Schlagwortarchiv für: Journalismus

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„Angst tötet Kreativität“ – MeWi-Talk mit Oliver Häußler

In unserem Format „MeWi Talk mit“ treffen wir uns mit einer Person rund um das Institut für Medienwissenschaft der Uni Tübingen. Dieses Mal mit Oliver Häußler, Journalist und Redaktionsleiter des Tübinger CampusTV. Im Interview mit Amelie Hambrecht spricht er über das Zitat „Angst tötet Kreativität“, das kollegiale Du und Chancen für angehende Medienpraktiker.

Phrasen-Schwein

Die 10 schlimmsten Phrasen

Absolut verführerisch, wenn man selber textet, und doch grottig, wenn man es dann selber lesen soll: Das sind Phrasen. Füttert nicht das Phrasen-Schwein und haltet euch fern von diesen 10 ausgelutschten Floskeln!

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Bike Bridge – eine Audioslideshow

In einer Zeit, in denen uns Medienangebote regelrecht überfluten, ist die Frage, wie man einen journalistischen Beitrag aufbereitet, ganz besonders wichtig. Denn nicht jedes Thema eignet sich für jedes Format. Wie lässt sich zum Beispiel ein Integrationsprojekt anschaulich porträtieren?

Schreibmaschine

Lösungsansätze für die Krise des Journalismus

Die aktuelle Krise des Journalismus bei den etablierten Medienunternehmen wie ARD, ZDF oder der TAZ zu beleuchten und analysieren war ein Ziel für die beiden Medienwissenschaftler aus Tübingen, Panagiotis Fotiadis und Thanh Mai Tran. Mit ihrer Reportage „Journalisten unter Druck – Eine Krise ohne Ausweg“ zeigen die beiden Studierenden mit ihrem Bachelor-Abschlussfilm auch interessante Lösungswege: Wie man mit individuellen digitalen Ideen journalistisch arbeiten und Geld verdienen kann: Handmade digital Journalism.

Reingelegt: Wie Medien Menschen täuschen

Von Roman van Genabith

Journalisten sollen für die Leser schreiben, nicht für sich selbst, wird ihnen immer wieder eingeschärft. Doch wie oft halten sie sich nicht daran?

Reaktionen von Lesern, Hörern oder Zuschauern auf die Arbeit der Journalisten können vielfältig sein: Von Hass und Ablehnung über unqualifizierte, aber belanglose Äußerungen bis zum völligen Desinteresse ist alles dabei. Da lässt sich durchaus nachvollziehen, wie mancher Kollege gelegentlich ausprobiert, wie aufmerksam die Zielgruppe tatsächlich ist. Aber wann geht ein solches Experiment zu weit?

Im Jahr 2010 strahlte der SWR auf seinem Kulturkanal SWR2 in der Sendereihe „SWR2 Wissen“ ein Feature aus, das sich mit einer Kolonie deutscher Auswanderer im indischen Ozean beschäftigte. Im 19. Jahrhundert, so der Autor in dem technisch durchaus anspruchsvoll gemachten Stück, strandete eine Gruppe schwäbischer Auswanderer auf den Kerguelen, einer entlegenen Inselwelt im indischen Ozean. Die auch Desolation Islands genannten Inseln liegen in der subarktischen Klimazone, es weht dort ganzjährlich ein stetiger Wind, die Vegetation ist kärglich, die Landschaft zerklüftet und unwirtlich. Dennoch ließen sich die Siedler dort nieder, gründeten eine Kolonie und bewahrten sich ihr schwäbisches Brauchtum bis heute. Das drückt sich auch im Programm ihres einzigen Radiosenders aus: Radio Neuschwabenland sendet einen Mix aus Heimatmusik und Nachrichten aus Europa. Betrieben wird das kleinste Bürgerradio der Welt vom einzigen hauptberuflichen Journalisten auf der Insel, dem deutschen Auswanderer Fred Rattenhart, der vor Jahren unter ungeklärten Umständen aus Deutschland verschwand und von den Insulanern mit offenen Armen aufgenommen wurde. Die Insel teilen sich die Schwaben mit den Bewohnern einer französischen Forschungseinrichtung, mit denen sie in friedlicher Eintracht zusammenleben.

Dieses kleine Utopia, das von einer Münchner LMU-Professorin im Feature gar als prototypische Gemeinschaft im besten Sinne der Europäischen Union charakterisiert wurde, hat nur einen bedenklichen Fehler: Es existiert nicht.

Genauer, der deutsche Teil der Inselbevölkerung ist schlicht eine, wenn auch fantasievolle, Erfindung des SWR-Autors Udo Zindel. Die französische Forschungsstation existiert tatsächlich. Schon seit dem zweiten Weltkrieg unterhält Frankreich die Niederlassung in seinem Subantarktis-Überseeterritorium. Deutsche Siedler aber gab es auf den Kerguelen nie. Die einzigen Deutschen, die je ihren Fuß auf die Insel setzten, gehörten zu zwei deutschen Versorgungsschiffen während des zweiten Weltkriegs.

Dreiste Luftnummer

Andre Holz (Name geändert) arbeitet bei einer großen Telefongesellschaft in der Kundenbetreuung. Seine Tage sind lang, die Routine ermüdend. Nach acht Stunden am Bildschirm schaltet er gern die Wellen des ARD-Rundfunks ein, häufig auch als Podcast. Ihm gefallen die sorgsam produzierten Stücke, die einen qualitativen Mix aus Wissen und Information transportieren. Die Sendung über den Sender am Ende der Welt begeisterte ihn. Auch, weil er in Kindertagen oft am heimischen Radio die Kurz- und Mittelwellenfrequenzen durchlauschte, fühlte er sich an die prädigitale Zeit des Radios erinnert.

