ZDF erneut auf crossmedialen Pfaden
von Pascal Thiel
Im letzten Moment konnte Dina Foxx im Jahr 2011 gerettet werden. Doch das ZDF bringt seine Heldin erneut in Gefahr. Wieder geht der, im Volksmund als „Rentnerfernsehen“ verspottete, Sender crossmediale Wege: Das erfolgreiche Projekt „Wer rettet Dina Foxx?“ soll fortgeführt werden. Für die Medienwissenschaft in Foxx interessant: Sie ist ein großes Konglomerat aktueller medienwissenschaftlicher Ideen.
Wer..?
Dina Foxx ist Protagonistin eines crossmedialen Projekts vom ZDF namens „Wer rettet Dina Foxx?“– entstanden in einer Kooperation der „ZDF-Zentralredaktion Neue Medien“ mit „Das kleine Fernsehspiel“, Teamworx und dem UFA Lab.
In einem TV-Krimi werden die Zuschauer Zeugen einer Verschwörung gegen Dina, gespielt von Jessica Richter. Als „datagirl“ klärt sie im Auftrag der Organisation freidaten.org die Menschen über die Gefahren staatlicher und wirtschaftlicher Datensammlung auf. Doch ihr Leben gerät völlig aus den Fugen, als sie verdächtigt wird, ihren Ex-Freund umgebracht zu haben. Unter mysteriösen Umständen starb dieser kurz nachdem er sich von Dina getrennt hatte. Sie beginnt selbst zu ermitteln, doch schnell wird sie festgenommen. Bis dato sind 50 Minuten vergangen – völlig unerwartet bricht der Film dann ab. Nun müssen die Zuschauer selber ran: Mit einer Meldung werden die Zuschauer aufgefordert, Dina zu helfen, den wahren Mörder zu finden. So werden aus Zuschauern Ermittler, die, ausgehend vom TV, auf verschiedenen medialen Plattformen interagieren.
Medienwissenschaftliche Relevanz
Aus medienwissenschaftlicher Sicht liegt das Besondere bei „Wer rettet Dina Foxx?“ in der Kombination mehrerer medialer „Elemente“ in einem Projekt.
Neben den Besonderheiten der einzelnen Teilbereiche (Pre-TV-, TV- und Post-TV-Phase) erfolgt die Handlungsdarstellung über mehrere Medien hinweg: Man spricht von „transmedia storytelling“. In seinem Buch „Convergence Culture – Where old and new media collide“ aus dem Jahre 2006 beschreibt der MIT-Professor Henry Jenkins, dass transmediale Erzählungen „unfold across multiple media platforms, with each new text making a distinctive and valuable contribution to the whole.“. Bei „Wer rettet Dina Foxx?“ sind zum Beispiel das Fernsehen, Internetseiten, Blogs, Social Media, Video Channels – sogar unsere Realität.
Betrachtet man die Besonderheiten der Teilbereiche, so ist zum Beispiel das „virale Marketing“ zu nennen – ein Begriff aus der Werbeforschung. Jiesi Cheng, Aaron Sun and Daniel Zeng (2010) beschreiben virales Marketing als „a new interpretation of WOM-advertising in the internet era.“ WOM (word-of-mouth) advertising bezieht sich laut der drei Wissenschaftlern wiederum auf die „informal communication between two or more persons concerning a product or service on a non-commercial basis“. Vereinfacht kann man unter viralem also Marketing das „Weitersagen“ oder „Weiterempfehlen“ von Produkten, Marken etc. verstehen.
Und genau diesem Phänomen bediente sich das ZDF bei „Wer rettet Dina Foxx?“. Im Vorfeld der Ausstrahlung des Films (in der Pre-TV-Phase) wurden alle Charaktere in Social Media und Blogs wie richtige Personen etabliert, diverse Internetseiten bereiteten die Handlung vor. Außerdem führte die fiktive Datenschutzorganisation „freidaten.org“ sogenannte „Guerilla-Marketing-Aktionen“ durch, um über die fiktive Organisation auf das Projekt aufmerksam zu machen.
Guerilla-Marketing – ein weiteres Element aus der Werbeforschung – umfasst laut Katharina Hutter und Stefan Hoffmann (2011) „verschiedene kommunikationspolitische Instrumente, die darauf abzielen, mit vergleichsweise geringen Kosten bei einer möglichst großen Anzahl von Personen einen Überraschungseffekt zu erzielen, um so einen sehr hohen Guerilla-Effekt (Verhältnis von Werbenutzen und -kosten) zu erzielen.“
In der TV-Phase folgte die fünfzigminütige Ausstrahlung des Films. Unmittelbar danach begann in der Post-TV-Phase das bisher wohl umfassendste „Alternate-Reality-Game“, das Deutschland je gesehen hatte. Alternate-Reality-Games (ARG) „leave clues for potential players to follow: a subtle image on a poster, perhaps, or a cryptic message on a website. Fans must piece together the narrative – that’s the “alternate reality” – on their own“, so „The Economist“.
Bei „Wer rettet Dina Foxx?“ konnten sich die ermittelnden User über eine Homepage täglich durch die Videobotschaft eines Freundes von Dina über den „aktuellen Stand der Ermittlungen“ informieren und „live“ in Dinas Zimmer ermitteln. Zudem waren auf freidaten.org jeden Tag neue knifflige Aufgaben zu lösen, um weitere Details an die Oberfläche zu bringen, über Live-Interaktionen konnten die „Ermittler“ aktiv in das Geschehen eingreifen und kamen nach einem Geocaching-Event schließlich ans Ziel: Der Mörder war gefunden.
Fortsetzung folgt…!
Insgesamt wurden für die Internet-Phase 60 Video-Clips, 30 Audio-Clips, 20 fiktive Internetseiten, 30 Social Media-Profile produziert. Gerechtfertigt wurde der gewaltige Aufwand durch den immensen Erfolg: 2 Mio. Seitenabrufe, etwa 200.000 Videosichtungen und 14.000 Kommentare sprechen eine deutliche Sprache.
Auszeichnungen folgten prompt: Beim BANFF World Media Festival gewann das ZDF den Preis für die beste crossmediale Plattform und den „Best Interactive Award“, außerdem den UFA Innovation Award 2011 und Gold beim Annual Multimedia Award 2012 – um nur einige zu nennen.
Da ist es einleuchtend, wenn die Chefredakteurin des „Kleinen Fernsehspiels“ Mitte 2012 eine
Fortsetzung bekannt gibt. Dies bestätigt auch Burkhard Althoff, ihr Stellvertreter, gegenüber media-bubble.de: „Wir befinden uns mitten in der Entwicklung“. Konkrete Details über die Fortsetzung wollte er nicht nennen, jedoch werde ein Aspekt des Projekts sein, die „Zuschauer überraschen [zu] wollen.“ Man darf gespannt sein.
Bilder: Screenshot von dinafoxx.zdf.de (Stand: 31.08.12), Screenshot von freidaten.org (Stand: 31.08.12)
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