Die Finanzkrise? Ein Sachbuch als Film

Von Maya Morlock

Das Drama „The Big Short“ von Regisseur Adam McKay, das am 14. Januar startet, durchleuchtet die Ursachen der Finanzkrise in den USA, die von 2007-2010 Millionen Menschen das Leben erschwerte. Schlüsselfiguren werden gezeigt, die das Unheil kommen sahen und gekonnt ihren Vorteil daraus zogen. Das Staraufgebot ist gigantisch: Cristian Bale, Ryan Gosling, Brad Pitt und Steve Carell!

Der Zahlenprophet

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„Ich verstehe keine Ironie – ich bin auch nicht witzig – ich lese Zahlen!“ Der ehemalige Neurologe Michael Burry (Christian Bale „Batman Begins“ oder „American Hustle“) ist ein Sonderling: Bei dem Vorstellungsgespräch eines Bewerbers ist er abwesend und scheint sich nicht für dessen Qualifikationen zu interessieren. Vielmehr ist er damit beschäftigt, wild mit den Schlagzeugstöcken irgendwo herumzuhämmern. Der Blick ist abwesend und durch das eine Glasauge weiß man nie wohin er gerade sieht. Die meiste Zeit hört er Heavy-Metal-Mucke in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. Als der Bewerber fragt, ob er nun eingestellt sei, meint Burry nur: „Äh, ja…ja natürlich…arbeiten Sie.“ Doch hinter dem etwas autistisch wirkenden Mann steckt ein Genie, das als Einziger durch die Logik der geliebten Zahlen den Finanzcrash drei Jahre zuvor entdeckt. Nun beginnt er Leerkäufe von Aktien großer Investmentbanken zu tätigen – sicher, es zahle sich bald aus.

Das gierige Gesindel

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Einige Wenige erkennen Burrys Genie und steigen in das Geschäft ein. Einer davon ist der Deutsche-Bank-Makler Greg Lippman (Ryan Gosling „Das perfekte Verbrechen“ oder „the inside of march“), der den risikofreudigen Spekulant und Trader Steve Eisman (Steve Carell „Dinner für Spinner“) mit ins Boot holt. Zwei Neulinge an der Wallstreet bekommen über einige Ecken das Treiben mit und durchschauen den Plan – sie hängen sich an den einstigen Star-Investor Ben Rickert (Brad Pitt „Mr. and Mrs. Smith“), der ihnen den Einstieg an die Börsenspitze erleichtert. Im Grunde wird erklärt, wie es zu diesem Finanzcrash gekommen ist und welche Personen, die weitsichtig genug waren, Profit aus ihm zogen. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Sachbuch von Michael Lewis, der die Schlüsselfiguren benennt und Themen, wie die Kreditausfallversicherung und die Immobilienblase, erklärt und kritisch beäugt.

Info hui – Spannung pfui

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Dieses Finanzspektakel ist eindeutig etwas für Interessierte der Materie. Rein filmische Spannung kommt nicht auf, da der Clou, der Finanzcrash, schon in der zweiten Szene verraten wird. Während die Filmcharaktere nach fast zwei Jahren der Spekulation so langsam ungeduldig werden und anfangen, an ihren Investitionen zu zweifeln, weiß der Zuschauer genau, was kommen wird. Es geht eher darum, die Hintergründe aufzuzeigen und sie dem Zuschauer zu erklären. Dazu werden auch filmische Brüche benutzt, die normalerweise zu den „No-Gos“ gehören: Bei inhaltlichen Themen kommt es schon mal vor, dass der Schauspieler direkt in die Kamera spricht und dem Kinobesucher Fachwissen erklärt. Besonders heikle Informationen werden auch in Schriftform eingeblendet, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich angekommen sind. Auch die Kamera verhält sich filmisch unnatürlich: Viele Zooms werden verwendet, zwischenzeitlich erinnert die Kamera eher an eine Interviewsituation, als an einen gescripteten Film. Der Fokus liegt auf der Adaption eines Sachbuches, weshalb es einleuchtet, dass der Inhalt und die Materie des Finanzcrashs wichtiger sind, als gekünstelte filmische Spannung. Soweit bekannt wird auch kaum etwas hinzugedichtet, nur um die Aufmerksamkeit oder das Interesse zu steigern.

Für Interessierte und diejenigen, die es werden wollen ein Muss. Für Liebhaber anderer Genres und Kinobesucher die sich lieber in andere Welten entführen lassen, anstatt mitzudenken, wohl eher nicht. Ein guter Film – der jedoch eindeutig Geschmackssache ist.

Fotos: ©2015 PARAMOUNT PICTURES

Lebensmüde Adrenalinjunkies sind die besseren Verbrecher!

von Maya Morlock

Im rasanten Action-Thriller „Point Break“ von Regisseur Ericson Core (Filmstart 21.Januar 2016) jagt der junge FBI-Agent Johnny Utah (Luke Bracey) eine kriminelle Bande der Superlative, die das Finanzsystem gefährdet. Die Brillanz dieser Verbrechen lässt eine Gruppe von Extremsportlern dahinter vermuten, weshalb der einstige Extremsportler Utah genau der Richtige für diesen Job ist.

Sturz in die Tiefe

PB-FP-123_1400In wahnwitziger Höhe stehen die Männer Seite an Seite an der Kante des Felsens und blicken in die Tiefe. Ein Sturz bedeutet den sicheren Tod. Eine falsche Bewegung, eine falsche Entscheidung, ein ungünstiges Timing und es ist vorbei. Nur die Perfektion und der Trotz vor dem Tod können das Überleben sichern. Wahnwitzig? Selbstüberschätzend oder einfach nur lebensmüde? Der Anführer Bodhi (Edgar Ramirez) hat da eine klare Meinung: „Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern, dass man nie beginnen wird zu leben“. Denn sterben müssen wir alle, nur ist die Frage wie. Dann ist es doch befreiender im Adrenalinrausch über der atemberaubenden Schönheit der Natur zu sterben, denken sich auch seine Anhänger und stürzen sich nacheinander mit ihren Wingsuits von der Felskante. Der infiltrierte FBI-Agent Utah ist einer von ihnen. Für ihn zählt: Überlebe!

Verbrecher der Superlative

PB-FP-046_1400Einer Verbrecherbande gelingen nahezu unmögliche Raubzüge: Sie stehlen hochwertige Edelsteine und entkommen mit dem Motorrad durch das Fenster. Sie rauben ein mit Geldnoten beladenes Flugzeug aus und verschwinden vom Radar. Ihre Fallschirme haben sich nicht geöffnet – doch wo sind die Leichen? Sie scheinen nicht zu stoppen zu sein. Utah meint die Bande enttarnt zu haben und schafft es durch halsbrecherische Stunts in das Team. Nach und nach integriert er sich in die Gruppe und auch die schöne Samsara (Teresa Palmer) wächst ihm zunehmend ans Herz. Die Distanz fehlt und es scheint als genieße er die Rückkehr zum Extremsport. Die Grenzen zwischen gut und böse – zwischen FBI und den Verbrechern – verschwimmen zunehmend. Für welche Seite wird Utah sich entscheiden?