Nachgeforscht

Die Faszination für die isoliert lebende Gruppe der Auswanderer teilt er mit verschiedenen Globetrottern und Geografieinteressierten, die sich in der subarktischen Inselwelt bereits selbst aufgehalten haben. Diese Weltreisenden in eigener Sache gingen dem Rätsel der großen Gruppe deutscher Siedler, von der bis dato noch nie jemand gehört hatte, schließlich auf den Grund.

Gute Fiktion mit Fehlern

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Das rührselige Stück genügt tontechnisch allen Ansprüchen und ist auch inhaltlich nicht schlecht recherchiert, aber eben auch nicht gut genug, wie Fabian Seitz Skyttevägen in seinem Blog schmerzlich ausführlich darlegt:

  • „Die Einwohnerzahl von fast 1000 Leuten auf der Insel ist für diese Breiten außerordentlich hoch. Mit Ausnahme der Falklandinseln erreichen alle subantarktischen Inseln gerade so dreistellige Einwohnerzahlen.
  • Es findet sich keine Spur von den subantarktischen Schwaben im Netz, was heutzutage schon fast verdächtig ist. Jedoch finden sich Reiseberichte über Kerguelen, die von der Forschungsstation Port-aux-Français erzählen, aber die deutsche Siedlung unerwähnt lassen. Auch der umfängliche Wikipediaartikel zur Insel sowie das CIA Factbook schweigen sich aus.
  • Der Sender benutzt Frequenzen, die für Rundfunk vollkommen unüblich sind. Die verwendete Langwellenfrequenz 103,7 kHz ist zu genau angegeben und liegt rund 50 kHz unter dem normalen Rundfunkband. Die Kurzwellenfrequenz 2073 kHz ist auch zu tief, und zwar so tief, dass sie schon eine Mittelwelle ist.
  • Der Sportreporter berichtet nicht wie behauptet aus dem Olympiastadion, denn das Ereignis, über das er berichtet, ist die Abschlussetappe des Giro d’Italia 1958, der über 10 Jahre vor dem Bau des Stadions stattfand. Dass er nach Kerguelen berichtet, ist bei der damaligen Technik auch kaum denkbar – er regt sich wohl eher über die schlechte Telefonleitung nach Deutschland auf.
  • Der Kerguelenkohl existiert zwar, aber angebaut wurde er wohl nie.
  • Die Professorin Sieglinde Ewerich und ihr „Lehrstuhl für Neuere Geschichte des südpazifischen und subantarktischen Raumes“ existieren zumindest im Internet nicht.“

Dass der Autor für die erwähnten Übertragungen aus der Heimat Ausschnitte bekannter historischer Sportübertragungen aus dem Rundfunkarchiv benutzte, komplettiert das traurige Bild einer kühl inszenierten Täuschung des Hörers.

Schließlich meldet sich die Apothekenumschau zu Wort und räumt eine weitere niedliche Fantasie des Features ab: „Die fiktiven Einwohner können kaum mit dem Export des einheimischen Kerguelenkohls und dem Verkauf an internationale Pharmakonzerne einen bescheidenen Wohlstand erwirtschaften: Der Kerguelenkohl ist zwar reich an Vitamin C und eine potenzielle Nutzpflanze, doch in der Natur ist er sehr selten geworden und ein kommerzieller Anbau ist bisher nicht gelungen.“

Zwischen Fakt und Fiktion

Nicht alle der aufgezählten Umstände zählen zum Allgemeinwissen und müssen Hörern ins Auge respektive Ohr springen, aber ganz unabhängig von der Plausibilität der Geschichte bleibt die Frage, ob ein Journalist oder Skriptautor Sendungen produzieren sollte, die vom Hörer zunächst auf ihre Authentizität geprüft werden müssen.

Die Antwort kann hier eigentlich nur ein klares nein sein. Welchen Grund könnte es geben die Hörer derart zu verschaukeln? Udo Zindel vom SWR blieb dem geografisch interessierten Blogger die Antwort keineswegs schuldig: „Man wollte die alte alemannische Tradition der Späße in der Fastnachtszeit ausnutzen und einen Fake an einem Tag platzieren, an dem die Leute nicht damit rechnen.

Ein Aprilscherz zu Fasching?

Ging es also tatsächlich nur um einen außerordentlich anspruchsvoll produzierten vorgezogenen Aprilscherz? Diese Tradition ist, besonders in Fachpublikationen, durchaus verbreitet: Redakteure bemühen sich um teils plausibel klingende Beiträge, die für den versierten Leser eine sensationelle Entwicklung ankündigen. Diese Scherze werden in der Regel am Ende des Tages oder spätestens dem nächsten Morgen aufgelöst und Leser und Autoren sind im Idealfall mit der humoristischen Einlage zufrieden.

Der SWR verzichtete gänzlich auf einen solchen Hinweis: Weder auf der noch immer abrufbaren Seite der Sendung, oder der Mediathek findet sich ein Verweis auf den komödiantischen Hintergrund der Sendung, im Audiobeitrag wurde ebenfalls auf jeden erhellenden Abschlusskommentar verzichtet.

Auch der Nachsatz in der Antwort Zindels macht nachdenklich: „Eine interessante Idee und ein interessantes medienwissenschaftliches Experiment, das vorführt, wie leicht man Dinge aus einer vermeintlich seriösen Quelle glaubt.“ Welchen Blick hat ein Publisher, der dieses Statement setzt, auf sein Publikum?

Was bleibt ist ein Stück, das vielen Hörern die flüchtige Illusion eines fernen, friedlichen Biotops subarktischer Völkerverständigung hinterlässt. Wie viele von ihnen werden den Beitrag gänzlich unhinterfragt hingenommen haben?

