Die Dystopie in den Medien: eine Schlussbetrachtung
Von Antje Günther
Auch wenn das Thema der Dystopie noch viele andere Facetten aufweist, so ist es nun an der Zeit Lebewohl zu sagen. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Reihe werden hier noch einmal zusammengefasst und bilden den Abschluss dieses Ausflugs in die Welt der Dystopie.
Über Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Die Genregeschichte
Im Verlauf der verschiedenen Artikel dieser Reihe wurden die unterschiedlichsten Facetten der Dystopie beleuchtet. Angefangen mit der grundlegenden Frage nach der Definition des Genres wurde die Dystopie zunächst von den verwandten Genres der Utopie und Anti-Utopie abgegrenzt und ihre zentralen Merkmale vorgestellt. Dabei stand insbesondere der Kampf des Einzelnen gegen das Regime und die Verbindung von System- und Gegennarrativ im Mittelpunkt. Darüber hinaus wurde in den ersten Artikeln die Genregeschichte der Dystopie behandelt. Obwohl noch ein recht junges Genre, so hat die Dystopie doch einige Veränderungen durchgemacht: Von Orwells 1984 bis hin zu aktuellen Young Adult Dystopien wurde ihre Entwicklung nachgezeichnet und die jeweiligen Themen und Formveränderungen diskutiert. Standen beispielsweise in den 30er Jahren vor allem Sozialismus und Technophobie im Mittelpunkt der Werke, so dominieren heute das „coming-of-age“ Narrativ und der Romantik-Subplot das Genre. Im Anschluss an diese Betrachtung der Genregeschichte, die insbesondere die Unterschiede zwischen den Epochen betonte, zeigte Artikel sechs, wie stark sich die Ausführungen der Dystopie dennoch ähnelten. Es konnten sechs Machtwerkzeuge identifiziert werden, die sich in vielen Werken widerfanden, darunter beispielsweise die Kontrolle von Sprache und Erinnerung oder die Abschottung des Territoriums nach außen.
Gesellschaftskritik und die Dystopie im Film
Der siebte Artikel dieser Reihe widmete sich dagegen dem kontroversen Thema, ob die Young Adult Dystopie überhaupt noch dem gesellschaftskritischen Anspruch des Genres entspricht. An ausgewählten Szenen des Filmes Divergent wurde aufgezeigt, dass auch die Young Adult Dystopie noch kritische Elemente enthält, auch wenn anderen Aspekten in der öffentlichen Diskussion um die Young Adult Dystopie mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dieser Artikel bildete auch die Überleitung in die Welt des Films, wo die Dystopie ebenfalls prominent vertreten ist. Einige Höhepunkte des dystopischen Films wurden in den Artikeln acht und neun vorgestellt, darunter Science-Fiction Klassiker wie Metropolis und Blade Runner, aber auch neuere Werke wie Alfonso Cuaróns Children of Men (2006).
Der Boom der Dystopie
Nach diesem Ausflug in die Filmwelt kehrte der zehnte und letzte Artikel der Reihe zum literarischen Genre der Dystopie zurück und stellte die Frage, warum gerade heute die Dystopie unsere Bücherregale und Kinosäle wieder so sehr füllt. In Verbindung mit der Theorie der „Culture of Fear“ und dem crossover Phänomen in der Literatur wurde versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben und auch zu zeigen, warum es gerade die Young Adult Dystopie ist, die heute so boomt. Aufgrund ihres so wandelbaren Erscheinungsbildes kann sich die Dystopie immer wieder den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen und so ist zu vermuten, dass sie nicht nur heute, sondern auch in Zukunft ein wichtiges und interessantes Genre in Literatur und Film darstellen wird. Ihre Wandelbarkeit macht sie auch zu einem spannenden Untersuchungsobjekt in den Wissenschaften; insbesondere die Utopian/Dystopian Studies in der englischsprachigen Literatur- aber auch Kulturwissenschaft widmen sich ihr im Detail. Diese Reihe vermochte nur einen kurzen Einblick in dieses Feld zu geben und einzelne Ansätze aufzuzeigen, hat es aber hoffentlich dennoch geschafft, das Interesse an der (wissenschaftlichen) Untersuchung von Genreliteratur und insbesondere der Dystopie ein wenig zu wecken. Sie bietet ein abwechslungsreiches Forschungsfeld, welches sich weiter zu entdecken lohnt.
Fotos: flickr.com/Craig Duffy (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Patrick Hoesly (CC BY 2.0), flickr.com/Roey Ahram (CC BY-NC-ND 2.0)
Alle Artikel dieser Reihe:
Wie man mit sechs Werkzeugen eine dystopische Gesellschaft erschafft
Pubertätsnöte und Regimekämpfe – Die Teenager erobern die Dystopie
Der Silberstreif am Horizont: Die kritische Dystopie
Von Unterdrückung und Gedankenkontrolle – Das Genre Dystopie
Big Brother is still watching you – Dystopie in den Medien
Die Young Adult Dystopie – nur noch Kitsch?
Die Dystopie auf der Leinwand (1)