SpielFilm – Games auf der großen Leinwand. Teil I

von Miriam Gerstenlauer

Seit einiger Zeit haben sich Videospielverfilmungen in der Filmindustrie etabliert. Sie sind schon lang mehr als nur Merchandise, sie sind zu eigenständigen Filmen geworden.

Wo früher Filme wie Super Mario Bros. (1993) oder Pokémon: Der Film (2000) nur für Fans der zugehörigen Videospiele interessant waren, werden heute millionenschwere Blockbuster auf Basis von Videospielen produziert. Nach dem Erfolg von Lara Croft: Tomb Raider (2001) folgten Verfilmungen von Actionspiel-Klassikern wie Doom (2005) sowie eine Adaption des genreprägenden Horrorspiel-Klassikers Silent Hill (2006) und dem Jump’n’Run Urgestein Prince of Persia (2010).

 

Von Klempnern und Zombies

Eigentlich sollten die Gamer sich doch freuen, dass „ihre“ Helden auch die große Leinwand erobern. Oft ist aber das Gegenteil er Fall.  Hauptkritikpunkt der Spielfans sind die Veränderungen in den Verfilmungen. Diese ergeben sich zum Großteil aus den unterschiedlichen Medialitäten von Spiel und Film, aber das ist nicht immer der Fall. Viele Filme ändern die Dramaturgie eines Spieles, auch wenn sich die Storyline ohne Probleme auf einen Film übertragen lassen könnte. Aus der Sotry „Mario rettet Prinzessin Peach aus den Fängen des bösen Bowser“ wurde „Installateur-Brüder Mario und Luigi finden im Brooklyn des 20. Jahrhunderts ein Dimensionsloch woraufhin sie den bösen König Koopa mithilfe eines Meteoriten zur Strecke bringen müssen“ oder so ähnlich. Eine einfache Geschichte, die scheinbar unnötig verkompliziert wurde.

Aber warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Die Story von Alone in the Dark (2005): „Ein berühmter Autor erhängt sich in einem alten, von einem Fluch heimgesuchten Herrenhaus. Ermittlungen werden eingeleitet. Der ermittelnde Polizist wird eingesperrt und ist allein auf sich gestellt, die Türen des Herrenhauses sind wie magisch versiegelt“. Was Uwe Boll daraus machte: „Auf der Jagd nach übernatürlichen Phänomenen machen ein Privatdetektiv und ein Commander Jagd auf Zombies“.

Ein letztes Beispiel: Dass aus der zielsicheren Bogenschützin Prinzessin Faarah im Spiel Prince of Persia dann im Film eine klassische „Damsel in Distress“ wurde, zeigt vielleicht, dass Filme noch mehr in ihrem althergebrachten Denken verwurzelt sind als Videospiele.

Super Mario Bros., Alone in the Dark und Prince of Persia sind freilich drei extreme Beispiele, doch stehen sie Parade für die Leiden der Gamer: Scheinbar sinnfreie Änderungen von eigentlich so tollen Storys.

 

Mittendrin statt nur dabei

Viele Spiele stehen in der Komplexität ihrer Narration Filmen oder Büchern in nichts nach. In Open-World Spielen wie The Elder Scrolls V: Skyrim (2011) lernt der Spieler mehrere Stunden lang sich  in der Spielwelt zurechtzufinden, findet Briefe und alte Bücher oder trifft Charaktere, die ihm Geschichten erzählen. Es liegt in der Hand des Spielers herauszufinden, was in der Spielwelt vor sich geht. Er steuert seinen Avatar und sammelt Bruchstücke, die ihm die Geschichte zugänglich machen. Jeder Spieler schreibt sich so seine ganz eigene „Spieler-Geschichte“, und niemand wird das Spiel auf genau die gleiche Weise spielen.

In anderen Fällen, wie dem 2005 erschienenen Metal Gear Solid 3, eröffnet sich dem Spieler die komplexe Storyline anhand unzähliger Cutscenes mit einer Gesamtlänge von rund fünf Stunden. Verbunden sind diese Cutscenes durch interaktive Spielabschnitte, in denen der Spieler stets vor die Wahl gestellt wird und so das Fortgehen der Geschichte bestimmen kann.