Andre Holz ist die Lust auf Podcasts des SWR und anderer ARD-Anstalten ein wenig vergangen. „Wenn man nicht einmal mehr hier sicher sein kann, dass stimmt, was man hört, warum sollte man es sich dann überhaupt noch anhören?“ Die Frage ist berechtigt.

Frustrierte Fiktionisten

Ein möglicher Erklärungsansatz könnte im Verhältnis der Autoren zu ihrer Zielgruppe zu suchen sein. Jeder, der bereits für ein (Massen)Medium gearbeitet hat, wird die Resignation in der täglichen Arbeit schon erlebt haben. Die Rezipienten können sich teils abwertend, teils in unqualifiziertem Brabbel-Ton oder auch gar nicht äußern. Die Empfindung stundenlang an einer Reportage zu arbeiten, die beim Rezipienten resonanzlos durchrauscht, kann durchaus den eingangs erwähnten Grundsatz des Journalismus in Frage stellen, ein Prinzip, das Medienforscher schon seit Jahrzehnten für chronisch gefährdet halten: Nicht für dich arbeitest du, sondern für dein Publikum.

Fotos: flickr.com/Pascal Subtil (CC BY 2.0), flickr.com/Pascal Subtil (CC BY 2.0)

Die Zukunft des Journalismus

Von Jasmin Gerst

Der promovierte Politikwissenschaftler Dominik Wichmann referierte am 14. Dezember im Kupferbau der Universität Tübingen über Veränderungen des Verhältnisses zwischen Publikum und Medien sowie dessen Auswirkungen auf den Journalismus wie wir ihn kennen. Wichmann war Chefredakteur des SZ-Magazins und beim STERN, außerdem hat er vor kurzem zusammen mit Guido Westerwelle dessen Biografie „Zwischen zwei Leben: Von Liebe, Tod und Zuversicht“ realisiert.

Geizige Digital Natives?

DominikWichmannWichmann stellt zu Beginn klar, dass der Journalismus noch nie besser war – die Qualität der Inhalte steigt, trotzdem sind immer wenige Konsumenten bereit für diese Qualität Geld zu bezahlen. Eine offensichtliche Veränderung stellt das Leseverhalten der Konsumenten dar. Fakt ist, dass viel weniger Menschen eine Tageszeitung abonniert haben als früher. Und warum? Weil mittlerweile fast alles kostenlos im Netz zu finden ist. Der Kampf, den die Journalisten führen müssen, lässt an der Zukunft des Journalismus zweifeln. Wichmann ist sich jedoch sicher, dass es ihn immer geben wird, allerdings in veränderter Form und mit qualitätsvolleren Inhalten. Die jüngere Generation der Journalisten, die Digital Natives, sind sich ihrer Zukunft zwar ungewiss, bringen jedoch gewisse Vorteile mit sich: Sie können das Neue leichter adaptieren und dabei spielt das Alter eine wichtige Rolle. Da sie bereits in jungen Jahren den Umgang in der digitalen Welt erlernt haben, sind sie der älteren Generation um Längen voraus. Denn Kommunikation allein reicht nicht mehr aus: Die Konsumenten fordern mehr Expertise, aber gerade die Digital Natives sind nicht bereit für diese Expertise zu bezahlen.

Akzeptieren und Umdenken

Fakt ist also, dass sich die Zeiten geändert haben und man sich dieser neuen Zeit anpassen muss. Dazu gehört nicht nur diesen Wandel zu akzeptieren, sondern ihn auch zu „wollen“. Denn die unendlichen Möglichkeiten, die es nun auf dem Markt gibt, müssen optimiert werden. Es ist also von großer Wichtigkeit, dass der Journalismus diese Angebote wahrnimmt und sich heute viel mehr vermarkten muss als früher. Dazu gehört unter anderem stets präsent zu sein, Expertise zu erlangen, Unvoreingenommenheit sowie Form und Inhalt in Einklang zu bringen. Wichmann stellt außerdem fest, dass dieser Umbruch auch viele Widersprüche mit sich bringt. Ein Journalist muss zwei wichtige Parameter vereinen: möglichst aktuell und möglichst zeitnah sein. Das bedeutet, was die Aktualität betrifft, im digitalen Zeitalter angekommen zu sein (Stichwort Liveticker oder Twitter), sowie möglichst schnellen und guten Journalismus zu präsentieren. Dass die Qualität dadurch auf der Strecke bleibt, ist nur allzu verständlich. Nur ein wirklich guter Journalist kann diese beiden Kräfte vereinen, aber dadurch steigt ein weiterer Druck – die Möglichkeit des Scheiterns.

Präsent sein

Ein weiteres Problem ist, dass die Leser nicht nach bestimmten Nachrichten suchen. Die Daten kommen zum Leser und nicht der Leser zu den Daten. Diese werden aufgrund von den Spuren, die der Nutzer tagtäglich hinterlässt, angepasst. Wichtig sei außerdem, dass die Inhalte dort zu finden sein müssen, wo der Leser sich aufhält (z.B. Werbung bei Facebook / Twitter / Instagram etc.). Deshalb wird es immer wichtiger auf Facebook, YouTube, Twitter usw. präsent zu sein. Dass der mediale Wandel begonnen hat, zeigt sich auch dadurch, dass hochkomplexe Themen mittlerweile über mehrere Stunden (z.B. Serie Mad Men) ausdiskutiert werden können. Problem dabei ist jedoch, dass nicht jeder Sender kooperiert und weiterhin ein „spießiges und biederes“ TV-Programm bietet. Die Digitalität ermöglicht revolutionäre Umbrüche sowie eine enorme Verfügbarkeit der Daten.