Extremsport auf der Leinwand

PB-05204_1400Die aufwändige Produktion ersteckte sich über vier Kontinente: Europa, Asien und Nord-/Südamerika. Die Naturbilder sind bombastisch und überwältigend, sodass der Mensch in ihr klein und unbedeutend wirkt. Der wahre Antagonist der Verbrecher ist die Natur und ihre Gefahr macht einen Teil ihres Lebenssinns aus. Auch wenn nicht viel geballert wird und Mann-zu-Mann-Kampfszenen eher selten sind, kann dieser Action-Thriller die Spannung stetig hochschrauben. Die Stunts und die rasanten Kamerafahrten sind einmalig: Ob Surfen auf einer monströsen Riesenwelle, irrwitzig schnelles Wingsuit Fliegen zwischen massigen Felsen, Motorradstunts auf Sandbergen, Free-Climbing an den Angel Falls in Venezuela oder Snowboarden auf großen und teils vereisten Gletschern – das sind menschliche Höchstleistungen, wofür berühmte Extremsportler engagiert worden sind (zum Beispiel: Surfer – Laird Hamilton oder Sebastian Zietz, Motorradfahrer – Riley Harper und Oakley Lehmann, Wingsuit-Flieger – John Devore, Julien Boulle oder Noah Bahnson, Free-Climber – Cris Sharma).

Fazit

Wie bei vielen Actionfilmen ist die Geschichte zweitrangig und tritt immer weiter in den Hintergrund. Die kleine Liebesgeschichte zwischen FBI-Agent Utah und Samsara wirkt gezwungen und wenig authentisch. Trotzdem sind die Stunts sehenswert und die knapp zwei Stunden vergehen wie im Flug. Entertainment wird auf jeden Fall großgeschrieben – Tiefgang und Anspruch jedoch nicht.

Was machen eigentlich…?

Von Jasmin Gerst

Dieses Jahr wurden ein weiteres Topmodel und ein neuer Superstar gekürt; Samu Habers neue Show, Die Band, floppte; Popstars kehrt mit der elften Staffel zurück und The Voice of Germany hat eine neue Gewinnerin gewählt. Der Konkurrenzkampf ist größer denn je – eine Castingshow jagt die nächste. Und gerade deshalb haben sich viele Gewinner über die Jahre angehäuft, manche mit mehr, manche mit weniger Erfolg. Wir haben uns deshalb gefragt, was machen diese Castingshowgewinner eigentlich heute?

Jennifer Hof – Germanys Next Topmodel

Jedes Jahr ruft Heidi Klum aufs Neue junge Mädchen aus ganz Deutschland zu sich auf den Laufsteg, um ein weiteres Topmodel zu finden. So auch 2008, als Jennifer Hof bei einem Casting angesprochen wurde. Damals war sie mit ihren 16 Jahren die jüngste Teilnehmerin, doch die Jury war vor allem an ihren langen Beinen interessiert: Diese sind nämlich 1,13m lang, d.h. einen Zentimeter länger als die von Nadja Auerman. Sie gewann die Show und wurde bei IMG Models unter Vertrag genommen. Danach wurde sie für einige Fashionshows gebucht, aber der große Erfolg blieb aus. Während alle anderen sich mit Schauspiel- und /oder Moderationsjobs durchkämpfen, gab Hof Anfang 2014 bekannt, dass sie eine kaufmännische Ausbildung machen werde. Grund dafür sei auch, dass die Modebranche ihr zu oberflächlich sei und sie ein ganz normales Leben führen wolle. Sie gab außerdem dieses Jahr bekannt, dass sie Mutter geworden sei und nun etwas „viel Besseres“ habe als den Modelljob.

Elli Erl – Deutschland sucht den Superstar

Sie war lange die einzige Frau, die Deutschland sucht den Superstar gewonnen hatte: Elli Erl (siehe Titelbild). Mit ihren roten, kurzen Haaren und ihrer rauen Stimme konnte sie viele Zuschauer überzeugen. Bereits kurz nach ihrem Sieg war es sehr still um sie geworden. Über zehn Jahre ist es nun her, dass sie die Castingshow gewonnen hat. Und was macht Elli heute? Elli macht keine Musik mehr, sondern unterrichtet seit 2010 in Düsseldorf als Realschullehrerin die Fächer Musik, Sport und Englisch. Auch ihre knallrote Mähne hat sie mittlerweile in ein kühles platinblond umgetauscht. Ein erneuter Start in die Musikbranche sei bisher noch nicht in Sicht, die 36-jährige genießt ihr Leben im Moment an der Seite von Freundin Katrin in Köln.

Edita Abdieski – X-Factor

EditaAbdieskiBei Edita Abdieski begann die Karriere schon im Kindesalter: Mit elf Jahren gründete sie ihre erste Band mit Nachbarskindern, seit sie dreizehn ist schreibt sie eigene Songs. Durch ihren unglaublichen Ehrgeiz und ihr Talent gewann sie zwei Gesangswettbewerbe. 2010 beschloss Edita Abdieski an der ersten Staffel von X-Factor teilzunehmen. Sie überzeugte in der Kategorie Solosänger ab 25 Jahren und gewann einen Plattenvertrag bei Sony BMG. Einige Monate später erschien ihr erstes Album One. Ein weiteres gab es nie, obwohl sie ab und zu Auftritte mit kleinem Publikum hat. Laut ihrer Facebook-Seite arbeitet sie aber wieder verstärkt an neuen Songs.

Martin Kesici – Star Search

Wir gehen noch weiter zurück – erinnert ihr euch an Star Search? 2003 hat Martin Kesici bei dem Sat.1 Wettbewerb mitgemacht und einen zweijährigen Plattenvertrag mit Universal Records gewonnen. Es kamen einige größere Auftritte wie z.B. in Wacken. Kesici probierte sich an vielem: als Radiomoderator oder als Sprecher bei Hörspielen. Außerdem schrieb er sein erstes Buch: Sex, Drugs & Castingshows – Die Wahrheit über DSDS, Popstars & Co. Seit 2011 ist er Sänger der Berliner Rockband The Core. Bei den Unterhaltungsshows Ich bin ein Star – holt mich hier raus und Promiboxen war er zu sehen. Große musikalische Erfolge blieben jedoch aus.

LaVive – Popstars

800px-LaviveErst im März wurde bekannt gegeben, dass dieses Jahr die elfte Staffel Popstars ausgestrahlt wird. Ein Grund mehr sich an die ehemaligen Sieger der Show zurückzuerinnern. Unter dem Motto Girls forever ging die Castingshow Popstars im Sommer 2010 in die neunte Staffel – die Mitglieder wurden diesmal aber von den Zuschauern anstatt von der Jury ausgewählt. Das Publikum wählte die vier Mädels Sarah Rensing (damals 22), Meike Ehnert(24), Julia Köster(18) und Katrin Mehlberg (20) aus. Nach nur einer veröffentlichen Single und drei Monaten Bandgeschichte lösten sie sich wieder auf. Sie widmeten sich danach dem Abitur, Studium oder der Ausbildung. Eine erneute Musikkarriere ist derzeit nicht in Sicht.

Yvo Antoni und seine Hündin PrimaDonna – Supertalent

Er war der erste nicht-musikalische Gewinner, der 2009 bei Supertalent gewann. Zusammen mit seiner Hündin PrimaDonna präsentierte Yvo Antoni den Zuschauern außergewöhnliche Tricks und gewann knapp gegen die Opernsängerin Vanessa Valcagno. Nach der Show bekam Antoni viele Angebote, brachte sogar eine DVD mit hilfreichen Tipps für Hundeerziehung heraus. Mittlerweile ist es aber sehr still um den Gewinner geworden, die gewünschte Karriere blieb aus.

Anika Scheibe – Das perfekte Model

Modell_beim_Event_5_Jahre_BMW_Welt_Anika_Scheibe2012 wurde die erste Staffel der Casting-Show Das perfekte Model auf Vox ausgestrahlt. Unter der Leitung von Eva Padberg und Karolína Kurková setzte sich Siegerin Anika Scheibe durch. Damit gewann sie eine Werbekampagne für Garnier sowie einen Vertrag bei der Paris Modelagentur JustWM Models sowie ein Fotoshooting für ein Modemagazin und ein Auto. Danach wurde es nicht nur um Anika Scheibe sehr still – für sie und die Castingshow Das perfekte Model gab es weder eine Zukunft auf dem Laufsteg noch im Fernsehen.