Im Film gibt es weder die Freiheit einer erkundbaren Welt, noch die Entscheidungsmöglichkeit. Im Gegensatz zu den immer anders ablaufenden Spielen ist ein Film für jeden gleich und unbeeinflussbar. Gamer gibt seinen Controller aus der Hand und lässt sich die Geschichte erzählen. Wer sich dazu entscheidet, einen Action-Shooter zu spielen, möchte herausgefordert werden, präzise kämpfen und schnell Entscheidungen treffen. So etwas wird von einem Film nicht erwartet, bei dem sich die Interaktion auf den Kauf einer Kinokarte oder dem Einlegen einer DVD beschränkt.  Aufgrund dieser unterschiedlichen Anforderungen der Medien Film und Game an den Rezipienten kann eine Eins-zu-Eins-Umsetzung von Inhalten gar nicht funktionieren.

 

Ausnahmen bestätigen die Regel

Manchmal gelingt es den Adaptionen, Stimmung und Charaktere von Spielen auf der Leinwand einzufangen. Allen voran  sei hier der Film Tomb Raider genannt, der vor allem mit Angelina Jolie als die taffe und smarte Archäologin Lara Croft das Publikum überzeugen konnte. Die unbestreitbare Übersexualisierung von Frauen in Videospielen kam Hollywood in diesem Fall deutlich entgegen: So sah man Angelina im Film genauso wie Lara im Spiel stöhnend und knapp bekleidet über Felsen springen. In einer ästhetischen Art und Weise, mit ausgebildetem Kameramann, auch wenn man sich wünschen würde man könnte , wie im Spiel, die Kamera zwischen Laras Beine fahren und sie dann hüpfen und hecheln lassen. Dennoch gilt Lara Croft als eine der großen Power-Frauen in Film- und Spielindustrie, die durch das Franchise beide aneinander profitieren.

Anders bei Silent Hill. Hier fiel der im Spiel männliche Hauptcharakter Harry Mason der Frauenquote zum Opfer und wurde durch Protagonistin Rose daSilva ersetzt. Der Film versucht es, die bedrückende und psychedelische Stimmung des Spiels einzufangen, indem er die Hilflosigkeit und die Unwissenheit der Protagonistin zur Charakteridentifikation nutzt. Diese Identifikation kann jedoch im Gegensatz zum Spiel nur eingeschränkt funktionieren, da gerade das Horrorgenre der Games sich durch tatsächliche Hilflosigkeit auszeichnet, da man selbst die nutzlose „Waffe“ in den zitternden Händen hält. Trotzdem gelingt es dem Film die Atmosphäre des schaurigen Ortes Silent Hill zu vermitteln, indem er die nervenaufreibende Geräuschkulisse und den Soundtrack des Originalspiels übernimmt und auf dieselbe Wirkung der schrägen Kamerawinkel setzt, die einem nicht verraten was hinter der nächsten Ecke lauert – jedoch ohne den Spieler in eine frustrierende Todesfalle zu stürzen. Damit hat der Film schon mehr erreicht, als manch andere Videospieladaption.

Ein Spiel ist kein Film

Videospiele leben vom Prinzip der Interaktivität. Man kann selbst entscheiden, ob man nun den linken oder den rechten Gang hinuntergeht, ob man sich dem Monster stellt oder vor ihm wegläuft, oder vor lauter Angst den Controller in die nächste Ecke wirft und eine Woche nicht mehr anfasst.
Im Film werden einem diese Entscheidungen abgenommen. Doch genau dieses Aufgeben der Kontrolle über die Situation und die dadurch noch größere Ungewissheit  darüber, was als nächstes passiert, erzeugt Spannung. Im Film kann außerdem eine bildliche Ästhetik erzeugt werden, die mit einer via Analogsticks am Controller gesteuerten Kamera nicht möglich wäre.
Wenn also die Stimmung stimmt und die Charaktere Charakter haben, kann auch der geneigte Gamer einmal den Controller aus der Hand geben und den Film Film sein lassen.

Foto: Concorde Film
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