Aus Real-Time wird Before-Time

Ist es also ein Ende des Journalismus wie wir ihn kennen? Das Berufsbild wird zwar nie verschwinden, so Wichmann, aber der Journalist muss umdenken und sich deutlich mehr nach seinen Lesern richten. Außerdem wird er es deutlich schwerer haben als früher. Denn der Redakteur der Zukunft übernimmt die Rolle als Chefredakteur der Gegenwart. D.h. die Transparenz der Daten führt dazu, dass er oder sie entscheiden.

Durch diese Verfügbarkeit der Daten wird der Journalismus zu einem ganz anderen, so gravierend wird er sich verändern. Sein retrospektiver Charakter wird erweitert und eine neue Erzählform wird entstehen: aus Real-Time wird Before-Time. Um erfolgreich zu sein, fügt Wichmann hinzu, muss man das Rad nicht neu erfinden, es reicht lediglich es als erster zu importieren. Innovation wird ein großes Stichwort sein, diese ist jedoch mühsam und anstrengend. Deshalb ein weiterer Tipp von Wichmann: bestehendes Optimieren!

Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Krisenjournalismus trifft auf Fiktion

von Andrea Kroner

Das Thema Israel ist in den Medien schon seit Jahren präsent. Doch dabei bleibt man stets in der Rolle des Außenstehenden. Frank Schätzing gelingt es in seinem Roman, durch die Perspektiven vieler Personen eine weitaus größere Nähe zu schaffen: Ein Krisenreporter, ein Siedler, ein Rabbi und eine Jugendliche sind nur einige Charaktere, welche die Hintergründe verständlicher machen und für unerwartete Wendungen sorgen.

 

Eine Jagd durch die Geschichte Israels

2008. Der erfolgreiche Krisenreporter Tom Hagen ist viel im Nahen Osten unterwegs und liebt den Nervenkitzel. Doch bei einer Geiselbefreiung müssen durch sein Verschulden sowohl die Geiseln als auch seine Assistentin sterben. Das bedeutet das komplette Aus für ihn.

1929. In einem kleinen Dorf im damaligen Palästina beginnt die Lebensgeschichte des späteren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Dieser Teil der Handlung wird zu einer Familiengeschichte über die Besiedlung Palästinas ausgeweitet.

2011. Die Handlung springt zurück zu Tom Hagen, der mittlerweile für ein drittklassiges Online-Magazin im Nahen Osten arbeitet. Durch einen ehemaligen Kollegen erfährt er von CDs mit geheimen Daten über den israelischen Geheimdienst. Darin sieht er seine große Chance für ein Comeback. Doch die gekauften Informationen stellen sich als wertlos heraus, weshalb Hagen ein Attentat auf den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon erfindet. Der Anschlag fand jedoch wirklich statt, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß. Der dadurch aufgeschreckte Geheimdienst und die Attentäter werden durch seine „erfundene“ Geschichte auf ihn aufmerksam und jagen ihn durch ganz Israel. Mit ihm flieht die Mitattentäterin Yael Kahn, die von den Anschlagplanern als Hagens Informantin angesehen wird, da sie ihre Tat bereut. Nach einer langen Odyssee gelingt ihnen die gemeinsame Flucht nach Jordanien.

 

Zwischen der Geschichte Israels und einem erfundenen Attentat

Der Autor hat sich sehr intensiv mit den Themen Israel und Nah-Ost-Konflikt auseinander gesetzt. Er hat ausgiebig recherchiert, um sich in die Materie einzuarbeiten. Dazu hat er auch bei vielen Gebieten Experten zu Rate gezogen, um beispielsweise Geiselnahmen oder das Flugverhalten von Kampfdrohnen authentischer beschreiben zu können. Darüber hinaus ist er drei Wochen lang quer durch Israel gereist, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass keineswegs „überall nur Hass vorherrscht. Es gibt Hass, keine Frage – die Hamas im Gazastreifen, die radikalen Siedler sind von Hass getrieben. Aber in breiten Kreisen der Bevölkerung findet man überraschend viele Freundschaften zwischen Palästinensern und Israelis, kleine Kooperativen, Partnerschaften. Selbst zwischen Siedlern und ihren arabischen Nachbarn.“

Durch diese intensive Beschäftigung mit der Thematik schafft er es, viele Details zu beschreiben und alles ausführlich zu erklären, wodurch der Leser das Gefühl bekommt, sehr gut über das Thema informiert zu werden. Doch manchmal werden  fast zu viele Komponenten eingearbeitet: Der Versuch einer umfassenden Darstellung führt dann zu weit und behandelt Themen, die für die eigentliche Geschichte nicht mehr relevant sind.

Doch bei „Breaking News“ fließen nicht nur Fakten, sondern auch wesentliche fiktionale Elemente mit ein: Der komplette Handlungsstrang über Tom Hagen und das Attentat entspringen einzig den Gedanken des Autors. Auch sind fast alle Charaktere frei erfunden oder nur an reale Personen angelehnt. Doch gerade bei Ariel Scharon sind viele Äußerungen Originalzitate und Situationen oft dem eigentlichen Leben nachempfunden. Er verflechtet seine eigenen Erfahrungen aus Israel mit Erzählungen, Geschichte und Fantasie. Dadurch gelingt dem Autor sehr gut, Fakt und Fiktion so miteinander zu verknüpfen, dass es für den Leser schwierig wird, dazwischen zu unterscheiden. Es ist dabei nur etwas schade, dass nicht klar erkennbar wird, welchen Teile der Geschichte Recherche zugrunde liegt und welche frei erfunden sind. Dadurch geht etwas verloren, worauf der Autor hinaus möchte. Doch genau das scheint es zu sein, was Schätzing erreichen möchte.