Grund für das Versagen der Kandidaten?

Nach dieser kleinen, aber feinen Auswahl von erfolglosen Castingshowgewinnern stellt sich nun die Frage, ob es einen Grund für diesen Misserfolg gibt. Ist die Zeit der Castingshows endgültig vorbei? Haben wir genug davon, jedes Jahr einen neuen Superstar zu wählen?

Die Einschaltquoten sprechen Bände: Dieses Jahr schauten nur 10,9% der Deutschen die neue Superstar-Staffel, die damit ihren bisherigen Tiefpunkt erreicht hatte. Im Vergleich dazu haben die erste Staffel fast vier Mal so viele Deutsche verfolgt. Dieser Verlust ist den Produzenten durchaus bewusst und deshalb versuchen sie durch Änderungen in den jeweiligen Konzepten die Zuschauer bei Laune zu halten. Aber der Markt ist überfüllt von zahlreichen Angeboten und deshalb kann nur überleben, wer eine besonders innovative Idee hat.

Fotos: wikimedia.org/CHR!S (CC BY-SA 3.0), wikimedia.org/Raimond Spekking (CC BY-SA 4.0), wikimedia.org/Promiflash (CC BY-SA 3.0), Wikimedia.org/Usien (CC BY-SA 3.0)

Die Zukunft des Journalismus

Von Jasmin Gerst

Der promovierte Politikwissenschaftler Dominik Wichmann referierte am 14. Dezember im Kupferbau der Universität Tübingen über Veränderungen des Verhältnisses zwischen Publikum und Medien sowie dessen Auswirkungen auf den Journalismus wie wir ihn kennen. Wichmann war Chefredakteur des SZ-Magazins und beim STERN, außerdem hat er vor kurzem zusammen mit Guido Westerwelle dessen Biografie „Zwischen zwei Leben: Von Liebe, Tod und Zuversicht“ realisiert.

Geizige Digital Natives?

DominikWichmannWichmann stellt zu Beginn klar, dass der Journalismus noch nie besser war – die Qualität der Inhalte steigt, trotzdem sind immer wenige Konsumenten bereit für diese Qualität Geld zu bezahlen. Eine offensichtliche Veränderung stellt das Leseverhalten der Konsumenten dar. Fakt ist, dass viel weniger Menschen eine Tageszeitung abonniert haben als früher. Und warum? Weil mittlerweile fast alles kostenlos im Netz zu finden ist. Der Kampf, den die Journalisten führen müssen, lässt an der Zukunft des Journalismus zweifeln. Wichmann ist sich jedoch sicher, dass es ihn immer geben wird, allerdings in veränderter Form und mit qualitätsvolleren Inhalten. Die jüngere Generation der Journalisten, die Digital Natives, sind sich ihrer Zukunft zwar ungewiss, bringen jedoch gewisse Vorteile mit sich: Sie können das Neue leichter adaptieren und dabei spielt das Alter eine wichtige Rolle. Da sie bereits in jungen Jahren den Umgang in der digitalen Welt erlernt haben, sind sie der älteren Generation um Längen voraus. Denn Kommunikation allein reicht nicht mehr aus: Die Konsumenten fordern mehr Expertise, aber gerade die Digital Natives sind nicht bereit für diese Expertise zu bezahlen.

Akzeptieren und Umdenken

Fakt ist also, dass sich die Zeiten geändert haben und man sich dieser neuen Zeit anpassen muss. Dazu gehört nicht nur diesen Wandel zu akzeptieren, sondern ihn auch zu „wollen“. Denn die unendlichen Möglichkeiten, die es nun auf dem Markt gibt, müssen optimiert werden. Es ist also von großer Wichtigkeit, dass der Journalismus diese Angebote wahrnimmt und sich heute viel mehr vermarkten muss als früher. Dazu gehört unter anderem stets präsent zu sein, Expertise zu erlangen, Unvoreingenommenheit sowie Form und Inhalt in Einklang zu bringen. Wichmann stellt außerdem fest, dass dieser Umbruch auch viele Widersprüche mit sich bringt. Ein Journalist muss zwei wichtige Parameter vereinen: möglichst aktuell und möglichst zeitnah sein. Das bedeutet, was die Aktualität betrifft, im digitalen Zeitalter angekommen zu sein (Stichwort Liveticker oder Twitter), sowie möglichst schnellen und guten Journalismus zu präsentieren. Dass die Qualität dadurch auf der Strecke bleibt, ist nur allzu verständlich. Nur ein wirklich guter Journalist kann diese beiden Kräfte vereinen, aber dadurch steigt ein weiterer Druck – die Möglichkeit des Scheiterns.

Präsent sein

Ein weiteres Problem ist, dass die Leser nicht nach bestimmten Nachrichten suchen. Die Daten kommen zum Leser und nicht der Leser zu den Daten. Diese werden aufgrund von den Spuren, die der Nutzer tagtäglich hinterlässt, angepasst. Wichtig sei außerdem, dass die Inhalte dort zu finden sein müssen, wo der Leser sich aufhält (z.B. Werbung bei Facebook / Twitter / Instagram etc.). Deshalb wird es immer wichtiger auf Facebook, YouTube, Twitter usw. präsent zu sein. Dass der mediale Wandel begonnen hat, zeigt sich auch dadurch, dass hochkomplexe Themen mittlerweile über mehrere Stunden (z.B. Serie Mad Men) ausdiskutiert werden können. Problem dabei ist jedoch, dass nicht jeder Sender kooperiert und weiterhin ein „spießiges und biederes“ TV-Programm bietet. Die Digitalität ermöglicht revolutionäre Umbrüche sowie eine enorme Verfügbarkeit der Daten.

Aus Real-Time wird Before-Time

Ist es also ein Ende des Journalismus wie wir ihn kennen? Das Berufsbild wird zwar nie verschwinden, so Wichmann, aber der Journalist muss umdenken und sich deutlich mehr nach seinen Lesern richten. Außerdem wird er es deutlich schwerer haben als früher. Denn der Redakteur der Zukunft übernimmt die Rolle als Chefredakteur der Gegenwart. D.h. die Transparenz der Daten führt dazu, dass er oder sie entscheiden.

Durch diese Verfügbarkeit der Daten wird der Journalismus zu einem ganz anderen, so gravierend wird er sich verändern. Sein retrospektiver Charakter wird erweitert und eine neue Erzählform wird entstehen: aus Real-Time wird Before-Time. Um erfolgreich zu sein, fügt Wichmann hinzu, muss man das Rad nicht neu erfinden, es reicht lediglich es als erster zu importieren. Innovation wird ein großes Stichwort sein, diese ist jedoch mühsam und anstrengend. Deshalb ein weiterer Tipp von Wichmann: bestehendes Optimieren!

Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Warum schauen wir Filme? Eine Schlussbetrachtung

von Ricarda Dietrich

12413268605_f04b9b4414_zÜber die letzten Wochen war an dieser Stelle eine Menge über unterschiedliche Formate von Film zu lesen. Die Themen reichten von Daily Soaps über Serien, Krimis und Videoplattformen bis zum Kinobesuch, diversen Fernsehshows und schließlich informativen und bildenden Formaten wie den Nachrichten oder Dokumentationen.

Das Ziel des Schreibens und Lesens über diese Formate war es, ihre unterschiedlichen Bedeutungen für die Zuschauer zu erfassen und festzustellen, wie so viele Formate, die alle mit dem gleichen Medium, dem Film, vermittelt werden, nebeneinander existieren können. Meine Antwort nach eingängiger Beschäftigung mit dem Thema ist: Jedes einzelne Formate bedient ein anderes Bedürfnis des Menschen. Außerdem sind Geschmäcker natürlich verschieden, was immer eine große Rolle spielt, so auch in diesem Fall. Aber zurück zu den Bedürfnissen.

