sagt Max irgendwann, „und dann nochmal Stein!“ Eine Taktik, die genauso verblüffend einfach wie effektiv ist. „Genau“, antwortet Paul Ripke offen, „und genauso mache ich es jetzt auch!“ Ripkes Waffe: extreme Offenheit und Ehrlichkeit. Manchmal schlägt die sicher über das Ziel hinaus, so wie jetzt, denn Ripkes Doppelbluff ist sofort durchschaut und Max gewinnt auch endlich. Ripke trinkt seine Verlierer-Shots mit Würde. Mit seiner umgedrehten Baseball-Cap und seiner lockeren Art wirkt er kaum wie ein selbständiger Fotograf, mehr wie ein amerikanischer Tunichtgut. Doch natürlich steckt mehr dahinter. Sein Rezept zum Erfolg? Klingt einfach: „Leuten einen Gefallen tun, nett sein, und dann auch performen“, sagt er locker.

Was er nicht sagt: dranbleiben, und eigene Ideen haben. Mit Beckmann machte er einen Deal, dessen Gäste vor der Sendung ablichten zu dürfen. Zwei Minuten, mehr nicht, hatte er für dieses Portrait. Für drei Jahre hat der jeden Montag Gäste fotografiert, „einfach so, ohne finanziellen Hintergrund“. Für ihn eine prima Art, Shoots zu „üben“, wie er sagt. Herausgekommen ist ein Portrait-Bildband.

 

Nah dran

Sein Markenzeichen sind Bilder, die ganz nah dran sind. Er war mit den Toten Hosen auf Tour, und auch hinter den Kulissen immer mit dabei. Ein Bild hält fest, wie Campino von seinem Physiotherapeuten eingerenkt wird, für andere Bilder ist Ripke mitten auf der Bühne gestanden, zwei Meter von der singenden Band entfernt. „Bilder mit Teleobjektiv und viel Distanz sehen oft ähnlich aus. Nahe Aufnahmen sind viel ungesehener“, erklärt Ripke, „man muss genau an die Grenze gehen.“ Seine Bilder geben ihm Recht.

„Normalerweise lassen die Musiker einen nicht so nah ran“, sagt Ripke, „aber sie wollten sie einer jüngeren Generation öffnen.“ Oder sie erlagen dem Charme des Fotografen. Oder aber seiner starken Arbeitsmoral. „Ich habe einfach alles festgehalten, aber nichts rausgebracht, was die nicht wollten“, sagt Ripke, „die Rechte der Bilder liegen nicht bei mir, sondern bei denen.“

Eine andere Leidenschaft des Fotografen: der Fußball. Selten ist das Emotionskino auf den Gesichtern seiner Fotomotive so groß wie im Stadion. „Ziemlich viele der Bilder sind unscharf“, sagt Ripke, „dann bleiben nicht mehr so viel, weil ichs nicht gut kann.“ Rike schießt Fotos quasi aus der Hüfte, die Kamera um den Hals hängend, damit andere nicht merken, wenn er abdrückt. Ein Bild zeigt Fußballfans in wildem Emotionstaumel. „Ich schrei auch einfach, dass die nicht merken, das ich fotografiere“, erklärt er seine Versteckte-Kamera-Technik.

 

Year of a lifetime

„Besser als 2014 wird es nicht mehr werden“, sagt Paul Ripke dann mit großer Entschlossenheit. Es war das Jahr, indem er erst die Nationalelf ins Trainingslager nach Rio begleiten durfte, dann heimgeschickt wurde, und zum Finale mit der Mannschaft auf dem Spielfeld feierte. „Ich spürte schon, dass in diesem Jahr etwas Gutes entstehen kann“, sagt der Fußballfan, und sollte Recht behalten. Die Bilder sind, wie alle anderen, in einem Fotobuch in seinem Online-Shop erhältlich, doch weiterverkauft hat er keines davon. „Alle haben angerufen uns wollten die Bilder vom Finale. Ich habe nicht einmal geantwortet“, sagt Ripke, „es ist mir egal, wie die rechtliche Lage ist, die Bilder gehören den Fußballern. Es war ja deren Leistung, dass sie mich aufs Spielfeld gelassen haben und nicht meine.“

Eine Leistung, das sind sie schon, seine Bilder. Aber Ripke lässt sich nicht aus der Ruhe bringen „Wenn du da stehen würdest“, sagt er zu Max, „dann wären auch jedes Foto gut.“ Doch es war Paul Ripke, der da stand, und vielleicht ist das das Geheimnis: er macht einfach das, wovon andere nur träumen.

 

 Fotos: Lisa Paul Media