Bild: Vivien Karcz

Frauen werden, was sie sehen – Toxische Frauenbilder in den Medien

Von Vivien Karcz

Medien sind nicht nur Schauplatz für Gendermodelle und Verhaltensnormen, sie erzeugen auch kontinuierlich Vorstellungen von Weiblichkeit. Viele Frauen orientieren sich an diesen toxischen Idealen und lassen sich in die medial vorgeschriebene Frauenrolle drängen. Das Bewusstsein über die Stereotypenbildung der Medien und das damit verbundene toxische Frauenbild ist demnach unausweichlich für die voranschreitende Gleichberechtigung der Geschlechter.

„Wieso hast du denn noch keinen Ehemann und Kinder?“ „Wie kannst du deinen Mann so auf die Straße lassen?“ „Als Frau musst du kochen und nähen können!“ Nach wie vor läuft die Entwicklung zur völligen Gleichberechtigung schleppend. Ein Grund dafür sind vor allem die Medien und deren konstruierten Geschlechterideale, die toxische Frauenbilder formen und fördern. Die durch die Massenmedien evozierte Wirklichkeitskonstruktion hat starke Auswirkungen auf die Selbstinszenierung der Nutzer*innen und die Gesellschaft. Um diese gefährliche Entwicklung zu verstehen und ihr entgegenzuwirken, ist es wichtig den Blick auf diverse Medien, wie zum Beispiel Filme und Social-Media-Plattformen, zu lenken.

Die Frau als Konstrukt der Medien

Massenmedien verbreiten tagtäglich Darstellungen von Frauen, die daraufhin rezipiert und verinnerlicht werden. Doch vielen ist nicht bewusst, dass die Frau, wie sie in den Medien dargestellt wird, ein Konstrukt ist. Sie entspringt den Köpfen derjenigen, die Nachrichten verfassen, Werbung konzipieren und Regie führen. Allerdings ist heutzutage jede*r in der Lage, zu entscheiden, was gezeigt und geklickt wird. Die mediale Öffentlichkeit und unsere Kultur stehen in Wechselwirkung miteinander, sodass Darstellungen und Nachrichten immer kulturspezifische Produkte darstellen. Es wird zunehmend unübersichtlicher, welche Veröffentlichungen professionell sind. Somit sind Medien der Spiegel der Gesellschaft und unterstützen die Verbreitung eines idealen Frauenbildes sowohl bewusst, als auch unbewusst.

Mediale Inhalte schreiben Frauen vor, wie sie sein sollen. Bild: Pixabay.

Bilder und Berichte wirken im digitalen Zeitalter vermehrt vermeintlich realistisch und objektiv, obwohl sie nur einen Ausschnitt der Realität zeigen. In Wirklichkeit ist nicht überschaubar, was in den Medien zuverlässige Quellen sind. Die Grenzen zwischen reiner Stereotypenbildung und der Realität verwischen immer mehr. So ist auch der Blick auf die Frau subjektiv und die „ideale Frau“ eine mediale Entstehung aus individuellen Idealen.

Schubladen im Kopf: Ein toxisches Frauenbild

Kann es nicht normalisiert werden, als Frau unverheiratet zu sein und die eigene Karriere zu verfolgen? Die Medien definieren, wie eine Frau sein soll und was als Abweichung dessen gilt. Sie schreiben diskursiv geregelte Rollenmuster und Verhaltensnormen fest und bestimmen somit was als „normal“ angesehen wird. Damit einher geht der beständige Anspruch, beurteilen zu können, was „echte“ Weiblichkeit ausmacht.

Der männliche Blick auf die Frau in den Massenmedien ist nach wie vor dominierend. Bild: Pixabay.

Aufgrund erkennbarer Geschlechterzugehörigkeit in Filmen, digitalen und analogen Darstellungen von Frauen wird Weiblichkeit konstruiert und bestimmte Eigenschaften werden ihr zugewiesen. Durch Filme wie „Plötzlich Prinzessin“ oder Serien wie „Desperate Housewives“ entsteht das toxische Klischee, jede Frau müsse einen erfolgreichen Mann an ihrer Seite haben, um glücklich zu sein oder eine Familie und einen Haushalt mit Kindern als Lebensziel anstreben. Denn der Blick auf die Frau ist nach wie vor größtenteils männlich. Daran schuld ist der weiterhin mangelnde Frauenanteil in den Führungsetagen der Massenmedien. Die männliche Sichtweise und ihr  Umgang mit dem Geschlecht als Kategorie ist ausschlaggebend. Dennoch sind es nicht nur Männer, die Stereotype weitertragen. Zahlreiche Filme und Publikationen von Frauen weisen den Geschlechtern stereotypische Rollen zu und auch weibliche Nutzer promoten diese. So entsteht eine bestimmte Denkstruk­tur, die sich im Alltag und in den Medien durch-setzt. Der Mann wird gleichgesetzt mit dem „Kopf“ und die Frau steht für „Körper“ und „Irrationalität“. Nichtsdestotrotz fühlen sich einige Frauen in der stereotypischen „Weiblichkeit“ wohl. So werden Frauen in Filmen und anderen Massenmedien vermehrt als untergeordnet, jung, naiv und hilfsbereit präsentiert.

Wie Stereotype von „Weiblichkeit“ auf Frauen wirken

Wir alle sind Gesellschaftswesen und streben nach Zugehörigkeit und Respekt. Sei es von Freund*innen oder online, indem man die Zahl der Likes unter den eigenen Fotos nach oben schießen sieht. Dabei nehmen die Medien heutzutage die Rolle einer Orientierungsinstanz ein. Gerade Konsumenten*innen, die sich in der Geschlechteridentitäsentwicklung befinden, sind anfälliger, sich an toxischen Frauenbildern zu orientieren. Doch auch viele andere Nutzer*innen von Online-Netzwerken und Massenmedien lassen sich kontinuierlich von Frauenidealen beeinflussen. Die gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion hat somit große Auswirkungen auf die Selbstinszenierung und das Selbstwertgefühl vieler Frauen.