In den ersten beiden Artikeln ging es um Daily Soaps und Serien. Hier könnte man argumentieren, dass sie beide sehr ähnliche Bedürfnisse bedienen. Sowohl Serien als auch Soaps bieten die Möglichkeit, sich in eine andere Welt hineinzudenken. Da sie fortlaufend sind, entwickeln sich Geschichten und Charaktere komplexer als das bei einem Film möglich ist. Von der Thematik her ist die Serie natürlich sehr viel breiter aufgestellt. Hier wird jedes nur denkbare Thema verarbeitet. Daily Soaps hingegen haben immer einen dramatischen Unterton, auch wenn sie die Möglichkeit der Thematisierung von aktuellen Themen bieten. Sie sind dennoch nur in einem Genre angesiedelt. Serien bieten mit anspruchsvollen Quality-Serien auf der einen oder Sitcoms auf der anderen Seite eine große Bandbreite von Angeboten, die man je nach Stimmung wählen kann. Soaps hingegen haben den Vorteil der täglichen Ausstrahlung, was bei manchen Zuschauern noch ein weiteres Bedürfnis befriedigt, und zwar das nach einem strukturierten Tagesablauf. Durch täglich wiederkehrende Ereignisse lässt sich eine Routine entwickeln, das gilt für Unterhaltung durch Soaps genauso wie für Information durch die „Tagesschau“. Serien und Soaps bedienen also das Bedürfnis nach Ablenkung und Alltagsflucht, Identifikation mit den Charakteren und Handlungen sowie Spannung und Entspannung. Zusätzlich bieten Daily Soaps noch Struktur im Alltag.

Als nächstes wurden Videoplattformen am Beispiel von YouTube thematisiert. Hier bietet sich für den Nutzer die vollkommen selbstbestimmte Rezeption. Man schaltet nicht den Fernseher an und muss halt schauen, was grade kommt, sondern man sucht aktiv nach Videos, die man rezipieren möchte. Inzwischen ist das Repertoire von YouTube so gigantisch groß, dass es auch kaum etwas geben dürfte, zu dem man keinen Videobeitrag auf der Plattform finden kann. YouTube befriedigt also das Bedürfnis nach Selbstbestimmung in der Rezeption, ähnlich wie dies inzwischen Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime bieten. Zusätzlich bietet YouTube auf der anderen Seite Möglichkeiten für den „Normalo“, Videos herzustellen und hochzuladen. So ist inzwischen ein ganz neuer Berufszweig der mittlerweile professionellen YouTuber entstanden.

Das Kino kann streng genommen natürlich nicht als ein Format von Film gelten, da es in diesem Fall eher um das Erleben von Film im Rahmen eines Kinobesuches geht. Doch gerade das Kino wirft heutzutage die große Frage der Existenzberechtigung von solchen Einrichtungen auf, wo doch inzwischen viele Menschen riesig große Fernseher im Wohnzimmer stehen haben. Dass manche Filme allerdings im Kino noch ganz anders wirken können, hat bestimmt jeder schon einmal erlebt. Und was ein Kinobesuch obendrein noch bewirkt ist die Pflege von sozialen Kontakten. Man geht selten alleine ins Kino, sondern trifft sich mit Freunden, um den neuesten Blockbuster auf der großen Leinwand zu sehen.

Krimis sind ein Format, das unterschiedliche Bedürfnisse bedient. Spannung und Nervenkitzel sind ein Beispiel. Viele Menschen genießen Spannung, aber sie ist dennoch angenehmer auf der Couch mitzuerleben, wenn man selber in Sicherheit ist, als im wahren Leben. Außerdem definieren Krimis immer wieder aufs Neue was gut und was böse ist. Sie bedienen unser Verlangen nach Gerechtigkeit, wenn am Ende der Sendung das Gute über das Böse siegt.

Die vielen Fernsehshows, die das deutsche Fernsehen heutzutage bietet, richten sich nach den unterschiedlichsten Neigungen. Reality-Formate zum Beispiel wecken die Neugierde und den versteckten Voyeurismus im Zuschauer. Quiz- und Game-Shows lassen die Zuschauer mitfiebern und ihr eigenes Wissen testen, was wiederum Spannung erzeugt. Die meisten Shows unterhalten auch schlicht und einfach und tragen zur Entspannung, Ablenkung und Zerstreuung bei. Sie können aber auch der sozialen Orientierung dienen. Wenn ich sehe, was Menschen wie du und ich im Fernsehen machen, wie sie sich geben oder was sie leisten, dann kann ich mich selber ebenfalls positionieren.

Zu guter Letzt sind informative oder bildende Formate eher schnell einzuordnen, da sie von vornherein klarmachen, welches Bedürfnis sie befriedigen wollen: Das nach kognitivem Input. Der Mensch will dazulernen, er will sich weiterbilden und informiert sein. Dazu kann er die Nachrichten anschalten, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben oder er kann spezielle Dokumentationen oder Reportagen zu Themen sehen, die ihn interessieren oder in denen er sein Wissen vertiefen will. Die Nachrichten erfüllen außerdem den eingangs genannten Zweck der Strukturierung des Alltags. Das Abendprogramm vieler Deutschen richtet sich nach der „Tagesschau“ um 20 Uhr.

Was alle verschiedenen Formate gemeinsam haben ist, dass sie das Verlangen nach sozialer Akzeptanz und Integration bedienen können. Da sich unser Leben inzwischen zum großen Teil um das bewegte Bild dreht, findet man in diesem Themenbereich häufig Berührungspunkte und somit Gesprächsthemen. Denn so entspannend es auch sein kann, abends gemütlich einen Grey’s Anatomy-Marathon zu machen, es macht mindestens genauso viel Spaß, am nächsten Tag mit der Freundin über die neueste Folge zu quatschen.

Fotos: flickr.com/popturf.com (CC BY 2.0); flickr.com/Ted Eytan (CC BY-SA 2.0)

Bildungsfernsehen – „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“

von Ricarda Dietrich

„Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen“ (§11.1 aus dem Rundfunkstaatsvertrag).

Der Rundfunkstaatsvertrag beinhaltet für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland einen Bildungsauftrag. Das heißt, dass den Zuschauern ermöglicht werden muss, sich durch das Programm der Sender weiterbilden zu können. Private Sender hingegen sind gesetzlich nur dazu verpflichtet, inhaltliche Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitige Achtung zu bieten. All diese Dinge müssen natürlich auch von den öffentlich-rechtlichen Sendern geleistet werden, diese unterliegen jedoch, da sie nicht vorrangig durch Werbung, sondern hauptsächlich durch den Staat und die Rundfunkgebühren der Bürger finanziert werden, einer größeren Zahl an gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben. Was senden sie also, um den Bildungsauftrag zu erfüllen?

Der Deutsche ist ein Gewohnheitstier

Als erstes kommen natürlich die Nachrichtensendungen in den Sinn. Liebling der Deutschen ist hier ganz klar die „Tagesschau“, die bis zu 23 Mal am Tag auf dem Ersten und   einigen der dritten Programme ausgestrahlt wird. Die Hauptsendung um 20 Uhr schalteten im Jahr 2014 im Schnitt 8,95 Millionen Menschen ein. In den 1990er versuchten RTL und ProSieben, ihr Abendprogramm statt um 20.15 Uhr, also nach der Tagesschau, schon um 20.00 Uhr zu beginnen. Beide Sender kehrten schnell wieder zu dem alten Modell zurück. Die „Tagesschau“ um 20.00 Uhr ist schlichtweg Gewohnheit für viele Menschen in Deutschland. Wenn man umfassend informiert sein will, dann schaltet man um 20 Uhr aufs Erste. Auch die immer wieder aufkeimende Kritik an der zu dichten und komplizierten Sprache der Sprecher oder dem Fakt, dass sie die Nachrichten nur ablesen und nicht selber geschrieben haben, wie das bei den Kollegen im ZDF der Fall ist, ändert daran nichts. Und selbst wenn Sat1 um 19.55 Uhr oder RTL II ebenfalls um 20.00 Uhr ihre Nachrichten senden, kommen sie nicht an den seriösen Ruf der „Tagesschau“ heran. So schreibt die „Tagesschau“, zurecht könnte man meinen, auf ihrer Internetseite über sich selber, dass sie „Deutschlands älteste, bekannteste und erfolgreichste Nachrichtensendung“ sei.