 

Zwischen Anschaulichkeit und Verwirrung

Das Buch besteht aus mehreren Handlungssträngen, die von verschiedenen Figuren zu unterschiedlichen Zeiten handeln. Diese brechen oft abrupt ab und werden erst später wieder aufgegriffen. Auch scheinen sie gerade am Anfang nicht miteinander in Beziehung zu stehen, was den Leser verwirren kann, da kein klarer Zusammenhang erkennbar ist.

Erst gegen Ende der Geschichte zeigen sich die Beziehungen der Handlungsstränge zueinander und führen zu einem gelungenen Schluss. Letztendlich stellt man fest, dass die Geschichte sehr ausgefeilt ist und Frank Schätzing ein gut durchdachtes, aber schwer zu lesendes Buch geschaffen hat.

 

Kriegsreporter – kein Job für Jedermann

Die Berichterstattung aus riskanten Gebieten ist die gefährlichste Art des Journalismus, sowohl auf  psychischer als auch auf physischer Ebene. Deshalb machen die meisten dies nur auf Zeit oder nutzen es als Karrieresprung. Doch leider werden viele schlecht darauf vorbereitet und wissen gar nicht, was sie wirklich erwartet und wie sie damit umgehen sollen. Sie sind nicht auf das Elend der Menschen, die Spannungen und Einschränkungen der Gebiete vorbereitet und viele zerbrechen daran. Darüber hinaus tragen Reporter aus Prinzip keine Waffen und sind deutlich als solche gekennzeichnet, was sie jedoch nicht vor Attentaten und Geiselnahmen schützt. Allein im Irak wurden bis 2011 151 Reporter getötet.

Doch es gibt auch eine andere Seite: Viele erfahrene Krisenreporter haben Gefallen an der ständigen Gefahr und an der aufregenden Seite dieses Berufs gefunden. Dazu zählt auch Tom Hagen aus „Breaking News“. Er hat sich auf diesen Berufszweig spezialisiert und ist schon lange im Geschäft. Dadurch kennt er viele regionale Kontaktpersonen, weiß wie er sich gegenüber den Einheimischen und  sogar Geiselnehmern sowie unter Beschuss verhalten muss und würde fast alles für eine gute Story geben. Dadurch hat er sich bei seiner renommierten Zeitung auch einen guten Ruf erarbeitet. Doch er geht bei der Jagd für eine gute Geschichte einen Schritt  zu weit und gefährdet dafür sogar eine Militäraktion. Er ist so besessen von seinem Job, dass er dabei alles andere außen vor lässt.

Natürlich zeichnet Frank Schätzing in seinem Roman einen extremen Charakter, doch sollte man sich immer im Klaren darüber sein, dass alle Krisenreporter ihr Leben aufs Spiel setzen, um eine gute Geschichte zu bekommen und ihr Land mit den neuesten Informationen versorgen.

 

Durchhaltevermögen gefragt

„Breaking News“ reiht sich nahtlos hinter Frank Schätzings bisherigen Werken ein. Es behandelt eine spezielle Thematik und ist kompliziert zu lesen. Doch wer die Ausdauer besitzt, dieses Buch zu beenden, wird mit vielen interessanten Hintergrundinformationen über den Nah-Ost-Konflikt und einer spannenden, gut erzählten Geschichte belohnt.

Tübinale 2014: Darth Vader hatte die Nase vorn

                                                                                                                                                    von Maya Morlock

Am vergangenen Freitag, den 6. Juni 2014, war es endlich wieder soweit: die Studenten der Medienwissenschaft luden zur „Tübinale“ in die Aula des Keplergymnasiums ein. Die von Prof. Klaus Sachs-Hombach initiierte Veranstaltung stand wie auch in den Vorjahren unter dem Motto „transmediale Welten“. Angehende Jungregisseure bekamen hier die Chance ihre eigenen Filme zu diesem Thema zu präsentieren.

 

Transmediale Welten, wie setzten die Gruppen das um?

Gezeigt wurden 12 Filme à höchstens 6 Minuten, anschließend beantworteten die jeweiligen Verantwortlichen Fragen zu ihrem Werk. Nachdem alle Filme gezeigt vorgeführt wurden, erfolgte die Siegerehrung: Der Publikumspreis wurde an die Gruppe mit dem größten Applaus vergeben, über die Plätze drei bis eins entschied eine externe Jury, bestehend aus Experten der Medienbranche, wie zum Beispiel Manfred Handtke (Tagblatt-Redakteur)  und Studenten der Medienwissenschaft. Thematisch wurde in allen gezeigten Filmen besonders der Umgang mit den Medien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft fokussiert.
Oftmals wurden die negativen Aspekte aufgezeigt, wie beispielsweise in dem Film „Frei“, in dem ein Mann durch das Ausfallen der medialen Apparate gezwungen wird, wieder in das echte Leben zurückzukehren und dabei bemerkt, dass die Realität mehr bereithält als die mediale Welt. Die Abgrenzung zwischen medialer digitaler und realer Welt und wie sich unter deren Einfluss zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln, wurde häufig thematisiert.

Der einzige Film, der die Medien dabei eher positiv darstellte war „treasure“, der die Neuerungen als unendlich großen und namensgebenden Schatz darstellte. Wertungsfreie Filme waren ebenfalls vorhandenwurden, so beispielsweise der Dokumentarfilm „natives vs. immigrants“, in dem Passanten in der Tübinger Altstadt ihre Meinung zu „neuen“ und „alten“ Medien  preisgaben. Einen alten Walkman lehnte eine ältere Dame ab, ein Buch galt als habtisches Gut, das nicht durch ein E-Book verdrängt werden könne und eine Polaroidkamera befand der Großteil trotz der veralteten Technik als zeitlos und hip.