Der Einfluss der Medien auf die Selbstdarstellung und Wahrnehmung. Bild: Pixabay.

Als Konsequenz der Nachahmung kann eine geringe Zufriedenheit und ein mangelndes Selbstwertgefühl bei zahlreichen Mädchen und Frauen nachgewiesen werden. Sie bekommen das Gefühl vermittelt nicht genauso viel wert zu sein, wie zum Beispiel eine perfekt inszenierte Frau im Film, die im selben Alter bereits mit ihrem wohlhabenden Geschäftsmann sesshaft ist. Hattet ihr nicht auch schon öfter das Bedürfnis, so gut auszusehen und glücklich zu sein wie die Frauen in den Medien?

Heutzutage werden Frauen regelrecht dazu gedrängt sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, um in eine fiktive Realität zu passen. Es verringern sich die Chancen auf ein autonomes Leben, in dem es möglich wäre sich selbst zu entdecken und seine eigenen Werte und Ziele zu bestimmen. Die Folgen des toxischen Frauenbildes in den Medien und der dadurch gesellschaftlich und medial konstruierte Druck auf die Frauen sind enorm.

Frauenbilder nicht mehr bestätigen

Wie schon erwähnt entspricht das, was wir in den Medien sehen, selten der Realität, sondern vielmehr ist es ein Marketingmittel. Die Medien sind vollgepumpt mit Werbeanzeigen und fast jeder zweite Post verfolgt den Zweck, seine Nutzer*innen zu Profitzwecken unterbewusst zu beeinflussen. So sind Vorstellungen eines essentiellen Geschlechts wahrer Weiblichkeit als Teil von Strategien produziert, nicht bereits natürlich gegeben. Deshalb ist es besonders wichtig, sich in unserem digitalen Zeitalter seiner eigenen Ziele und Rolle, unabhängig von den Medien, bewusst zu machen und diese zu reflektieren.

Bildkonzepte in den Medien inszenieren und stabilisieren jedoch nicht nur geregelte Rollenmuster und Verhaltensnormen für Frauen, sondern auch für männliche Nutzer. Die toxische Femininität und toxische Maskulinität sind zwei Seiten derselben Medaille. Um der Gleichberechtigung näher zu rücken, müssen beide Seiten ihre Heteronormativität durchbrechen und aufhören, sich gegenseitig in ihren „schlimmsten“ Eigenschaften zu beschränken. Ebendarum ist der Weg zur völligen Egalität der Geschlechter ein schwer zu durchbrechender Kreislauf, wenn nicht sogar ein Teufelskreis.

Dennoch gibt es immer mehr Filme und Serien, die die traditionelle binäre Geschlechterordnung aufbrechen, indem Frauen zu Hauptfiguren werden, an Handlungsmacht gewinnen und als autonom abgebildet werden. In vielen Publikationen und Filmen wird das Geschlecht zunehmend als Non-Binarität anerkannt. Das Geschlecht als Konstrukt wird in Frage gestellt und die Differenzierung zwischen „sex“ und „gender“ wird aufgegriffen. Das biologische Geschlecht „sex“ umfasst dabei die genetischen Merkmale des Geschlechts, wobei sich der Begriff „gender“ auf das sozial konstruierte Geschlecht bezieht. Nicht alle Menschen, die sozial als Mann oder Frau definiert werden, sind biologisch männlich oder weiblich.

Schlussendlich steht ein Bewusstsein über die realitätsfremde Konstruktion von Frauenbildern in den Massenmedien grundlegend für die Gleichstellung von Mann und Frau. Des Weiteren ist eine Reflexionskompetenz bei der Mediennutzung hilfreich. So kann der Einfluss der Medien abgeschätzt werden und Nutzer*innen können die unterbewusste Beeinflussung durch toxische Geschlechterideale reduzieren. Erst dann ist es möglich, sich in den Medien autonom zu bewegen und die eigenen Ziele und Werte ohne mediale Manipulation zu verfolgen. Frauen müssen nicht das sein, was die Medien ihnen vorschreiben zu sein.

Zum Weiterlesen:

Quellen:

  • Grimm, P. & Zöllner, O. (2014). Gender im medienethischen Diskurs (1. Aufl.). Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
  • Velte, J., Fröhlich, R. & Holtz-Bacha, C. (2012). Die Darstellung von Frauen in den Medien. In: Frauen und Medien: Eine Synopse der deutschen Forschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. 1007/978-3-322-95644-6_5.
  • Fol, I. (2002). Das Frauenbild in den Medien. Weibliche Identitätsbildung durch den Einfluss in den Medien. München, GRIN Verlag.
  • Butte, M. (o. J.). Blick und Mythos. Überlegungen zu einem sentimentalen Bild-Konzept von Weiblichkeit. Abgerufen 13. Dezember 2020, von https://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/891/894.
  • Sasse, S. (12. Dezember 2017). Toxische Femininität – Eine Begriffserklärung. Abgerufen 13. Dezember 2020, von http://www.deliberationdaily.de/2017/12/toxische-femininitaet-eine-begriffsklaerung/.
  • Steinhart, S. (2014). Underworld’s Heldinnenideale – Rollen und Charakteristika neuer Weiblichkeit im Genrefilm.(Working Papers kultur- und techniksoziologische Studien, 01/2014). Duisburg: Universität Duisburg-Essen Campus Duisburg, Fak. für Gesellschaftswissenschaften, Institut für Soziologie. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168- ssoar-427581.