ZDFzoom, ZDFzeit & Co.

Weitere Formate, die bilden sollen, sind die Fernsehreportage oder die Dokumentation. Studiert man das Fernsehprogramm der ARD, so findet man diese Formate unter der Woche nicht vor 20.00 Uhr. Am Wochenende tauchen sie auch schon mal im Vorabendprogramm auf, wenn die Polizeiserien oder Telenovelas Pause machen. Unter der Woche allerdings kommt es dann erstaunlich häufig vor, dass grade das ZDF Dokus oder Reportagen zu aktuellen Themen in der Primetime sendet. Diese betreffen zu so prominenter Sendezeit wie 20.15 Uhr häufig aktuelle Themen, wie momentan zum Beispiel die Flüchtlingsproblematik. Andere Themen dieser Formate, die gerne auch zu später Stunde noch gesendet werden, sind zum Beispiel Reisen, Geschichte oder Natur. Auch viele gesellschaftliche Porträts werden gezeigt, in denen zum Beispiel Menschen in außergewöhnlichen Situationen oder mit interessanten Lebensgeschichten begleitet werden. Reportagen und Dokumentationen sind Formate, die meist vom Zuschauer aktiv zur Rezeption ausgewählt werden. Man zappt nicht einfach so in eine Doku rein und lässt sich dann berieseln, sondern man setzt sich mit dem Thema auseinander und muss auch bereit sein, neue Information aufzunehmen. Daher sind die häufig späten Sendezeiten keine Hilfe für das Format. Die Ausstrahlung zur Primetime allerdings hilft mit Sicherheit, Menschen gerade mit aktuellen Themen zu erreichen.

Abgeschoben ins Nachtprogramm

4935150299_479069ed1d_zDes Weiteren senden die öffentlich-rechtlichen Sender Polit- und Kulturmagazine. „Titel, Thesen,Temperamente“ ist ein solches Magazin im Ersten. Es beschäftigt sich mit verschiedenen aktuellen Themen, die meist auch aus dem Bereich Kultur kommen. Allerdings ist auch hier wieder das Problem, dass die Sendezeit regulär sonntags ab 23.00 Uhr ist.

Das Problem der ungünstigen Sendezeit haben auch Polittalks. „Hart aber fair“ in der ARD ist eine der wenigen Ausnahmen, die schon um 21.00 Uhr gesendet wird. „Menschen bei Maischberger“, „Markus Lanz“ oder „Anne Will“ werden dagegen frühestens ab 22.00 Uhr gesendet. Daran, dass regelmäßig andere Medien am nächsten Tag von den Ereignissen und Ergebnissen der Gesprächrunden berichten, kann man ihre gesellschaftliche Relevanz deutlich erkennen. Dennoch wird ihnen kein günstigerer Sendeplatz zuteil.

Themensender als Lösung

Diese Problematik rührt daher, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender sich inzwischen anhand von Quoten mit den privaten Sendern messen müssen. Bildungsangebote erzielen keine hohen Einschaltquoten. Kritiker bezeichnen die Öffentlich-rechtlichen daher auch als „Lückenbüßer“, die alles senden, was auf den privaten Sendern nicht angeboten wird. Und das sind auch Nischenprogramme, die nicht die gleichen Quoten erzielen wie Unterhaltung oder Sport. Die öffentlich-rechtlichen Sender wehren sich natürlich gegen ein solches Image und versuchen, ihr Programm für die breite Zuschauermasse trotzdem so attraktiv wie möglich zu gestalten. Sie tun dies vermehrt mit ihren Themensendern. Indem sie Sender wie „einsfestival“, „zdfinfo“ oder „zdfkultur“ eingerichtet haben, haben sie Plattformen, um Nischenprogramme zu senden. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, auf ihrem Hauptsender mit Hilfe eines attraktiven Programms hohe Zuschauerquoten zu erzielen. Das Problem an diesen Spezial-Sendern ist nur, dass sie zum großen Teil nicht bekannt genug sind. Der Frauensender „sixx“ oder der auf Männer zugeschnittene Sender „DMAX“ haben dieses Problem nicht, da massiv für sie geworben wird.

Die Möglichkeit, sich durch das Fernsehen (weiter-) zu bilden ist also durchaus gegeben. Man muss sich allerdings gut auskennen und gezielt Sendungen auch zu ungewöhnlichen Zeiten einschalten. Wer nach Bildungsfernsehen sucht, sollte sich nachmittags allerdings eher vom Fernseher fernhalten. Das Nachmittagsprogramm auf den meisten Sender trägt nämlich nur bedingt zur Bildung bei…

Fotos: flickr.com/Marcus Sümnick (CC BY-SA 2.0); flickr.com/Michael (CC BY-ND 2.0)

Fernsehshows – „Top, die Wette gilt.“

von Ricarda Dietrich

3946869891_ba85cf97bc_zNachdem wir uns zuletzt Reality-Show angesehen haben, sollen nun auch andere Formen des Unterhaltungsfernsehens unter die Lupe genommen werden. Und die Auswahl ist groß: Der Zuschauer hat die Wahl zwischen Casting-, Quiz-, Ranking-, Talk- und Samstagabend-Shows. Diese Unterhaltungssendungen erreichen schon seit einigen Jahren die höchsten Einschaltquoten der Sender. Ein Wunder, dass dazwischen überhaupt noch Zeit ist, mal einen Film zu senden.

Warum nutzen Zuschauer diese Unterhaltungsangebote? Zum einen kommt wieder der schon häufig genannte Eskapismus ins Spiel. Fernsehen bietet Zerstreuung und Entspannung, man kann der Monotonie des Alltags entfliehen und Körper und Gedanken zur Ruhe kommen lassen. Welcher Nutzenaspekt allerdings genau daraus gezogen wird, entscheidet jeder selber. Schaut man einmal genauer auf die verschiedenen Shows im Fernsehen, so lassen sich jedoch, abgesehen von Entspannung und Eskapismus, durchaus weitere Motive für die Rezeption erkennen.

Mit Günther Jauch zu der Millionen

Um die Jahrtausendwende brach eine regelrechte Welle von Quizshows über Deutschland herein. Auslöser dafür war die 1999 erstmals ausgestrahlte Show „Wer wird Millionär?“. Das Quizshow-Format, das aus Großbritannien nach Deutschland kam, erfreute sich von Beginn an großer Begeisterung und sorgte dafür, dass weitere Shows dieses Formats entstanden. Zwar wird „Wer wird Millionär?“ inzwischen nur noch montags, und nicht mehr, wie in den ersten Jahren, montags, freitags und sogar samstags ausgestrahlt, doch als in der Show vom 07. Dezember 2015 ein Student die Millionenfrage richtig beantwortete, wurde wieder in allen denkbaren Medien darüber berichtet. Quizshows sind und bleiben ein beliebtes Format. Warum? Neben der Unterhaltung besteht bei diesem Format die Möglichkeit, sich Wissen anzueignen. Der Zuschauer liest die Fragen und Antworten gemeinsam mit dem Kandidaten und überlegt sich selber, welche die richtige Lösung sein könnte. Er fiebert und rätselt mit, kann somit sein Allgemeinwissen erweitern und hat außerdem noch spannende 45 Minuten erlebt. Zudem kommt bei „Wer wird Millionär?“ noch hinzu, dass Günther Jauch ein Moderator ist, der beim Publikum und den Zuschauern daheim sehr gut ankommt. Die Show lebt neben den Fragen und dem Gewinn auch von seinen Unterhaltungen mit den Kandidaten oder dem Publikum.