Bei solch einer Bandbreite von Filmen und kreativen Ideen war es sichtlich schwer einen klaren Gewinner zu ermitteln. Einige glänzten mit einem überragenden filmischen Know-How, andere denen man anmerkte, dass es wohl ihre erste Filmproduktion ist, überzeugten dagegen mit einer kreativen Umsetzung.
Bemerkenswert ist, dass alle Siegerfilme ohne gesprochene Sprache auskamen und sich, wenn überhaupt, nur Worteinblendungen bedienten. Die Atmosphäre wurde jedoch durchweg über eine passende Musik- und Soundauswahl übermittelt.

 

Die Wandlung der Medien – War früher alles besser?

Auf dem dritten Platz landete der Film „All the ways“, der die alten Medien mit den Neuen verglich: Wo viele nach dem Aufstehen eine „Wetter-App“ öffnen, streckt der Protagonist den Finger aus dem Fenster, um die Außentemperatur zu ermitteln. Zeitung gegen MP3 Player, Stadtkarte vs. Navi. Fazit ist, man kommt mit den alten Medien genauso gut ans Ziel, wie mit den Neuen.

„21st Century Love“, der den zweiten Platz belegte, erzählt dagegen die Geschichte einer Internetbeziehung: Die Protagonisten entschließen sich dazu, sich das erste Mal zu treffen. Im Zug wird die Protagonistin von ihrer Gedankenwelt übermannt. Sie stellt sich vor, wie der Liebste sie wegen einer anderen Frau versetzen oder sie mit offenen Armen empfangen könnte. Das reale Geschehen bleibt unerzählt –, da der Film endet, als sie aus dem Zug steigt. Ein Film der zum Nachdenken anregt, wie gut wir die Menschen eigentlich kennen, die wir beispielsweise als Facebook– Freunde haben. Dieser ergreifende Film räumte gleichzeitig den Publikumspreis ab und das Entwickler-Team „Purple Produktions“ freute sich über insgesamt 6,5l Wein, den sie zur Feier des Tages teilen würden.

 

Star Wars – Die Brücke zwischen den Medienangeboten

Beim Siegerfilm “Transmedialove“, von Mareike Stohp, Nina Linsenmayer und Johanna Dreyer, blieb im Saal kein Auge trocken. Stellenweise war nur schallendes Lachen zu vernehmen. Somit ging der erste Platz hochverdient an einen urkomischen Film, der trotzdem einen kritischen Aspekt behandelt: Es wird ein junger Mann über drei Monate hinweg begleitet seine Entwicklung verfolgt. Er ist ein großer Star Wars– Fan und verliert sich zunehmend in der galaktischen Welt. Die prominenten Sounds aus dem Film wurden ebenso aufgegriffen wie  prägnante Zitate, beispielsweise „May the force be with you“. Seine Star Wars– Obsession gipfelt schließlich darin, dass er sich ein Darth Vader Kostüm zulegt, dieses in seinem Alltag trägt und gänzlich dessen Rolle einnimmt. Es hielt kaum noch einen Zuschauer auf seinem Stuhl, als Darth Vader eine Bank betritt und die automatisch öffnenden Türen mithilfe seiner „Macht“ öffnet. Als Vader eine Gleichgesinnte findet, die stark an Prinzessin Leah erinnert, ist die „transmedialove“ perfekt. Ein Film mit wahrer Liebe zum Detail. Überall sind Star Wars Utensilien zu finden. Raffinierte Schnitte, eine gelungene Musikauswahl und eine überzogene Darstellung, wie man sich in einer medialen Welt verlieren kann, machen diesen Film einzigartig. Durch den komischen Aspekt behält er sich zudem vor, eine klare Wertung abzugeben. Vader hat sein Gegenstück, seine Leah gefunden und dort endet auch ihre Geschichte. Es wird nicht gezeigt, ob er den Weg zurück gefunden hat oder mit seiner Leah glücklich in der Phantasiewelt lebt. Sichtlich überrascht über ihren Erfolg betraten die Gewinner die Bühne. Laut eigener Aussage, wählten sie Star Wars bewusst, da es sich hierbei um ein wahrhaft transmediales Format handelt: Die unendlichen Weiten finden sich in Filmen, Comicbüchern, Fernsehserien und auch als Videospiel. Mit Anekdoten vom Dreh entzückte das Siegerteam „Digital Natives“ die Zuschauer: So habe Darth Vader in der Tübinger Innenstadt viel Aufsehen erregt, –Ein Mann habe beim Eintreten in die Bank sogar einen Überfall befürchtet!

Zusammenfassen lässt sich die diesjährige Tübinale wohl als ein Abend voller gelungener Filme, die ein überraschend hohes Niveau zeigten. Zu hoffen ist, dass dieser Event auch 2015 stattfindet, bei dem die Studenten der Medienwissenschaft ihr Können und ihre Kreativität vor Publikum unter Beweis stellen können.

Fotos: ©Presse Tübinale

Abschied vom Pessimismus – Warum der Journalismus von der digitalen Revolution profitiert

von Sabine Appel

 

Jedes Jahr lädt das Institut für Medienwissenschaft in Kooperation mit dem SWR prominente Persönlichkeiten zu einem Vortrag über aktuelle Themen in der Medienbranche ein. Gast bei der 11. Tübinger Mediendozentur am Montagabend, den 26. Mai 2014, war Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Er sprach über die aktuelle Sinnkrise des Journalismus, die aus der Digitalisierung entstanden ist und vertrat die Meinung, dass man ihr deutlich optimistischer entgegenblicken sollte als bisher. „Plakativer Pessimismus“ sei fehl am Platz, denn eigentlich biete die Digitalisierung genügend Chancen für den Journalismus. Laut Döpfner kann der digitale Journalismus in Zukunft sogar besser werden als der analoge.

