Bildungsfernsehen – „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“
von Ricarda Dietrich
„Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen“ (§11.1 aus dem Rundfunkstaatsvertrag).
Der Rundfunkstaatsvertrag beinhaltet für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland einen Bildungsauftrag. Das heißt, dass den Zuschauern ermöglicht werden muss, sich durch das Programm der Sender weiterbilden zu können. Private Sender hingegen sind gesetzlich nur dazu verpflichtet, inhaltliche Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitige Achtung zu bieten. All diese Dinge müssen natürlich auch von den öffentlich-rechtlichen Sendern geleistet werden, diese unterliegen jedoch, da sie nicht vorrangig durch Werbung, sondern hauptsächlich durch den Staat und die Rundfunkgebühren der Bürger finanziert werden, einer größeren Zahl an gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben. Was senden sie also, um den Bildungsauftrag zu erfüllen?
Der Deutsche ist ein Gewohnheitstier
Als erstes kommen natürlich die Nachrichtensendungen in den Sinn. Liebling der Deutschen ist hier ganz klar die „Tagesschau“, die bis zu 23 Mal am Tag auf dem Ersten und einigen der dritten Programme ausgestrahlt wird. Die Hauptsendung um 20 Uhr schalteten im Jahr 2014 im Schnitt 8,95 Millionen Menschen ein. In den 1990er versuchten RTL und ProSieben, ihr Abendprogramm statt um 20.15 Uhr, also nach der Tagesschau, schon um 20.00 Uhr zu beginnen. Beide Sender kehrten schnell wieder zu dem alten Modell zurück. Die „Tagesschau“ um 20.00 Uhr ist schlichtweg Gewohnheit für viele Menschen in Deutschland. Wenn man umfassend informiert sein will, dann schaltet man um 20 Uhr aufs Erste. Auch die immer wieder aufkeimende Kritik an der zu dichten und komplizierten Sprache der Sprecher oder dem Fakt, dass sie die Nachrichten nur ablesen und nicht selber geschrieben haben, wie das bei den Kollegen im ZDF der Fall ist, ändert daran nichts. Und selbst wenn Sat1 um 19.55 Uhr oder RTL II ebenfalls um 20.00 Uhr ihre Nachrichten senden, kommen sie nicht an den seriösen Ruf der „Tagesschau“ heran. So schreibt die „Tagesschau“, zurecht könnte man meinen, auf ihrer Internetseite über sich selber, dass sie „Deutschlands älteste, bekannteste und erfolgreichste Nachrichtensendung“ sei.
ZDFzoom, ZDFzeit & Co.
Weitere Formate, die bilden sollen, sind die Fernsehreportage oder die Dokumentation. Studiert man das Fernsehprogramm der ARD, so findet man diese Formate unter der Woche nicht vor 20.00 Uhr. Am Wochenende tauchen sie auch schon mal im Vorabendprogramm auf, wenn die Polizeiserien oder Telenovelas Pause machen. Unter der Woche allerdings kommt es dann erstaunlich häufig vor, dass grade das ZDF Dokus oder Reportagen zu aktuellen Themen in der Primetime sendet. Diese betreffen zu so prominenter Sendezeit wie 20.15 Uhr häufig aktuelle Themen, wie momentan zum Beispiel die Flüchtlingsproblematik. Andere Themen dieser Formate, die gerne auch zu später Stunde noch gesendet werden, sind zum Beispiel Reisen, Geschichte oder Natur. Auch viele gesellschaftliche Porträts werden gezeigt, in denen zum Beispiel Menschen in außergewöhnlichen Situationen oder mit interessanten Lebensgeschichten begleitet werden. Reportagen und Dokumentationen sind Formate, die meist vom Zuschauer aktiv zur Rezeption ausgewählt werden. Man zappt nicht einfach so in eine Doku rein und lässt sich dann berieseln, sondern man setzt sich mit dem Thema auseinander und muss auch bereit sein, neue Information aufzunehmen. Daher sind die häufig späten Sendezeiten keine Hilfe für das Format. Die Ausstrahlung zur Primetime allerdings hilft mit Sicherheit, Menschen gerade mit aktuellen Themen zu erreichen.
Abgeschoben ins Nachtprogramm
Des Weiteren senden die öffentlich-rechtlichen Sender Polit- und Kulturmagazine. „Titel, Thesen,Temperamente“ ist ein solches Magazin im Ersten. Es beschäftigt sich mit verschiedenen aktuellen Themen, die meist auch aus dem Bereich Kultur kommen. Allerdings ist auch hier wieder das Problem, dass die Sendezeit regulär sonntags ab 23.00 Uhr ist.
Das Problem der ungünstigen Sendezeit haben auch Polittalks. „Hart aber fair“ in der ARD ist eine der wenigen Ausnahmen, die schon um 21.00 Uhr gesendet wird. „Menschen bei Maischberger“, „Markus Lanz“ oder „Anne Will“ werden dagegen frühestens ab 22.00 Uhr gesendet. Daran, dass regelmäßig andere Medien am nächsten Tag von den Ereignissen und Ergebnissen der Gesprächrunden berichten, kann man ihre gesellschaftliche Relevanz deutlich erkennen. Dennoch wird ihnen kein günstigerer Sendeplatz zuteil.
Themensender als Lösung
Diese Problematik rührt daher, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender sich inzwischen anhand von Quoten mit den privaten Sendern messen müssen. Bildungsangebote erzielen keine hohen Einschaltquoten. Kritiker bezeichnen die Öffentlich-rechtlichen daher auch als „Lückenbüßer“, die alles senden, was auf den privaten Sendern nicht angeboten wird. Und das sind auch Nischenprogramme, die nicht die gleichen Quoten erzielen wie Unterhaltung oder Sport. Die öffentlich-rechtlichen Sender wehren sich natürlich gegen ein solches Image und versuchen, ihr Programm für die breite Zuschauermasse trotzdem so attraktiv wie möglich zu gestalten. Sie tun dies vermehrt mit ihren Themensendern. Indem sie Sender wie „einsfestival“, „zdfinfo“ oder „zdfkultur“ eingerichtet haben, haben sie Plattformen, um Nischenprogramme zu senden. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, auf ihrem Hauptsender mit Hilfe eines attraktiven Programms hohe Zuschauerquoten zu erzielen. Das Problem an diesen Spezial-Sendern ist nur, dass sie zum großen Teil nicht bekannt genug sind. Der Frauensender „sixx“ oder der auf Männer zugeschnittene Sender „DMAX“ haben dieses Problem nicht, da massiv für sie geworben wird.
Die Möglichkeit, sich durch das Fernsehen (weiter-) zu bilden ist also durchaus gegeben. Man muss sich allerdings gut auskennen und gezielt Sendungen auch zu ungewöhnlichen Zeiten einschalten. Wer nach Bildungsfernsehen sucht, sollte sich nachmittags allerdings eher vom Fernseher fernhalten. Das Nachmittagsprogramm auf den meisten Sender trägt nämlich nur bedingt zur Bildung bei…
Fotos: flickr.com/Marcus Sümnick (CC BY-SA 2.0); flickr.com/Michael (CC BY-ND 2.0)