Gegen Stefan Raab zu Ruhm und Ehre (und einer halben Million)

Ein Show-Format, das schon seit den 60er Jahren sehr beliebt war, sind die Samstagabend-Shows. Diese bestanden aus Spielelementen, Musikauftritten und Studiogästen. Zu Zeiten, als es noch nicht allzu viele andere Unterhaltungsangebote gab, waren diese Shows regelrechte Straßenfeger: Jeder saß mit der Familie am Samstagabend vor dem Fernseher, sofern einer vorhanden war. „Wetten, dass…?“ ist eine solche Show, die sich verhältnismäßig lange gehalten hat, da sie sich immer wieder den neuen Begebenheiten angepasst hat. Auch in meiner Kindheit war es noch üblich, den Samstagabend mit den Eltern und Thomas Gottschalk zu verbringen.

„Schlag den Raab“ wäre ein (grade noch) aktuelles Beispiel für eine solche Samstagabend-Show der heutigen Zeit. Auch in diesen Shows hat natürlich der Moderator einen großen Einfluss auf den Erfolg der Show. So ist Stefan Raab durchaus beliebt beim deutschen Publikum und viele werden samstagsabends einschalten, um zu sehen, ob es mal wieder einen Kandidaten gibt, der Raab schlagen kann (was übrigens in 70% der Duelle nicht der Fall ist). So vereinen Samstagabend-Shows den Unterhaltungsaspekt mit dem sozialen Erleben in der Familie, mit Freunden oder auch im Gespräch am nächsten Montag auf der Arbeit.

Mit Heidi Klum auf den Laufsteg

5962933795_d3769fbc25_zAls Fernsehzuschauer in Deutschland kann man sich Casting-Shows heutzutage kaum noch entziehen. Auslöser war dafür im Jahr 2000 „Popstars“. Dicht gefolgt von „Deutschland sucht den Superstar“ hat es uns heute bis zu „The Voice of Germany“ und, über die Musik hinaus, zu „Germany’s next Topmodel“ und dem „Supertalent“ geführt. Während die Gewinner der ersten Staffeln dieser Formate teilweise tatsächlich erfolgreich sind bis zum heutigen Tage, hört man von Gewinnerin Nummer sieben von „Germany’s next Topmodel“ nur noch sehr wenig. Mit wechselnden Bedingungen und kleinen Veränderungen im Format oder der Jury versucht man, die Zuschauerschaft immer noch zu binden, doch nach zehn Jahren sind die meisten Shows schlichtweg uninteressant geworden. Dass wir uns ihnen dennoch ab und an zuwenden liegt am gleichen Prinzip, das auch Serien nutzen: haben wir einmal angefangen zu schauen, wollen wir auch wissen, wer weiter kommt.

Bei „Deutschland sucht den Superstar“ spielt noch ein anderer Aspekt eine Rolle: bekannterweise ist das vermeintliche Gesangstalent der Teilnehmer inzwischen unterdurchschnittlich schlecht, aber genau das macht den Reiz aus. Wir sitzen auf dem Sofa, schämen uns manchmal ein bisschen fremd und rufen „Da kann ja sogar ich noch besser singen!“. Hinzu kommen die gemeinen Kommentare von Dieter Bohlen und die Unterhaltung ist perfekt. Die Kandidaten geben uns ein höheres Selbstwertgefühl, „Besser als die sind wir allemal dran.“ So könnte man an dieser Stelle wieder den Bogen zu Reality-Shows schlagen und gewisse Ähnlichkeiten zu „Deutschland sucht den Superstar“ feststellen. Die Gründe der Zuwendung sind auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit.

Mit Joko und Klaas in die Zukunft

Aber wer die Ereignisse der deutschen Fernsehlandschaft etwas verfolgt, der weiß: „Wetten, dass…?“ gibt es nicht mehr, Stefan Raab beendet in wenigen Wochen seine TV-Karriere und Günther Jauch hat seinen Exkurs in die Talkshow-Welt auch recht schnell wieder beendet. Sind diese Show-Formate also zum Scheitern verurteilt? Nicht zwangsläufig. Die Formate müssen in Bewegung bleiben und sich verändern. „Wetten, dass…?“ lief immerhin über 30 Jahre ziemlich erfolgreich. Irgendwann ist dann halt auch mal gut. Manchmal muss Platz gemacht werden für neue Formate. Joko und Klaas, zum Beispiel, werden seit einigen Jahren als die nächste Generation gehandelt, die genau diese neuen Formate einführt, die wieder die Menschen vor den Fernseher bringen. Durch das Internet und Streaming-Dienste hat das Fernsehen natürlich eine große Konkurrenz bekommen. Daher bleibt also nur zu hoffen, dass es noch mehr Leute wie Joko und Klaas gibt, die es schaffen, mit verrückten und frischen Ideen die Leute wieder zu begeistern.

Fotos: flickr.com/Mark Michaelis (CC BY 2.0); flickr.com/Admiralspalast Berlin (CC BY-ND 2.0); flickr.com/Nadja Amireh (CC BY-SA 2.0)

Mehr als nur Zombies – die Erfolgsformel von TWD

Von Philipp Mang

Der Streifzug durch das transmediale Universum hat es gezeigt: Egal in welchem Medium – The Walking Dead begeistert die Massen. So hat die Comicreihe in den Staaten beispielsweise längst Kultstatus erreicht, während die Fernsehserie größeren Networkformaten in Sachen Einschaltquoten immer häufiger den Rang abläuft. Auch die Webserien und Videospiele erfreuen sich erstaunlicher Klick- und Downloadzahlen. Warum geht diese crossmediale Vermarktungsstrategie der Verantwortlichen so gut auf? Zeit für ein abschließendes Resümee.

Das Spiel mit den Urängsten

Zunächst einmal verfügt The Walking Dead über ein faszinierendes Ausgangsszenario: Eine Pandemie, die die Weltbevölkerung auszulöschen droht – diese Bedrohung ist wohl nicht erst seit Krankheiten wie der Schweine- oder Vogelgrippe in unseren Köpfen omnipräsent. Ähnlich wie die Charaktere des fiktionalen Universums haben auch wir ständig Angst, die Menschen, die wir lieben, zu verlieren und das Eintauchen in die Zombieapokalypse ist unsere Art mit all den Schrecken in der Welt umzugehen. Kirkman spielt also geschickt mit einer unserer Urängste und reaktiviert gleichzeitig ein Mythos aus der medialen Versenkung, der die Menschen schon seit Anbeginn ihrer Zeit fasziniert: Zombies. Diese untoten Kreaturen treffen aber keinesfalls den Mainstream-Geschmack des Publikums und spielen für die generelle Faszination deshalb nur eine untergeordnete Rolle.

Ein ungewöhnliches Rezeptionserlebnis

Viel entscheidender ist da, da es sich bei hierbei um ein hochgradig ungewöhnliches Franchise handelt. Dies zeigt sich zum einen in dem interessanten Genre-Mix aus Endzeithorror, Neo-Western und Drama. In manchen Momenten ist TWD eine düstere Charakterstudie, die den moralischen Verfall der menschlichen Psyche beleuchtet – Sekunden später eine blutige Seifenoper, in der die Charaktere lügen und Intrigen spinnen. Darüber hinaus zeigt sich die Besonderheit des Franchise aber auch in der exzessiven Darstellung von Gewalt, die insbesondere Jugendschützern ein Dorn im Auge ist, und in der Verhandlung moralischer Dilemmata. Als Clou erweist sich außerdem die kompromisslose Erzählweise. So schrecken die Macher etwa nicht davor zurück, auch beliebte Charaktere umzubringen. All dies hat zur Folge, dass sich Menschen unterschiedlichster Ethnizitäten, Altersgruppen und Bildungsniveaus mit Kirkmans Geschichten identifizieren können. Trotz alledem sei darauf hingewiesen, dass Medienrezeption ein unheimlich vielschichtiger Prozess ist. Warum ein Rezipient ein bestimmtes mediales Angebot konsumiert kann von unterschiedlichsten Faktoren abhängen. Die oben vorgestellten Gründe sollten deshalb lediglich als erste Ansatzpunkte dafür betrachtet werden, warum TWD so viele Menschen fasziniert.

Transmediales Storytelling in Perfektion

Auch die clevere Konstruktion des transmedialen Universums als Non-Finito Erzählung trägt ihren Teil zum Folg des Franchise bei. Zahlreiche narrative Leerstellen sorgen hier für eine Aktivierung des Rezipienten, der immer neue Aspekte des Zombie-Kosmos entdecken will. Zwar liefert keiner der einzelnen Beiträge ein so genanntes Origami Unicorn (d.h. einen überraschenden Plottwist), doch jedes Medium spielt, wie von Jenkins gefordert, seine Stärken konsequent aus. So zieht uns der Comic etwa durch seine außergewöhnliche Visualität in den Bann, die TV-Serie erweist sich als äußerst realistisch, wohingegen die Videospiele als einziges Medium eine Interaktion mit der fiktiven Welt erlauben. Die Romane und Webisodes statten das Universum schließlich mit interessanten Hintergrundinformationen aus. Erzählt wird dabei immer eine komplett eigenständige Geschichte. Deshalb kann auch jedes Medienprodukt prinzipiell als Einstieg in Kirkmans Zombie-Universum dienen. Um die Webisodes zu verstehen muss man beispielsweise nicht die Comics gelesen haben und umgekehrt. TWD ist damit fast schon als Paradebeispiel für gelungenes Transmediales Worldbuilding zu bezeichnen.

Das Phänomen geht weiter …

Da überrascht es nicht, dass das Franchise jüngst um weitere Erzählstücke erweitert worden ist. So startete im Sommer dieses Jahres etwa das lang erwartete Spinoff zur Mutterserie Fear auf AMC und sorgte dort für den erfolgreichsten Neustart einer Kabelserie überhaupt. Eine zweite Staffel des Formats ist deshalb bereits längst beschlossene Sache. Fear erzählt in bislang sechs Episoden eine komplett neue Geschichte abseits der Gruppe um Rick, die zeitlich vor den Ereignissen aus TWD angesiedelt ist. Im Mittelpunkt der Serie steht eine Patchworkfamilie, die in der kalifornischen Großstadt L.A. den Ausbruch der Zombie-Apokalypse von Anfang an miterlebt. Doch auch in Sachen Mini-Serie legen die Verantwortlich nach. Um den Fans des Spinoff die Wartezeit auf neue Geschichten zu verkürzen, sollen ab Ende des Jahres 16 knapp einminütige Webisodes auf der Homepage des Senders veröffentlicht werden. Unter dem Titel Flight 462 wird der Zombie-Horror dabei erstmalig an Bord eines Passagierflugzeuges verlegt.

TWD & kein Ende?!

19478267758_73a31d26c3_zEin Ende des apokalyptischen Zombie-Horrors ist also längst noch in Sicht. Ob das Phänomen aber wirklich „unendlich lang weiterlaufen“ wird, wie Produzent David Alpert jüngst in einem Interview verlauten ließ, darf durchaus bezweifelt werden. Tatsächlich wird der Fortbestand von Kirkmans Franchise vor allem davon abhängen, wie schnell sich dessen außergewöhnliche Machart bei den Fans der Reihe abnutzt. Gelingt es den Machern nicht, weiterhin überraschende Wendungen zu konstruieren, wird sich der Hype um die Untoten drastisch abkühlen. Irgendwann ist eben jeder noch so aussichtsreiche Markt einmal übersättigt. Bis es so weit ist, wird aber bereits ein neues Phänomen in den Startlöchern stecken, dass unsere mediale Faszination auf sich zieht.

Fotos: flickr.com/Televisione Streaming (CC BY 2.0), flickr.com/Scott Beale (CC BY-NC-ND 2.0), flickr.com/Ewen Roberts (CC BY 2.0)


Weitere Artikel der Reihe:

Wenn aus apokalyptischem Ernst Spiel wird

Das Serienhäppchen für zwischendurch

Ein multimediales Franchise

Der Hype um die Qualitätsserie

Ethik im Angesicht des Todes

Das transmediale Phänomen „The Walking Dead“

Mythos Zombie

Wenn die Welt untergeht

Gewalt als Attraktion

Michael Stone – die unglückliche Puppe

Von Maya Morlock

„Anomalisa“ erzählt die Geschichte eines erfolgreichen, aber einsamen Buchautors, der durch die Begegnung mit einer wundervollen Frau neuen Lebensmut schöpft. Der gefeierte Stop-Motion Film von Charlie Kaufmann und Duke Johnson(Regie) belegte bereits beim internationalen Filmfestival in Venedig den ersten Platz. Bei uns ist er ab dem 27. Januar 2016 zu sehen.

Von Einsamkeit und dem Lichtschimmer

17178312972_9f01c592a0_zMichael Stone wirkt nicht gerade glücklich: Seine missmutige Miene spricht Bände, die Augen sehen ins Leere und er hat die Tendenz seinen Kopf hängen zu lassen. Der Buchautor, der Ratgeber zur Kundenzufriedenheit in der Servicegesellschaft verfasst, ist geschäftlich zu Gast in Cincinnati in Ohio, um einen Vortag zu halten. Gerade von ihm sollte man meinen, er sei ein offener und kommunikativer Mensch, doch er lebt in der Isolation, in seiner eigenen Blase, durch die niemand einen Draht zu ihm findet. Die Menschen um ihn herum gehen auf ihn zu, unterhalten sich mit ihm, doch er versucht nur das Nötigste zu sprechen. Selbst seinen Sohn wimmelt er am Telefon ab. Doch dann lernt er die schüchterne Lisa im Hotel kennen und für einen kurzen Moment scheint er der Einsamkeit entkommen zu sein…

Viel Herz und eine brillante Technik

Dieser Stop-Motion Film macht seinem Ruf alle Ehre: Die Puppen sind vom Feinsten und die Animationen sind herrlich anzusehen. Auffällig bei den Puppen ist eine Art Naht, die zwischen den Augen und bis zum Ohr verläuft, als sei ein Kopfstück aufgesetzt worden. Es sieht immer ein bisschen so aus, als trage jede Figur eine Brille. Der ästhetische oder inhaltliche Grund wird nicht aufgelöst. Den guten Gesichtsausdrücken und der Wirkung der Figuren tut dies aber keinen Abbruch: Ohne viele Worte erkennt man die Leere in Michaels Mimik und die zurückgezogene Haltung von Lisa entlarvt sofort ihre Schüchternheit im Umgang mit fremden Menschen. Die Stop-Motion-Technik hat es so an sich, dass die Bewegungen etwas unnatürlich und abgehackt aussehen. Wo die neueren Stop-Motion-Techniken, beispielsweise bei Tim Burtons „Corpse Bride“, diese Brüche kaum mehr erkennen lassen, sind sie in diesem Meisterwerk unübersehbar. Die Szenen scheinen bis ins kleinste Detail geplant und auch das Licht wird gut in Szene gesetzt. Auffällig und verwirrend sind die Frauenstimmen: Sie werden alle von demselben Mann gesprochen, der tiefere Sinn entpuppt sich relativ weit am Ende und lässt die Brillanz dieses Films erkennen.