Das aktuelle Problem der Verlage ist kurz zusammengefasst: Durch den digitalen Wandel und die kostenlosen Angebote im Internet gehen die traditionellen Printmedien unter. Einzelne Monopolisten (Google, Facebook) bedrohen die Verlage auch online mit ihrer Macht, denn sie kontrollieren die Inhalte im Netz. Die Meinungsvielfalt ist in Gefahr, weil Google und Co durch ihre Algorithmen den von den Nutzern – das sind allein in Deutschland derzeit 91,2% aller Internetnutzer – wahrgenommenen Content diktieren.  Eine weitere Gefahr stelle das „Diktat der Klickzahl“ dar, von dem  Professor Bernhard Pörksen in den Vortrag einleitenden Worten sprach: Dieses könne zum Qualitätsverlust führen, denn im Internet muss bis zu einem gewissen Grad veröffentlicht werden, was der Nutzer lesen will. Wer dies ignoriert, bekommt keine Klicks mehr und wird als Medium nicht mehr gehört. Aber was bedeutet das für den Journalismus?

 

Qualitätsjournalismus vom Papier aufs Tablet bringen

Döpfner stellte im Grunde zwei Thesen auf: Im Verlagswesen ändert sich durch die digitale Revolution letztlich nicht so viel wie ständig befürchtet wird. Aus diesem Grund ist der Journalismus an sich auch nicht dem Untergang geweiht. Außerdem dürfe man als Zeitung entgegen einer landläufigen Meinung eben nicht alles anders machen als bisher, um erfolgreich zu bleiben. Der Schlüssel zum Erfolg sei es, so Döpfner, die klassische „Idee des Journalismus vom Papier zu emanzipieren“. Man müsse sich auf die Grundqualitäten und –fertigkeiten des professionellen Journalismus berufen, um als Verlag bestehen zu bleiben, ganz unabhängig vom Medium.

Der Journalismus dient laut Döpfner nicht mehr als Instrument zur Volksbelehrung, das dem Leser überlegen ist, sondern ist zu einer Dienstleistung geworden, die sich nach dem Nutzer richten und damit auskommen muss, dass der Nutzer selbst auch publiziert – seien es Kommentare oder sogar eigene Blogs. Doch viele sehen in genau dieser Umkehrung die Problematik: Wenn jeder sein eigener Chefredakteur sein und seine Meinung im Internet publizieren kann, sind Profis vielleicht irgendwann überflüssig. Dem widerspricht Döpfner – denn es gebe „nicht nur Schwarmintelligenz, sondern auch Schwarmdummheit“. Zwar sei der kritische Nutzer eine Bereicherung für die Diskussion, aber keine Bedrohung. Denn je größer das Angebot an Informationen sei, desto größer sei auch das bleibende Grundbedürfnis nach Orientierung und Anleitung durch kompetente Meinungsführer. Im digitalen Journalismus ginge es dem Nutzer nicht mehr nur um Informationsbeschaffung, sondern um die Einordnung und Diskussion dieser Information. Davon können Verlage profitieren, indem sie sich auf ihre traditionellen Qualitätsmerkmale berufen.

 

Content is king

Eine weitere interessante These Döpfners ist, dass „elektronisches Papier“ in einigen Jahren so aussehen wird wie heutzutage analoges Papier. Es sei dann dünn und faltbar, habe also alle Qualitäten des bisherigen und sei durch die fortgeschrittene Technologie und ökologische Verträglichkeit noch besser. An dieser Stelle zieht Döpfner eine Parallele zum Journalismus: Mit dem abbildenden Universalmedium könne auch der Journalismus besser werden, da sich die Zeitungen nicht mehr durch Materialmerkmale von den anderen unterscheiden könnten, sondern nur noch durch besser aufbereitete Inhalte. Diese Anforderung sei auch eine Chance. Der Journalismus im Netz sei 1. tiefgründiger, weil er längere Beiträge ermöglicht, 2. aktueller, weil eine sofortige Publikation möglich ist, 3. relevanter, weil es einen größeren Adressatenmarkt gibt und die Inhalte für jeden zugänglich sind, 4. interaktiver und damit klüger, weil Fehler korrigiert werden können und 5. intermedial und deshalb kreativer nutzbar. Der digitale Journalismus fördere damit Qualität wie eh und je. Das Erfolgsrezept für Verlage sei daher, „technisch progressiv, ästhetisch neu und inhaltlich konservativ“ aufzutreten.

Eine kleine, überwindbare Hürde sieht Döpfner in der aktuell vorherrschenden „Gratiskultur“, die generell Informationen und besonders qualitativ hochwertigen Journalismus als kostenlose Güter annimmt. Dies sei viel gefährlicher für den Journalismus als der Wechsel von Print zu Digital. Dennoch ist Döpfner optimistisch, dass Nutzer in Zukunft vermehrt bereit sein werden, für unabhängig recherchierten, professionellen Journalismus zu bezahlen. Verlage müssten sich nun darauf konzentrieren, auch das junge Publikum zu begeistern. Das ginge am Besten, indem sie die drei traditionellen Qualitätskriterien – Neuigkeiten, Meinung und Sprache – charismatisch und mit Zeitgeist vertreten. Nutzer suchen laut Döpfner nicht nur nach Information, sondern nach Haltung – ganz unabhängig davon, ob sie dieser am Ende zustimmen oder nicht. Außerdem sei eine emotionale Note sehr wohl gewünscht – Medien dürften ruhig eine Seele verkörpern, die die Leser bewegt. Durch die gesteigerte Medienkompetenz entstehen hohe Ansprüche an Journalisten, die jedoch auch als Chance wahrgenommen werden können. Abschließend sagte Döpfner, dass unabhängig davon, was sich technisch verändere, doch immer eines bleibe, das man bewahren müsse: Guter Journalismus. Eine sinnvolle Forderung, so simpel sie auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

