Ausstellung Frauen

Bild der Frau: wie eine Kunstausstellung stereotypische Frauenbilder aufbricht

Von Magdalena Gredel

Ob beim Sport, beim Ausgehen oder zu Hause – Bilder auf Social Media zeigen Frau stets gut gekleidet, frisch geschminkt, natürlich lächelnd. Wer zeigt sich nicht am liebsten perfekt in Szene gesetzt von der Schokoladenseite? Die Surrealistinnen der 1930er bis 1960er Jahre machen es vor – und präsentieren in der Ausstellung „Fantastische Frauen“ der Schirn Kunsthalle Frankfurt Frauenbilder einer anderen Art.

Plastische Figuren, die weibliche Silhouetten erahnen lassen. Schwarz-weiß Fotografien mit ungewöhnlichen Blickwinkeln, die auch vermeintlich unästhetische Körperpartien von Frauen zeigen. Filme, die geschlechtliche Dominanz- und Hierarchieverhältnisse thematisieren. Und farbenfrohe, abstrakte Gemälde, die die verschiedensten Facetten von Weiblichkeit symbolisieren: Die rund 260 surrealistischen Werke der aktuellen Ausstellung der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main setzen sich allesamt mit der Rolle der Frau auseinander – und sind dabei vor allem eines: Medien der geschlechtlichen Gesellschaftskritik.

Die Ausstellung „Fantastische Frauen“ entstand in Kooperation mit dem Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk, Dänemark, und rückt erstmalig die weiblichen Akteurinnen und ihre Werke der surrealistischen Bewegung der 1930er bis 1960er Jahre in den Fokus.

Geschlecht dekonstruiert

Ausstellung Frauen

Von Frida Kahlo bis Meret Oppenheim: 34 surrealistische Künstlerinnen laden in der Schirn Kunsthalle Frankfurt dazu ein, ihr Leben und Werken zu bestaunen. Foto: Magdalena Gredel

Durch mediale Präsentationstechniken wie Film und Fotografie, Malerei, Collagen, Papierarbeiten und Skulpturen erschaffen die 34 Surrealistinnen der Ausstellung ihre ganz eigene Interpretation von Weiblichkeit – und vermitteln diese auch dem Auge des Betrachtenden. Seit je her waren Frauen Gegenstand surrealistischer Werke von Männern. Durch die Ausstellung findet jedoch ein Perspektivenwechsel statt: Frauen sind nicht mehr nur Modelle, Geliebte oder Schülerinnen, sondern produzieren selbst aktiv Kunst.

Unter ihnen sind bekannte Persönlichkeiten aus der ganzen Welt vertreten, wie Frida Kahlo, Meret Oppenheim und Louise Bourgeois. Die Surrealistinnen präsentieren Kunstwerke aus über drei Jahrzenten, die nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch vielfältig sind. Mit ihrer Kunst setzen sie sich nicht nur mit Religion, Literatur oder Mythen auseinander – vielmehr verarbeiten sie das politische Zeitgeschehen. Auf der Suche nach einer neuen, weiblichen Identität kritisieren die Künstlerinnen das eigene Spiegelbild, die weibliche Darstellung und geschlechtliche Rollenverteilung und erschaffen dabei politische Traumwelten.

Die surrealistische Frau

Ingrid Pfeiffer

Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2015, Foto: Gaby Gerster

Die Frau, mythologisch dargestellt, als tierisches Mischwesen, als Hybrid oder gar göttergleich, als abstrakte oder monumentale Figur. Die Geschlechter, vermischt, in einer Metamorphose oder völlig neutral. Nicht um Äußerlichkeiten geht es den Surrealistinnen – sie setzen auf das genaue Gegenteil. „Die unterschiedlichen Lebensläufe der Künstlerinnen zeigen, dass diese trotz aller Widerstände ihren Weg erstaunlich selbstbewusst und eigenständig gegangen sind“, erzählt Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Schirn.