Der Puppenfilm für Erwachsene

Wer nun meint „Puppenfilm“ gleich Kinderfilm liegt bei „Anomalisa“ komplett daneben: Die Geschichte, die aus der Feder des Oscarpreisträgers („Vergiss mein nicht“) Regisseur Charlie Kaufmann, stammt, grübelt über den Sinn des Lebens und die Menschlichkeit. Was macht das Leben lebenswert und wie entkommt man einem tristen Dasein in der Isolation? Gibt es ab einem gewissen Grad überhaupt noch das Glück? Oder ist alles nur ein anfänglicher Schein, der dann wie eine Rauchwolke zu verpuffen droht?

Ein Film mit enorm viel Liebe zum Detail und Spielraum für eigene Interpretationen – Das ist „Anomalisa“.

Fotos: flickr.com/gilles chiroleu (CC BY-NC 2.0), flickr.com/Heinrich Plum (CC BY-ND 2.0)

Reality-Shows – „Ich bin ein Star- holt mich hier raus!“

von Ricarda Dietrich

Was kommt als erstes in den Sinn, wenn das Wort „Reality Show“ fällt? Bei mir war es „Big Brother“. Der Begriff stammt aus dem Roman „1984“ von George Orwell und beschreibt in dem Buch die komplette Überwachung der Gesellschaft durch den „Großen Bruder“. Mithilfe von Videokameras und Mikrofonen wird jeder Schritt, jede Bewegung, jedes Gespräch gesehen und gehört. Privatsphäre ist so nicht mehr existent.

Die gleichnamige Reality-Show greift dieses Konzept auf. Eine Gruppe von Menschen lebt über einen längeren Zeitraum in einem Fernsehstudio, das als Wohnung eingerichtet ist, der so genannte „Container“. Die Bewohner werden dabei permanent von Videokameras und Mikrofonen aufgezeichnet, also rund um die Uhr beobachtet. Für die Zuschauer werden Zusammenfassungen des Tages zusammengeschnitten und täglich ausgestrahlt. Sie haben dann die Möglichkeit, zu wählen, welche Leute im Container bleiben dürfen. Der Kandidat, der am Ende als letztes aus dem Container rausgeworfen wird, hat gewonnen.

Seit die Show im Jahr 2000 zum ersten Mal auf RTL II lief, wurde sie, zurecht, scharf kritisiert. Es wurden mangelnde Privatsphäre und die Zoo-ähnliche „Haltung“ von Menschen angeprangert. Dennoch war dieses Format in den ersten Jahren erstaunlich erfolgreich. Nachdem die erste Staffel bei den Zuschauern sehr gut ankam, bewarben sich für die zweite Staffel 70.000 Menschen, um als Kandidaten in den Container einziehen zu dürfen.

Wie viel Reality steckt wirklich in diesen Formaten?

Was hat dieses Format mit Reality, mit der Wirklichkeit zu tun? Die Menschen werden zwar in einem künstlichen Umfeld zusammengesteckt, doch schauen wir ihnen scheinbar bei alltäglichen Dingen zu, die auch unsere Wirklichkeit ausmachen. Sie müssen, wie auch in der Wirklichkeit, sich morgens Kleidung raussuchen, den Abwasch machen oder staubsaugen. Hinzu kommen bei Big Brother dann noch kleinere Wettbewerbe oder Spiele, um den Tagesablauf etwas interessanter zu gestalten. Die Begriffe „scripted Reality“ oder „performatives Realitätsfernsehen“ kommen hier in den Sinn. Es soll zwar wie die Wirklichkeit aufgezogen sein oder ganz natürlich rüberkommen, aber schlussendlich hat doch ein Produzent seine Finger im Spiel, der Rollen verteilt, Tagesabläufe bestimmt oder Dialogfetzen vorgibt.

Realität als Unterhaltung

Warum schaut der Zuschauer sich ein derartiges Format an? Medienpsychologen und -wissenschaftler haben hierzu Studien durchgeführt und kommen zu folgenden Schlüssen: Reality-Shows bieten, wie jedes andere Unterhaltungsmedium, Ablenkung, die Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag und vor den persönlichen Problemen. Hinzu kommt, dass man den Kandidaten im Container bei alltäglichen Dingen zusieht, die man auch tag ein, tag aus verrichtet. Es ist also eine deutlich stärkere Identifizierung mit den Protagonisten möglich als zum Beispiel mit jemandem, der den amerikanischen Präsidenten oder einen Kommissar in einer Fernsehserie spielt. Charaktere in Reality-Shows sind auch nur Menschen wie du und ich.

Diese Darstellung von „normalen“ Menschen in Alltagssituationen bietet dem Zuschauer außerdem die Möglichkeit des Abgleiches mit der eigenen Lebensrealität. Man kann sich sozial orientieren und einordnen. Zudem bieten Shows mit einem derartigen Sensationscharakter einen hohen sozialen Nutzen: sie bieten Gesprächsstoff im Alltag und können somit auf die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen verstärken.

Doch obwohl „Big Brother“ zwar 2015 in einer neuen Staffel wieder auf Sixx läuft, hat die Show trotz all der genannten Argumente nach anfänglichem Erfolg schnell an Beliebtheit verloren. Das mag daran liegen, dass sie dann halt doch nur das normale, und somit auch manchmal langweilige Leben der Kandidaten im Container darstellt. Was das Drama angeht, kann sie somit nicht mit den beliebten Daily Soaps mithalten. Zudem wird der Show auf der anderen Seite immer wieder mangelnde Authentizität vorgeworfen, da sich die Kandidaten doch in einer sehr unnatürlichen Situation wiederfinden.

Jenseits von „Big Brother“

2500417744_b3a730dd8a_zInzwischen erfreuen sich andere Formate großer Beliebtheit, die auch in dem Bereich der Reality-Formate angesiedelt sind. Beispiele hierfür sind Sendungen wir „Bauer sucht Frau“, „Das perfekte Dinner“ oder „Familien im Brennpunkt“. Diese Art von Shows machten 2012 38% der Sendezeit auf RTL aus. Eine Mischung aus Schadenfreude, Voyeurismus und Alltagshilfe bringt viele Menschen dazu, täglich diese Sendungen anzuschauen. Man hat das Gefühl, man schaut den Menschen von nebenan zu, manchmal kann man sich wertvolle Koch- oder Einrichtungstipps holen und manche Sendungen geben uns die Hoffnung auf die wahre Liebe zurück. Auf der anderen Seite sitzt man aber auch auf seiner Couch und kann sich gut fühlen, dass man selber nicht so viele Schulden oder eine so komplizierte Familie hat. Ein Gefühl der Erhabenheit über die Teilnehmer solcher Shows stellt sich sicherlich auch bei dem einen oder anderen ein.

Ein weiteres Highlight für Menschen mit einer voyeueristischen Vorliebe ist das Dschungelcamp „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“. Die Medien prägten vor einiger Zeit für genau solche Beispiele den Begriff des „Ekelfernsehens“. Wir schauen gerne anderen Menschen dabei zu, wie sie in Kakerlaken baden oder Tierhoden essen müssen, weil es uns unterhält. Wir ekeln uns, sind aber selber in Sicherheit. Und während der eine kopfschüttelnd weiterzappt, findet der andere es lustig, wenn sich so genannte „Promis“ durch den Dschungel schlagen. Denn auch beim Fernsehen gilt: Geschmäcker sind eben verschieden.

Fotos: flickr.com/Danny Mekic‘ (CC BY-ND 2.0); flickr.com/themonnie (CC BY-SA 2.0)