5 Möglichkeiten, wie Medien und Journalisten soziale Netzwerke nutzen können

von Alexander Karl

Die Zeiten, in denen gesellschaftliche Debatten in der Kneipe um die Ecke stattfinden, sind noch nicht vorbei. Doch mit den sozialen Netzwerken haben sich neue Orte etabliert, in denen diskutiert wird: Seit Wochen ist etwa die Große Koalition, kurz GroKo, ein zentrales Twitter- und Facebookthema. Die klassischen Medien und einige Journalisten haben Twitter und Facebook längst für sich entdeckt – und greifen über diese in die Debatten ein. Doch wofür nutzen Medien, Journalisten und Blogger soziale Netzwerke?

Variante 1: Social Media zur Distribution journalistischer Inhalte

Sicherlich haben nur die wenigsten User Zeit und Lust, alle wichtigen journalistischen Medien wiederholt am Tag zu besuchen. Abhilfe schaffen da die Medien selbst: Spiegel Online, heute.de und Co. sind auf den sozialen Netzwerken vertreten und posten dort ihre Beiträge. Followen die User bei Twitter oder Liken sie die Seiten bei Facebook, bekommen sie die News direkt auf die Timeline. Artikel und Videos erreichen die Nutzer somit da, wo sie sich sowieso befinden: In den sozialen Netzwerken.

Variante 2: Social Media als Themenlieferant und Straßenumfrage

Die Landung eines Flugzeugs im Hudson River oder News der Koalitionsverhandlungen – die Informationen haben die User wahrscheinlich zuerst in den Sozialen Netzwerken erreicht. Bei der Notlandung im Hudson River 2009 war ein Tweet „mit höchster Wahrscheinlichkeit die erste Nachricht überhaupt, die über die Beinahe-Katastrophe von New York in die Welt gesetzt wird“, wie es Spiegel Online formuliert. Bei den Koalitionsverhandlungen waren es die Politiker selbst, die die Öffentlichkeit so auf dem Laufenden hielten. Sowohl die Notlandung 2009, als auch die Twitter-Nachrichten aus den Koalitionsverhandlungen wurden von den klassischen Medien entsprechend aufgegriffen. Die sozialen Netzwerke werden so zum Themenlieferant. Doch nicht nur die Tweets von Politikern werden journalistisch aufbereitet: Auch die Tweets von Otto-Normal-Bürgern werden von etablierten Online-Medien aufgegriffen. Anstatt in Deutschlands Innenstädten Passanten nach ihrer Meinung zu fragen, stellen Journalisten die Tweets und Posts der Nutzer zu einem Thema zusammen – quasi als Straßenumfrage 2.0 (media-bubble.de berichtete).

Variante 3: Social Media als Kommunikator

Die Zeit, in der es sich die klassischen Medien erlauben konnten, auf ihre Rezipienten nicht einzugehen, ist vorbei: Journalisten suchen auf Twitter und Facebook den Diskurs – so fragte die Schwäbische Zeitung ihre Follower beispielweise nach ihrer Meinung zu den Maut-Plänen der CSU. Gleichzeitig können die Medien Fragen der User beantworten und Feedback entgegennehmen. Tweets und Facebook-Kommentare sind damit das Online-Pendant zu den klassischen Leserbriefen. Mit einem großen Unterschied: Sie sind öffentlich und für jedermann einsehbar.

Variante 4: User helfen bei der Recherche

Warum sollten Journalisten nicht unter ihren eigenen Followern oder Freunden nach Unterstützung für Beiträge suchen? Daniel Bröckerhoff fragte beispielsweise Ende November für das Medienmagazin ZAPP um Hilfe über Twitter. Für den ZDFcheck während des Wahlkampfes konnten die User gar bei der Recherche helfen. Dabei wurden die Aussagen von Politikern auf ihre Richtigkeit geprüft, die User konnten die Recherche mit Hinweisen unterstützen.

Variante 5: Journalisten werden sichtbarer

Nicht nur die Medien können sich und ihre Beiträge über Social Media darstellen und sichtbar machen, sondern auch die Journalisten selbst. Sie können ihre Community mit persönlichen Meinungen, Analysen und Linktipps auf dem Laufenden halten und sich damit gleichzeitig selbst nur Marke machen. Gerade für Journalisten, die nicht vor den TV-Kameras stehen, ist das eine Möglichkeit, sich zu präsentieren. Dabei reicht das Spektrum der twitternden Journalisten von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, über den Mitherausgeber der FAZ Frank Schirrmacher, bis hin zum Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL Wolfgang Büchner.

Social Media – das hat diese Übersicht gezeigt – ist von großem Nutzen für den modernen Journalismus. Gleiches gilt natürlich auch für Blogger, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind. Und doch ist klar: Je mehr Medien, egal ob klassische oder reine Online-Medien, die sozialen Netzwerke bevölkern, desto eher droht ihnen die Gefahr, im News-Strom nicht mehr wahrgenommen zu werden. Und dann sind es doch wieder die analogen Stammtische, die das eigentlich Wichtige herausfiltern.

 

Bilder: flickr/lioman123 (CC BY-SA 2.0), flickr/mauricevelati (CC BY 2.0)