Die Werke der Künstlerinnen präsentieren genau das: selbstbewusste und ehrliche Frauenbilder, die Stärke, Unabhängigkeit und Dominanz gegenüber des unterlegen gezeigten, männlichen Geschlechts ausstrahlen. Sie befreien damit die Frau aus dem Status des bloßen Objekts der Begierde und Gegenstandes des männlichen Blickes. Durch ihre Werke vermitteln sie diverse, innovative Frauenbilder: „Jede hat ihren eigenen Stil, Sichtweise und Methode“, so die Kuratorin. „Das Spektrum reicht von Ironie und Umkehrung der Geschlechterrollen wie bei Leonor Fini über die Verarbeitung matriarchaler Vorbilder in Mexiko bei Frida Kahlo bis zum dritten Geschlecht bei Claude Cahun.“

Surrealismus vs. Realität

Viele Künstlerinnen versuchten in der Vergangenheit durch neutrale Pseudonyme, wie Toyen, oder durch androgyne Selbstdarstellung, wie Meret Oppenheim, nicht als Frau identifiziert zu werden. „Es herrschte das Vorurteil, Werke von Künstlerinnen seien weniger kraftvoll und innovativ“, bemerkt Ingrid Pfeiffer. Dabei hatte jede der Künstlerinnen eine professionelle Ausbildung gemacht, bevor sie zu der Kunstbewegung und Geisteshaltung des Surrealismus gestoßen sind. Wieder andere Surrealistinnen, wie Leonor Fini, standen optisch zu ihrer Weiblichkeit und betonten diese symbolisch als Vamp oder Katze. Auch heute noch kämpfen Frauen um ihr geschlechtliches Rollenverständnis, um ihre weiblichen Identitäten und alternative Geschlechterkonzepte. Hollywoodfilme, Werbungen und Soziale Netzwerke wie Instagram präsentieren unrealistische, schier utopische Frauenbilder und nur wenig diverse Konzepte von Weiblichkeit, die sich fest im Gedächtnis der Rezipienten verankern.

Es bestehen durchaus Parallelen im Verständnis und der Darstellung von Frauen und Weiblichkeit in der surrealistischen Kunst und in heutigen Social-Media-Plattformen wie Instagram und Co.: „Ich denke, dass es für Frauen bis heute schwierig ist, sich nach außen darzustellen und sie nach wie vor in Rollen schlüpfen müssen, um anders oder besser beurteilt zu werden“, gibt die Kuratorin zu denken. Sich das bewusst zu machen, wäre ein erster Schritt, um sich von dem typisch weiblichen Drang, immer nur zu gefallen, frei zu machen.

Kunst – ein Medium für Gesellschaftskritik

Ausstellung Fantastische Frauen

Die rund 260 Werke der Ausstellung stellen gesellschaftliche und geschlechtliche Normen in Frage. Foto: Magdalena Gredel

Längst ist wissenschaftlich erforscht, dass es zu allen Zeiten auch weibliche Künstlerinnen, Musikerinnen, Erfinderinnen und Schriftstellerinnen gab. Diese wurden jedoch nachträglich aus der männlichen Geschichtsschreibung aussortiert. „Leider wird dies nach wie vor verschleiert und ist noch zu wenig im Bewusstsein der Menschen angekommen“, gibt Ingrid Pfeiffer zu denken. Denn Kunst solle immer auch gesellschaftliche Fragen stellen und begründen, warum diese Themen auch heute noch relevant sind. „Ich denke, dass unser Publikum, das übrigens wie überall in Museen zu etwa 70 % aus Frauen besteht, nach Rollen-Vorbildern sucht“, berichtet sie.

Kunstbewegungen, mediale Formen und Repräsentationstechniken wie der Surrealismus bieten genau hierfür eine Plattform: Sie eignen sich – damals wie heute – als Medien zur kritischen Darstellung gesellschaftlicher Normen, wie Geschlechterrollen, und präsentieren den Rezipienten alternative, wenngleich surrealistische, Konzepte von Gesellschaft.

 

Übrigens – Auf Youtube führt die Kuratorin Ingrid Pfeiffer auch digital durch die Ausstellung: